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Als Landry während des Tages auf dem Felde beschäftigt war, sah er die kleine Fadette vorübergehen. Sie ging sehr schnell und wandte sich einer dichtbewachsenen Stelle zu, wo die Madelon das Laub für ihre Schafe sammelte. Es war um die Zeit, wo man die Ochsen auszuspannen pflegte, weil die Hälfte des Tagewerkes vollbracht war. Landry, der die seinigen auf die Weide zurückführte, blickte beständig der kleinen Fadette nach, die so leicht dahinschritt, daß ihre Füße kaum eine Spur auf dem Grase zurückließen. Landry hätte gern wissen mögen, was sie der Madelon sagen würde. Statt also seine Suppe zu verzehren, die für ihn in die vom Eisen der Pflugschar noch warme Furche hingestellt war, schlich er sich längs des Gebüsches hin, um das Gespräch der beiden Mädchen zu behorchen. Sehen konnte er sie nicht, und da die Madelon ihre Antworten in dumpfem Tone gleichgültig dahinmurmelte, war es ihm unmöglich zu verstehen, was sie sagte. Aber die Stimme der kleinen Fadette war trotz ihres sanften Klanges, darum nicht weniger hell und deutlich, sodaß ihm auch nicht ein einziges ihrer Worte entging, obgleich sie keineswegs sehr laut sprach. Es war die Rede von ihm, und wie sie es Landry versprochen hatte, machte sie der Madelon begreiflich, wie sie sich schon vor zehn Monaten von Landry hatte das Wort geben lassen, daß er ihr zu irgend einem Dienst, den sie nach ihrem Belieben von ihm fordern würde, zu Gebote stehen müsse. Sie wußte das alles so bescheiden und so allerliebst auseinander zu setzen, daß es ein Vergnügen war, ihr zuzuhören. Und dann erzählte sie, ohne jedoch des Irrlichtes zu erwähnen, und daß Landry sich davor gefürchtet habe, wie dieser beinah ertrunken wäre, als er am Vorabende des heiligen Andochefestes die Strudelfurt verfehlt hatte. Schließlich wußte sie alles in das beste Licht zu rücken und erklärte offen und deutlich, daß das ganze Unheil allein durch ihre Eitelkeit verschuldet sei, weil sie, die bisher immer nur mit den Buben tanzte, es sich in den Kopf gesetzt hatte, mit einem erwachsenen Burschen tanzen zu wollen.
Die Madelon geriet darüber in hellen Zorn, sodaß sie mit lauter Summe rief:
»Was habe denn ich mit alledem zu schaffen? Tanze doch dein ganzes Lebenlang mit den Zwillingen vom Zwillingshofe, und bilde dir nur nicht ein, Grille, daß mich das auch nur im geringsten ärgert oder neidisch macht.«
Die Fadette erwiderte darauf: »Rede nicht mit so harten Worten gegen den armen Landry, Madelon; er hat nun einmal sein Herz an dich gehängt, und wenn du nichts von ihm wissen willst, wird er sich mehr darüber kümmern, als ich es auszusprechen vermag.«
Wiederum hatte sie dies in so zierlich gewählten Worten, mit so einschmeichelndem Tone gesagt, und dabei in so anerkennender Weise von Landry gesprochen, daß dieser gern alle ihre Ausdrücke für immer seinem Gedächtnis eingeprägt hätte, um sich ihrer bei Gelegenheit selbst bedienen zu können. Als er sich in solcher Weise loben hörte, errötete er vor innerem Behagen.
Auch die Madelon war erstaunt wie hübsch die kleine Fadette zu reden verstand, aber ihre Geringschätzung gegen dieselbe war zu groß, um es sie merken zu lassen. – »Du hast ein tüchtiges Mundwerk und eine anerkennenswerte Dreistigkeit,« sagte sie ihr; »man sollte meinen, deine Großmutter habe dich dazu abgerichtet, die Leute zu beschwatzen; aber ich liebe es nicht mit Hexen zu plaudern, das bringt Unglück, und ich bitte dich, gehörnte Grille, laß mich jetzt in Ruhe. Du hast nun einen Liebhaber gefunden, und den bewahre dir, mein Schätzchen, denn er wird der erste und der letzte sein, der an einer so garstigen Schnauze wie die deinige, Geschmack findet. Was mich betrifft, ich mag nichts von dem, was du nicht willst, und wenn's der Sohn des Königs wäre, dein Landry ist ein Narr, und es muß wohl recht wenig an ihm gelegen sein, da du in der Meinung, du hättest ihn mir genommen, schon so bald herankommst, mich zu bitten, daß ich ihn in Gnaden wieder annehmen soll. Wahrhaftig, das wäre ein schöner Liebhaber für mich, wenn selbst die kleine Fadette nichts nach ihm fragt!«
»Wenn es das ist, woran du Anstoß nimmst,« antwortete die Fadette in einem Tone, der Landry bis ins Innerste seines Herzens drang; »und wenn dein Stolz so groß ist, daß du nicht eher gerecht sein kannst, als nachdem du mich gedemütigt hast, dann gieb dich nur zufrieden, schöne Madelon: die arme Feldgrille wird ihren Stolz und ihren Mut dir unter die Füße legen. Du glaubst also, daß ich Landry verachte, weil ich dich sonst nicht bitten würde, ihm zu verzeihen. Nun, so erfahre denn, wenn es dir so angenehmer ist, daß ich ihn schon seit langer Zeit liebe, daß er der einzige Bursche ist, an den ich jemals gedacht habe, und der mir vielleicht mein ganzes Lebenlang im Sinne bleiben wird. Zugleich aber bin ich zu verständig und auch viel zu stolz, um je daran zu denken, daß er meine Liebe erwiedern sollte. Ich weiß, wer er ist, und wer ich bin. Er ist schön, reich und angesehen; und ich bin häßlich, arm und verachtet. Ich weiß also recht gut, daß er nicht für mich bestimmt ist. Du hast jedenfalls auch sehen müssen, wie geringschätzig er sich auf dem Feste gegen mich benommen hat. Du kannst dich also damit beruhigen, daß der, den die kleine Fadette nicht einmal anzublicken wagt, seine Augen voller Liebe nach dir richtete. Strafe die kleine Fadette dadurch, daß du sie verspottest und ihr den wieder entreißt, den sie dir nicht einmal streitig zu machen wagen würde. Und, wenn du es nicht aus Liebe zu ihm thust, so thue es wenigstens, um mich für meine Unverschämtheit zu strafen. Versprich mir, wenn er jetzt zu dir kommt, um sich vor dir zu entschuldigen, daß du ihn gut aufnehmen und ihm ein wenig Trost zusprechen willst.«
Statt von soviel Demut und Ergebenheit gerührt zu werden, bezeigte die Madelon sich sehr hart und schickte die kleine Fadette wieder fort, indem sie ihr sagte, daß Landry gerade für sie sehr passend sei; was aber sie selbst, die Madelon, betreffe, so finde sie ihn für sich viel zu bubenhaft und zu einfältig. Aber trotz der schroffen Abweisungen der schönen Madelon, verfehlte die große Selbstverleugnung, womit die Fadette sich selbst zum Opfer gebracht hatte, nicht ihre Früchte zu tragen. Das Herz der Frauen ist nun einmal so beschaffen, daß ein junger Bursche in ihren Augen erst das Ansehen eines Mannes gewinnt, wenn sie sehen, daß er von anderen Frauen geschätzt wird. Die Madelon, die ihre Gedanken niemals besonders ernstlich mit Landry beschäftigt hatte, begann jetzt, sobald sie die Fadette fortgeschickt hatte, viel an ihn zu denken. Sie wiederholte sich alles, was diese Schönrednerin ihr von Landrys Liebe vorgesprochen hatte, und wenn sie darüber nachdachte, daß die Fadette bis zu dem Grade in ihn verliebt war, daß sie es ihr sogar gestanden hatte, blähte sie sich in der Siegesgewißheit, sich an diesem armen, kleinen Mädchen rächen zu können.
Sie ging am Abend nach la Priche, das von ihrer eignen Behausung nicht mehr als zwei bis drei Flintenschüsse weit entfernt war. Unter dem Vorwande eines von ihren Tieren zu suchen, das auf den Feldern sich unter das Vieh ihres Onkels verlaufen hatte, machte sie sich in Landrys Nähe zu schaffen und ermutigte ihn durch ihre Blicke zu ihr heranzukommen, daß er mit ihr reden sollte.
Landry bemerkte dies recht gut, denn seitdem die kleine Fadette sich in die Sache eingemischt hatte, war er merkwürdig geweckt und klug geworden. – »Die Fadette kann wirklich zaubern,« dachte er bei sich, »denn sie hat mir die Zuneigung der Madelon zurückgewonnen, und durch ihr Geplauder hat sie in einer Viertelstunde mehr für mich bewirkt, als ich selbst in einem ganzen Jahre zustande gebracht haben würde. Sie hat einen wunderbaren Verstand, und ein Herz, wie es vom lieben Gott nur alle Jubeljahre erschaffen wird.«
Während er mit diesen Gedanken beschäftigt war, blickte er die Madelon an, aber so gelassen, daß sie schon wieder fort ging, bevor er sich nur entschlossen hatte, sie anzureden. Nicht, daß er sich etwa vor ihr geschämt hätte; im Gegenteil, seine Beschämung war verschwunden, ohne daß er selbst wußte wie; aber mit der schüchternen Verlegenheit waren zugleich auch die Freude, die er sonst gehabt hatte, sie zu sehen, und das Verlangen von ihr geliebt zu werden, in ihm erloschen.
Als er kaum das Abendessen verzehrt hatte, so that er zum Schein, als ob er zu Bette gehen wollte. Aber er stand gleich wieder auf, schlich längs der Mauer hin und eilte unaufhaltsam graden Weges nach der Strudelfurt. Das Irrlicht führte seinen Flammentanz auch an diesem Abend wieder auf. Als Landry es noch ganz aus der Ferne hüpfen sah, dachte er: »Das ist um so besser; da ist der Fadet, so wird die Fadette nicht ferne sein.« Er durchschritt die Furt, ohne sich zu fürchten und ohne sich beirren zu lassen. Dann ging er bis zu dem Hause der Mutter Fadet, das er sorgfältig prüfend von allen Seiten umspähte. Er verweilte hier geraume Zeit, ohne Licht zu sehen, und ohne das geringste Geräusch zu vernehmen. Sie mußten drinnen schon alle zu Bett gegangen sein. Er hoffte, daß die Grille, welche abends, wenn ihre Großmutter und der Grashüpfer schon im Schlafe lagen, oft hinausging, um in der Gegend umherzuschweifen, dies auch heute thun würde. Er begann deshalb auch in der Nähe des Hauses herumzustreifen. Pfeifend und singend, um sich bemerkbar zu machen, schritt er quer über die Schilfwiese hin nach dem Steinbruch von Chaumois; aber er traf auf seinem Wege nichts als den Dachs, der in die Stoppelfelder entfloh, und die Eule, die auf ihrem Baume krächzte. So blieb ihm nichts übrig, als wieder heimzukehren, ohne die Gelegenheit gefunden zu haben, der guten Freundin, die seine Interessen so ausgezeichnet vertreten hatte, seinen Dank zu sagen.