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So sitz ich denn nun also und ruh mir und danke meinen Schöpfer, daß er for den Juni schöne lauwarme Nächte gestiftet hat, als ich eine Art von fröhlichen Skandal höre, der sich mir entgegenbewegt. »Das sind wilde Nachtflatterer«, sage ich zu mir und will schon aus dem Wege gehn, als mich eine Stimme sehr bekannt forkommt. Ich bleibe also, und wissen Sie, wer sich mir in der Gasbeleuchtung offenbarte? – Trebonius mit die vier andern lateinischen Ökonomiker. – »Trebonius«, rufe ich, und er sieht mich an meinem Aufenthaltsort und ruft: »Wahrhaftig, Unkel Bräsig!« – »Still«, sag ich, »keinen Namen nennen!« – »Was Deuwel!« sagt er. »Plagt er Euch, daß Ihr hier bei nachtschlafender Zeit auf ein Treppengeländer reitet?« – »Je, das sagen Sie man mal!« antwort ich und erzähl ihm, daß mich mein Gasthaus abhanden gekommen wäre. – »Onkel Bräsig«, sagt Prätorius... – »Still, um Gotteswillen!« sag ich. »Ich bin Levi Josephi aus Prenzlau.« – Erst kuckten sie mir alle stumm an, und darauf brachen sie in ein honoriges Gelächter aus: »Wer seid Ihr?« – »Levi Josephi aus Prenzlau«, sag ich, »und hier könnt Ihr's lesen; aber still, um Gotteswillen, wegen die geheimen Schleichwächter«, und damit gebe ich ihnen meinen Paß. – Nun lachen sie denn wieder alle, und endlich ruft Pistorius: »Kinder«, sagt er, »das ist 'ne Geschichte, die muß er uns erzählen.« – »Allens in der Welt«, sag ich, »aber nennt mir mit meinen polizeilichen Namen.« – Und nun levi-josephiten sie mir vorn und levi-josephiten sie mir hinten, daß mir grün und gelb vor den Augen wurde. »Herr Levi Josephi aus Prenzlau«, sagte Pistorius und präsentierte mir den Portier von das Gasthaus. »Ein Bett und ein Zimmer for meinen Freund, Herrn Levi Josephi aus Prenzlau«, kommandierte Trebonius einen Kellnöhr. – »Treten Sie ein, Herr Levi Josephi«, sagte Livonius. – »Setzen Sie sich, Herr Levi Josephi«, sagte Colonius. – »Befehlen Sie noch etwas, Herr Levi Josephi?« fragte der Grasaff von Kellnöhr. – »Nein, zum Deuwel!« sag ich. »Halten Sie Ihr Maul!« – Und als er weg ist, da muß ich denn erzählen, wo ich zu dem Namen und wo ich auf das Treppengeländer zu reiten kam. Na, sie lachten denn nicht schlecht und meinten, der Bundesbruder wäre woll ein richtig Berliner Kind gewesen, der sich einmal ordentlich hätte satt essen wollen und sich in meine Uhr verliebt hätte. Endlich gingen die vier andern zu Bette, und ich blieb eine Zeitlang mit Treboniussen allein.
»Unkel Bräsig«, sagte Trebonius, »Euer ganzes bedrängtes Verhältnis stammt sich aus Eurem baren Geldmangel. Glaubt mich das zu! – Ein Mensch ohne Geld ist wie ein Schiff ohne Ballast, es fehlt ihm die Haltung.« – »Trebonius«, sage ich, »Ihr braucht nicht zu diese überflüssige Bemerkung ein Gesicht zu machen wie der Prediger Salomonis, das weiß ich allein.« – »Unkel Bräsig«, sagt Trebonius, »Ihr habt mir in meinen unbemittelten Zeitumständen oft mit Schuldendeckung und Vorschuß unter die Arme gegriffen, und ich habe Euch in ein dankbares Gedächtnis. Wieviel braucht Ihr?« – »Habt Ihr denn was?« frag ich, denn ich wußte aus den Klagen seiner beiderseitigen Herren Eltern, daß er man swach stand. – »Ich?« fragte er und kuckte mir groß an. »Ich habe gestern an 2500 Taler für Wolle eingenommen, indem ich 7 Taler mehr pro Zentner erhalte als die übrigen – aber sprechen Sie nicht darüber –, for 3000 Taler Rapps steht auf dem Felde, 4000 Taler liegen zu Hause in meinem Sekretähr, ohne die ausstehenden Forderungen. – Es ist wahr, vor ein paar Jahren wollte ich mich for insolent erklären, aber Unkel Bräsig, die Ideen! Ich habe immer Ideen, wenn die eine alle geworden ist, hab ich 'ne neue! Ich verfiel in meiner Verlegenheit auf drei neue Ideen, auf eine großartige Bienenzucht, auf eine großartige englische Hühnerzucht und auf eine großartige Karpfenzucht, denn ich habe hinter meinem Garten einen kleinen Teich mit ausgesuchtes Karpfenwasser. Mit diese drei Züchtungen bezahl ich meine Pacht, und was die Wirtschaft extra noch einträgt, ist reiner Überschuß und wird in den Sekretähr gelegt.« – ›Na, lüg du und der Deuwel!‹ denk ich; aber wegen meiner Verlegenheit und seiner Gutmütigkeit wollte ich ihm eine Anpumpung nicht abschlagen und sage: »Ja, wenn ich so'n sechs Luggerdohr...« – »Weiter nichts?« sagt er. »Sollen Sie haben. – Morgen.« Somit sage ich ihm wohlschlafende Nacht und gehe in mein Loschih, was neben ihm an befindlich war.
Es wäre nun schon sehr spät, und müde wäre ich auch; ich denk also: ›Sollst man gleich zu Bette gehn‹, und suche mich den Stiewelknecht. Dieser Stiewelknecht war ein doppelter, er hatte auf jedem Ende eine Klemme. Ich hatte eine solche Erfindung noch nicht gesehen und denke so bei mir: ›Was sie in die großen Gasthöfe doch all for Bequemlichkeiten haben! Hier kannst du dir die beiden Stiewel mit einmal ausziehen!‹
Ich klemm mir also den einen Hacken ein und mit Umstände auch den andern und will nu ziehen; Gott in den hohen Himmel! – ich saß in einen spanischen Buck, ich hatte mir in Fußangeln gelegt. Ich will mir nu losmachen, aber wenn ich mir bückte, verlor ich ümmer die Blansierung, und kein Stuhl war in meiner Nachbarschaft, knapp daß ich mich an die Wand halten konnte. Da stand ich nu mit auswärtsige Beine, un was nu? Not kennt kein Gebot; ich kloppe also an die Wand nach Treboniussen und rufe ihm um Hülfe.
Er kommt denn auch; aber als er mich da an die Wand genagelt stehen sieht und die natürliche Ursache an meinen Füßen gewahr wird, fängt dieses Undird aus vollen Hals an zu lachen und lacht sich aus aller Kontenanß. »Dummheit lacht«, sage ich, »machen sie mir lieber aus diesem Verhältnisse los!« Er aber läuft hin und holt die andern Ökonomiker, und da stehen sie nu um meiner Person herum in den Hemden und in kurzen Zeuge und lachen und amusieren sich mit meinem Anblick. »Nu haben wir en ollen Voß gefangen«, sagt Trebonius, und ich denk: ›Komm mir bloß en bitschen neger!‹ – »Herr Levi Josephi«, sagt Pistorius, »wollen Sie die Wand umliegen?« – »Er warmt sich an ihr«, sagt Prätorius, und so machen sie ihre Witze und danzen und jökeln um mich herum, jeder mit en Licht in der Hand, aber in Armweite, denn sie mußten es mir woll ansehen, daß ich in einen gefährlichen Zustand übergegangen war. Endlich bückte sich Livonius, was der Gutmütigste von der Bande war, und machte mir aus die Angeln los; aber so drad ich los war, brach auch bei mir die Wut aus, und indem die andern weggelaufen waren, gab ich Livoniussen ein paar nachdrückliche Maulschellen. Was mich nachher sehr leid war, indem es einen undankbaren Schein auf mich lud, worin ich mir aber in dem Augenblick nicht helfen konnte.
Den andern Morgen exkusierten sie sich bei mir sehr wegen der Lächerlichkeit und ich bei Livoniussen wegen der Maulschellen, und daß ich ihn nicht damit hätte beleidigen wollen, was auch genügend angenommen wurde, und Trebonius gab mir das verabredete Geld.
Es kam mir aber so vor, als wenn es nicht aus Treboniussen seine Tasche allein stammte, denn als dieser es mir gab, standen die andern Lateiner um mich rum und gaben mich gute Lehren: wo ich hin gehen sollte, was ich dafor besehen und kaufen sollte, wo ich es verstecken sollte, und daß ich es mich jo nich stehlen lassen oder es verlieren sollte – grade wie es die Wohltätigkeit bei die Snurrers macht.
Dies kam mich schon dunnmals hellschen allmohsenmäßig vor; aber wenn ich dazumalen wüßte, was ich nu weiß, nämlich daß Trebonius for mich, als verschämten Armen, mit einem Töller bei die andern rumgegangen war und sie sich for mich subskribiert hatten, so hätte ich dagegen prostituiert und hätte ihnen das Geld vor die Füße geworfen; aber meine Seele hatte keine Idee davon, und ich war in Hinsicht dessen unschüllig wie ein Aulamm, indem daß ich schon wegen der Abtragung dieser Vorstreckung meinen Überschlag machte.
Wir frühstücken denn nu ganz auf meckelnburgsche Manier mit Mettwurst un Schinken un suren Aal un allerlei geistreiche Getränke, und als die lateinischen Ökonomiker abreisen, schüttelte ich diese entfahmtigten Bengels noch alle die Hände, ohne Wissenschaft, was sie mich hinterrücks for einen Lack als Powerinsky angehängt haben.
Als sie weg sünd, mache ich mir einen ordentlichen Schlachtplan for meine Umstände zurecht und judiziere so: mit zwei Luggerdohr kommst du gut und gerne retuhr, du hast also vier Luggerdohr zum Besehen der hiesigen Stadt, und da du einmal hier büst, so besieh sie dich von Ur tau End! Vor allen Dingen sorg aber dafor, daß deine augenblicklichen Geldmittel nicht achter deine Uhr herlaufen; denn wo ich gung und stund, stund mit goldne Buchstaben angeschrieben: »Vor Taschendieben wird gewarnt«, was in mich eine sehr unbehagliche Stimmung verursachte.
Ich geh also mit mir zu Kehr, ob ich mich eine Knipptasche, die sie hier ein Portepeh nennen, oder einen Geldbeutel kaufen soll; stimm' aber endlich for einen Geldbeutel, weil er mich geläufiger war, und kauf mir einen kleinen seidenen, der sich nachher aber als einen gewöhnlichen baumwullenen auswies. Wo aber mit die Kreatur hin? In die Tasche ging's nich wegen die Taschendiebe – also auf bloßem Leibe. Ich suche mich nun also ein stilles, verschwiegenes Plätzchen auf, knüpfe mir die Extremitäten los und binde mir meine Habseligkeiten unterhalb die Magengegend fest. Dies hat mich auch nicht gereuet bis auf die Letzt, wo es zu meinem Schaden ausschlug.
Da ich mir nu in Sicherheit wußte, geh ich denn rum und beseh mir allens. Das erste war denn nu der große Kuhrfürst auf der Brücke, wo er über die erbärmlichen Sklaven fortreitet. Hat 'ne P'rük auf, 'ne unverschämte P'rük! Ich trage auch 'ne P'rük, was man im Hochdeutschen eine Tuhr nennt; aber so 'ne P'rük! Hellisch forscher Herr übrigens, dieser olle Kuhrfürst! Aber nichts gegen den ollen trächtigen Hengst, den er unter sich hat. Das ist's! Der tut's! Diese runden Knochen und das platte Kreuz, nichts von Spatt und Hasenhack! Der könnt unser olles meckelburgsches Blut noch mal auffrischen, besser als diese olle Zegen von engelsche Windschneider. Ich frag, wo soll einer auf Stun'ns noch richtige Sadelmähren herkriegen? Dieser is einer; aber auch woll lang' all dod. Na, wir können nicht ewig leben; aber schad', daß diese Rasse ausstirbt.
Darauf besah ich mich das Sloß, d. h. auswendig, denn inwendig ging's nicht, indem daß Königs augenblicklich eigenhändig darin wohnen; aber von auswendig besah ich mich es sehr genau, auch von der verkehrten Seite, allwo ich wieder ein Paar Pferde antraf mit zwei nackigte Figuren von junge Menschen, die sie stats Reitknechte »Pferdebändiger« benennen. Das glaub ich, mit diese ollen Schinder werden sie woll fertig, das sünd Bauerklöpper, und keine Rass' is nich drin; ich möcht aber bloß mal sehen, wenn sie den ollen Kuhrfürstenhengst so mit der alleinigen Trense aufs Hinterteil setzen wollten, wo der woll mit ihnen bliebe. Es soll dies russisches Geblüt sein und soll von dem seligen Kaiser Nikolas herstammen, d. h. als Present.
Von hier ging ich rüber nach dem Museum. Das laß ich mir gefallen! Ein schönes Pferd, ein bischen weich in die Fessel, aber elegant, scheint mich Ivenacker Herodotenblut in zu sein; is ein Jagdpferd, wie's ins Buch steht. Es wird hier auch auf Jagd geritten, indem daß eine Amazonin darauf sitzt und sich mit en Undird fecht't. Was mich nicht gefällt, is, daß das Frauenzimmer wie ein Mannszimmer reitet; ich habe Eddelfrölens und Gräwinnen zu Pferde gesehen, saßen aber alle verdwas un hätten Federhüte auf und lange Kleider. Diese hätte aber eine Nachtmütze auf und geht sehr in kurzen Zeuge. Na, lasse ihr; es mag bei ihr zu Lande jo woll so Mode sein. Was ihre persönliche Körperbeschaffenheit anbetrifft, so is genug davon zu sehen, daß man sie nicht zu die Häßlichen zu rechnen braucht; indessen is dies nicht mein Fach, ich bün mehr for Pferde.
Nach der Besichtigung dieser Amazonin gehe ich denn nun über eine Brücke, allwo verschiedene weibliche und männliche Geschlechter in weißen Marmor auf das Brückengeländer herumstanden. Die weiblichen Geschlechter waren halbwegs in Kleidung, die männlichen hingegen waren in vollständiger Unbekleidung. Ich muß sagen, ich bün sonst nicht sehr schimpflich; aber dies schanierte mich doch sehr, und warum soll ein Mann in meine Jahren sich mit das verletzte Gefühl abquälen? Ich gung also weiter, und als ich en bischen gegangen war, sah ich einen, der mit en Degen von sein Postament herunterfuchtelte; er kam mich sehr bekannt vor: ich ging ran. Wer war's? Der olle Blüchert. – Da stand er, und zwar lebenslänglich.
Er sah sich hellschen ähnlich, und ich freute mich ungeheuer, ihn hier zu sehen, denn ich hatte ihn in Rostock oftmals auf dem Hoppenmarkt bemerkt. Hier trägt er einen gewöhnlichen Soldatenmantäng und hat einen Degen in der Hand, was ihm sehr gut kleidet; in Rostock geht er in einem Löwenfelle und hat einen abgebrochenen Knüppel in der Hand, den sie einen Feldherrnstab nennen; auch hat er eine Inschrift, welche die Stadt Rostock for hundert Luggerdohr bei einen gewissen Goethe bestellt hat, die aber auch man so knappemang for den halben Preis ausgefallen is. Mich ist sie aus dem Gedächtnis gefallen, denn ich habe for Verse keine Andacht.
Na, ich stehe nun also da und freu mich über ihm als Landsmann, da kommt ein junger Mensch angegangen, ein netter Mann, augenscheinlich ein eingeborner Berliner, stellt sich bei mir hin und sieht auch den ollen Blüchert an und sagt endlich näher tretend zu mir: »Gefällt er Sie?« – »Natürlich«, sag ich, »aber was mich wundert, is, daß sie so einen ollen Helden, der bei der Kafallerie gestanden hat und sein Leblang auf die Mähren rum gerangt hat, ümmer ein Postament zu Fuß setzen.«
»Sie haben recht«, sagt er, »aber Sie haben sich weiß gemacht«, und stellt sich hinter mir und kloppt mir höflich den Puckel ab. »Indessen«, sagt er, »for gewöhnliche Generals wird auf Postamenten kein Pferd gut getan, das is blos for die allerhöchsten Herrschaften, wie Sie das an den Ollen Fritz sehen können«, un somit zeigte er mich ihm, wie er aus die grünen Linden herausreitet.
Ich bedanke mich nun bei ihm for das Abkloppen, un er sagt höflich: »O dafor nich!« und sagt: »Adjes« und geht seiner Wege, und ich geh zum Ollen Fritz.