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Einmal sagte Paetus, der über alle Gladiatoren gesetzt war, zu dem jungen Bassian: »Höre, der Kaiser wird morgen mit dir fechten.«
Da entgegnete Bassianus: »Soll ich in den Palast gehen, oder kommt der Kaiser zu uns in die Schule?«
»Weder das eine, noch das andere,« sagte Paetus. »Commodus wird in der Arena auftreten als ein Schwertkämpfer, wie du einer bist.«
»... Wie ich einer bin?«
»Ja ... oder wie Aemilius, oder wie Marcus ... genau so wie ein Schwertkämpfer wird der Kaiser morgen sein und wird vor allem Volke seine Kunst zeigen.«
Bassianus lachte.
»Es ist dumm von dir, daß du lachst«, meinte Paetus.
»Ich fürchte mich nicht,« sagte der junge Gladiator, und seine schönen braunen Augen lachten.
»Eben weil du dumm bist, fürchtest du dich nicht.«
Bassianus dachte eine Weile nach, dann wurde er wieder heiter: »... wenn ich aber meinen thrakischen Doppelhieb führe, fliegt das Schwert des Kaisers in den Sand ... Niemand kennt den thrakischen Doppelhieb außer mir ... ich habe ihn vom alten Narcissus gelernt ... und noch alle nach dieser Art besiegt ...«
»Es ist nicht von deinem thrakischen Doppelhieb die Rede, sondern davon, daß der Kaiser dich bezwingen will, da noch niemand dir widerstanden hat.«
»Mag er nur kommen,« rief Bassian, »sein Schwert fliegt in den Sand ...«
Paetus wurde ärgerlich: »Du mußt bedenken, Esel, daß es der Kaiser ist ...«
»Gewiß ... ich will ihm auch nichts zuleide tun ... aber sein Schwert rollt in den Sand ... verlaß dich darauf.«
Dann läßt dich der Kaiser eine Stunde später kreuzigen ... verlaß dich darauf,« höhnte Paetus.
Bassianus lachte nicht mehr.
Als er am nächsten Tage durch den dunklen Gang zur Arena schritt, kam ein vermummter Mensch an seine Seite und flüsterte ihm zu: »Wenn du den Kaiser tötest, sollst du zweihunderttausend Sesterzen haben und frei hingehen, wohin du willst.«
Der junge Fechter tastete erschreckt im Finstern nach der schwarzen Gestalt. Aber sie entwand sich ihm und floh.
Bassianus schüttelte den Kopf und trat durch das niedere Tor in das Tageslicht. Wie ein sanfter Donner grüßte ihn das Rufen der Menge.
Er stand dem Kaiser gegenüber und sah ihn jetzt zum erstenmal aus solcher Nähe.
›Ein Bürschchen,‹ dachte Bassianus, ›so schmächtig wie mein jüngerer Bruder Antonius. Der arme Antonius könnte nie Gladiator sein.‹ Dabei lächelte er.
Der Kaiser aber blickte ihn mit drohenden Augen an. ›Was für eine weiße Brust er hat,‹ dachte Bassianus, ›und was für weiche Schultern, und was für schwache Arme.‹ Dabei lächelte er.
Die Tuben bliesen das Zeichen.
Der Kaiser sprang vor und begann mit seinem Schwert hitzige Hiebe zu führen.
Bassianus stand fest, hob sein Schwert nicht einmal, sondern ließ alle Streiche an seinem Schild abprallen.
Der Kaiser sprang zur Seite. Er versuchte, Bassian in die Flanken zu fallen. Der junge Gladiator machte eine Wendung, die kaum bemerkbar war, und überall, wo des Kaisers Schwert hinzuckte, traf es klingend den Schild des Bassian.
Jetzt machte der Kaiser einen Angriff. Bassian streckte sein Schwert vor und des Kaisers Klinge glitt daran ab. ›Diesen Angriff hat er von Paetus‹, dachte Bassian. Er ging wenige Schritte vorwärts, klopfte mit der Schwertspitze auf den goldenen Schild des Kaisers, fuhr daran vorbei, und im Nu hatte er an vier Stellen, am Halse, unter der Schulter, an der Brust und am Knie, den Leib des Kaisers mit dem Schwerte berührt; ganz leicht, beinahe streichelnd. Der Kaiser fühlte das kalte Eisen auf seiner bloßen Haut und erschrak. Bassianus lächelte ihm treuherzig zu. –
Von dieser Sekunde an gab es der Kaiser auf, drohende Blicke nach seinem Gegner zu schießen: er legte die kriegerische Miene ab und begann ihm zuzulächeln; fing an, ihn mit den Augen zu bitten.
Die Erinnerung an den vermummten Mann durchfuhr Bassianus wie ein Blitz. ›Wenn ich diesem Knaben da jetzt mein Schwert durch die Brust stoße ... ‹ dachte er.
Der Kaiser sah ihn flehend an.
»Gleich Herr ...« flüsterte ihm Bassianus eilig zu. Es kam ihm beschämend und lächerlich vor, sich von diesem zappelnden Mann besiegen zu lassen. ›Er wird dich belohnen‹, dachte er und schaute in die mutlosen, bittenden Augen des Kaisers, ›er wird mich reich beschenken‹.
Einmal stand er noch, wollte im Angesicht des Volkes, das seine Kunst so oft bewundert hatte, nicht gar zu schimpflich unterliegen, hatte Angst, sie könnten, wenn er sich als Stümper erweise, die Daumen wenden. Der Kaiser fiel beinahe rücklings hin, als Bassianus seinem Angriff wie eine Mauer standhielt.
»Jetzt Herr ...« flüsterte er, streckte dem Kaiser sein Schwert entgegen, damit er darauf schlage. Und wie der Hieb fiel, tat Bassianus einen hüpfenden Tänzerschritt, als ob er ausglitte, und warf sich auf beide Schultern. ›Er wird mich belohnen‹, dachte er.
Lächelnd sah er zum Kaiser empor, ... der sich mit wutentbrannten Blicken über ihn beugte und ihm das Schwert in die Gurgel stieß.
Der junge Bassianus hörte noch das jubelnde Aufbrüllen der Menge.
Der Vicomte Tremilly mochte es keineswegs länger dulden, daß seine Gemahlin des Prinzen Geliebte sei.
Er vertraute den Entschluß seinem väterlichen Freund, dem Bischof von Avricourt, an, als sie beide eben zu Hofe gingen.
»Lassen Sie das«, meinte der Bischof. »Sie sind zu schwach gegen einen Prinzen.«
»Wenn das göttliche und menschliche Recht auf meiner Seite ist,« rief der Vicomte, »bin ich stärker als der König.«
»Sie irren sich«, sagte der Bischof einfach.
»Ich werde dem Prinzen diesen Spaß schon versalzen ...« rief der Vicomte.
»Man soll einem Prinzen niemals den Spaß versalzen ...« antwortete der Bischof.
Indessen kamen sie zu Hofe, wo alle Welt von dem großen Ball sprach, der für heute abend angesagt war.
Ehe der König eintrat, ging der Vicomte dicht an den Prinzen heran und sagte: »Euer Gnaden, ich will es keinesfalls länger dulden, daß meine Frau Ihre Geliebte ist.«
Der Prinz zog die Augenbrauen hoch, maß den Vicomte vom Haupte bis zu den Zehen und kehrte ihm dann den Rücken.
Der Prinz war neunzehn Jahre alt, die Vicomtesse zweiundzwanzig und der Vicomte vierundvierzig.
Die Vicomtesse war bezaubernd schön. Der Vicomte war ein wenig fettleibig. Und der Prinz war ein Prinz.
Als der König erschienen war, trat der Vicomte vor sein Antlitz und sprach: »Majestät, ich will es keinesfalls länger dulden, daß meine Frau einen Geliebten hat.«
Der König empfand diese Worte als eine Taktlosigkeit. Sie kamen ihm unbescheiden vor. Außerdem haßte er es, wenn man ihn am frühen Morgen mit verdrießlichen Dingen bedrängte. Er schaute zu seinem Neffen hinüber, der entfernt stand, schaute dann mit trüben Augen den Vicomte an und sagte: »Sie sind grausam, mein Herr.«
Der Vicomte nahm ein Papier aus der Tasche und überreichte es dem König: »Eure Majestät geruhen, diesen Befehl zu unterschreiben, damit ich meine Frau zu den Ursulinerinnen schaffen kann.«
Der König blickte verstimmt auf das Papier. ›Das wird meinem Neffen viel Kummer machen‹, dachte er. Allein, es gab kein Mittel, den Vicomte abzuweisen. Die Ehemänner hatten um jene Zeit das Recht, ihre treulosen Frauen für Lebensdauer in ein Kloster zu sperren. Es war beinahe das einzige Recht, das sie noch hatten, und man konnte es ihnen nicht nehmen.
Der König unterschrieb.
»Sie sind sehr grausam, mein Herr«, sagte er, als er das Papier dem Vicomte zurückgab.
Alle Welt beklagte das Schicksal der schönen Vicomtesse. Man bestürmte die junge Frau, dem Ballfest heute abend fernzubleiben. Sie bestand darauf, in ihrem neuen Kostüm die Sarabande mit dem Prinzen zu tanzen. »Es ist mein Abschied«, sagte sie.
Der Vicomte tobte, als er das hörte, und faßte den Entschluß, seine Gemahlin mitten in dem Tanz, an dem ihr so viel gelegen schien, ergreifen und in das Kloster schleppen zu lassen.
Am Abend waren alle von der Anmut der Vicomtesse ergriffen, und von dem Reichtum ihres Kleides waren alle geblendet. »Welch ein Abschied«, sagte man, als die Sarabande begann und die Vicomtesse mit dem Prinzen zum Tanze antrat.
Schon nach der ersten Minute erschienen die Häscher des Vicomte. Die Musik brach ab. Drei Herzoginnen umarmten die schöne Vicomtesse, die in Tränen schwamm. Fünfzehn Gräfinnen umringten und liebkosten sie. Und der König schaute mit sentimentaler Miene zu.
Der Prinz stand ohne Regung und blickte entgeistert nach der Tür.
Da stürmte Herr v. Blancheville, ein Kavalier, der dem Prinzen heimlich verbunden war, in den Saal, stieß die Häscher beiseite und rief mit lauter Stimme: »Die Vicomtesse Tremilly ist vor fünf Minuten Witwe geworden ...«
Sogleich rief der Kammerherr des Prinzen: »... niemand hat jetzt das Recht mehr, diese Dame in ein Kloster zu sperren.«
Eine große Aufregung entstand, und einige von den Gräfinnen fingen schon an, die Vicomtesse zu beglückwünschen, weil sie auf so wunderbare Weise der furchtbaren Gefahr entronnen sei. Aber der König war herangetreten, faßte die Vicomtesse an der Hand und sagte mit ernster Stimme: »Madame, ich spreche Ihnen meine Teilnahme aus. Sie haben einen großen Verlust erlitten.«
Die Vicomtesse verbeugte sich tief und bat, sich allsogleich zurückziehen zu dürfen ... »Meine Trauer steht zu sehr im Widerspruch zu diesem heiteren Feste«, lispelte sie.
Während ihr unten auf dem Schloßhof der Prinz in die Karosse half, sagte der Bischof von Avricourt, der vom Fenster aus mit etlichen anderen Herren hinunterschaute: »Dieser arme Vicomte ... ich habe ihn gewarnt ...«