Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Die schöne Wittwe Kapitanowitsch

Eine kroatische Geschichte

Barbara Kapitanowitsch war das schönste Weib in Zagorien, obgleich sie keine Gräfin war, die ihr Gesicht verschleiern, und ihre Hände pflegen kann. Sie war nur eine Bäuerin, gewohnt an derbe Kost und harte Arbeit, wenn auch eine reiche Bäuerin, welche sich ordentlich herausputzen konnte und dies auch trefflich verstand, trotz einer Schauspielerin. Sie schminkte sich gleich einer solchen und färbte sich die Augenbrauen, das ist einmal nicht zu ändern, es sind dies die Sitten, die unser Landvolk der nahen Nachbarschaft der Türken verdankt. Aber Barbara hatte solche Kunststücke wahrhaftig nicht nöthig. Sie war so schön, daß, wenn sie in ihrem gestickten Hemde, so weiß wie Schnee, ihrem kurzen Rocke, der mit dem Regenbogen wetteiferte, ihrer mit Pelz besetzten ärmellosen Jacke, von Korallen und Dukaten nur so funkelnd, Sonntags zur Messe ging und der Himmel allenfalls bewölkt war, die Sonne die himmlischen Vorhänge bei Seite zog, nur um auf Barbara Kapitanowitsch zu blicken, und wenn diese in die Kirche eingetreten war, sich sofort wieder mißmuthig verbarg.

Ihr Mann, der reiche Stanko Kapitanowitsch, hatte nicht mehr Verstand besessen, als der Türke, der vor dem Tabakladen aufgemalt war. Ein Weib merkt dies sofort und Barbara war ein überaus kluges Weib. Sie lenkte ihn ohne Schwierigkeit, wie etwa Kinder das Wägelchen, mit dem sie spielen. Alles regierte sie, das Haus, die Wirthschaft, die Leute, und doch wurde sie keineswegs übermüthig.

Die Weiber in Zagorien verstehen das süße Augenspiel, und sie verstehen auch manches Andere, man kann allerhand Süßigkeiten von ihnen erlangen. Barbara Kapitanowitsch fand an diesen Späßen, die dem Ehemann schwere Stunden bereiten, keinen Geschmack. So lange ihr Mann lebte, gönnte sie keinem Andern einen Blick, und als sie den ersteren begraben und wie es einer ordentlichen Wittwe geziemt, ein Jahr lang betrauert hätte, erst recht nicht.

An Bewerbern fehlte es zwar nicht, aber Barbara schenkte ihnen kein Gehör, »ich will keinen Herrn mehr haben«, sagte sie, wenn die Nachbarinnen ihr zuredeten, den oder jenen zu nehmen. Sie fuhr fort, ihr Haus, ihr Gärtchen in Ordnung zu halten, Weizen zu bauen und Wein zu keltern, und dabei blieb es.

Mitunter wurde ihr die Zeit zu lang, im Winter, wenn es weniger zu thun gab, aber da fehlte es nicht an schaurigen Geschichten, die man sich bei warmen Ofen erzählte, und das bot doch immerhin einige Zerstreuung. Vor Allem war es der kühne Räuber Danilo Gospoditsch, der damals dafür sorgte, daß den Leuten in Kroatien die Zeit nicht zu lang wurde.

Er war verwegen, wie es nur der Satan selbst sein kann, und auch witzig wie der Teufel. Heute machte er sich den Spaß, einem Juden siedendes Pech in den Hals zu gießen, morgen schlitzte er einem feisten Pfarrer mit seinem Yatagan den Bauch auf, oder schnitt einem Kaufmann Nase und Ohren ab und ließ ihn so laufen.

Es war im Winter und Barbara Kapitanowitsch saß eben recht verdrießlich mit der Spindel auf der Ofenbank, als Milada, ein Mädchen, das bei ihr im Dienste stand, mit der Nachricht hereinflog, daß Danilo Gospoditsch gefangen sei und schon an dem nächsten Tag gehängt werde. Das junge hübsche Gesicht strahlte dabei vor Freude und auch Barbara zeigte sich nicht wenig vergnügt. Eine Hinrichtung war damals ein Fest und nun war obendrein Jahrmarkt im Städtchen, es gab also zwei Belustigungen für eine.

Die Menschen in dem schmalen Grenzstreif zwischen Ungarn und dem Osmanenreiche, Tag für Tag im Kampfe mit den Türken, von denen sie geplündert wurden und bei denen sie in gleicher Weise zu sengen und zu rauben pflegten, waren hart geworden im Laufe der Jahrhunderte, ihre Farbe glich jener des Erzes und ihre Herzen waren ehern. Der Tod war in ihren Augen nichts, sie vergossen Blut, scherzend, als wäre es rother Wein, ja um den rothen Wein war es ihnen gewiß mehr leid.

Die beiden Frauen standen am nächsten Tage früh auf, so früh, daß noch die Sterne am Himmel standen, putzten sich wie zum Tanze auf, zogen ihre großen Schafpelze an, bestiegen den kleinen Schlitten und fuhren nach dem Städtchen. Barbara selbst lenkte die kleinen Pferde, die so rund glänzend waren, daß es aussah, als habe die schöne Wittwe Sonne und Mond eingespannt.

Es herrschte noch ein unheimliches Halbdunkel, zwischen Himmel und Erde lag eine Art graues Ungeheuer, das sich hin und her wälzte, halb Morgennebel, halb Morgendämmerung. Nach und nach färbte sich der Rand des Himmels im Osten, es rieselte wie rothes Blut über den Schnee. Schwarze Raben zeigten sich und begleiteten den Schlitten einige Zeit, bis sich mit den Thürmen der Stadt auf einem kleinen Hügel der steinerne Galgen zeigte. Bei seinem Anblick erhoben sie ein lustiges Geschrei, und nachdem sie ihn umflattert, ließen sie sich auf demselben nieder und putzten ihr wie Metall glänzendes Gefieder. Auch sie erwarteten hier ein Fest.

Die Hinrichtung sollte vor Sonnenuntergang stattfinden, wahrscheinlich um den Tausenden, die zum Jahrmarkt kamen, eine Unterhaltung mehr zu bieten. Nachdem man Alles, was man nöthig hatte, eingekauft und sich an Wachsfiguren, Tanzbären, auf Pudeln reitenden Affen und Riesenschlangen satt gesehen, sollte der Galgen die dramatische Schlußscene liefern.

Barbara Kapitanowitsch ließ ihren Schlitten bei einem bekannten Wirthe stehen, machte ihre Einkäufe, besuchte mit der neugierigen, über Alles lachenden Milada ein paar Buden und ging, nachdem sie gut gegessen und getrunken, mit ihr zur Richtstätte hinaus. Ein schwarzer Strom von Menschen zog mit ihnen, und Tausende erwarteten draußen den schrecklichen Karren. Um besser zu sehen, stieg Barbara auf die zerbröckelte, vom Rauch geschwärzte Mauer eines Hauses, das sengende Türken einst niedergebrannt und das seitdem Niemand aufgebaut hatte, und Milada stand neben ihr auf einem mit Schnee bedeckten Schutthaufen.

Man begann das Armensünderglöckchen zu läuten, die Husaren wurden sichtbar, in ihrer Mitte der Henker zu Pferde und der Karren, auf dem Gospoditsch, mit Blumen geschmückt, seine Pfeife rauchend, neben einem großen rothbärtigen Barfüßermönch saß. Da ging ein Geflüster durch die Menge und Viele winkten dem berühmten Räuber mit den Taschentüchern, während ihn Andere laut darum beneideten, daß man ihn so schön und feierlich zum Tode führe, beim hellen Klange der Trompeten. Gospoditsch, der nach allen Seiten hin freundlich grüßte, saß stolz wie ein Pascha da, der in eine eroberte Stadt einzieht.

Barbara wandte kein Auge von ihm, ihre Brust begann unter dem schwarzen Lammfell zu wogen, und als man ihn band und ihm den Strick um den Hals legte, schien sie mit offenem Munde, aus dem die großen Zähne hervorblitzten, ein Raubthier, das bereit ist, sich auf seine Beute zu stürzen. Erst als Gospoditsch am Galgen hing und die Menge sich zerstreute, kam sie zu sich. Ein tiefer Seufzer entrang sich ihrer Brust.

»Was ist Dir, Gospodina?« Herrin fragte das Mädchen, das die ganze Zeit an einem Pfefferkuchen geknuppert hatte.

»Ach! wie schade um ihn«, gab die schöne Wittwe zur Antwort, »wie muthig er starb und wie schön er war, Gott soll mir die Sünde verzeihen, aber ich hätte ihn nicht hängen lassen.«

Die beiden Frauen gingen mit den andern in die Stadt zurück. Barbara Kapitanowitsch ließ ihren Schlitten anspannen und während dies geschah, aßen sie Kuchen und tranken süßen Meth.

Es war spät am Abend, als sie aufbrachen, doch war es nicht besonders dunkel, dafür sorgte der Schnee, sorgten einzelne Sterne und der Mond, der sich jenseits der Hügel zeigte, etwa wie ein pausbackiger rothhaariger Bauernknabe, der vorwitzig über einen Zaun blickt.

Die Stadt war stille und als der Schlitten erst an den letzten einzeln stehenden Häusern vorübergeflogen war, zeigte sich weit und breit kein lebendes Wesen und kein Licht, die himmlischen Lichter ausgenommen.

Als sie sich dem Galgen näherten, sahen sie Gospoditsch zwischen Himmel und Erde an demselben hängen und sie sahen auch die Raben, die auf dem Hochgerichte saßen oder dasselbe umkreisten und hörten sie lustig krächzen.

Barbara Kapitanowitsch seufzte auf, und als sie nur noch fünfzig Schritte von der Richtstätte entfernt waren, hielt sie unwillkürlich die Pferde an.

»Was hast Du, Gospodina?« fragte Milada ängstlich, »laß doch die Pferde los, peitsch in sie hinein, daß wir von dem Unglücksorte wegkommen.«

Die schöne Wittwe sagte nichts, sie sprang aus dem Schlitten und band die Zügel an einen Weidenbaum, der an der Straße stand.

»Gospodina, erbarme Dich!«

»Fürchte Dich nicht, Mädchen«, erwiderte Barbara, »erwäge doch, ist es nicht jammerschade, einen Mann wie diesen von den Raben zerhacken zu lassen.«

»Was willst Du thun?«

»Ihn vom Galgen herabnehmen.«

»Zu welchem Zweck?«

»Um ihn ehrlich zu begraben.«

»Jesus Maria? Du bist von Sinnen, Barbara Kapitanowitsch«, schrie Milada auf und umklammerte sie ängstlich, »thu' es nicht, thu' es nicht.«

»Und wenn er noch lebt?«

»Wie kann ein Gehängter leben?«

»Der Räuber Bragatsch wurde dreimal gehängt und starb doch erst durch die Kugel eines Sereßaners.« Gensdarm.

Sie ging muthig auf das Hochgericht zu und das Mädchen folgte ihr, am ganzen Leibe zitternd. Neben ihnen zeigten sich zugleich zwei leuchtende Augen.

»Wer ist das?« fragte Milada, »ein großer Hund, gewiß ist er böse.«

»Ein Hund? wo?« Barbara Kapitanowitsch warf nur einen Blick hin und rief lachend! »Das ist ein Wolf!« Dann hob sie einen Stein auf und warf ihn nach dem Raubthier, das sofort die Flucht ergriff. Als sie zum Galgen kamen, erhoben die Raben ein lautes Geschrei. »Hörst Du sie«, sagte Barbara, »sie zanken mit mir, weil ich ihnen ihre Beute abjage. Macht, daß ihr fortkommt.«

Die Raben sogar hatten Respekt vor Barbara Kapitanowitsch, sie erhoben sich krächzend in die Lüfte, kreisten um ihr Haupt und flogen dann den Thürmen der Stadt zu.

Die schöne Wittwe reichte jetzt Milada das Messer, das sie aus dem Gürtel gezogen hatte, und hieß sie den Gehängten abschneiden.

»Alles, was Du willst, Gospodina, nur das nicht.«

»Ich hebe Dich empor, es geht ganz leicht.«

»Hab' Erbarmen, ich kann es nicht.«

Barbara Kapitanowitsch zuckte die Achseln. Milada hob sie empor, sie schnitt den Strick durch und der Gehängte fiel in den Schnee.

»Wie schön er ist«, sagte die Wittwe, nachdem sie ihn umgedreht und auch die Schlinge durchschnitten hatte.

»Wenn man uns erwischt?«

»Ich fürchte Gott – sonst Niemand.«

»Himmlischer Vater!« schrie jetzt das Mädchen auf.

»Was giebt es?«

»Sieh nur selbst – er – er athmet – er lebt!«

In der That hob sich die Brust des Räubers, und jetzt entrang sich ein Seufzer derselben. Von diesem Augenblick an wurde zwischen den beiden Frauen kein Wort mehr gewechselt. Barbara faßte Gospoditsch unter den Armen und Milada bei den Beinen. So trugen sie ihn rasch zum Schlitten, deckten das Stroh über ihn und dann ergriff Barbara die Zügel. Die Pferde jagten durch den Schnee, als ob sie Flügel hätten. In ihrem Gehöfte angelangt, hieß Barbara ihre Leute schlafen gehen, und als Stille im Hause herrschte, brachten die beiden Frauen den Geretteten in die große Stube.

Es währte nicht lange, so kam Gospoditsch zu sich, und als er theils selbst begriff, theils erfuhr, was sich zugetragen hatte, fiel er Barbara Kapitanowitsch zu Füßen und küßte ihr die Stiefel. Sie aber schnitt ihm auf der Stelle Haar und Bart ab und gab ihm die Kleider ihres seligen Mannes, während sie die seinen dem Feuer überantwortete.

Als die Dienstleute am nächsten Tag erstaunt ein fremdes Gesicht sahen, wurden ihnen gesagt, daß es ein Verwandter der Gospodina sei, den sie sich habe kommen lassen, um einen männlichen Beistand zu haben.

Es währte nicht lange, so hatte sich Danilo Gospoditsch vollständig erholt, und eines Abends sagte er zu seiner Retterin: »Du hast mich vom Tode errettet, Gospodina, ich will Dir zeitlebens dafür dankbar sein. Wenn Du mich brauchst, rufe mich, befiehl über mich. Nun ist es aber Zeit, Dein Haus zu verlassen. Man könnte mich entdecken und Dich zur Verantwortung ziehen.«

»Nein, Gospoditsch«, erwiderte die schöne Wittwe »wer etwas halb thut, soll es lieber gar nicht thun, Du bleibst bei mir, sobald Du nur willst. Ich verlange nur Eines. Du darfst hier nicht den Herrn spielen wollen.«

»Wie könnte ich dies mir nur beifallen lassen«, sprach Gospoditsch, »ich bin zufrieden, wenn ich Dein Knecht sein kann.«

So blieb denn der gefürchtete Räuber im Hause der reichen und schönen Wittwe, während es im ganzen Lande hieß, der Teufel habe ihn geradeaus vom Galgen geholt, mit Haut und Haaren.

Gospoditsch, gewohnt zu befehlen, schien seine Art ganz verläugnen zu wollen. Er zeigte sich sanft wie ein Lamm und folgsam wie ein Hund und ein gut abgerichteter dazu. Er arbeitete für Zweie, er war mit allem zufrieden und schien glücklich, wenn ihn die Gospodina nur freundlich ansah, ihm einen Schlag auf die Schulter gab oder ein Gläschen Wein reichte, an dem sie selbst zuvor genippt. Und immer freundlicher wurde die schöne Wittwe. Sie saß gerne mit ihm ganze Abende auf der Ofenbank und plauderte mit ihm, und als es Frühling wurde, unter dem blühenden Apfelbaum hinter dem Hause. Dabei sahen sie sich von Zeit zu Zeit an, mit Blicken, die ganz anders waren, als wie sie sonst zwischen Menschen gewechselt werden. Sie betrachtete ihn ruhig, aber mit einem tiefen Wohlgefallen, er dagegen zuckte unter dem feurigen Strahl ihres dunklen Auges, wie der verwundete Grenzer unter dem Messer des Feldscheers und wenn er seinen Blick an ihrem stolzen Gesicht haften, oder an ihrer herrlichen Gestalt herabgleiten ließ, schien es wahrhaftig, als empfinde er einen heftigen Schmerz.

Täglich fand Barbara Kapitanowitsch Blumen auf ihrem Fenster. Sie wußte, wer sie pflückte und band und in das mit Wasser gefüllte irdene Töpfchen stellte, ihre Stiefel glänzten jetzt stets wie himmlische Sterne, sie wußte, wer ihnen diesen Glanz verlieh, und sie wußte auch wer es war, der ihr das Bild der heiligen Barbara auf den Deckel ihrer Truhe geklebt hatte.

Einmal war sie in den Pfarrhof gegangen, ohne daß es Jemand bemerkt hatte, und als sie zurückkam, in der Dunkelheit des Abends, und durch das Fenster in die Stube blickte, in der die Lampe unter dem Bilde der heiligen Mutter Gottes brannte, sah sie Gospoditsch vor der Thür ihrer Kammer stehen und durch das Schlüsselloch in dieselbe blicken.

»Steht es so mit Dir mein Vöglein«, dachte sie, »klebst Du schon an der Leimruthe und flatterst und kannst nicht mehr davonfliegen.« und als sie hereinkam, war ein Lächeln um ihren vollen stolzen Mund, aus dem mindestens ebensoviel Glück als Spottsucht sprach.

»Nun, was thust Du, Bruder Gospoditsch«, begann sie, »warst Du fleißig? bist Du müde? willst Du essen?«

»Wie es Dir gefällt«, sagte er, während seine hellen durchdringenden Augen immer wieder die weichen Linien ihres schlanken schmiegsamen Leibes verschlangen.

»Du hast gepflügt?«

»Wie Du es befohlen hast, das große Feld jenseits des Kreuzes.«

»Gut, dann wollen wir jetzt zusammen essen und trinken.«

Sie rief Milada, ließ den Tisch decken und setzte sich an denselben. Gospoditsch stand mitten in der Stube, blickte auf seine Stiefel, drehte seinen Schnurrbart und seufzte.

»Haben die Leute schon zu Nacht gegessen?« fragte die Wittwe das Mädchen.

»Ich danke, wir haben gegessen.«

»Dann bringe uns das Kraut und den Speck und auch einen Krug mit Wein.«

Milada lief hinaus und Barbara Kapitanowitsch gab Gospoditsch einen Wink, sich zu ihr zu setzen. Beide fanden nicht das richtige Wort so lange das Mädchen hin und her ging und dann begannen sie zu essen. So blieb es lange Zeit still in der Stube, wie in einer Kirche, nachdem der Sakristan die Thüren gesperrt hat und nur noch die Mäuse um Altar und Beichtstuhl und Bänke herumspazieren. Doch der Wein löste die Zungen. Gospoditsch begann zu erzählen, er wußte, daß Barbara Kapitanowitsch ihm zuzuhören liebte, wenn er von den Heldenthaten berichtete, die er verrichtet. Heute war er aufgeräumt und erzählte einen gar lustigen Streich, den er dem hochwürdigsten Bischof von Dialowar gespielt hatte. Die schöne Wittwe trank so, daß ihre Wangen immer mehr erglühten und lachte, daß die Münzen, die sie um den Hals trug, auf ihrer Brust wie die Schellen eines Schlittens erklangen.

»Du bist ein so muthiger Mann«, sagte sie endlich, indem sie näher zu Gospoditsch rückte, »weshalb bist Du mir gegenüber so wenig herzhaft?«

»Weiß ich es?« gab Gospoditsch zur Antwort, zuckte die Achseln und blickte zur Seite.

Da rückte Barbara Kapitanowitsch noch näher, ganz nahe zu ihm hin und dann, indem sie laut zu lachen anfing, schlang sie den Arm um seinen Hals und küßte ihn.

 

Seit diesem Abend begann die schöne Wittwe Gospoditsch in einer Weise zu begünstigen und zu beschenken, daß nicht der Neid der Leute im Hause, sondern aller jungen Männer im Dorfe rege wurde. Was sie noch von ihrem Manne her besaß, wurde jetzt gut angewendet, sie gab Gospoditsch die Pfeife des Seligen, sein Messer, seinen Pelz, seine Uhr. Wenn ihr Mann noch gelebt hätte, so hätte sie ihm wahrscheinlich die Haut abgezogen und auch Gospoditsch gegeben.

»Ich will doch sehen, ob ich den elenden Zigeuner nicht ausstechen kann«, sagte Nikolitsch, der hübscheste Bursche im Dorfe, der beim Tanze vor der Schenke beiläufig so viel war, wie der Kaiser in Wien. Und als er dies sagte, war es auch schon beschlossene Sache bei ihm, die schöne Wittwe zu erringen und Gospoditsch nöthigenfalls das Messer zwischen die Rippen zu stecken. Er wartete am nächstfolgenden Sonntag, nach dem Segen, an der Kirchenthüre auf die schöne Wittwe und als sie heraustrat, lächelte er sie an und ging mit ihr, ohne erst um Erlaubnis zu fragen.

Gospoditsch war in die Stadt geritten, um Schießpulver zu kaufen, das sie einem kranken Rosse eingeben wollten. Als er zurückkam und hereintrat, fand er Barbara Kapitanowitsch in ihrem Sonntagsputz mit Nikolitsch an dem Tische sitzen und Wein trinken. Das gefiel ihm nicht, noch weniger gefiel ihm, daß die schöne Wittwe ihn nicht einlud, mitzutrinken, sondern geraden fortschickte, indem sie ihn nach dem kranken Pferde sehen ließ.

Es war spät am Abend, als Nikolitsch fortging. Gospoditsch, der hinter dem Zaun auf ihn wartete, hätte ihn gar nicht gesehen, wenn ihn nicht die brennende Pfeife verrathen hätte. Er sprang auf ihn los, packte ihn an der Brust und drückte an das Zaunthor, so daß dieses laut ächzte.

»Kommst Du daher, um den Weibern Komplimente zu machen«, sagte Gospoditsch leise, und mit den Zähen knirschend, »nimm Dich in Acht, daß nicht Jemand Deine Scherze mißversteht.«

Nikolitsch griff vorsichtig nach dem Messer, aber Gospoditsch errieth gleich, was er wollte, ließ ihn los und riß schnell einen Pfahl aus dem Zaune.

»Bete ein Vaterunser«, murmelte er, »denn es ist aus mit Dir.«

Nikolitsch begann um Hilfe zu rufen und zugleich so rasch er nur konnte zu laufen, Gospoditsch ihn verfolgend, fiel zum Glück über die Wurzel eines Lindenbaumes, und so entkam der Unglückliche in dem Augenblick, wo die schöne Wittwe mit einer Laterne in der Hand aus dem Hause kam.

»Was geschieht hier?« fragte sie.

»Nichts«, sagte Gospoditsch, der sich die Kniee mit der Hand abwischte, »aber es hätte nicht viel gefehlt, so hätte ich diesen Burschen, der wie ein Apfel aussieht und wie ein Hase läuft, erschlagen.«

Die schöne Wittwe begann zu lachen und je zorniger Gospoditsch wurde, um so lauter lachte sie, bis sie sich endlich zur Erde setzen mußte.

»Ah! – ah!« keuchte sie – »mir thun die Seiten weh – Du bist ja eifersüchtig, mein Täubchen, wie ich sehe, ich werde Dich wirklich heirathen müssen, sonst sehe ich Dich noch einmal hängen.«

»Lach' nicht«, sagte endlich Gospoditsch, »mir schießt das Blut zu Kopf – ich könnte vergessen –«

»Dummkopf«, rief Barbara Kapitanowitsch sich aufrichtend, »an einem Faden lenke ich Dich, wie einen Maikäfer. Was sprichst Du auf einmal so stolz? Die Liebe hat Dir alle Deine Sinne geraubt. Aber im Ernste. Ich muß Dich schon zum Manne nehmen, das sehe ich, und ich will es thun, wenn Du mir schwörst, dann nicht den Herrn herauszukehren. Denn ich habe lange genug das Joch ertragen. Ich habe es satt.«

»Ich schwöre Alles, was Du verlangst«, erwiderte Gospoditsch, »wenn Du mir versprichst, daß kein Anderer Dich mehr besuchen darf.«

»Brauche ich diese Laffen vielleicht? meinst Du, daß ich sie brauche?«

»Ich glaube es nicht.«

»Also komm, trinken wir zusammen«, rief Barbara, indem sie ihn mit der Faust in die Rippen stieß, »beim Wein kommen gute Gedanken. Komm nur, mein süßes Täubchen!«

Es währte nicht allzulange und man begann im Hause der reichen, schönen Wittwe zu scheuern, zu kochen, zu braten und zu backen, Barbara Kapitanowitsch feierte ihre Hochzeit mit Danilo Gospoditsch.

Es geschah dies im Sommer, kurz vor der Ernte.

Die Hochzeitskuchen waren noch nicht alle aufgegessen und schon zeigte Gospoditsch zu Aller Ueberraschung ein ganz anderes Gesicht, nur Barbara Kapitanowitsch war nicht im Mindesten davon betroffen.

»Ich habe es gewußt«, sagte sie zu Milada. »Ein Mann ist wie der andere, deshalb wollte ich mir nicht noch einmal den Ring an den Finger stecken lassen, er drückt gar sehr, der kleine Ring, aber da es so weit gekommen ist, muß man es mit Anstand tragen.«

War Gospoditsch bisher der fleißigste Mensch im Dorfe gewesen, so zeigte er sich nun ganz unerwartet träge wie ein Pascha. Jede noch so kleine Arbeit schien ihm Schrecken einzuflößen. Er saß den ganzen Tag da, und wenn er nicht aß und trank, rauchte er seine Pfeife. Es kam die Ernte. Alle gingen hinaus auf das Feld, Barbara Kapitanowitsch befehligte die Arbeiten, legte selbst Hand an, sie schnitt das Getreide mit der Sichel und band es in Garben, gleich den Anderen, Alles in der furchtbaren Sonnenhitze. Gospoditsch blieb zu Hause, im kühlen Schatten, und wenn er je hinausging, so war's nur, um seine Frau zu bespötteln oder die Leute, denen der Schweiß über das gebräunte Antlitz rann, zu tadeln.

Im Hause begann er auch mehr und mehr den Herrn zu spielen. Er verstand mit einem Male alles besser, Barbara war nicht im Stande, ihm irgend etwas recht zu machen, sei es das Hemd, das er anzog, sei es die Suppe oder das Sauerkraut, das sie ihm auf den Tisch stellte. Er beschuldigte sie sogar, daß sie ihm Wasser in den Wein schüttete. Sie begegnete seinen Vorwürfen anfangs stolz und ruhig, dann aber fing sie an, sich ernstlich zur Wehre zu setzen, und als sie erst einmal einen ordentlichen Wortwechsel gehabt hatten, nahm das Streiten kein Ende mehr.

Es kam der Herbst, die Weinlese begann. Wieder überließ Gospoditsch seinem Weibe Plage und Arbeit, als aber erst der junge Wein wie Feuer in die Fässer rann, da kam er in den Keller und trank so lange, bis sie ihn hinauftragen mußten, einem Sacke gleich.

Barbara sagte nichts, aber sie sperrte den Keller ab, und als Gospoditsch die Schlüssel verlangte, verweigerte sie ihm dieselben in einer Weise, daß er sie nicht zum zweiten Male verlangte. Dafür ging er jetzt in die Schenke und kam, einen Abend wie den anderen, betrunken nach Hause und schrie und tobte wie ein Wahnsinniger.

Und so wurde es wieder Winter. Ohne jeden Anlaß zeigte Gospoditsch mit einem Male einen förmlichen Haß gegen Milada, das arme Mädchen zitterte schon, wenn er nur einen Blick auf sie warf. Er fluchte, wenn sie die dampfende Schüssel auf den Tisch stellte, wenn sie ihm den Tabak brachte, den sie für ihn geschnitten hatte, oder den Weinkrug hinsetzte. Da war kein Tag, wo er die Unglückliche nicht bei seiner Frau verklagte, so daß sie, so lange die liebe Sonne schien, in ihre Schürze und Nachts in ihr Strohkissen hineinweinte und endlich mit rothen Augen umherging wie ein Kaninchen.

»Mit Dir werde ich noch fertig«, hieß es jedesmal, wenn Milada den Zorn ihres Herrn erregt hatte und den Nachbarn gegenüber äußerte er sich wiederholt: »Sie muß mir fort, ich jage sie aus dem Hause.«

»Ich weiß nicht, was Du mit Milada hast«, sagte einmal Barbara.

»Was ich mit ihr habe?« schrie Gospoditsch, »ist sie nicht träge, ungeschickt, frech? Kann man irgend etwas von ihr haben, so wie es in der Ordnung ist?«

»Ich war immer mit ihr zufrieden.«

»Du – aber ich – ich bin ganz und gar nicht zufrieden«, fuhr Gospoditsch fort, »wenn Du sie nicht bald fortschickst, ich weiß nicht, was ich thue, ich erschlage sie noch am Ende.«

Eines Sonntags, während die Frauen in der Messe waren, saß Gospoditsch schon am Morgen in der Schenke, bewirthete ein paar beurlaubte Soldaten, erzählte, sang und prahlte, kam betrunken nach Hause und fiel auf die Bank nieder, gerade als seine Frau zurückkehrte. Sie sah ihn nur an und ging in ihre Kammer, um sich umzukleiden. Zum Unglück kam Milada, noch in ihrem Feiertagsanzug, mit Korallen um den Hals und ein mit Spitzen besetztes Tuch auf dem Kopfe, herein und deckte den Tisch.

»Siehst Du denn nicht, daß mir meine Pfeife ausgegangen ist«, begann Gospoditsch, Milada zündete einen Kienspan an und gab ihm Feuer. Er dampfte eine Weile scheinbar ruhig vor sich hin, mit einem Male aber schlug er auf den Tisch, daß die irdenen Teller durcheinander tanzten. »Willst Du mich zum Besten haben, Du Faulenzerin, Du Gottvergessene, habe ich Dir nicht gesagt, daß meine Pfeife nicht brennt.« Wieder brachte das Mädchen einen brennenden Span, kniete vor Gospoditsch nieder und zündete ihm sorgsam die Pfeife an. »Sie brennt nicht, was ist das wieder, gewiß hast du sie verhext, Du Prinzessin«, rief er und riß ihr die Korallen herab, daß sie wie Blutstropfen über den Boden hinrollten.

Milada begann zu weinen.

»Heulst Du mir was vor«, fuhr Gospoditsch fort, »ich habe eben genug von dieser Musik gehört, schweige still.« Und ohne lange zu fragen schlug er sie derb auf den Mund.

»Nie hat mich noch ein Mensch geschlagen.« begann Milada zu klagen, »außer meiner Mutter, die Gospodina hat mich noch nie berührt, nicht mit dem kleinen Finger hat sie mich berührt, und Ihr –«

»Und ich? – was?« schrie Gospoditsch und sprang auf, »ich gebe Dir jetzt die Schläge, die Du bisher zu wenig erhalten hast.«

»Jesus Maria!«

»Und Joseph!« spottete Gospoditsch, während er auf die Arme losschlug, »geh hin, beklage Dich, es wird sich endlich zeigen, wer Herr im Hause ist, Du oder ich, packe Deine Sachen, Du gehst mir auf der Stelle, zu den Zigeunern gehst Du, dort gehörst Du hin.« Er stieß sie mit dem Fuße zur Thür hinaus wie einen Hund.

Milada weinte sich aus, dann schnürte sie ihr Bündel, zog ihren Schafspelz an, brach sich aus dem Zaun einen tüchtigen Stecken und kam zur Frau in die Kammer, um Abschied zu nehmen.

»Wohin gehst Du denn?« fragte Barbara betroffen.

»Der Herr schickt mich fort.«

»Wer?«

»Der Herr – Dein Mann.«

»So? und da packst Du gleich zusammen«, sagte Barbara, »ich aber lasse Dich nicht gehen, Du bleibst.«

»Ich kann nicht, Gospodina.«

»Und warum nicht?«

»Weil – weil ich es nicht mehr ertragen kann.«

»Was hast Du denn zu ertragen?«

»Daß der Herr mich immer schimpft«, erwiderte das Mädchen, seine Thränen trocknend, »das ginge noch, auch daß er mit nichts, was ich auch thue, zufrieden ist, aber er fängt schon an, mich zu schlagen.«

»Wann hat er Dich geschlagen?«

»Jetzt eben.«

»Weshalb ist er denn so böse auf Dich?«

»Wenn Du es durchaus wissen mußt...«

»Ja, ich muß es wissen.«

»Weil ich ihm kein Gehör schenke«, sagte Milada, »deshalb ist er böse, nur deshalb, und das kann ich doch nicht thun, was er von mir verlangt. ›Liebst Du denn nicht Deine Frau, die so schön ist‹, sagte ich zu ihm, ›die Schönste weit und breit.‹ Da lachte er. ›Gewiß ist sie schön‹, gab er zur Antwort, ›aber Du gefällst mir auch. Hat der Hahn etwa nur eine Henne? Und ich bin wahrhaftig kein Gimpel.‹ Ja, Gospodina, das hat er gesagt, so wahr ich lebe, ich will auf der Stelle verderben, wenn er es nicht gesagt hat.«

»Ich glaube Dir, Milada«, sagte Barbara, »und deshalb bleibst Du. Er soll Dir kein Härchen krümmen, das ist meine Sache.«

Milada ging hinaus, zog den Schafpelz ab, stellte den Stecken hin und packte ihre Sachen wieder aus.

Als Gospoditsch und seine Frau zu Tische gingen und das Mädchen die Suppe hereinbrachte, sprang der Erstere auf und schrie, während seine Augen schrecklich flammten: »Bist Du noch da, hab' ich Dir nicht befohlen, augenblicklich mein Haus zu verlassen?«

»Dieses Haus ist mein Haus«, sagte Barbara stolz, »und das Mädchen ist ein braves Mädchen und bleibt bei mir.«

»Wenn ich aber sage, daß sie fort muß«, schrie Gospoditsch und schlug auf den Tisch. –

»So bleibt sie doch«, entgegnete Barbara, »weil ich es will.«

»Das wollen wir sehen«, murmelte Gospoditsch, der Zorn erstickte ihn fast.

»Ärgere Dich nicht«, sagte Barbara, »es könnte Dir schaden.«

»Marsch! Hinaus!« befahl Gospoditsch, ergriff sein Pfeifenrohr und stürzte auf Milada los.

»Du rührst sie nicht an«, rief Barbara, »ich verbiete es.«

»Verbieten! mir! ich lasse mich nicht von einem Unterrock kommandiren, ich nicht.«

»Was hast Du mir geschworen?«

»Und Du mir? ist das Dein Gehorsam?« Er faßte Milada bei den langen Zöpfen und schlug auf sie los.

Gleich beim ersten Streiche floß ihr Blut, und als seine Frau ihm in den Arm fiel, ließ er zwar Milada los, stieß aber dafür Barbara an die Wand und begann sie mit dem Pfeifenrohr zu bearbeiten. Barbara wehrte sich, so gut sie konnte, mit den Fäusten und ohne einen Laut von sich zu geben, bis Milada den Wüthenden von hinten faßte. Jetzt stieß ihn Barbara mit dem Fuße von sich, so daß er wankte. »Weil sie Dich nicht will«, murmelte sie, »weil sie ehrlich ist, deshalb, ich weiß Alles.«

In diesem Augenblick war es, als stürze das Dach über Gospoditsch ein, er blickte entsetzt zuerst auf Milada, dann auf seine Frau und lief dann zur Thüre hinaus und geradeaus in die Schenke.

 

Barbara blieb einige Zeit mitten in der Stube stehen. Sie steckte die beiden braunen Zöpfe auf, die ihr bei dem Ringen mit ihrem Manne losgegangen waren und zog das Hemd herauf, das er ihr zerrissen hatte. Das arme Mädchen stand indeß stumm und regungslos bei Seite, nur ihre Augen versuchten ängstlich in dem kalten, finsteren Antlitz der Gospodina zu lesen und flehten um Hilfe, um Rettung bei ihr.

»Gut, sehr gut«, sagte endlich Barbara, nachdem sie sich auf der Bank beim Ofen niedergelassen hatte. »So mußte es kommen, man weiß doch jetzt, woran man ist.«

Diese Worte waren nebenbei an Milada gerichtet, aber sie hatte nicht das Herz, darauf zu antworten.

Barbara ergriff den Krug, setzte ihn an und trank den feurigen Wein, sie erhitzte er nicht, er fühlte sie vielmehr. »Da«, sprach sie, indem sie ihn dem Mädchen hinhielt, »trink, der Wein macht Muth.«

Milada trank und stellte dann den Krug nieder.

»Was thun?« begann Barbara von Neuem, sie starrte das Mädchen an, als stände eine geheimnißvolle Schrift auf dessen Gesicht, die sie zu enträthseln suchte.

Milada wischte sich den Mund mit dem Ärmel. »O!« sagte sie seufzend, »hättest Du ihn doch lieber am Galgen gelassen.«

Barbara sah sie an, mit einem Blick, der so furchtbar war, wie der eines Richters über Leben und Tod und dann senkte sie die Augen zu Boden und dachte nach.

Sie dachte lange und kummervoll nach, ohne sich zu regen, kaum daß die Wimper zuckte, und endlich lächelte sie, aber es war das schreckliche Lächeln einer Löwin, die ein Opfer wittert, daß ihr nicht mehr entrinnen kann.

 

Es war spät, als Gospoditsch heimkehrte, von zweien seiner Zechbrüder begleitet, die ihn lachend an die Thüre seines Hauses lehnten und sich dann eilig davonmachten. Als Barbara öffnete, fiel er wie ein Baum, den die Axt gefällt hat, zu ihren Füßen nieder. Sie zog ihn herein, schloß die Thüre und ließ ihn dann liegen. Nach einer Weile wankte er in die Stube herein, den Stecken, den Milada draußen angelehnt hatte, in der Hand. Seine Augen glotzten wie die eines Ertrunkenen.

»Wo sind denn diese verdammten Weiber!« rief er und verlor dabei das Gleichgewicht, als wäre die Stube ein Schiff auf hoher See, »ich will sie schon lehren, wer der Herr ist – guten Abend, Frauchen – bist Du jetzt zahm – was? jetzt befehle ich hier, ich allein. Begreifst Du das? Oder verlangt Dein Herz nach Schlägen, süßes Täubchen?« Er schlug mit dem Stecken um sich, fiel zu Boden, suchte sich aufzuraffen, aber gab es endlich auf und schlief ein, sowie er dalag auf der Diehle, halb unter dem Tisch.

Barbara warf nur einen Blick auf ihn, aber einen langen, zufriedenen Blick und ging dann leise auf den Fußspitzen hinaus.

Ihre Leute waren eben in der Backstube versammelt. »Wo ist denn der Herr?« fragte sie ruhig, »weiß Niemand, wo er ist?«

»Wo wird er sein?« erwiderte Milada mit einem häßlichen Blick voll Haß und Verachtung, »in der Schenke.«

»Geht Alle aus, ihn zu suchen«, gebot Barbara, »und daß Ihr mir nicht nach Hause kommt, ehe Ihr ihn gefunden habt. Nur Du bleibst bei mir, Milada.«

Alle gehorchten rasch und willig. Sie zogen sich an, nahmen Laternen und Kienfackeln und gingen hinaus in die kalte, sternenhelle Winternacht.

»Suche mir jetzt die Stricke zusammen«, sagte Barbara leise zu Milada.

»Welche Stricke?«

»Die, auf denen wir die Wäsche trocknen.«

»Zu welchem Zweck?«

»Frage nicht lange.«

Barbara kehrte in die Stube zurück, setzte sich auf die Bank und wandte kein Auge von Gospoditsch, als fürchte sie, er könne ihr entkommen. Sie athmete auf, als das Mädchen mit den Stricken hereinkam.

»So«, sagte sie, indem sie aufstand, »jetzt hilf mir ihn binden.«

»Wen?«

»Meinen Mann.«

»Wie Du es befiehlst, Gospodina.«

»Du thust es doch gern?«

»Gewiß von Herzen gern.«

»Also, nur flink«, flüsterte Barbara, »Du die Füße, ich – die Hände.« –

Sie warfen sich auf ihn, und obwohl Gospoditsch, ohne zu wissen, was mit ihm geschah, halb im Traume, aufschrie und wüthend um sich schlug, hatten sie ihn doch in wenigen Augenblicken überwältigt und ihm die Füsse gefesselt und die Hände auf dem Rücken gebunden.

»Das wäre gelungen«, sagte Barbara, nachdem sie tief Athem geschöpft, »der thut uns nichts mehr.«

Milada lachte, sie war so glücklich, sie drehte sich im Kreise herum, als gäbe es ein Tänzchen und küßte die Gospodina auf die Schulter.

Barbara gab ihr indeß einen Wink mit den Augen und sie gingen zusammen in den Hof hinaus.

»Was hast Du vor, Gospodina?« fragte das Mädchen neugierig.

»Du wirst es zeitig genug erfahren.«

Barbara zog jetzt mit Milada's Hilfe den Schlitten in den Hof. Es war dies ein kleiner Leiterwagen, den man für den Winter von den Rädern genommen. Die beiden Frauen füllten ihn mit Stroh an, bereiteten einen Sitz aus einer Fütterkiste, führten die Pferde heraus und spannten sie vor. Dann hing Milada die Zügel an den Brunnen und die Gospodina steckte die Peitsche in das Geschirr des Handpferdes.

»Mach fort jetzt«, sagte sie, »zieh Dich an.«

»Wie soll ich mich anziehen?«

»Du siehst ja, daß wir fortfahren.«

Milada sah die Gospodina blöde an und ging in die Backstube, während Barbara, ohne den gebunden Daliegenden weiter zu beachten, rasch durch die Stube in ihre Kammer schritt und nachdem sie den Pelz angezogen, ein Tuch um den Kopf schlang und ein zweites vor den Mund band. Da kam auch schon Milada, gleichfalls im langen Schafspelz und in gleicher Weise vermummt, des Frostes wegen. Die beiden Frauen glichen jetzt Türkinnen, nur ihre Augen blitzten wie aus Haremsschleiern hervor.

»Was nun?« fragte das Mädchen entschlossen.

»Du fragst zu viel«, erwiderte Barbara, »hilf mir, das ist Alles, was ich von Dir verlange.«

»Auf mich zähle, Gospodina, ich bin Dir treu, ich liebe Dich, ich gebe mein Blut für Dich.«

»Komm also!«

Kein Wort wurde mehr gesprochen, die Beiden verständigten sich ausschließlich durch Blicke und Winke. Sie ergriffen Gospoditsch, schleppten ihn in den Hof hinaus, warfen ihn auf den Schlitten und deckten das Stroh über ihn. Milada öffnete das Thor, dann stiegen sie in den Schlitten, Barbara ergriff Zügel und Peitsche und fort ging es in die Nacht hinaus. Sie flogen förmlich durch das Dorf, der Schlitten glitt über die Schneebahn, wie eine Flintenkugel die Luft durchschneidet. Die Hütten mit ihren Nachtmützen von Schnee, die Bäume mit ihren weißen Armen schössen vorüber, als reiße sie eine übernatürliche Gewalt vom Boden weg. Vor dem Dorfe, wo der Wald begann, zeigten sich Wölfe, verschwanden aber bald wieder, sie zogen offenbar einen Besuch in einem Stalle oder Hühnerhof, der Jagd nach dem windschnellen Gespann vor.

Es ging durch den Forst wie durch ein Heer steinerner Gestalten, die sich von den Mauern der Kirchen losgelöst und von den Sargdeckeln der Grüfte erhoben hatten. Barbara bekreuzte sich und das zitternde Mädchen an ihrer Seite begann laut zu beten. Sie erreichten glücklich das freie Feld.

Der Himmel war klar und mit Sternen besäet, in dem matten Lichte der letzteren erglänzten Schneefelder und Eiszapfen, gefrorene Bäche und bereifte Gesträuche.

Als sie sich der Stadt näherten, wurde es hell und heller, der Schnee leuchtete, und aus demselben stieg rasch der Hügel mit dem Galgen hervor und malte sich schwarz auf dem Winterhimmel ab.

Auf diesen Hügel zu trieb Barbara die Pferde.

Da war der Galgen.

Noch zweimal knallte die Peitsche und der Schlitten hielt unter dem Hochgericht, und die Raben, die auf demselben saßen, erhoben sich in die Lüfte und grüßten Barbara, ihr Haupt umkreisend, mit fröhlichem Krächzen. Sie nickte ihnen zu, sprang aus dem Schlitten, band die Pferde an einen Baum und begann die eine Leiter vom Schlitten loszumachen, während Milada das Stroh auseinander warf und Gospoditsch hervorzog.

»Was ist denn? Gebt Ihr mir keine Ruhe?« murmelte dieser, »teuflisches Weibsvolk.«

Die Leiter fiel, und schon riß Barbara ihren Mann bei den Beinen heraus, während Milada ihn vom Schlitten hinabstieß. Er fiel in den Schnee, erhob den Kopf und blickte erstaunt um sich. Indeß wurde die zweite Leiter losgemacht und Barbara band beide mit Stricken zusammen.

»Das ist doch zu dumm«, sagte Gospoditsch, »wo bin ich denn, und wer hat mich denn gebunden?«

Die frostige Luft brachte ihn schnell zu sich.

»Ich habe Dich gebunden«, erwiderte Barbara.

»Du – und was hast Du vor?« Gospoditsch erblickte den Galgen und schauderte.

»Ich werde Dich einfach dort wieder aufhängen, mein Täubchen«, sagte Barbara, »wo ich Dich herabgenommen habe.«

»Scherze nicht.«

»Ich scherze nicht«, gab seine Frau gelassen zur Antwort, »willst Du mir helfen, Milada?«

»Ihn hängen?« rief das Mädchen, »gewiß mit tausend Freuden.«

Sie lehnten die Leiter an den Galgen und ergriffen Gospoditsch, um ihn auf dieselbe zu stellen.

»Bei Gottes Barmherzigkeit«, stammelte der Räuber, »laß mich los, ich will in den Wald gehen und mich niemals wieder bei Dir blicken lassen, ich will nicht am Galgen hängen, ich will nicht.«

Vergebens flehte, vergebens drohte er. Sie hoben ihn auf die Leiter und banden ihn an derselben fest. Dann stieg Barbara über seine Schulter hinauf, machten den Strick an dem Galgen fest und legte ihm die Schlinge kunstgerecht um den Hals.

»Erbarmen!« bat Gospoditsch, »ich will Alles thun, was Du nur willst, schenk mir nur das Leben.«

»Nein, Du mußt hängen«, sagte Barbara. Sie stieg rasch hinab, band ihn von der Leiter los und zog diese weg.

Schon tanzte Gospoditsch den schrecklichen Tanz zwischen Himmel und Erde.

»Machst Du jetzt auch noch verliebte Augen auf mich?« rief Milada lachend, »was?«

»Bete lieber ein Vaterunser für seine arme Seele«, sagte Barbara.

Sie sprachen Beide ein kurzes Gebet, bekreuzten sich und verließen die schreckliche Stätte.

Noch einige Augenblicke und der Schlitten flog auf der Schneefläche dahin.

Gospoditsch hing wieder an derselben Stelle, wo ihn der Henker aufgehängt hatte und diesmal schnitt ihn Niemand ab.

Die Leute in Zagorien sagten, er sei sogar dem Teufel zu schlecht gewesen und so habe ihn dieser eines Tages wieder zurückgebracht, zur Freude der Raben, die sich lange genug an ihm belustigten.


 << zurück weiter >>