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II. Die Musik im Leben eines englischen Dilettanten unter Karl II.

Nach dem Tagebuch von Samuel Pepys

Nichts gibt ein erheiternderes Bild des musikalischen Lebens in England zur Zeit der Restauration als das Tagebuch von Pepys. Man sieht hier deutlich, welche Rolle die Musik im Hause eines intelligenten Londoner Bürgers spielte.

Samuel Pepys ist so bekannt, daß ich mich begnügen kann, die Hauptzüge seines Lebens zu erzählen. Er wurde in London 1633 als Sohn eines Schneiders geboren und gehörte zuerst dem Gefolge des Lords Montagu, Grafen von Sandwich, an. Nachdem er zunächst Demokrat und in Beziehungen zu Republikanern gewesen war, wurde er nach Cromwells Tode unter der Restauration Beamter im Finanzministerium und clerk of the acts bei der Admiralität. Er behielt diesen Posten bis 1673 und erwies der englischen Marine wichtige Dienste, indem er mit Umsicht und Energie Ordnung, Sparsamkeit und Disziplin während der kritischen Periode der großen Pest, der Feuersbrunst in London und des Kriegs mit Holland wiederherstellte. Der Großadmiral, Herzog von York, der spätere Jakob II., schätzte ihn sehr. Zur Zeit der Papistenverschwörung wurde er mitbeschuldig, katholischer Gesinnung angeklagt und in den Tower geschickt. Doch konnte er sich rechtfertigen und trat aufs neue in die Dienste des Marineministeriums. Er blieb bis 1688 Sekretär der Admiralität, sehr begünstigt von Jakob II., und zog sich erst nach der Vertreibung der Stuarts von der Verwaltung zurück; aber seine Regsamkeit erlosch erst mit seinem 1703 erfolgten Tode. Er hörte nicht auf, sich für Literatur, Künste und Wissenschaft zu interessieren. 1684 wurde er zum Präsidenten der Royal society ernannt. Er war Mitarbeiter an zahlreichen wissenschaftlichen Werken. Die Sammlung seiner Manuskripte findet sich im Magdalen College zu Cambridge: Memoiren, Stiche, Dokumente über das Marinewesen, fünf Bände einer von ihm veranstalteten Sammlung alter englischer Balladen und endlich sein Tagebuch, in dem er in einer von ihm erfundenen Kurzschrift Tag für Tag alles aufgezeichnet hat, was ihm begegnet war, vom Januar 1659 (1660) bis zum Mai 1669. Dieses Tagebuch ist, neben dem seines Freundes Evelyn, die lebendigste Quelle für das Leben im damaligen England. Ich hebe die Notizen, die sich auf Musik beziehen, heraus.

Dieser Marineminister, dieser gewissenhafte Staatsmann war ein leidenschaftlicher Musikliebhaber, er widmete der Musik einen großen Teil seiner Zeit. Er spielte Laute, Viola, Theorbe, Flageolett, recorder Eine Schnabelflöte mit acht Schallöchern, deren eines mit einer feinen Membran gedeckt ist. »Von allen Klängen der Welt mir der liebste.« 8. April 1668. und ein wenig Spinett. Bei vornehmen Bürgersleuten war es Sitte, eine Instrumentensammlung zu besitzen, darunter einen Kasten mit sechs Violinen, um Konzerte geben zu können. Pepys besaß sein kleines Museum von Instrumenten; er rühmte sie als die besten in England, und er konnte fast alle handhaben. Seine größte Freude bildeten der Gesang und das Flageolett. Überallhin nahm er dies Flageolett mit, auf den Spaziergang, in die Wirtsstube:

... Svan und ich gingen in eine Taverne, und während er schrieb, spielte ich mein Flageolett, bis das Eiergericht fertig war. 9. Februar 1660.

... Zu Schiff zurück, indem ich mein Flageolett spielte. 30. Januar 1660.

... Abends im Garten, lange bei Mondschein Flageolett gespielt. 3. April 1661. Siehe auch 17. Februar 1659, 20. Juli 1664.

Er versuchte sich auch in der Komposition:

... Ich habe ein paar Weisen komponiert, was Gott mir verzeihen möge. 9. Februar 1662.

Diese Kompositionen hatten dank seiner hohen Stellung sogar viel Erfolg in der Gesellschaft, worüber Pepys »nicht wenig stolz war«. 22. August 1666.

Schließlich kam er zu der Überzeugung, daß seine Arbeiten hervorragend wären:

... Downing, der Musik versteht und liebt, wollte durchaus meine Weise von der »Schönheit« haben und stelt sie über alles, was er jemals gehört hat; ohne mir etwas einzubilden, weiß ich, daß sie gut ist. 9. November 1666. Vergleiche 5. Dezember 1666: »Und ohne mich zu rühmen, denke ich, es ist sehr gut.«

Gewissenhaft probt er seine Arien mit den Sängerinnen:

... Nach Tische brachte ich der Knipp mein neues Rezitativ bei, von dem sie schon ein gut Teil gelernt hat; es gefällt mir wohl, und ich glaube, ich werde zufrieden sein, wenn sie es erst ordentlich kann und es gefällig wirkt. 14. November 1666.

Da er im übrigen ein großer Herr ist, nimmt er sich nicht die Mühe, seine Bässe selbst zu schreiben, sondern läßt das von andern besorgen:

... Den Hoforganisten, Herrn Hingston getroffen, Ihn ins Wirtshaus »Zum Hund« geführt und ihn dort einen Baß für mich schreiben lassen, der, glaube ich, gut sein wird.

Naiv fügt er hinzu:

... Er rühmt die Romanze sehr, ohne allerdings die Worte zu kennen, und sagt, die Melodie sei gut: er glaubt, daß sie die Worte deutlich ausdrücke. 19. Dezember 1666.

... Dr. Childe kam zum Rendezvous und blieb den ganzen Morgen mit mir, um mir einige Bäße zu den Weisen zu machen, um die ich ihn gebeten hatte. 15. April 1667.

Er interessierte sich auch für Musiktheorie:

... Saß in meinem Zimmer bei einem gutem Feuer; verbrachte eine Stunde mit der Einführung in die Musik von Morley, einem sehr guten Buch, aber ohne Methode. 10. März 1667.

... Zu Fuß nach Woolwich gegangen, den ganzen Weg die Einführung in die Musik von Playford gelesen, wo sich einiges Hübsches findet. 22. März 1667.

... In Duck Lane gewesen, um den Marsanne Der Vater Mersenne. in Französisch zu holen. Dieser Mann hat sehr gut über Musik geschrieben, aber man kann sich das Buch hier nicht verschaffen, so habe ich es mir bestellt und die Abhandlung über die Musik von Descartes gekauft. 3. April 1668.

... Der Page hat mir das Buch über die Musik von Descartes vorgelesen, aber ich verstehe es nicht, und ich glaube, derjenige, der es schrieb, hat es auch nicht verstanden, obgleich er ein sehr gelehrter Mann war. 25. Dezember 1668.

siehe Bildunterschrift

Händel, Georg Friedrich Nach einem Gemälde von Thomas Hudson

Er setzte es sich in den Kopf, seine eigenen Gedanken über Musik niederzuschreiben. Wenn man ihm glauben darf, waren sie außerordentlich, und er hatte den Stein der Weisen im Reich des Klanges gefunden.

... Ich habe mit Mr. Banister ein sehr angenehmes Gespräch über Musik gehabt, das mich in einigen meiner neuen Ideen bestärkte, so daß sich die Absicht in mir formt, einen Grundriß über musikalische Theorie zu schreiben, wie ihn die Welt noch nicht gesehen hat. 2. März 1668.

... Liess Tom ein paar kleine Konzerte niederschreiben und einige eigene Ideen über Musik; das ermutigt mich sehr, mich der Sache mehr zu widmen, denn ich glaube, und ich habe gute Gründe es zu glauben, daß ich auf dem besten Wege bin. ihre Geheimnisse zu entschleiern. 11. Januar 1669.

Man halte ihn nicht für einen Narren. Seine Ehrlichkeit und seine jugendliche Hingabe an die Musik sind bestrickend. Er liebt sie zu sehr. Er hat Angst vor ihr:

... Ein wenig Viola gespielt, was ich schon lange nicht tat, da ich kein Instrument berührte; schließlich habe ich aufgehört und bin ein wenig in meinem Amt gewesen, denn ich hatte Angst, daß ich mich zu sehr an die Musik hingeben und in meine frühere Narrheit zurückverfallen könnte, die mich alle übrigen Pflichten vernachlässigen ließ. 17. Februar 1668.

Es nützt aber nichts. Die Musik ist die Stärkere.

... Gott verzeihe mir! Ich merke immer mehr, daß ich meine Natur nicht besiegen kann, der das Vergnügen über alles geht, obgleich ich mich inmitten dieses Vergnügens meiner Geschäfte erinnere, die ich vernachlässige. Aber wenn es sich um Musik handelt, oder um Frauen, so kann ich nichts als nachgeben, was immer meine Obliegenheiten auch sein mögen. 9. März 1666.

Er empfindet Musik so stark, daß er mitunter krank davon wird:

... Im Königlichen Theater gewesen, um die »Jungfräuliche Märtyrerin« Von Massinger. zu sehen ... Was mir am besten auf der Welt gefällt, das ist die Musik der Blasinstrumente, wenn der Engel niedersteigt; sie ist so herrlich, daß sie mich in Ekstase versetzt; und sie hat mich derart hingerissen, daß sie mich ganz krank gemacht hat, wie früher, als ich in meine Frau verliebt war. Den ganzen Abend konnte ich daheim an nichts anderes denken und ich bin die ganze Nacht über so völlig benommen von ihr gewesen, daß ich mir nicht denken kann, die Musik könne über die Seele irgendeines Menschen so viel Macht haben wie über die meine. 27. Februar 1668.

Die Musik ist sein Trost, wenn er traurig ist:

... Heute nacht daheim Flageolett gespielt. Ich war traurig, aber es macht mir Freude zu denken, daß ich mein Leben, wenn es Gott mir schenkt, einfach und behaglich auf dem Lande zubringen will, wenn auch ohne Ruhm zu ernten. 15. Juni 1667.

... Obgleich ich noch immer traurig war, wenn ich an meinen armen Bruder dachte (der am Tage vorher gestorben war), so gab ich doch meiner Lust nach, Klavier zu spielen. 16. März 1664.

Man muß allerdings zugeben, daß Pepys es nicht oft nötig hatte, diesen Trost zu suchen; denn er war selten traurig. Die Musik stellte sich ihm weit öfter als ungemischte Freude dar, die volkommenste des Lebens:

... Ich denke darüber nach, daß die Musik die ganze Freude ist, die ich auf der Welt habe, die größte, die ich je erhoffen darf, und das Beste meines Lebens. 12. Februar 1667.

Rings um ihn muß alles seine musikalische Manie teilen. Seine Frau zuerst.

Er hatte sie 1655 geheiratet, als sie erst fünfzehn Jahre alt war; er zählte dreiundzwanzig. Er setzte es sich in den Kopf, sie singen zu lehren, und solange er in sie verliebt war, fand er sie »unbeschreiblich begabt« 28. August 1659.. Die ersten Lektionen gingen sehr gut vonstatten; Lehrer und Schülerin waren voller Eifer.

... Lange aufgeblieben, meiner Frau ihre Musikstunde gegeben. 4. September 1659.

... Nach Hause gekommen, um mich meiner Musik zu widmen. Meine Frau und ich sangen lange zusammen in meinem Zimmer. 17. Mai 1661.

Es handelte sich nur um einfache Lieder. Aber als Frau Pepys sah, daß ihr Mann sich einen Gesanglehrer für italienische Musik nahm, wurde sie von Ehrgeiz gepackt und wollte nicht zurückstehen.

... Heute früh sind meine Frau und ich lange im Bett geblieben, und unter anderm sind wir auf Musik zu sprechen gekommen. Sie bat mich, sie Gesangstunde nehmen zu lassen, was ich in Erwägung zog, und ich habe es ihr versprochen. Gerade als ich noch zu Bett war, meldete man mir meinen Gesanglehrer, Mr. Goodgroom, der zu meiner Stunde gekommen war, da stand meine Frau auf und begann an diesem Morgen singen zu lernen. 1. Oktober 1661.

So studiert sie nun große italienische und französische Arien, was recht unvorsichtig war. Pepys möchte sich gern täuschen, aber muß schließlich doch erkennen, daß seine Frau nur geringe Anlagen hat:

... Mit meiner Frau gesungen, die kürzlich Der brave Pepys war nachsichtig; seine Frau lernte seit fünf Jahren! zu lernen begann, wie ich hoffe, es auch zu etwas bringen wird; aber leider hat sie kein gutes Gehör, und ich, leider muß ich es gestehen, bin nicht geduldig genug, um mit ihr zu lernen und sie zeitweise eine falsche Note singen zu hören. Ich bin sehr zu tadeln, daß ich bei ihr nicht ertrage, was zu ertragen doch natürlich wäre, da sie eine Anfängerin ist und ich es sehr wünsche, daß sie singen lernt. Ich sollte sie ermutigen. Ich bin betrübt; ich merke, daß ich sie entmutige und ihr Angst mache, vor mir zu singen. 30. Oktober 1666.

Pepys war um so berechtigter, zu finden, daß seine Frau falsch sang, als er in seinem Hause Vergleiche ziehen konnte, die nicht zum Vorteile der Frau Pepys ausfielen. Es war eine Sitte der Zeit, Gesinde mit schöngeistigen Talenten zu haben; in allen mit Pepys bekannten Familien hatte man musikalische Dienstboten, die oft wahre Künstler waren. Der Haushofmeister der Mylady Wright, Evans, spielte die Laute mit Vollendung und gab Pepys Lektionen. 25. Januar 1659. Die Frau des Kammerdieners bei einem seiner Freunde, Mr. Dutton, sang wundervoll. 15. Oktober 1665. Pepys hatte den Ehrgeiz, daß seine Diener gleichfalls Virtuosen sein sollten; als guter, nicht ganz uninteressierter Ehemann hielt er darauf, daß seine Frau Dienerinnen hatte, die angenehm zu sehen und zu hören waren.

Da war zuerst eine reizende Kammerzofe, die Ashwell, die Klavier spielte. Pepys kaufte ihr Noten und unterrichtete sie in den Grundzügen ihrer Kunst:

... Auf mein Zimmer gegangen, um der Ashwell die Grundsätze des Taktes und einiges andere beizubringen. Ließ sie einen Psalm einstudieren; sehr gut, denn sie hat ein gutes Gehör, Siehe oben, was Pepys von seiner Frau sagt! und Anschlag. 3. Mai 1663.

Auch tanzen muß die kleine Dienerin:

... Nach Tische den ganzen Nachmittag Geige gespielt, wozu die Ashwell tanzte in meinem schönen Zimmer oben, das ein ungewöhnlich geeignetes Musikzimmer ist. 24. April 1663.

Aber die Ashwell genügt Pepys bald nicht mehr. Naiv schreibt er:

... Ich bin im Begriff, eine Kammerzofe für meine Gattin zu suchen, die nach meinem Geschmack ist und besonders eine, die etwas von Musik versteht, namentlich vom Gesang. 28. Januar 1664.

Endlich fängt er das seltene Vögelchen; es heißt Mercer. Zur selben Zeit nimmt er einen kleinen musikalischen Pagen ins Haus, den ihm sein Freund, Kapitän Cooke, geschickt hatte, welcher königlicher Kapellmeister war und unter dessen Leitung der Page seit vier Jahren stand. 27. August 1664. Somit ist Pepys auf dem Gipfel der Seligkeit angelangt.

... Daheim mit meiner Frau, der Mercer, dem Pagen bis elf Uhr gewacht bei Gesang und Geigenspiel. Es ist ein großes Glück für mich, Herr über soviel Vergnügen in meinem eigenen Hause zu sein, so daß es für mich immer eine Freude sein wird, daheim zu bleiben. Das junge Mädchen spielt ganz hübsch Klavier, aber nur leichte Stücke; doch hat sie guten Anschlag, auch Gehör und Stimme sind gut. Mein Page, ein netter Junge, singt sehr hübsch; bis jetzt ist er das angenehmste Bürschchen von der Welt. 9. September 1664.

Allein er wird des Pagen bald überdrüssig. 22. April 1665. Die Mercer dagegen gewinnt an Reiz von Tag zu Tag.

... Fand die Mercer Viola spielend; da begann auch ich zu spielen und zu singen bis spät in die Nacht. 18. September 1664.

Gegen elf Uhr abends bei schönem Mondschein mit meiner Frau und der Mercer in den Garten gegangen und bis Mitternacht gesungen. Es war eine große Freude für uns und auch für die Nachbarn, die ihre Fenster öffneten. 5. Mai 1666.

... Nach dem Abendessen mit der Mercer gesungen und weil es mir Vergnügen machte, sie ein Lied von Lawes singen zu hören, bis Mitternacht aufgeblieben. 12. Juli 1666. Siehe auch 19. Juni 1666.

Die arme Frau Pepys ist indessen betrübt

... Heimkehrend meine Frau sichtlich unzufrieden gefunden, weil ich soviel Zeit mit der Mercer verbringe und sie singen lehre, welche Mühe ich mir bei meiner Frau nicht nahm, was nicht zu leugnen ist. Aber es geschieht nur, weil dieses Mädchen erstaunliche musikalische Anlagen hat; und Musik ist mir das Liebste auf Erden ... 30. Juli 1666.

Es scheint, daß die Mercer für einige Zeit entfernt wird, aber Frau Pepys gewinnt nicht viel dabei. Pepys wird melancholisch. 23. September 1666. Er findet, daß seine Frau miserabel singt. Die Mercer muß zurückkehren, die Gesangsstunden beginnen aufs neue und auch leider Frau Pepys' Eifersucht.

... Da ein wenig Mondschein war, in den Garten mit der Mercer gegangen und gesungen, bis meine Frau mich erinnerte, daß heute Fasttag ist; Todestag des Königs. das hat mich geärgert, und ich habe aufgehört. 30. Januar 1667.

Nun macht sich Frau Pepys leidenschaftlich daran. Musik zu treiben, und beinahe gelingt es ihr, den Triller zu erlernen. Ihr Mann erkennt großmütig ihre guten Absichten an:

... Nach Tische begannen meine Frau und die Barker Barker war eine dritte musikalische Dienerin. zu singen. Meine Frau gibt sich sehr viel Mühe und ist sehr stolz, weil sie hofft, bald trillern zu können. Ich glaube wirklich, daß es ihr gelingen wird. 7. Februar 1667.

Aber in dieser argen Welt wird die Tugend nicht belohnt, und die »arme Kleine«, wie Pepys sie nennt, bringt es doch nicht fertig, richtig zu singen.

... Vor Tische meine Frau singen lassen. Arme Kleine! Sie hat so wenig Gehör, daß ich zornig geworden bin und die arme Kleine zu weinen angefangen hat. Ich nehme mir vor, sie ein andermal nicht so zu entmutigen, denn sie wünscht so sehr, etwas zu lernen, um mir Freude zu machen; ich habe also sehr unrecht, ihr den Mut zu benehmen. 1. März 1667.

Eine Zeitlang übt sich Pepys in der Geduld:

... Mit der Zeit wird sie, hoffe ich, trillern lernen. 12. März 1667.

... Ließ sie singen; es ging besser, als ich hoffte. 19. März und 6. Mai 1667.

... Wirklich scheint sich ihr Gehör zu bessern; das freut mich aus Herzensgrund. 7. Mai 1667.

Aber all diese Anerkennung spricht mehr für Pepys' braves Herz als für das Talent seiner Frau. Als er eines Tages eine miserable Sängerin hört, »eine musikalische Idiotin, unfähig einen Ton rein zu singen«, entschlüpft ihm das Geständnis:

... Sie singt noch schlechter als meine Frau, und das versöhnt mich ein wenig mit dieser. 22. Januar 1668.

Die wackere und verzweifelte kleine Frau Pepys macht sich nun über das Flageolett her. Pepys ermutigt sie; vielleicht wird sie hier weniger falsche Töne hervorbringen. Er verhandelt ihretwegen mit einem Professor Greeting und lernt mit, um ihr Mut zu machen; 8. Mai 1667.

... Flageolett mit meiner Frau studiert und mit Vergnügen bemerkt, daß sie die Töne leicht findet. 17. Mai 1667.

... Eine Stunde im Garten spaziert und mit meiner Frau geplaudert, deren musikalische Entwicklung anfängt, mir große Freude zu machen. 18. Mai 1667.

... Beim Abendessen hat meine Frau Flageolett gespielt, und zwar eine eigene Weise so hübsch, daß ich ganz entzückt war, mehr, als ich ihr zutraute. 23. Mai 1667.

... Einen Teil der Nacht mit meiner Frau beim Flageolett verbracht. Sie spielt jetzt alles fast vom Blatt weg und im Takt ... Ich bin sehr zufrieden schlafen gegangen, weil meine Frau so hübsch Flageolett spielt; ich will sie noch ein andres Instrument lernen lassen; denn obwohl sie kein gutes Gehör hat, merke ich, daß sie alles erreichen wird, wozu man leichte Finger braucht. 11. September 1667.

Von da ab ist Pepys' Ehe eine glückliche. Abends läßt er seine Frau Flageolett spielen, »bis er mit großem Vergnügen, in seinem Bett, einschläft« 13. August 1668..

Aber man glaube ja nicht, daß er darüber seine liebe Mercer vergessen habe. Er hält auch weiter mit ihr musikalische Übungsstunden ab –, besonders wenn seine Frau nicht da ist.

... Gegen neun Uhr abends im Garten die Stimmen der Mercer und meines Pagen Tom singen gehört ... Ich starb vor Sehnsucht, das Mädchen wiederzusehen, da sie mir seit der Abreise meiner Frau nicht mehr begegnet war. Ich suchte sie im Garten auf, wir sangen zusammen, dann aßen wir daheim Abendbrot. War entzückt von ihrer Gesellschaft, sowohl von ihrem Gespräch als von ihrem Gesang. 29. April 1668. Siehe auch 10. Mai 1668.

... Die Mercer ins York-Theater geführt, den »Sturm« ansehen ... Nach der Vorstellung die Mercer zu Schiff nach Spring Garden geführt. Dort sehr vergnügt spazierengegangen, gegessen, getrunken, gesungen. Die Leute scharten sich um uns, uns zu hören. 11. Mai 1668.

... Zu Wasser nach Foxhall ... Nacht sank herab, wir setzten uns in eine Ecke und sangen, so daß alle Leute kamen, uns zu hören. 14. Mai 1668.

... Die Mercer geholt. Sie und ich im Garten bis zehn Uhr gesungen. 15. Mai 1668.

... Lustige Gesellschaft. Die Mercer ist dabei. Nach dem Essen Psalmen gesungen ... 17. Mai 1668.

Und so weiter.

... Dabei rede ich nicht von der andern Dienerin, Barker, »die als Sängerin noch viel besser ist«. 12. April 1667.

Rings um dieses musikalische Haus ist alles musikalisch: die Verwandten, Bruder und Schwägerin, die ausgezeichnet Baßgeige spielen 18. Dezember 1662 und 2. Februar 1667., die Freunde, die alle gute und schlechte Musik machen. Die Damen spielen Laute, Viola, Klavier, oft mit so viel Ausdauer, daß sie die Gesellschaft ermüden:

... Herrn Turners Tochter spielte Klavier, daß mir übel wurde. 1. Mai 1663.

... Ich ging ohne Abschied weg, und kein Mensch blieb bei ihr, der zuhörte. 10. November 1666.

Alle großen Herren singen und spielen. Nur Lord Lauderdale bildet eine Ausnahme, aber der gilt für exzentrisch und will vielleicht dafür gelten. 28. Juli 1666. Pepys' Protektor, Lord Sandwich, ist sein Partner in kleinen Kammerkonzerten 23. April 1660. und komponiert dreistimmige Antiphonien. 14. Dezember 1663. Man kann nirgends hingehen, ohne Musik zu hören. Im Wirtshaus

... Führte meine Frau in die Tuchmacherhalle ... Sehr gutes Essen, schöner Saal, gute Gesellschaft, sehr gute Musik. An seiner Stimme erkannte ich zu meinem Vergnügen einen Mann, den ich nie gesehen und der seinerzeit in der Oper des Sir Davenant hinter der Szene sang. 28. Juni 1660.

Beim Spazierengehen:

... Promenierte im Spring Garden. Viele Leute, Wetter und Garten angenehm. Es ist sehr unterhaltlich, bald die Nachtigall und andere Vögel zu hören und bald Geigen oder eine Harfe. 29. Mai 1667.

Auf dem Lande:

... Etwas weiter weg saß im Grase unter einem Baum eine Gesellschaft, die sang. Ich ritt in ihre Nähe und sah, daß es Bürgersleute waren, die sich offenbar zufällig getroffen hatten und nun ausgezeichnet vier- und fünfstimmig sangen. Ich war kaum jemals entzückter von Musik als unter diesen Umständen. 27. Juli 1663.

In den Bädern von Bath, wo, wie es scheint, die Musik zur Kur gehört:

... Nachdem ich zwei Stunden im Wasser gewesen, habe ich mich daheim niedergelegt und transpiriert, eine Stunde lang, da kamen Musiker, um mir sehr gute Musik vorzuspielen, so gut wie irgendeine, die ich jemals in London gehört. 13. Juni 1668.

Zur See – auf einer Reise, die er macht, um Karl II. zu holen:

... Ein Matrose – ein Trunkenbold und wie ein Bauer anzusehen – spielt Harfe, wie ich vielleicht bis zu meinem Ende nicht spielen hören werde. 30. April 1660.

Beim Haarschneider:

... Zu unserer Bedienung ein Barbier, der sehr gut Geige spielt. 20. August 1662.

Im Londoner Volk:

Zu Pepys kommt »ein Goldschmiedearbeiter, ein armer Teufel, ein ganz kleiner Kerl, der keine Handschuhe trägt«. Aber er füllt seinen Platz in einem Vokalquartett mit Pepys und dessen Freunden vortrefflich aus. 15. September 1667.

Natürlich spielt das Theater eine große Rolle im Leben dieses Musikfanatikers. Zwar hat Pepys sich eine Zeitlang vorgenommen, es nur einmal monatlich zu besuchen, um sich seinen Geschäften nicht zu entfremden, und auch aus Sparsamkeit. Und auch wegen eines Restes von Puritanertum. Freilich zeigt das Tagebuch, wie rasch dieses Empfinden bei dem einstigen Republikaner verschwand, der ein Höfling der Stuarts geworden war. Aber er wartet nicht den zweiten Tag des Monats ab:

... 1. Februar 1664. Heute ist ein neuer Monat, da kann ich ins Theater gehen.

Wenn man seine Aufzeichnungen durchliest, sieht man, wie rasch sein Vorsatz übertreten wird.

Hat er nun auch beschlossen, nicht öfter als einmal monatlich ins Theater zu gehen, so hat er sich's doch nicht untersagt, sich das Theater nach Hause kommen zu lassen, das heißt, die Theaterleute, besonders wenn es junge hübsche Sängerinnen sind, wie Mrs. Knipp, Sängerin am Königlichen Theater – »diese kleine Schelmin ...« 23. Februar 1666. – »Knipp, die sehr niedlich ist, ein tolles Geschöpfchen, und die so nobel singt, wie ich es mein Lebtag nicht gehört habe.« 6. Dezember 1665. Er verbringt Nächte damit, sie Lieder singen zu hören, die ihm bewunderungswürdig scheinen. 23. Februar 1666. Sie spielt ihm ihre Rollen vor. Sie sucht ihn im Parterre des Theaters auf, »nach ihrer Wolkenarie«. 17. April 1668. Er führt sie nach Kensington spazieren, und sie singt.

... Schöne Damen hörten uns zu ... Wir waren unendlich lustig. Sangen den ganzen Weg lang, bis wir in die Stadt kamen. 17. April 1668.

Was für schöne Abende, die Pepys bei sich zu Hause mit liebenswürdigen Musikantinnen gab: seiner Frau, den Dienerinnen seiner Frau, den Freundinnen seiner Frau und den reizenden Theaterdamen! Auch die Knipp kommt manchmal hin, im Theaterkostüm, »als Bäuerin im Strohhut« 24. Februar 1667..

... Jetzt ist mein Haus ganz voll ... Vier gute Geigen ... Wir haben gesungen, dann getanzt, dann dreistimmig gesungen. Die Harris vom Duke Theatre hat ein irisches Lied gesungen, das seltsamste und hübscheste, das ich je von ihr gehört ... Sangen und tanzten weiter. Unsere Mercer hat eine italienische Arie gesungen, die mich begeistert hat ... 24. Januar 1667. Die Knipp und Rolt sangen gute alte englische Weisen und ich hatte unendliches Vergnügen am Zuhören ... 17. April 1668. Ich verbrachte die Nacht in einem Entzücken ... Es war die beste musikalische Gesellschaft, in der ich mich je befunden; ich möchte in ihr leben und sterben, und zwar wegen der Musik, aber auch wegen der Gesichter meiner Frau und von der Knipp ... 6. Dezember 1665.

Pepys schwelgt in seinem Glück; nachts, auf seinem Kopfkissen, ruft er sich die köstlichen Abende zurück: ... Ich bin mir klar, daß diese Freude eine der besten ist, die ich auf dieser Erde erwarten kann. 24. Januar 1667.

Nur eine Wolke beschattet seinen Himmel: die Musik ist kostspielig. Am Schluß der Schilderung eines zauberischen Abends folgt die Anmerkung:

... Nur die Musikanten haben mich geärgert; sie waren nicht mit weniger als 30 Schilling zufrieden. 24. Januar 1667.

Pepys zahlt nicht gern. Darin ähnelt er vielen reichen Amateuren seiner und unserer Zeit. Nichts ärgert ihn so, als wenn er einem Künstler Geld geben soll; naiv gesteht er es ein:

... Mr. Berkenshaw hat meine zweiteilige Arie fertig gemacht, die mir sehr gefällt. Ich habe ihm fünf Pfund Sterling für diesen Monat gegeben, d. h. für seine Lektionen in fünf Wochen. Das ist viel Geld, und ich ärgerte mich, daß ich es zahlen mußte. 24. Februar 1662.

Auch weiß er es einzurichten, daß er sich mit seinem Lehrer überwirft, aber so, als ob der Bruch von der Seite des andern käme, sobald er alles aus ihm herausgezogen hat, was er braucht. 27. Februar 1662. Als Mr. Berkenshaw darauf hereingefallen ist und mit Pepys gebrochen hat, ergötzt sich dieser an den Weisen, die er während der Stunden vorsichtig aus Mr. Berkenshaw herausgeholt hat: ... Ich finde sie ganz unvergleichlich und bin nicht wenig stolz darauf: denn ich bin sicher, niemand auf der Welt besitzt sie, außer mir; nicht einmal er, der sie geschrieben hat. 14. März 1662.

Wenn es seine Börse gegen Künstler zu verteidigen gilt, ist er klug wie die Schlangen. Ein Geiger kommt zu ihm und spielt ihm »einige sehr schöne Stücke seiner Erfindung« vor. Pepys hütet sich wohl, ihn sehr zu rühmen:

... Ich hatte Angst, ihn zu viel zu loben, damit er mir nicht etwa anbiete, diese Musikstücke für mich abzuschreiben: denn dann wäre ich gezwungen gewesen, ihm etwas zu schenken oder zu borgen. 23. Januar 1664.

Kein Wunder, daß Pepys unter diesen Umständen die Musik für die wenigst kostspielige aller Künste hält 8. Januar 1663.. Kein Wunder auch, daß die Künstler Hungers sterben in diesem England, wo jeder sich für einen leidenschaftlichen Musikfreund erklärt. Es ist wie bei Gauklern, die sich vor Bauern produzieren. Die Bauern sehen zu, unterhalten sich – und nehmen Reißaus, wenn es ans Zahlen geht.

... Mr. Hingston, der Hoforganist, sagt mir, daß eine große Anzahl Musiker nahe daran sei, Hungers zu sterben, da man ihnen seit fünf Jahren kein Gehalt ausgezahlt hat; sogar Evans, der berühmte Harfenvirtuose, der seinesgleichen auf der Welt nicht hatte, soll neulich aus Not zugrunde gegangen sein und ist auf Gemeindekosten beerdigt worden. Er wäre des Nachts, ohne eine einzige Fackel, zu Grabe getragen worden, wenn nicht Mr. Hingston zufällig dem Leichenzug begegnet wäre und zwölf Pence hergegeben hätte, um zwei oder drei Fackeln zu kaufen. 19. Dezember 1666.

Dies alles klärt uns bereits darüber auf, wie wenig tief bei den Engländern der Musiksinn sitzt. Wir werden sie noch besser erkennen, wenn wir versuchen wollen, den musikalischen Urteilen Pepys' nachzugehen und die Grenzen seines Geschmacks festzustellen. Sie sind wahrlich eng gezogen!

Pepys liebt den Gesang nach alter Art nicht. 16. Januar 1660. Er mag keinen mehrstimmigen Gesang:

... Ich überzeuge mich mehr und mehr, daß mehrstimmiger Gesang kein Gesang ist, sondern eine Art Instrumentalmusik, weil sich der Sinn der Worte, die man nicht versteht, verliert und besonders, weil man sie fugiert. Nach meiner Meinung ist der wahre Gesang nur der ein-, höchstens zweistimmige. 15. September 1667. Siehe auch 29. Juni 1668.

Die italienischen Meister mag er auch nicht:

... Sie haben den ganzen Abend über das beste Musikstück der Welt gesungen, wie alle behaupten, ein Stück von Carissimi, dem berühmten römischen Meister; es war schön, sicherlich, zu schön, als daß ich es beurteilen könnte. 22. Juli 1664.

... War gar nicht begeistert von dieser Musik, von der ich Außerordentliches erwartete ... Ich muß anerkennen, daß es eine sehr gute Musik ist, ich meine, daß die Komposition außerordentlich ist; dennoch gefällt sie mir nicht. 16. Februar 1667.

Er liebt die italienischen Sänger nicht; am meisten haßt er die Stimmen der Kastraten. Er anerkennt nur die rhythmische Sicherheit und die ungewöhnliche Übung dieser Künstler, aber sie bleiben seinem Geschmack fremd, und er bemüht sich nicht, sie zu verstehen. Er beurteilt sie später günstiger, als er sie in der Kapelle der Königin hört (21. März 1668). Siehe das Folgende.

Noch weniger liebt er die moderne englische Schule, die von Cooke, aus der Pelham Humphrey, Wise, Blow und Purcell hervorgehen sollten:

... Als Ausführung und Komposition stand es wirklich noch unter dem, was ich den Abend vorher gehört hatte Es handelt sich um italienische Gesänge von Draghi., ich hätte das nicht erwartet. 13. Februar 1667.

Er hat auch nicht mehr Vorliebe für französische Tonkunst:

... Ohne parteiisch zu sein, finde ich nichts in ihren Melodien, das besser wäre als bei uns. Mir fiel das bei einigen Violinstücken von Baptiste (Lully), dem großen modernen Komponisten, auf, wenn ich sie mit denen von Banister vergleiche. 18. Juni 1666.

Er kann die französische Musik von Grebus (Grabu), dem Meister Karls II., nicht leiden:

... Gott verzeih mir! Noch nie im Leben war ich von einem Konzert so wenig befriedigt! 1. Oktober 1667.

Mit einem Wort, die ganze Instrumentalmusik langweilt ihn:

... Ich muß gestehen: sei es, weil ich wenig davon höre, sei es, weil die menschliche Stimme mehr taugt, ich finde nicht das geringste Vergnügen daran: nach meiner Meinung wiegen zwei Stimmen zwanzig Instrumente auf. 10. August 1664.

Wenn er so viel ausschließt: was bleibt denn übrig? Er sagt es selbst: eine Stimme, höchstens zwei, begleitet oder auch nicht von der Laute, der Theorbe, der Viola. Und was sollen diese Stimmen singen? Einfache Lieder, hübsch deklamiert, wie die von Lawes, dem Beherrscher der musikalischen Mode, dessen Namen man am öftesten in dem Tagebuch begegnet. Pepys singt sie beständig (März, April, Mai, Juni, November 1660, 14. Dezember 1662, 19. November 1665 usf.) Im Theater scheint Pepys die Musik Locks am meisten geliebt zu haben, mit dem er in persönlicher Verbindung stand 11. und 12. Februar 1660. Pepys kennt auch Purcells Vater. und der 1668 die Bühnenmusik für Massingers »Jungfräuliche Märtyrerin« schrieb, die ihn krank vor Freude gemacht hatte. Auch in der Kirche zieht er Lock vor 21. Februar 1660. und die vierstimmigen Psalmen von Ravenscroft, obgleich sie ihm recht eintönig scheinen. November-Dezember 1664. Hier eroberten ihn später die Italiener.

Aber das, was ihm im Grunde am besten gefällt, das sind die guten alten englischen Weisen.

... Mrs. Manuel singt erstaunlich gut, ganz im italienischen Stil. Trotz alledem gefällt sie mir nicht so gut wie die Knipp, wenn diese ein gutes altes englisches Lied singt. 17. August 1667.

... Mrs. Manuel singt gut; dennoch gestehe ich, daß ich nicht entzückt genug bin, um sie zu bewundern ... Es macht mir mehr Freude, die Knipp zwei oder drei englische Liedchen singen zu hören, die ich verstehe – obgleich Erfindung und Ausführung der andern schön sind. 30. Dezember 1667.

Überdies müssen diese englischen Lieder auch ganz streng englisch sein. Pepys anerkennt nicht einmal schottische Weisen:

... Ein Diener Lord Lauderdales spielt auf der Geige schottische Weisen, offenbar die besten des Landes, nach dem Lob und der Bewunderung zu schließen, die sie erregen. Aber lieber Himmel! Es sind die sonderbarsten Sachen, die ich mein Lebtag gehört habe. Alle im gleichen Stil. 28. Juli 1666. Man beachte auch seine Verachtung der Weisen der cornemuse (Dudelsack). 24. März 1668.

Wie man sieht, schrumpft die Musik für Pepys auf einen sehr kargen Umfang ein. Wie merkwürdig ist diese Musikleidenschaft in Verbindung mit einem so ärmlichen Geschmack! Dieser Geschmack hat nur eine gute Eigenschaft: seine Ehrlichkeit. Pepys will sich nicht besser machen, als er ist. Er sagt aufrichtig, was er denkt; er hat das gesunde englische Mißtrauen gegen unbändigen Enthusiasmus. Auffallend ist das instinktive Mißtrauen, das er für italienische Musik hat, die langsam anfängt, England zu überfluten. Als er sie bei Lord Brunckner, einem Londoner Beschützer italienischer Kunst zu hören bekommt, schreibt er:

... Sie haben wohl gut gesungen; aber in einem Lied kommt es auf die Worte an und wie die Musik sie vertont; die Sprache des Landes und ihr Akzent muß dem Hörer verständlich und vertraut sein; sonst wird man die Vokalmusik eines fremden Landes nie richtig beurteilen können. Da ich die Worte nicht verstand und das Italienische nicht gewohnt bin, war ich von dieser Musik auch gar nicht eingenommen; ihr Rhythmus, die Art, die Stimmen zu erheben und zu senken, mag einem Italiener gefallen, aber mir hat es nichts gesagt. In meinem Innern fühle ich, daß ich englische Worte auf eine Art komponieren könnte, die den geübtesten englischen Ohren besser zugesagt als diese ganze italienische Musik ... 16. Februar 1667. Auch 11. Februar 1667.

... Ich überzeuge mich mehr und mehr, daß jede Nation einen Akzent und Sprechton hat, die denen der anderen Länder nicht gleich sind und ihnen nicht gefallen, darum muß auch der Gesang ein anderer sein. Je mehr die Musik den Worten entspricht, desto mehr hat sie die Intonation der eigenen Sprache: so daß ein von einem Engländer komponiertes Lied dem Engländer immer besser erscheinen muß als ein Lied in einer fremden Sprache von einem Ausländer. 7. April 1667.

Das ist sehr vernünftig und erinnert an das, was Addison fünfzig Jahre später schrieb. Dieses gesunde Mißtrauen hätte die englischen Musiker und Dilettanten wachsam gegen die Nachahmer fremder Kunst machen müssen, namentlich gegen die der italienischen, die tödlich für die englische Musik werden sollte. Aber die italienische Kunst war sehr stark, und man hat eben gesehen, in welch engen Grenzen sich der englische Geschmack bewegte. So räumte er fast den gesamten Platz der fremden Kunst ein und zog sich auf ein enges Gebiet zurück, ein Fehler sondergleichen. Sobald sich die ausländische Musik einmal in England festgesetzt hatte, suchte sie alles zu erobern. Einige Notizen Pepys' zeigen, daß auch er schon schwankend wird;

... In der Kapelle der Königin. Hörte die Italiener singen. Ihre Musik schien mir wirklich bewunderungswürdig und alles übertreffend, was wir hier machen. 21. März 1668. Man sehe auch Pepys Urteil über Draghi, dem er bei Lord Bruckner mit Killigrew begegnet, welcher daran arbeitete, die italienische Musik nach London zu verpflanzen und aus Italien Sänger, Instrumentalisten und Dekorationsmaler kommen ließ. 12. Februar 1667.

Das ist ein Geständnis der baldigen Niederlage, in der die englische Musik zugunsten der Italiener abdanken sollte.

*

Ich habe ziemlich lange bei diesem Tagebuch eines englischen Musikliebhabers aus der Zeit Karls II., verweilt. Nicht nur wegen des Vergnügens, einige liebenswürdige Typen wieder aufleben zu lassen, die sich in den zwei Jahrhunderten nicht allzusehr verändert haben – der vornehme Engländer, Künstler und Staatsmann, gesund an Leib und Seele, schaffensfreudig, stets besonnen, guter Laune, voll heiterer Ruhe und mit jenem etwas kindlichen Optimismus, wie man ihn so oft auf der andern Seite des Kanals findet, musikalisch angenehm begabt, aber oberflächlich, die Musik nach Miltons Rat Bekanntlich hatte Milton in seinem berühmten »Tractate on Education« geraten, nach anstrengenden Turnübungen, »während man sich abtrocknet und vor Tische ruht, die müden Geister zu beruhigen und zu erfrischen, indem man den göttlichen und feierlichen Klängen der Musik lauscht«. Er fügt hinzu, nach den Mahlzeiten sei die Musik noch besser am Platze, »um der Natur bei der ersten Verdauung beizustehen und zu helfen und um den Geist wieder zufrieden zur Arbeit zu geleiten«. mehr als hygienisches Vergnügen betrachtend, denn als eine Leidenschaft, über die man die Herrschaft verlieren könnte; und um ihn herum andere bekannte Gestalten: Frau Pepys, die Engländerin, die musikalisch sein will, die mit Ausdauer Klavier spielt und »guten Anschlag hat«. Und noch manche andere ...

Aber nicht deswegen allein habe ich Auszüge aus diesem Tagebuch gemacht. Es hat das historische Interesse, daß es ein Gradmesser des englischen Musikwesens vom Jahre 1660 ist, das heißt am Beginn des goldenen Zeitalters britischer Musik. Man begreift, daß dieses Zeitalter nicht dauern konnte. So glanzvoll, sogar genial die Musik in der Aera Purcells war, so hatte sie keine Wurzeln und namentlich keine Erde, ihre Wurzeln hineinzusenken. Das intelligenteste, gebildetste, kunstliebendste Publikum Englands interessierte sich ernstlich nur für ein außerordentlich begrenztes musikalisches Gebiet, das auf der Dichtung ruhte, wie es aus ihr erwachsen war: ein- und zweistimmige vokale Kammermusik, Dialoge, Balladen, Tänze, poetische Gesänge. Quintessenz und Herzblut der englischen Musik sind hier. Ich spreche hier nicht von der englischen Kirchen- und Choralmusik, die während der Restauration unter den Stuarts großzügige Werke hervorgebracht hat und immer eine vornehme Haltung wahrte, ohne indessen eigentlichen Nationalcharakter zu verraten. Alle britische Musik, die national sein wollte, mußte sich daran halten, und in der Tat ist das Beste, was sie hervor gebracht hat, darunter einiges von dem liebenswürdigen Purcell, durchdrungen von diesem Duft einer zärtlichen Poesie und eines urwüchsigen Behagens. Aber diese Basis war etwas schmal, der Boden sehr wenig ertragreich für die Kunst; die Form einer solchen Musik ist einer großen Entwicklung nicht fähig, und die weit verbreitete aber oberflächliche musikalische Kultur dieses Landes hätte eine solche auch nicht zugelassen.

Gegenüber dem engen Gebiet von Liedern und englischen Balladen, das sich fast unverändert bis in unsere Tage erhalten hat, sieht man in Pepys' Tagebuch die italienische Invasion drohen, die schließlich alles überfluten sollte.


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