Fritz Reuter
Polterabend-Gedichte
Fritz Reuter

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21. Prolog zum Polterabend

Pedro (Schloßvogt. Er hat einen Holzfuß, trägt einen dreieckigen Hut, Perücke mit Zopf, gepudert, einen breitschößigen Uniform-Schniepel mit buntem Kragen und Aufschlägen an Schoß und Ärmeln. In der Hand hat er ein großes Rohr mit blankem Knopf und herabhängenden Quasten, um den Leib einen Schleppsäbel. Er spricht zu der ganzen Gesellschaft.)

Donnerwetter! Parapluie!
Seit der großen Retirade
Sah ich solche Wirtschaft nie.
Meine Herrn, heut ist es grade,
Als wollt sich ganz ...
Und die nahgelegnen Dörfer,
Zum Exempel: ..., ...,
Vor dem Hause hier versammeln
Und die Türe uns verrammeln.
Ich kann hier nicht Steuer halten,
Glaub', ich rufe nur den Alten.

(Zu dem Hochzeitsvater.)
Hochverehrtester Herr N. N.,
Ihnen ehrfurchtsvoll zu grüßen,
Die Verwirrung wird zu groß;
Draußen ist der Deuwel los,
Stoßen, trampeln mit den Füßen,
Woll'n hinein hier in den Saal,
In dies saubre Tanzlokal.
Donnerwetter! Parapluie!
Herr, ich bitte, helfen Sie!

(Zu der ganzen Gesellschaft.)
Kommt er raus und sieht den Krempel,
Statuiert er ein Exempel,
Denn seit Anno achtundvierzig
Ist er sehr für Polizei,
Und der keckste Hofjung' wird sich
Ihm nur nahn in tiefster Scheu;
Nur den Damen schenkt er Gnade.
Bei der großen Retirade,
Wo ich um dies Bein gekommen,
Habt ihr die Geschicht vernommen?
Nicht? – Dann sollt ihr nun sie hören.
Aber nun auch still, ihr Gören!
Seht, ich werd' es nicht vergessen:
Früh hielt uns der General
Eine Rede voll Choral.
»Kinder«, sprach er, »nicht vermessen!
Hübsch das Leben konserviert!
Denn ein Feldherr ist nur Sieger,
Wenn er keinen Mann verliert.
Laßt vom Mut euch nicht verführen
Denkt bei Zeit ans Retirieren!«
Kaum daß er die Rede schloß,
Ging die Retirade los.
Laufend, schnaufend rannte ich,
Laufend mit dem einen Beine
Über Stock und über Steine,
Mit dem andern wehrt' ich mich.
Halb schon in dem offnen Tor
War ich mit dem rechten Bein,
Da schiebt man den Riegel vor,
Und so büßt ich dieses ein.
Kriegt' den Abschied drauf, Verehrte,
Ohne Bein und ohne Orden;
Schloßvogt bin ich hier geworden
Und verseh' die Hakenpferde;
Putz dem Herrn hier auch die Stiebel –
Kurz, die Stellung wär' nicht übel,
Dürft' mit Einsicht und Verstand
Ich nach eignem Willen schalten,
Ließ er mir nur freie Hand.

(Spöttisch:)
Doch da muß man immer fragen,
Was Gestrengen dazu sagen!

(Renommistisch:)
Habe nun den Dicken dick,
Will nicht länger bei ihm dienen,
Will nicht länger Diener sein.
Nein! Nein! Nein! Nein!
Suche anderswo mein Glück!
(Auf das Paar zutretend mit Verbeugung.)
Zum Exempel hier bei Ihnen.
Können Sie vielleicht mich brauchen?
Sehn Sie, ich kann Tabak rauchen
Und versteh recht hübsch zu kümmeln,
Kann en Hofjung'n 'runterlümmeln,
Daß die Engel in den Himmeln
Sich darüber baß erfreu'n,
Kann auch Ihre Stütze sein,
Wenn nicht Vater,
Doch Berater.
(Auf sein Haupt zeigend.)
Sehn Sie, diese weißen Haare
Sind für Ihre jungen Jahre
Lauter feste, unschätzbare
Bürgen froher Zukunftszeiten.
Wenn Sie mich heut engagieren,
Will ich Ihre Jugend führen
Und durchs Leben Sie geleiten.
Nun, Herrschaften, sagen Sie,
Soll ich Diener Ihnen sein?
Donnerwetter! Parapluie!
Hier die Hand! Dann schlagen S' ein!
(Nachdem das Brautpaar eingeschlagen hat.)
Und als Maître de plaisir
Werd' ich meinen Dienst beginnen.
Draußen stehn die Leut' und drängen
In das Haus und in den Saal.
Pöbel, Euer Gnaden, Pöbel!
Gebt Befehl, dann soll mein Säbel
Dieses Volk sogleich zerstreun!
Gebt Befehl, ich haue ein!
Aber ein'ge sind darunter,
Männer sind's sowohl wie Frau'n,
Deren Kopf und Kleid ist bunter
Als ein Pagelun zu schau'n.
Aus der Stadt und von dem Lande,
Sagt man, kommt die Rasselbande.
Wenn Eu'r Gnaden demnach wollen,
Daß herein sie kommen sollen,
Und wenn Herr und Madam ...,
Meine frühern Prinzipäle,
Nichts dagegen haben sollten,
Dann erwart' ich die Befehle,
Dann, Herrschaften, meinetwegen –
Ich, ich habe nichts dagegen.
Sprecht, Herrschaften, soll es sein?
(Wenn die Antwort mit »Ja« gegeben ist,
geht er an den Eingang und ruft laut.)
Na, ihr Pack, dann tretet ein!

(Der Darsteller dieser Rolle muß aber vorher dafür
sorgen, daß nun auch wirklich auf seinen Ruf gleich etwa
die Überbringerin des Kranzes bereit ist. Nach dem
Schlusse des Ganzen tritt Pedro mit dem Epilog hervor.
Wenn die letzte Darstellung vorüber ist, tritt er rasch auf
und ruft den Abgehenden nach.)

 

Dies also ist das End' vom Liede.
Genug! Genug! Die Herren werden müde,
Die Herren gähnen schon.
Die Herren wollen nichts mehr hören,
Die Herren winken, sollt euch scheren.
Wir haben übel zwar euch nichts genommen,
Zuweilen wurdet ihr jedoch zu dreist;
Und solltet ihr mal wiederkommen,
So zügelt euren Witz! – Nun reist!

(Pedro muß zuvor mit dem zuletzt Auftretenden
Rücksprache genommen haben – gleichviel ob Dame oder
Herr –, dieser bleibt stehen, und bei den Worten »nun
reist!« will er abgehen. Pedro ruft ihm jedoch nach.)

 

Halt! Halt! Herr ... hat eben mir befohlen,
En Schnaps und Butterbrod euch aus der Küch' zu holen.
Ich werde das sogleich besorgen.

(Zu dem Paare:)
Heut' Polterabend, Hochzeit morgen!
Ein Polterabend ist nicht frei
Von viel langweiliger Drähnerei;
Die Hochzeit bleibt doch stets das Best'.
So, teures Paar, du bist erlöst!
Dies ist das Ende von dem Schlusse!
(Er zieht das Paar von dem Stuhle in die Höhe.)
So, teures Paar, nun steh mal auf,
Laß deiner Sehnsucht freien Lauf,
(mit einem leisen Druck ins Genick des Paares)
Erquick' dich mal mit einem Kusse!
(Verbeugung, ab.)


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