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Ein eigenhändiges Schreiben der Zarin berief Lanskoi für den Abend in die Eremitage, es war in demselben weder von einer Theatervorstellung, noch einem Konzert, noch einer Soiree oder einem Spiel die Rede, und es war auch von keinem Leibkosaken, sondern von einem jungen, hübschen Kammermädchen überbracht worden. Das Ganze glich auf ein Haar der Einladung zu einem Rendezvous. Lanskoi, der keinen Augenblick darüber in Zweifel war, daß ihm ein tête-à-tête mit der gefährlichsten Frau Europas bevorstehe, küßte das wohlriechende Blatt mit den teuren Schriftzügen und rüstete sich zu dem bevorstehenden Kampfe. Er machte mit aller Sorgfalt und Koketterie Toilette, und es gelang ihm, alle seine körperlichen Vorzüge in das glänzendste Licht zu setzen; und wie er endlich in den knappen hohen Stiefeln mit Goldquasten, den sein tadelloses Bein knapp einschließenden weißen Beinkleidern, der roten goldverschnürten Kosakenjacke, das leicht gepuderte Haar von einer hellgrauen Marquise zusammengehalten, vor dem Spiegel stand, lächelte er sich wohlgefällig an, wie der schöne Narciß sein Bild im reinen Quell bewundert hatte, hing den krummen, mit Edelsteinen besetzten Säbel an goldener Schnur um die Schulter, nahm den Kolpak in die Hand und stieg in den Schlitten, der ihn pfeilschnell zu dem kaiserlichen Palaste hintrug.
An jenem geheimnisreichen Hinterpförtchen, durch das Aslow, Mirowitsch. Wasiltschikow, Potenckia, Zawadowski, Zoritz und Korsakow die Eremitage betreten hatten, um den verliebten Launen der neuen Semiramis zu dienen, erwartete das vertraute Kammermädchen den Glücklichen, welcher gleich den Spartanern des Leonidas seiner Niederlage reich geschmückt und heiter entgegen ging.
Das schmucke Kätzchen hüpfte munter voran durch die Korridore und die Treppe hinauf, plötzlich drückte sie die Hand an die Mauer, und eine zweite geheime Thüre sprang auf, durch die der mit Sehnsucht Erwartete in ein mit wollüstigem Dämmerlicht erfülltes kleines Vorgemach trat.
»Hinter jener Portiere dort erwartet Sie das Glück,« flüsterte ihm noch seine reizende Führerin zu, dann verschwand sie, die Wand schloß sich hinter ihm, und Lanskoi war der Gefangene Katharinas. Sein Herz pochte heftig, seine Pulse flogen, er blieb einen Augenblick vor dem Vorhange stehen, um sich zu sammeln, dann schlug er ihn langsam zurück und erblickte in einem feenhaften kleinen Boudoir die Zarin, welche, mit einer silbernen Zange das Feuer in dem herrlichen Marmorkamin schürend, ihm den Rücken kehrte. Als die Portiere leise rauschend hinter ihm zufiel, wendete sie rasch den Kopf und nickte ihm freundlich zu. »Es ist noch kalt hier, oder ich bin vielleicht zu leicht angezogen,« sagte sie mit einem verschämten Lächeln.
Lanskoi überflog mit einem glühenden Blick diese üppige Prachtgestalt, welche über einem weißen Unterkleide von köstlichen Spitzen in einen offenen Schlafrock von gelber Seide gehüllt zu frieren schien, aber es war nur die Aufregung, die holde Furchtsamkeit der Leidenschaft, welche die sonst so wenig bedenkliche und energische Despotin wie ein junges verliebtes Mädchen zittern machte. Lanskoi ergriff den kleinen Blasebalg, der auf dem Boden lag, ließ sich auf ein Knie nieder und begann das Feuer anzufachen.
Die Zarin sah ihm lange mit einem Blicke holder Güte zu, dann legte sie langsam die weiße herrliche Hand auf seine Schulter. »Lanskoi,« begann sie, »ich habe mich in diesen Tagen viel mit Ihnen beschäftigt. Haben Sie wohl auch meiner gedacht?«
»O! gewiß, Majestät,« erwiderte er.
Katharina seufzte.
»Habe ich etwas gesagt, was die Unzufriedenheit Eurer Majestät erregt hat?« fragte Lanskoi rasch.
»Nein, mein Freund, aber ich bin unzufrieden mit einem Schicksal, das mich auf die öden Stufen des Thrones geführt hat, wo ich mich so einsam, so verlassen fühle. Ich will nicht sagen, daß mir eine Hütte genügen würde, aber ein kleines Schlößchen abseits der großen Straße der Welt, ein Kreis guter Freunde, ein Mann, dem mein Herz gehört und der auch mich liebt, welche Seligkeit müßte das sein!«
»Gäbe es einen Wunsch, dessen Erfüllung nicht in Ihrer Macht liegt?« entgegnete Lanskoi, noch immer vor ihr knieend.
»Kann ich einem Herzen befehlen, mich zu lieben?« rief Katharina mit einem Anflug von Bitterkeit, »ein Wink von mir wird den Mann meiner Wahl zu meinem gehorsamen, willenlosen Sklaven machen, gewiß, aber es giebt keine Gewalt, Liebe zu erwecken!«
»Doch, Majestät, die Gewalt der Schönheit.«
Katharina zuckte die Achseln. »Man sagt mir, daß ich schön bin, Lanskoi, ja, ich habe es so oft gehört, daß es mich beinahe langweilt, schön zu sein. Ich möchte häßlich sein, aber geliebt um meiner selbst willen, von dem Manne, der mein ganzes Sein bezwungen, so daß nichts übrig ist von Katharina, was nicht ihm gehörte.«
Lanskoi erhob sich und blickte der Zarin mit seinen schönen leuchtenden Augen voll und unerschrocken, in das bleiche Antlitz, das von Wehmut überflossen doppelt reizend erschien. »Wäre es möglich, Majestät, daß Sie nicht geliebt werden, nicht so geliebt, wie Sie es wünschen?«
Katharina errötete und begann leise zu beben. »Sprechen wir nicht von mir,« sagte sie nach einer kleinen Pause, »ich habe mir vorgenommen, mich nicht mehr mit meiner Person zu beschäftigen, sondern ganz nur mit Ihnen, Lanskoi,« dabei streckte sie ihm die Hand mit einer Herzlichkeit hin, die ihn vollends entwaffnete. »Beantworten Sie mir offen jede Frage mein Freund, es wird nur zu Ihrem Besten sein, offen und ehrlich, ich wünsche es.«
»Mein Wort, Majestät, ich werde nur die Wahrheit sprechen.«
»Nun, so sagen Sie mir vor Allem, was ich thun kann, um Sie vollkommen glücklich zu machen,« begann Katharina. »Ich hoffe, Sie lieben und werden wieder geliebt, denn ohne Liebe giebt es kein wirkliches Glück.«
»Gewiß, Majestät.«
»Sie lieben also?«
»Ja.«
»Mit ganzer Seele?«
»Ich möchte mein Leben hingeben für die Frau, die ich liebe.«
»Sie ist also schön, diese Frau?«
»Das schönste Weib der Erde.«
»Und sie liebt Sie wieder,« murmelte die Kaiserin mit einem schmerzlichen Lächeln, »o! gewiß, sie muß Sie lieben!«
»Ich wage nicht, daran zu denken.«
»Ist sie so tugendhaft, oder so stolz?«
»Sie ist für mich unerreichbar.«
»Und das macht Sie unglücklich, mein Freund?«
»Nein, Majestät, ich bin selig, wenn ich nur in ihrer Nähe weilen darf.«
»Ich will diese Frau kennen, Lanskoi,« rief Katharina, indem sie den Kopf in den Nacken zurückwarf. »Schnell, wie ist ihr Name?«
»Es ist die einzige Frage, welche ich nicht beantworten darf.«
»Auch dann nicht, wenn ich es Ihnen befehle?« sagte Katharina, sich mit einem Male in ihrer vollen Majestät aufrichtend, »ich befehle Ihnen, mir die Frau zu nennen, die Sie lieben, und zwar auf der Stelle.«
»Muß ich gehorchen?«
Die Kaiserin nickte.
Im selben Augenblick lag Lanskoi zu ihren Füßen. »Vergebung, Majestät, aber die Frau, die ich liebe, die ich anbete –«
»Nun wie nennt sich diese Frau?« rief die Zarin, mit dem Fuße stampfend.
»Katharina II.«
»Lanskoi! Sie lieben mich – ist das möglich? –« jubelte die schöne Despotin.
»O! Katharina, wäre es denn möglich, Sie nicht zu lieben?« rief Lanskoi, indem er ihre Hände ergriff und mit Küssen bedeckte.
»Und Du fragst nicht, ob ich Dich wieder liebe? Du hast Recht, Lanskoi, Du mußt es in meinen Augen lesen, was Du mir bist. Ja, Lanskoi, ich liebe, zum ersten Male, seitdem ich das Licht der Welt erblickt, liebe ich, und Du bist es, der mich bezwang, der mich so elend und so unsäglich glücklich gemacht. Aber nicht von mir soll die Rede sein, von Dir allein, Geliebter, Dich will ich glücklich sehen, das ist für mich die höchste der Freuden.« Sie umschlang ihn mit wilder Zärtlichkeit und ihre Lippen suchten fiebernd die seinen.