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Saint Potern war in besonders liebenswürdiger Laune nach dem Stiftsgarten gekommen und hatte mit seiner Tochter, da die Gräfin von ihrem Streifzuge nach den Geheimnissen im Schlosse Sonnenfels noch nicht heimgekommen war, einen gemüthlich schönen Tag verlebt. Sein flatterhafter Sinn fühlte sich ausnahmsweise mächtig von dem gehaltenen Wesen seiner Tochter gefesselt und er ging um so williger auf ihre entschieden ausgesprochenen Pläne zu einer ruhigern und noblern Häuslichkeit ein, da er gerade exaltirt genug für sie war, um in einer Vereinigung ihrer Interessen augenblicklich Befriedigung zu finden.
Eveline gab sich freudig der Empfindung hin, endlich Schutz und Halt dort zu finden, wo die natürlichen Rechte sie darauf anwiesen. Sie bequemte sich willig gleich von vorn herein zu seinen Spielereien, die durch die Lebhaftigkeit, womit er sie betrieb, den Schein von fixer Idee gewannen. Eveline zerklopfte an diesem Tage zum ersten Male unter lächelndem Ernste eine Menge Kieselsteine mit ihrem Vater, der bei jedem neuen Versuch weissagte, daß sie einen Edelstein finden werde. Fand sich der prophezeite Edelstein nicht, so stimmte er in das herzliche Gelächter seiner Tochter ein und ermahnte sie, nicht zu ermüden, denn »Brillanten fänden sich einmal nicht, wie Erdbeeren, zu Tausenden im Walde«.
Eveline verstand die Anspielung, die ihrem Opfer zu Gunsten der Baronin galt, sehr wohl, that aber nicht, als erwarte sie dergleichen Vorwürfe von ihrem Papa, der sie dann immer seltsam schlau anlächelte. Sie gedachte mit stiller Genugthuung eines andern Edelsteines, der ihr in den Gauen dieses schönen Landes willfährig entgegengetreten war und ihr die Hoffnung auf ein großes, unermeßliches Glück im irdischen Leben geboten hatte. Wenn sich diese Hoffnung verwirklichte, wenn Burkhard v. Mallzow, das Ideal ihrer Kinderträume, sie mit ruhiger Ueberzeugung zu seiner Gattin erwählte – was blieb ihr dann noch zu wünschen übrig? Gewann sie nicht eine bleibende Stätte, einen Wirkungskreis, ehrenvoll und befriedigend, genug um sie glücklich zu machen? Alle ihre Wünsche in dieser Hinsicht harmonirten mit den Ansichten ihrer verstorbenen Mutter, die sich von dem Sinne ihres Vaters je länger, desto mehr verletzt und abgestoßen gefunden hatte. Ein kleiner Raum auf Erden, wo sie in ehrenhafter, weiblicher Wirksamkeit schaffen konnte – ein kleiner Kreis von guten, edeln Menschen, die sie hochachteten ihres Wirkens wegen! Wie oft hatte ihre Mutter seufzend um die Erfüllung dieser bescheidenen Wünsche gefleht und war jedes Mal von ihrem Vater unter liebenswürdigem Hohnlachen damit abgewiesen. Ihm war das ganze Universum noch zu klein für seinen vermessenen Ehrgeiz – sein Reichthum erlaubte ihm, sich neben Fürsten zu stellen – da war der Platz, den er zu gewinnen suchte – wie er dahin gelangte, das wäre ihm gleich gewesen. In ihm wallte eine Ader des Napoleon'schen Blutes, das schon damals anfing, hochauf zu sprudeln.
Es waren also viel versprechende Stunden, die Vater und Tochter mit einander verlebten, bis die Gräfin Hoym von ihrer Entdeckungsreise zurückkam und ihnen die große Neuigkeit von der abscheulichen Effronterie der beiden Juweliere mitbrachte, die eigens aus der Residenz gekommen seien, um einen unheilbaren Schandfleck auf die Ehre einer hochgestellten Dame zu werfen.
»Aber, mein Herr von Saint Potern,« schloß die Dame Hoym ihren Sermon über den steigenden Uebermuth reicher Bürger, »der alte Adel Preußens hält zusammen in Noth und Tod und wenn sich die Bosheit des Bürgerthums auch bis in die Schlösser der hohen Aristokratie hineinwagt, vor den Thüren der Salons wendet sie sich kriechend und unterwürfig um. Ich behaupte, da steckt etwas ganz anderes dahinter, wie wir denken. Aber es werden nicht 24 Stunden vergehen, so wird es meinem scharfen Verstande klar sein, was diese Comödie der beiden Goldschmiede bedeuten soll.«
Saint Potern lächelte so eigenthümlich, daß es die Galle der Frau Gräfin aufregte.
»Sie sehen gerade aus, als wollten Sie mich der Schuld anklagen, das ganze Spectakelstück angezettelt zu haben,« sprach sie verlegen auffahrend.
»Welch' ein Gedanke, allergnädigste Frau!« rief er beschwichtigend. »Ebenso gut könnten Sie mich einer Verschuldung dabei anklagen! Wir Beide sind aber sicherlich so unschuldig wie die Kinder an der ganzen Geschichte! Ich möchte nur das Ende vom Liede sehen, weiter nichts!«
Die Gräfin beruhigte sich und ließ bald darauf Vater und Tochter wieder allein.
»Es ist unmöglich!« flüsterte Eveline ihm vorsichtig zu. »Die beiden Juweliere haben sich durch eine Lüge aus der Schlinge gezogen!«
»In der Welt ist nichts unmöglich, meine angebetete Kleine!«
»Dann wäre die Baronin also nicht schuldig?« fragte sie froh aufathmend.
»O, doch! Aber die Klugheit Deines Vaters spielt hier mit! Zug um Zug! Sehen wir, wer zuletzt ›matt‹ wird. Nichts umsonst in der Welt, theures Kind!«
Eveline wendete sich sichtlich betrübt ab. Das war der Speculationsgeist, der ihrer Mutter so verhaßt gewesen war; das war die Ausdehnung des kaufmännischen Gewissens, die derselben so tiefe Besorgnisse für das Wohl ihres Kindes eingeflößt hatte. Ueberall den Einsatz nur wagen, um damit zu gewinnen! O, wenn doch des Himmels Fügung sie in einen sichern Hafen retten wollte!
Sie mochte gar nicht fragen, was ihr Vater vorhatte, was er beabsichtigte. Daß er auf ganz andere Weise dem Zwecke ihrer Bitten zu entsprechen suchte, als sie gewünscht hatte, war ihr durch seine Antwort klar geworden. Sie ließ also das Weitere auf sich beruhen.
Der Abend verfloß unter langweilig ernsten Gesprächen, denen sich die Vorbereitungen zu ihrer Abreise nach Breslau anschlossen. Die Gräfin Hoym versprach mit hinüberzureisen, und unter ihrem Schutze das neue Hauswesen dort einzurichten. Am nächsten Tage wollte man zum Jagdschlosse fahren, um Abschied zu nehmen.
Aber eine höhere Hand griff zwischen diese Pläne und ordnete Alles nach anderer Weise! Mit den ersten Morgenstrahlen des neuen Tages traf ein Courier vom Grafen Sonnenfels ein, der einen überaus verbindlichen Brief an den Herrn v. Saint Potern überbrachte, worin er sich die Ehre ausbat, Saint Potern zum Mittagsmahle bei sich zu sehen. Aus der ganzen Einladung leuchtete die Absicht hervor, den Parvenü an den Kreis zu fesseln, der sich zur Zeit auf dem Sonnenfels'schen Schlosse versammelt hielt, und daß dieser ungewöhnlich artige Brief unter dem Einflusse des Prinzen Louis entstanden war, ließ sich aus den Worten absehen:
»Seine königliche Hoheit wünscht nicht allein in einer schwierigen Sache das Urtheil eines so kunstverständigen Mineralogen, wie Sie sind, zu hören, sondern er brennt auch vor Verlangen, zu dem Vater der reizenden Eveline, der schönsten Reiterin des preußischen Staates, in ein trauliches Verhältnis zu treten, wozu hier das Terrain günstiger ist, als im strengen Hofleben. Der Rittmeister Baron Burkhard von Mallzow hat mir übrigens Eröffnungen gemacht, die mich zwingen, Alles zu thun, um Sie nebst Ihrer schönen Tochter beim Grafen Hochberg auf Fürstenstein einzuführen. Vielleicht gelingt es mir schon heute, eine Bekanntschaft einzuleiten, die einen Verfolg nehmen kann, welcher unserm Vorhaben günstig ist.«
Saint Potern las mit Behaglichkeit dies Einladungsschreiben mehrmals, ehe er seine Tochter und die Gräfin, mit denen er am Frühstückstische saß, davon in Kenntniß setzte. Es brachte überall eine wunderbare Wirkung hervor. Die Gräfin, offenbar geschmeichelt von der Bekanntschaft mit einem Manne, der des Prinzen Aufmerksamkeit erregt hatte, ließ alle Strahlen einer guten Laune spielen, und war von nun an zu jedem Freundschaftsdienste bereit.
Eveline konnte zuerst ein leises Unbehagen über die plötzliche Freundschaftserklärung des hohen Herrn nicht ganz unterdrücken. Aber die Eröffnungen, welche Burkhard gemacht haben sollte, vertilgten ihre Zweifel und ihre Besorgnisse. Sie fühlte sich unter dem Schutze dieses Mannes sicher und blickte froh in die nächste Zukunft, die sich immer fester gestaltete.
Saint Potern hingegen übersah das ganze Feld seiner zukünftigen Situation. Er wußte ganz bestimmt, daß er für die Freundschaftsbeweise des Prinzen bluten würde. Seine Casse und seine schöne Tochter reizten diesen zu den Gunstbezeugungen, die er ganz unerwartet für ihn bereit hielt.
Eines nicht ohne das Andere zu verlieren, war sein fester Entschluß. Macht und Ehre auf der einen Seite, Geld und Liebesglück auf der anderen Seite. Das Facit war verlockend, und er beschloß der Einladung des Grafen Sonnenfels unbedingt zu folgen. Konnte es nicht ein Einsatz zum Glücke für ihn werden?
»Man wird mir, als einem Kenner, das Diadem vorlegen,« flüsterte er mit schadenfrohem Lachen seiner Tochter zu. »Man glaubt mich unbetheiligt und vertraut meiner Unparteilichkeit mehr, als einem Sachverständigen von Fach.«
Eveline bereuete fast, sich in diese Affaire gemischt zu haben, die sich weiter auszuspinnen drohete. Wenn sie nur der Verschwiegenheit ihres Papa's sicher hätte sein können, aber sie mußte befürchten, daß er sich in dem ersten vertraulichen Plaudern mit Jemandem verrathen würde.
Nach dem Frühstücke bereiteten sich die Herrschaften zu der beabsichtigten Visite im Jagdhause vor.
Saint Potern ließ es sich nicht nehmen, die Damen erst dorthin zu geleiten, bevor er seine Fahrt nach dem Sonnenfels'schen Schlosse begann. Ein inneres, dämonisches Frohlocken blitzte aus ihm heraus, als er ihnen darlegte, daß es nothwendig sei, die Baronin nach so glänzend erfochtenem Siege zu sehen.
Der Wagen wurde von allen Dreien unter gleich heitern Empfindungen bestiegen. Der Gräfin schien es plötzlich Vergnügen zu gewähren, eine Ehrendame des Fräuleins von Saint Potern zu sein, und da sie im Grunde für dies junge verlassene Wesen immer eine gewisse Sympathie empfunden hatte, so war ihr herzliches Benehmen keine Heuchelei. Sie trug nur leicht, wie alle Hof-Creaturen, den Mantel nach dem Winde und ließ sich von den Wogen der Gunst oder Ungunst ihrer Standesgenossen auf- und abschaukeln, ohne ihr Selbsturtheil zu befragen. Eveline erkannte ihre Schwäche. Die Erfahrungen der letzten Tage hatten genügt, ihr dieselbe zu enthüllen und sie zur Vorsicht aufzufordern.
Während der Fahrt erzählte die Gräfin eine Menge Thorheiten aus der Baronin Leben, aber indem sie diese Gallerie ihrer Jugendsünden schloß, erklärte sie, daß sie bei alledem nichts Liebenswürdigeres kenne, als eben diese Baronin Lotta.
»Sie gehört zu jenen weiblichen Wesen, denen nicht zu widerstehen ist,« meinte sie lächelnd. »Selbst das stolzeste Männerherz unterliegt wieder ihrem Liebreize und ihren Blicken, wenn es auch vom Zorne über ihre treulose Flatterhaftigkeit umpanzert ist.«
»Um so stolzer kann ich auf meinen Stoicismus sein,« sprach Saint Potern lächelnd, »denn mich haben ihre zärtlichsten Blicke noch nicht gefangen.«
»Vielleicht kämpfen Sie mit gleichen Waffen, Herr von Saint Potern,« antwortete die alte Dame gutmüthig drohend. »Ihre Lebensweise schützt Sie vor der Gefangenschaft des Herzens – Sie fliehen, wenn Sie Gefahr ahnen.«
Eveline horchte befangen diesem Gespräche zu. Ihr Herz wurde bedrückt dadurch. Von eigenen Sehnsuchtsregungen, die sie nicht als solche anerkannte, gefoltert, hingen sich ihre Gedanken in dem Ausspruche der Gräfin fest, daß selbst der Stolz des Mannes den Koketterieen einer Frau nicht zu widerstehen vermöchte. Wie klein kam sie sich mit ihrer engelreinen Kindlichkeit vor, wie wenig geeignet, einen Kampf gegen die Herrschaft dieser Frau zu beginnen, die durch einen einzigen Blick die erloschene Liebe Burkhard's wieder zu entzünden vermochte!
Unter diesen niederschlagenden Betrachtungen wuchs die Macht eines gepriesenen Liebreizes riesengroß, und als sie endlich im Jagdschlosse angelangt, der gepriesenen Schönheit gegenüberstand, da legte sich mit bleierner Schwere die Furcht vor schmerzlichen Erfahrungen in ihrer Seele nieder.
Für den Augenblick gewährte es ihr Trost, Burkhard nicht zu Hause zu finden. Er war, der Einladung des Grafen Sonnenfels zufolge, noch im Schlosse geblieben und so lange der Prinz dort verweilte, schien seine Rückkehr zweifelhaft. Das junge Mädchen gewann dadurch Zeit, sich mit den ersten leidenschaftlich eifersüchtigen Regungen ihres Herzens vertraut zu machen. Sie fühlte, daß sie an dunkler Stätte weilte, wohin nur allgemeine Ansichten sie gebannt hatten, aber aus dem erwachten Wahne konnte sie nur ein eclatanter Beweis echter, männlicher Tugendhaftigkeit retten. Ihr Vertrauen zu Burkhard wankte nicht. Wenn er von Aufwallungen früherer Liebe ergriffen wurde, so verfiel er ja nur dem zauberhaften Einflusse, den man in Uebereinstimmung mit dem Wesen der Baronin glaubte. Konnte sie, die noch gar keine Ansprüche auf seine Treue hatte, ihm darüber zürnen?
Saint Potern, der von dem leichten Sturme in Evelinens Brust keine Ahnung hatte, brannte vor Verlangen nach einem ungestörten Alleinsein mit der Baronin, die mit unverhohlener Freude den Besuch begrüßte und zum Dableiben einlud. Er wünschte nichts sehnlicher, als das mystische Spiel zu Ende zu führen, das er Tags zuvor begonnen hatte. Da die Gelegenheit sich nicht fand und seine Abfahrt zum Diner ihn drängte, so zügelte er seine Schadenfreude nicht länger, sondern begann im Beisein der Gesellschaft, die sich traulich um den Tisch gereiht hatte, geflissentlich laut und wichtig:
»Chrysophyron läßt die gnädige Frau grüßen!«
Alles horchte überrascht auf. Der Minister von Mallzow, sehr wohl vertraut mit dem mysteriösen Verbande, der damals vielfach benutzt wurde, um politische wie religiöse Zwecke zu verfolgen, faßte zärtlich die Hand seiner Gattin und erwiederte:
»Was hat Jugend und Schönheit mit dem weisen Oberhaupte der Brüder zu thun?«
»Herr von Saint Potern möchte mich zu dem Orden anwerben,« scherzte die Baronin gezwungen heiter, denn sie kannte ihres Vertrauten Plaudersucht und fürchtete sie.
»Dazu wär' es zu früh,« antwortete Saint Potern gravitätisch sich erhebend. »Nur wenn Jugend und Schönheit geschwunden – nur wenn Anmuth und Liebreiz vergeblich auf Eroberungen ausgehen – nur wenn die heiligen Wellen der Bußfertigkeit die irrenden Seelen der Frauen überfluthen, nur dann sind sie würdige Schwestern der Gemeinschaft. Je toller ihr Flattersinn in der Jugend, desto heller der Jubel bei ihrer Aufnahme in unsern Bund!«
»Dann danke ich für diese Ehre,« fiel die Baronin mit spöttisch aufgeworfenen Lippen ein.
»Chrysophyron läßt Sie aber grüßen,« antwortete Saint Potern ganz ernsthaft.
»Keine Betisen, mein Herr,« sprach Se. Excellenz artig abweisend.
Jener verbeugte sich.
»Jeden Gesandten schützt das Völkerrecht, Excellenz!« Fortwährend ernst sprechend und geflissentlich dem verwunderten Blicke seiner Tochter ausweichend, wendete sich Saint Potern, Abschied nehmend, zu der Baronin allein. »Chrysophyron kennt nur ein Gebot: Jedem das Seine!«
»Ich verstehe Sie nicht!« rief die Baronin laut lachend. Sie versteckte die Furcht darunter, daß diesen Worten eine Enthüllung folgen würde. Sie irrte sich.
Der Abgesandte des heiligen Chrysophyron fuhr eintönig fort:
»Unser weises Oberhaupt spielt nur Zug um Zug, also Attention au jeu, gnädige Frau. Geschicklichkeit ist kein Verbrechen und Geschwindigkeit keine große Zauberei! Es geht Alles mit rechten Dingen zu. Toujours tour à tour!«
Die Baronin erwiederte mit erzwungener Munterkeit:
»Wenn Sie mir die Principien Ihres Bundes enthüllen wollen, so wählen Sie eine günstigere Zeit. Leben Sie wohl!«
Er küßte ihr die Hand und flüsterte:
»Auf Wiedersehen! Ich bin Ihrer Verzeihung sicher, denn Sie wissen, welch' ein schwaches Werkzeug in der Hand eines Höheren ich bin!«
Ein Blick nach der verschlossenen Schmuckcasette, die auf der Spiegelconsole stand, begleitete diese Worte. Sie regten die Baronin so unangenehm auf, daß sie sich nicht enthalten konnte, verstohlen nach dem Schlüssel zu greifen, um den Inhalt unbemerkt zu prüfen. Sie fand Alles in Ordnung. Was hatte nun der Mann, den sie zu hassen begann, mit seinem bezeichnenden Scherze sagen wollen? – Wieder und immer wieder tönte der Ruh in ihr Ohr: »Attention au jeu! Tour à tour!«
Die Damen blieben auf Einladung im Jagdschlosse. Saint Potern hatte den rothköpfigen Lorenz ebenfalls dort gelassen, damit sie unter seinem Schutze am Abend die Rückfahrt antreten konnten, im Falle er nicht früh genug vom Grafen Sonnenfels entlassen wurde, um sie abzuholen. Im Grunde genirte ihn aber nur sein Diener dort, wo er Tags zuvor seinen Helfershelfer hatte abgeben müssen, und er hätte ihn auf alle Fälle anderswo beschäftigt, um seiner Begleitung zu entrinnen.
Erst am späten Nachmittag war es der Baronin möglich, zu einer unbelauschten Revision ihres Schmuckkastens zu kommen und sie hatte, wie es sich späterhin erwies, nicht allein in Veranlassung dieses Gespräches einige freie Minuten benutzt, um auf ihr Zimmer zu eilen, welches sie wider ihre sonstige Gewohnheit abschloß, ohne daran zu denken, daß die geheime Cabinetsthür von unten einen zweiten Zugang dazu bildete.
Dadurch geschah es, daß die Gräfin Hoym Augenzeugin eines Auftrittes wurde, der sie späterhin zu einer wichtigen Person erhob und den sie nie in ihrem Leben wieder vergessen konnte. Sie hatte Siesta im unteren Zimmer gehalten und war durch einen eigenthümlichen Lärmen aus dem leichten Schlummer aufgeschreckt worden. Ihre Neugier, der schlimmste Fehler, den sie besaß, verleitete sie, leise an die Feder der Tapetenthür zu drücken und die schmale Treppe hinaufzuschleichen, die zum Schauplatz des Spectakels führen mußte. Was sie sah, bewog sie, eben so leise wieder hinabzusteigen und, zitternd vor Ueberraschung, auf den Verfolg dieser Scene zu warten. Bald wurde es still über ihr. Die alte Dame wagte sich jedoch nicht eher aus ihrem Gemache, bis Se. Excellenz der Baron sie zu einem Spaziergange im Parke abzuholen kam. Die Baronin war unsichtbar. Eveline ebenfalls. Die Gräfin fragte aber nach Beiden nicht.
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