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Es ist ein einzig Ding, dem an Gewalt nichts gleichet,
Dem alle Welt gehorcht, die Weißheit selber weichet,
Durch dieses Ding kömmt oft der klügsten Schäferinn,
Zu ihres Schäfers Wunsch der Beifall in den Sinn.
Jedoch wer wollte sich wol seiner Schwachheit freuen?
Ein kluges Mädchen wird, was es versehn, bereuen.
An Heloissen lobt noch selber Abelard,
Daß sie aus Buss und Reu die frömmste Nonne ward.
Allein, ihr Schönen dürft nicht stets im Kloster büssen:
Ein jedes Mädchen hat ein anderes Gewissen.
Jetzt höret, was man einst von Amarillen sprach;
Gefällt euch ihre Reu, so folgt der Nimfe nach.
Mirtill war oft bei Amarillen,
Und ließ, um dieser Nimfe willen,
Fast jeden Tag die Herd allein,
Kaum sah man noch den faulen Hilax Hirten sein.
Drum büsst er manches Stück von seinen Schafen ein.
Jedoch es war ihm nur um Amarillen,
Drum litt er den Verlust getrost um ihret willen.
Wo diese Nimfe war, war auch der Schäfer da,
Er legt es endlich ihr so nah,
Daß, als er einst zu zärtlich klagte,
Ihm Amarillis freundlich sagte:
Er sollte ganz allein
Der Schäfer, den sie liebte, sein.
Doch mußt er ihr zugleich bei der Diane schwören,
Was heut zu Tage noch den Mädchen wol gefällt,
Wenn man es schwört, und doch nicht hält.
Jedoch die Götter, die dergleichen Schwüre hören,
Belachen sie, dem Jupiter zu eren;
Verliebten ists erlaubt, bisweilen falsch zu schwören.
Kaum hatt er diesen Eid getan,
So fing sich schon der Meineid an,
Daß oft die Schäferinn die Götter bitten musste,
Dem frechen Hirten zu verzeihn,
Und ihrer Unschuld Mut und Kräfte zu verleihn.
Doch da er selbst zu viel von seinen Göttern wusste,
Und in der Flur schon etwas offenbar
Von dem Endimion und der Diane war:
So dacht er, was die Götter treiben,
Wird auch an dir wol ungestrafet bleiben.
Man sagt, daß Jupiter hierüber selbst gelacht,
Und oft, aus Scherz, hiermit Dianen rot gemacht.
Zudem war selbst die Nimfe nicht von Stein.
Man bilde sich einmal ein junges Mädchen ein,
Das sich von fetter Milch die Backen rund gegessen,
Das, wenn es oft allein gesessen,
Der Ziege zugesehn, mit der der Bock gespielt,
Und jedesmal sich selbst dabei gefült;
Die Mutter oft behorcht, wenn sie bei später Nacht,
Die Tochter schlafen hieß, die ihr zu lang gewacht;
Kurz zwo Personen von den Jaren,
Wie Piramus und Tisbe waren.
Ich spreche sie aus Menschen Liebe frei,
Und jeder Schäfer stimmt mir bei.
Sie ließ sich von Mirtillen küssen,
Und welcher wird das übrige nicht wissen?
Wer seine Schöne küßt und nicht das andre raubt,
Der ist den Kuß nicht wert, den ihm ihr Mund erlaubt.
Hiervon hat Naso längst in seiner Kunst zu lieben,
Im ersten Buche selbst geschrieben;
Und welche sich in seinen Leren üben,
Die haben mir vertraut, daß sie dieß oft getrieben,
Und daß die Regel auch beständig war geblieben.
Genug, daß dieß Mirtill verstund,
Denn was uns Naso sagt, tat ihm die Liebe kund.
Auch den gewissen Punkt nahm er der Schäferinn,
Und Amarillis gab dem Räuber alles hinn.
Doch das Gewissen schläft nicht lange,
Teils wurd ihr um Mirtillen bange,
Der seinen Eid so schändlich brach;
Teils um sie selbst, weil sie bedachte,
Daß sie auch sich des Meineids schuldig machte.
Dem allen sann sie nun mit warer Reue nach.
Die Wolken durften kaum den Horizont bedecken,
So meinte sie schon voller Schrecken,
Jetzt würd ein Blitz die Lüfte teilen,
Und jetzt ein Donnerschlag nach ihrem Herzen eilen.
Sie furchte sich vornemlich für die Opferzeit,
Die Götter möchten sie, bei der Gelegenheit,
Vielleicht vor alt und jung beschämen,
Und zu beleidigt sein ihr Opfer anzunemen.
Dieß ließ der Nimfe keine Ruh.
Jedoch ihr Kummer nam durch größre Sorgen zu:
Die Götter liessen noch an ihr ein Zeichen sehen,
Wie an den Nimsen oft geschehen,
Die es vorher zu schlecht bedacht,
Daß jeder, der sie sieht, auch weiß was sie gemacht.
Sie wünschte sich, im tiefsten Wasser zu ersaufen;
Doch wer ist stark genug in seinen Tod zu laufen?
Darum behielt noch der Verstand
Bei Amarillen auch zuletzt die Oberhand.
Ein kluges Mädchen wird sich in dergleichen Fällen,
Aus Ungeduld nicht ganz und gar verzweifelt stellen:
Man trage seine Last, und ist sie noch so groß,
Zuletzt macht uns die Zeit der schweren Bürde los.
Dieß rümt man auch an Amarillen,
Die sanfte Nimfe ging gelassen zu Mirtillen,
Und sprach, wir beide sind es wert,
Daß uns die größte Strafe wiederfärt.
Für meine Schuld empfind ich schon die Rache;
Wer weiß, mit was für Not
Der Himmel dir vielleicht schon droht,
Wenn ich die Götter nicht hierdurch versenet mache.
Die Tränen rollten hier von ihren Wangen ab,
Sie stützte sich betrübt auf ihren Hirtenstab,
Und sah Mirtillen an, als ob sie sagen wollte,
Daß er ihr wieder helfen sollte.
Allein der listige Mirtill,
Ihr Schönen, wurde nicht gerüret.
Er tat das, was ich euch aus Freundschaft sagen will,
Damit euch doch mein Mund mehr bessert als verfüret.
Der Meineid, sprach er, geht mir deinetwegen nah,
Jedoch noch ist ein Rat zu warer Reue da.
Wer etwas stielt, kann niemals ruhig leben,
Er müsse denn, was er gestolen, wiedergeben.
Auch wir sind one dieß nicht von der Marter frei,
Die Buße bleibt bei allen Sünden einerlei;
Hier hast du deine Küsse wieder.
Und hiermit gab er nun der frommen Schäferinn,
Die Küsse zehnfach wieder hinn.
Die halbbekerte warf sich hier aus Reue nieder;
Und der betrügliche Mirtill,
Vor dessen gleichen ich die Mädchen warnen will,
Gab ihr aus Heuchelei auch die Empfindung wieder,
Die ihn, ich weiß es nicht, wie, wenn und wo ergetzte,
Als er das erste mal den schweren Eid verletzte.
Der Zweifel, sprach er, wird nun wol gehoben sein.
Doch Amarillis sagte, nein,
Noch ists, als läg auf mir der allergrößte Stein.
Sie blieb mit herzlichem Vergnügen,
Aus Reue noch ein wenig liegen.
Doch endlich sah der Schäfer klar,
Daß ihr Gewissen leichter war,
Und er und sie, kurz alle beide
Zerschmelzeten fast für Gewissensfreude. |