Johann Christoph Rost
Schäfererzälungen
Johann Christoph Rost

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Die Schäferstunde.

          Homer, Virgil, Lukan und wer ihr alle seid,
Dringt durch ein Heldenlied bis zur Unsterblichkeit!
Singt göttlich, laßt die Welt bis an ihr Ende lesen,
Daß eure Helden groß, ihr grösser noch gewesen.
Mir prägt kein stolzer Trieb erhabne Lieder ein,
Mein Rum mag immerhinn gleich mir vergänglich sein,
Ich er euch one Neid, denn soll mein Lied erschallen,
So such ich nur dadurch den Schönen zu gefallen.
Was ich besingen will, ist größer als der Held,
Den jeder Dichter noch für schwer zu finden hält.
Die Schäferstunde hat die Helden selbst bezwungen;
Wer sie besingt, der hat den größten Held besungen.
Ihr Schönen zörnet nicht,
Daß meine Muse stets mit euch von Schäfern spricht.
Den Helden einen Stand zu wälen,
Steht allemal dem Dichter frei;
Fontaine nam die Könige der Lombardei,
Von jungen Hirten läßt sich noch weit mer erzälen.

Amintens Herz empfangt schon längst den starken Trieb,
Von dem der grosse Pan selbst nicht verschonet blieb;
Den Trieb, der diesen Gott zu einem Schäfer machte;
Den Trieb, der diesen Gott um seine Sirinx brachte.
Amintas war verliebt, der jungen Doris Blick
Versprach ihm mit der Zeit das größte Schäferglück.
Allein so viel er auch der süssen Hoffnung glaubte,
So felte jedesmal doch die Gelegenheit,
Die seiner Zärtlichkeit
Mer als den blossen Wunsch erlaubte.

    Den Wunsch, den er so oft getan,
Den sah er auch der Doris an,
Ob sie denselben gleich vor ihm verbergen wollte,
Vielleicht, daß ihn Amint nur stärker wünschen sollte.
Sie liebten sich und wußten dieß,
Noch eh sie sichs gesagt, gewiß.
Doch, eine Liebe will nicht nur die andre wissen,
Die Sensucht nach den ungezälten Küssen;
Die Wollust, sich auch da noch schmachtend anzusehn,
Wenn der verlangte Wunsch geschehn;
Die Freiheit, sich das zärtlichste zu sagen;
Die Hoffnung, das was man noch nie gewagt zu wagen,
Dieß alles war an ihrer Ungeduld
Nach mererer Erfarung schuld.
Doch in der Liebe kömmt das Glücke
Zwar meistenteils, nur nicht im ersten Augenblicke.

Ihr Schönen eilt mit mir nach jener Gegend hinn,
Und weil ich nur im Geiste gegenwärtig bin,
So darf euch kein Bedenken quälen,
Mich zum Begleiter zu erwälen.
Ihr sollet den Amint bei seiner Schäferinn,
In der gewünschten Stunde sehen.
Was euer Blick hierbei zu fürchten hat,
Wird im Gebüsche nur geschehen.
Doch sollte hier und da ein Blatt
Vom Zefir weggewehet werden,
So messet mir die Schuld nicht bei;
Seht weg, seht hinn, es steht euch alles frei.
Ich kan den Winden nicht gebieten,
Doch für dem Zefir hat man sich nicht stark zu hüten.

Einst trieb die Schäferinn die Herde weiter fort,
Sie fand und nicht umsonst, den angenemsten Ort,
Wo Blum und Graß die schönsten Farben mischten.
Das Wasser, das sich hier von steilen Felsen goß,
Die es durch ihren Grund erfrischten,
Wo es inn eine Bach, mit schnellen Rauschen, floß;
Das Volk verbulter Nachtigallen
Wo bald der Sprosser schmetternd rief,
Und bald, mit Steigen und mit Fallen,
Durch die verliebten Töne lief;
Die Lust, die mit den Blättern spielte,
Auf die erhitzte Fläche stieß
Und in den frischen Blumen wülte,
Wovon sie den Geruch durch diese Gegend blies;
Dieß alles ließ die Schäferinn nicht gehen,
Sie blieb mit ihrer Herde stehen.
Sie warf sich auf die Weide hinn;
Hier lag die schöne Schäferinn.
Sie dänte sich und sprach mit zärtlichem Verlangen:
Ach, könnt ich doch Aminten hier umfangen!
Sprach sie nichts mer? O ja, ein halb verschlucktes, Ach.
Ein matter Blick, der aus den blauen Augen brach,
Ein Busen, welcher sich aus Ungeduld empörte,
Die sagten dem genug,
Der hier im Busche lag, und so verliebt, als klug,
Ich weiß nicht, ob mer sah als hörte.
Kurz, da die Schäferinn sich dessen nicht versah,
So stund Amintas schon vor ihren Augen da.
Doch, wie er in den Busch gekommen,
Hab ich noch nie gefragt und auch noch nie vernommen.

Für Schrecken glaubte dieß die junge Doris kaum,
Sie hielt den Anblick erst für einen leeren Traum.
Sie dacht ein Schlummer wollt ihr diese Freude machen,
Drum furchte sie nichts mer als plötzlich aufzuwachen.

Ihr Schönen hat euch nie von einer Lust geträumt,
Die euer Mund oft dem mit Ungestüm versagte,
Der es sie wachend zu erbitten wagte,
Und die ihr ihm oft träumend eingeräumt?
Ihr Schönen, habt ihr dieß erfaren,
So darf ich euch nichts mer
Von ihrer Lust zu träumen offenbaren.

Was aber tat Amint? Ist dieß wol Fragens wert?
Ein Schäfer, der den schönsten Augenblick begert,
Bedienet sich der vorteilhaften Zeit
Zur zärtlichsten Verwegenheit.
Er sprach, sie sprach, und was? dieß könnt ihr leicht erraten,
Ich sag euch itzt nichts mehr als was sie taten.

Ein halb gegebener und halb geraubter Kuß
War des verliebten Schäfers Gruß.
Drauf folgten schon die zärtlichsten Geberden,
Die leichter nachgemacht, als hier beschrieben werden.

Sie blickte den Amint mit Furcht und Schalkheit an,
Mit Schalkheit, weil er ihr noch nichts getan;
Mit Furcht, damit er ihr nichts tuen sollte.
Kurz, Doris wollte nicht und wollte.
Ihr Auge sprach mer, als ihr Mund verschwieg;
Er seufzte nur, indem der schöne Busen stieg.

Hier warf Amint, mit neuer Lust,
Die Finger auf die warme Brust,
Worauf er, wie er zärtlich glaubte,
Die Freiheit, mer zu rauben, raubte.
Sein Mund erwälte diesen Ort;
Mit jedem Kusse gieng ein lauter Seufzer fort;
Mer Schätze wurden hier entdeckt und ausgegraben,
Als Erd und Meer in ihren Gründen haben.

Die kleine schöne Hand
Tat zwar dem Schäfer Wiederstand,
Doch so, damit Amintas fülte,
Daß ihr beredter Griff mer spielte,
Als ihm nach den verliebten Waffen zielte.

Doch, was Amint bisher getan,
Dieß sahe Doris noch für nicht gefärlich an.
Allein jetzt hielt er sie an beiden Händen;
Jetzt schlang er seinen Arm um die gewölbten Lenden;
Jetzt macht er sich zu dem geschickt,
Was keinem Schäfer leicht so hurtig glückt.

Jedoch die Nimfe riß sich los.
Ihr Eifer war so groß,
Daß sie Aminten hieß aus ihren Augen gehen.
Sie sagte dieß, allein sie sagt es mit Verdruß.
Jedoch ein kluger Schäfer muß
Die Worte nicht, die Blicke nur verstehen.

Er blieb und fing sogar das Werk verwegner an.
Ihr Schönen fragt, wie er verwegner scherzen kann?
Er scherzte so, damit sie merken sollte,
Daß er im Ernste scherzen wollte.
Kurz er entblössete der jungen Doris Knie;
Er sah es, doch mit so viel Lust und Müh.
Ihr Mädchen, zörnet nicht, daß er ihr Knie gesehen,
Sonst sag ich nichts, von dem was mer geschehen.
Genug, daß Doris wiederstritt,
Und was er tat, erst überwunden, litt.
Allein er wußte sie mit hundert kleinen Sachen
So lüstern als erhitzt zu machen.
Die Augen funkelten; die Zunge selbst ward schwer;
Die Lippen zitterten; die volle Brust weit mer;
Der Athem ward mit Schlucken eingefangen;
Für Hitze glüten ihre Wangen;
Sie rief, Amint, ach geh! Sie schrieh, Amint, ach nein!
Hier wurden ihr die Augen klein,
Jetzt mangelte die Kraft zu wiederstreben,
Drum mußte sie sich dem Amint ergeben.

Doch eh sie sich ergab, rief sie die Götter an:
Tut mir anitzt, was ihr den Nimfen oft getan,
Und lasset mich
Die Woltat der Verwandlung spüren.
Verwandelt diesen Ort in einen finstern Wald,
Doch schonet hier der menschlichen Gestalt.
Denn diese mochte sie am wenigsten verlieren.
Ihr Bitten ward erhört. Ein dichter Rosenstrauch
Wuchs neben ihr hervor, und der verbarg sie auch.
Allein dieß war kein Wald; jedoch ich muß nur lachen,
Die Götter müßten ja
Die Erde voller Wälder machen.
Genug sie wurden doch durch diesen Busch bedeckt,
Ihr meint, sie lagen hier nun ganz und gar versteckt?
Der Busch verbarg sie nur den neidischen Gesichtern,
Doch aber nicht vor den verschwiegnen Dichtern.

Ihr Schönen bleibet hier,
Und waget noch den letzten Blick mit mir.
Seht hinn, ich sehe schon die leichten Blätter weichen,
Ich sehe den Amint sein schönstes Glück erreichen;
Sagt, ob ihr dieses sehen könnt?
Ihr schweigt, doch mir ist mer als euch zu sehn vergönnt.
Ihr blickt aus Vorwitz hinn, drum kann es euch nicht glücken:
Ihr könnt die Doris nicht vor dem Amint erblicken.

 


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