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Von Paul Leppin.
Am Rande der Welt, weit hinter der Geographie, war einmal vor undenklichen Zeiten ein großes Königreich. Der Himmel, die Bäume, die Städte und die Menschen waren alle blitzblau in diesem Lande. Der breite Fluß, der zwischen Glockenblumen und den blauen Blüten der Sträucher am Ufer dahinfloß, hatte eine wundersame, tiefblaue Farbe und die Mädchen, die dort lustwandelten, trugen das Haar in leuchtenden Locken aufgelöst über den Schultern. Die Sonne brannte wie ein ungeheurer Saphir hinter den Wolken und alle Fluren waren mit Vergißmeinnicht übersäet.
Jenseits der durchsichtigen Amethyst-Berge am Horizonte lag ein mächtiges Nachbarreich. Hier war wieder alles in ein helles, glänzendes Gelb getaucht. Der Raps blühte auf den Feldern, daß es den Augen weh tat und die Menschen hatten gelbe Gesichter, als ob sie ihre Haut mit einer goldenen Salbe überzogen hätten.
Nun geschah es, daß der König aus dem blauen Lande auf die Brautschau ging. Der König war ein großer Lebemann und es gab wohl wenige seiner Untertaninnen, denen er nicht höchst eigenhändig einmal das Busentuch lüftete, um seine Augen an dem blauen Glanz der jungen Leiber zu weiden. In seinem Schloß führte ein unterirdischer Gang bis in sein Schlafgemach und in der Nacht war es da oft sehr lebendig. Hurtige und kleinwinzige Frauenfüße huschten über die steinernen Fliesen und es pochte schüchtern an die Tapetentür, die in der Wand des Schlafzimmers, den Uneingeweihten unsichtbar, angebracht war. Hier erwartete der König seine Besuche. In dem gedämpften Lichte einer wunderschönen Ampel entkleidete er dann die zitternden Weiblein, die ihm sein getreuer Diener Hassan in das Schloß brachte; und er konnte sich nicht sattsehen an dem pikanten Farbenreiz der weißen Wäsche, die die blauen Glieder der Damen so entzückend verhüllte, an den niedlichen Höschen und dem koketten Spitzenbesatz des Hemdes, unter dem die Brüstchen in verschämter Erwartung bebten. Denn er war ja ein reicher, mächtiger und stattlicher König und die Mädchen, die ihm heimlich, in der Nacht ihre Liebe boten, wußten diese Ehre wohl zu schätzen.
Aber endlich wurde der König dieses liederlichen Lebens überdrüssig und er beschloß zu heiraten. Von den im Übermaß genossenen Liebesfreuden war seine Haut welk und bleich geworden und er, dessen uraltes Geschlecht einst das blaueste im Lande gewesen, war nun weiß wie ein Käse. Die blaue Farbe in seinem Reiche machte ihn melancholisch und er sehnte sich nach einer Abwechslung. Die Töchter seiner Untertanen reizten ihn nicht mehr und oft, wenn er in heißen Träumen auf seinem seidenen Pfühl lag, gaukelte ihm seine Phantasie verführerische Bilder von Frauen vor, deren Haut in anderen, noch nicht gesehenen Farben schimmerte und die auf dem weichen, kostbaren Teppich vor seinem Bette nackt vor ihm tanzten. Da kam eines Tages die Prinzessin aus dem gelben Königreiche mit einem großen Hofstaat in sein Land. Ihre Haare waren blond und ihre Haut so köstlich gelb wie ein Kanarienvogel. Als der König ihrer ansichtig wurde, stand er eine Weile von neuen, nie gekannten Gefühlen überwältigt vor ihr. Dann sank er in die Knie und begehrte sie zur Gemahlin.
Die Hochzeit wurde mit großem Gepränge gefeiert. Das Volk drängte sich an die Gittertore des Palastes und es war eitel Jubel überall im Reiche. Und als in der Hochzeitsnacht die junge Frau, von ihrem königlichen Gemahl geleitet, mit gesenkten Augen das Schlafgemach betrat, löste der glückliche Herrscher in unbeschreiblicher Erregung mit bebenden Fingern ihren Gürtel. Zitronengelb schälte sich ihr junger Körper aus der neidischen Hülle. Mit einem freudigen Schrei schlang er die Arme um sie und trug sie auf sein Lager...
Wonnige Flitterwochen waren in den Palast eingezogen. Von Glück und Liebe berauscht, harrte der König täglich auf den seligen Augenblick, wo seine holde Gemahlin ihm ein verschämtes Geheimnis ins Ohr flüstern würde. Nach einem Monat schon berief er den großen Zauberer Rasmus und seine Gehilfen von den Grenzen des blauen Reiches an seinen Hof, der die Aufgabe hatte, jeden dritten Tag die junge Herrscherin zu untersuchen und mit geheimnisvollen Beschwörungsformeln ihren wundersam leuchtenden Leib zu segnen. Phantastische Zeremonien begleiteten die Bemühungen des Zauberers, während der König im Hintergrunde mit klopfenden Herzen das Ergebnis der Untersuchung erwartete.
Und es kam die Zeit heran, da die Königin sich Mutter fühlte. Das ganze Land war in freudiger Stimmung. Die Ärzte und die Männer der Wissenschaft hatten es verraten und die Zeitungen brachten lange Artikel darüber: der Prinz, den man erwartete, würde grün sein. Das blaue und das gelbe Blut des hohen Paares mußte unbedingt diese Mischung geben und das Laboratorium des berühmten Chemikers in der Residenzstadt war Tag und Nacht von Journalisten umlagert, die ihn in dieser Angelegenheit interviewen wollten. Denn das Volk freute sich unsäglich auf den grünen Thronerben und es stand zu befürchten, daß wenn die Gelehrten sich in der Farbe des Prinzen irrten, eine Revolution ausbrechen könnte.
Der Haus- und Hofarzt und die Vertrauten aus des Königs nächster Umgebung gingen mit sorgenvollen Gesichtern umher. Denn ihnen war es bekannt, was man dem erregten Volke draußen verschwiegen hatte. Der König des blauen Landes hatte, von den Ausschweifungen des Junggesellenlebens erschöpft, seine Farbe verloren und war weiß geworden. Eine blaue Schminke, die er täglich auf sein Gesicht auflegte, täuschte die Bevölkerung über das entsetzliche Unglück, und der König hätte sein Geheimnis wohl zeitlebens bewahren können, wenn ihm nicht der ungestüme Wunsch seiner Untertanen nach einem grünen Prinzen in die Quere gekommen wäre. Die königliche Familie hielt stundenlange Beratungen mit dem Haus- und Hofarzte, aber der schwere Kummer wollte nicht weichen und niemand wußte Rat. Wo sollte man einen grünen Reichserben hernehmen, wenn der König schon seit Jahren nicht mehr blau war? – –
Der große Tag kam heran und die Menschen stauten sich in den Straßen. Ein wüstes Gejohle drang in den Palast.
»Wir wollen einen grünen Prinzen!« schrie der Pöbel und immer wieder erscholl der Ruf wie ein Orkan: »Grün muß er sein – Grün muß er sein!« – – –
Drinnen standen die Schwiegermutter und einige Tanten mit zitternden Knien vor dem Bette der Königin, die mit den Kindsnöten rang. Eine furchtbare Angst hatte alle ergriffen, die um das Geheimnis des Königs wußten. Draußen schrie und lärmte das Volk.
Nur auf dem Gesichte der Königin lag unter Schmerzen ein verheißendes Lächeln.
»Seiet ruhig, Freunde,« lispelte sie schwach, »er wird grün sein!«
Dann flüsterte sie schamerglüht der Schwiegermutter zu: »Der König hat sonderbare Gelüste ... Ich habe ihn jedesmal vorher blau prügeln müssen.«
Und der Prinz kam zur Welt. Böllerschüsse verkündigten es der harrenden Menge.
Er war grün wie ein Laubfrosch – – –