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Der Tag brach an.
Tiefer Schnee lag auf Dächern und Straßen, die Sonne schwamm als eine rote Dunstkugel in dem weißen Himmel.
Das Kommando, welches Mirowitsch zur Hinrichtung abholte, fand ihn schlafend, ein heiteres Lächeln verklärte sein Gesicht. Er hörte die Kolben rasseln und richtete sich auf. Aus seinen Träumen schwebte das Bild des wahnsinnig geliebten Weibes in die furchtbare Wirklichkeit herüber und erfüllte sein Herz mit süßer Hoffnung. Sie konnte nicht so entsetzlich grausam sein, sie konnte ihn nicht verraten.
Mirowitsch stand auf und verließ festen Schrittes seinen Kerker, ihm winkte Glück und Freiheit. Er grüßte freudig die scharfe Luft, die seine Wangen kühlte, das rosige Licht, den heimatlichen Schnee.
Aufrecht, das Haupt stolz erhoben, ein Lächeln um die Lippen, schritt er im Zuge, den rauhen Soldatenmantel um die Schulter. Seit zweiundzwanzig Jahren hatte die Hauptstadt keine Hinrichtung gesehen. Landvolk war herbeigeströmt, der Zug konnte durch die vollgepfropften Straßen nur langsam vorwärts kommen. Alle Fenster, alle Balkone waren besetzt, und Schritt für Schritt kam er dem Blutgerüste näher; der Gedanke machte Mirowitsch wieder erbleichen, ihn fröstelte. Der Priester sprach zu ihm von der Sünde, der Vergeltung und dem ewigen Leben. Er hörte nichts, ihm klang immer nur ihre Stimme im Ohr: »Ich selbst bringe Dir Gnade.«
Aber es war so früh, die Nebel lagen noch auf der Erde, wenn sie ihn vergaß? wenn sie die Stunde verschlief?
Schon sah er das Schaffot, es ragte hoch über die Häupter des Volkes empor, welches es umgab. Ein Regiment Fußvolk hatte ein großes Viereck um dasselbe gebildet, nur einzelne Schlitten vornehmer Damen, welche in prächtigen Pelzen da saßen und ihn lorgnettierten, um jedes leise Zucken der Todesangst von seinem Gesichte herab zu lesen, hatten in demselben Einlaß gefunden.
Am Fuße des Gerüstes empfing der Gerichtshof den Verurteilten. Noch einmal wurde feierlich das Schuldig über ihn gesprochen. Kalten Blutes, ruhigen Angesichts hörte Mirowitsch das Urteil verlesen, sah er den Stab brechen, die Kerze verlöschen.
Man übergab ihn dem Henker.
Als man ihm die Hände auf den Rücken band, überlief es ihn. Er fühlte sich nun vollkommen willenlos der Gewalt, der Gnade oder Ungnade der Geliebten hingegeben. »Ich selbst bringe Dir Gnade!« murmelte er, und ein sanftes Lächeln überflog sein entsetzlich bleiches Gesicht.
Man zögerte noch. Der Polizeimeister blickte auf die Uhr und flüsterte mit dem Henker, er hatte den Befehl, bis zu einer bestimmten Stunde und Minute auf Begnadigung zu warten.
Jetzt führten sie Mirowitsch endlich die Stufen des Schaffots empor, jetzt stand er oben und blickte umher. Eine unabsehbare Menge umgab dasselbe, totenstille. Noch keine Bewegung, welche das Nahen der Monarchin angekündigt hätte! Ein tiefer Schauer kam über Mirowitsch, die Kniee bebten ihm. Da stand der furchtbare Block, der Henker stützte das blanke Beil auf denselben. Man wollte Mirowitsch die Augen verbinden, er wies es zurück und blickte gen Norden. Von dort mußte sie kommen, kalter Schweiß stand auf seiner Stirne, das Herz schlug ihm bis zum Halse hinauf.
Da sah er einen Schlitten, der pfeilschnell herangeflogen kam, näher, immer näher, sie war es – ihr Hermelin glänzte im Sonnenlicht.
Lächelnd kniete er nieder, noch einmal blickte er hinüber, er erkennt sie, die Menge wogt auf und ab, er legt sein Haupt auf den Block und lacht.
Die Kaiserin fliegt im phantastischen Schlitten, in Zobelfelle köstlich gebettet, herbei, sie trägt einen Ueberwurf von blutrotem Samt mit Hermelin – er sieht alles deutlich – und hat eine hohe Mütze von Hermelin auf dem göttlich schönen Haupte. Heute ist sie eine Göttin, die Leben giebt und nimmt. An ihrer Seite sitzt die Fürstin Daschkow und zittert.
Der Schlitten der Kaiserin teilt die Menge, sie sieht das Schaffot, sie sieht Mirowitsch knieen – ein Blitz fährt durch die Luft.
Die Fürstin Daschkow schließt die Augen.
Jetzt hebt der Henker ein blutiges Haupt empor und zeigt es der Menge.