George Sand
Die Grille oder die kleine Fadette
George Sand

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Fünfzehntes Kapitel.

Sylvinet war sehr erstaunt, daß sein Zwillingsbruder Geschmack an der Fadette gefunden hatte, die er, für seinen Teil, noch weniger leiden konnte als Landry. Dieser wußte selbst nicht mehr wie ihm zu Mute war, und er hätte sich gern unter der Erde verkriechen mögen. Die Madelon war sehr ungehalten, und trotzdem die am Tanz Beteiligten durch die kleine Fadette gezwungen waren ihre Beine in flinker Schwingung zu erhalten, machten sie alle so traurige Gesichter, als ob sie den Teufel zu Grabe trügen.

Sobald der erste Tanz beendet war, machte sich Landry aus dem Staube, und versteckte sich im Baumgarten des Zwillingshofes. Aber, es dauerte nicht lange, so erschien die kleine Fadette, um ihn wieder herbeizuholen. Den Grashüpfer hatte sie zur Seite, der heute noch viel unbändiger war, weil seine Mütze mit einer Pfauenfeder und einer Eichel von falschem Golde verziert war. Gleich hinter diesen beiden kam eine ganze Schar von Buben und Mädchen, alle viel jünger als die Grille, denn ihre Altersgenossen suchten sie nicht auf. Als Landry sie mit diesem ganzen Schwarm herankommen sah, der ihr, im Falle er sich weigern würde, als Zeuge dienen sollte, fügte er sich und führte sie unter die Nußbäume zurück, wo er gern einen Winkel ausfindig gemacht hätte, um ohne von jemanden gesehen zu werden, mit ihr zu tanzen. Glücklicherweise waren hier weder Madelon und Sylvinet, noch die Leute aus dem Orte zu sehen. Landry wollte die Gelegenheit benutzen, um seine Aufgabe zu lösen, und hier gleich den dritten Kontretanz mit der Fadette tanzen. Sie hatten hier nur Fremde um sich herum, die nicht viel auf sie achteten.

Sobald der Tanz beendet war, eilte er Madelon zu suchen, um sie einzuladen, mit ihm in der Laube Weizenkuchen zu essen. Aber sie hatte mit anderen getanzt, die ihr das Versprechen abgenommen hatten, sich von ihnen bewirten zu lassen, und sie gab nun etwas stolz eine abschlägliche Antwort. Landry zog sich darauf in eine Ecke zurück, und die Augen füllten sich ihm mit Thränen, denn der Verdruß und der Stolz machten die Madelon noch viel schöner, als sie ihm je erschienen war, und es war auch, als ob alle Leute dieselbe Bemerkung gemacht hätten. Als sie ihn so traurig sah, beeilte sie sich mit dem Essen fertig zu werden, stand vom Tische auf und sagte ganz laut: »Da wird schon zur Vesper geläutet; mit wem werde ich nun gleich tanzen?« Sie hatte sich zu Landry hingewandt und rechnete darauf, daß er rasch sagen würde: »Mit mir!« Aber bevor er nur die Zähne voneinander bringen konnte, hatten sich schon andere angeboten, und die Madelon, ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen, ging mit ihren neuen Verehrern in die Vesper.

Sobald die Vesper gesungen war, entfernte sie sich sogleich mit Pierre Aubardeau; Jean Aladonise und Etienne Alaphilippe gingen hinter ihr her, und alle drei führten sie einer nach dem anderen zum Tanze. Da sie ein schönes Mädchen war und auch etwas hatte, konnte es ihr an Verehrer nicht fehlen. Landry blickte ihr verstohlenerweise nach, die kleine Fadette war noch in der Kirche geblieben und verrichtete ein langes Gebet nach dem andern. Sie that dies jeden Sonntag so, wie die einen sagten aus großer Frömmigkeit, und wie die anderen wissen wollten, um ihr Einverständnis mit dem Teufel besser verborgen zu halten.

Landry schmerzte es sehr, als er sah, wie die schöne Madelon so ganz unbekümmert zu sein schien, und daß sie vor Vergnügen gerötet, leuchtete wie eine reife Erdbeere. So leicht wußte sie sich also zu trösten über die Vernachlässigung, die er gezwungen war, sich ihr gegenüber zu schulden kommen zu lassen. Dies alles brachte ihn auf einen Gedanken, der ihm bis dahin noch nie in den Sinn gekommen war, nämlich: ob sie nicht wohl etwas gefallsüchtig sein möchte, und daß sie jedenfalls keine große Anhänglichkeit an ihn haben könne, da sie sich ohne ihn so gut zu vergnügen wisse.

Er fühlte allerdings, daß er, wenigstens dem Anscheine nach, im Unrecht war; aber in der Laube hatte sie doch wohl sehen können, wie sehr er sich kränkte, und es wäre für sie doch gewiß nicht schwer gewesen, zu erraten, daß etwas dabei im Spiele sein mußte, das er ihr gern hätte erklären mögen. Sie aber kümmerte sich nicht einen Pfifferling darum, und war so ausgelassen wie ein junges Zicklein, während ihm das Herz vor Kummer vergehen wollte.

Als sie mit den drei anderen Burschen getanzt hatte, näherte sich Landry ihr, und wünschte mit ihr allein zu sprechen, um sich so gut es möglich war, vor ihr zu rechtfertigen. Er wußte nicht recht, wie er es anfangen sollte, um sie beiseite zu führen, denn er stand noch in dem Alter, wo man den Frauen gegenüber noch nicht den richtigen Mut hat. Da er auch nicht ein einziges passendes Wort zu finden wußte, nahm er sie bei der Hand und wollte sie mit sich fort führen. Sie aber sagte in halb verdrießlichem und halb versöhnlichem Tone:

»So, Landry, da kommst du noch zum Schlusse, um mich zum Tanze zu führen?«

»Nein, nicht zum Tanze,« antwortete er, denn er wußte sich nicht zu verstellen und dachte nicht mehr daran, das der Fadette gegebene Versprechen nicht halten zu wollen. »Ich hätte dir nur etwas zu sagen, das du mir nicht verweigern kannst anzuhören.«

»O, wenn es ein Geheimnis ist, das du mir mitteilen willst, dann geschieht es besser zu einer anderen Zeit,« erwiderte die Madelon und entzog ihm ihre Hand. »Heute ist's ein Tag zum Tanz und zum Vergnügen. Ich bin noch flink auf den Füßen, und wenn die Grille dir die deinigen ermüdet hat, so geh zu Haus und leg dich ins Bett, wenn du magst; ich bleibe noch hier.«

Darauf reichte sie ihre Hand Germain Audoux, der gekommen war, um sie zum Tanz zu führen. Als das Paar Landry den Rücken gewandt hatte, hörte dieser, wie Germain Audoux in Bezug auf ihn sagte:

»Es scheint, daß der Bursche da meint, dieser Tanz komme ihm zu.«

»Das kann möglich sein,« sagte Madelon, mit der Achsel zuckend; »aber es geht eben nicht alles nach seinem Sinn!«

Landry war ganz empört über diese Worte, und hielt sich in der Nähe des Tanzes, um das Benehmen der Madelon weiter zu beobachten, das zwar durchaus nicht unschicklich war, aber so hochmütig und trotzig, daß er sich darüber ärgern mußte. Als sie wieder in seine Nähe kam, und er sie mit etwas spöttischen Blicken betrachtete, sagte sie zu ihm in herausfordernder Art:

»Nun, Landry, du kannst heute wohl keine Tänzerin finden? Du wirst wohl wieder zur Grille gehen müssen.«

»Und das werde ich mit Vergnügen thun,« gab Landry zur Antwort. »Wenn sie auch nicht die Schönste beim Feste ist, so bleibt sie doch immer die beste Tänzerin.«

Damit verschwand er in der nächsten Umgebung der Kirche, um die kleine Fadette zu suchen, und er führte sie in die Reihe der Tanzenden zurück, grade der Madelon gegenüber, und er tanzte gleich ohne Unterbrechung zwei Kontretänze nacheinander. Es war eine Lust zu sehen, wie stolz und befriedigt die Grille dahinschwebte. Sie machte gar kein Hehl aus ihrem Behagen, und trug ihren kleinen Kopf mit der großen Haube so hoch empor, wie eine beschopfte Henne.

Aber unglücklicherweise erregte ihr Triumph den Verdruß von fünf oder sechs Buben, die gewohnt waren mit ihr zu tanzen, und die jetzt nicht an sie heran konnten; die auch niemals stolz gegen sie gewesen waren, und die sie ihres Tanzens wegen sehr schätzten. Jetzt fühlten sie sich dazu aufgestachelt sie zu bekritteln, ihren Stolz ihr vorzuwerfen und in böser Absicht zischelten sie um sie herum: »Seht einmal die Grille, wie sie sich einbildet den Landry Barbeau zu bezaubern! Grillchen! Grashüpfer! Verbrannte Katze! Hexe!« und dergleichen Schimpfereien mehr, wie sie in der Gegend gebräuchlich waren.


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