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Steht auf, ihr lieben Kindelein!
Der Morgenstern mit hellem Schein
Läßt frei sich sehn gleich als Held
Und leuchtet in die ganze Welt.
Sei willkommen, lieber Tag,
Vor dem die Nacht nicht bleiben mag.
Leucht in unser Herz hinein
Mit deinem goldnen Himmelsschein.
Klein Mütterchen sitzt auf dem Fenstertritt,
Klein Kindchen auf dem Arme;
Klein Kindchen lacht, klein Mütterchen mit,
Ihm leuchtet der Blick, der warme.
Klein Kindchen erhebt um den Hanswurst Streit,
Ihn zerrend über die Diele;
Klein Mütterchen zieht von der andern Seit',
O herrlichstes aller Spiele!
Klein Kindchen fällt – ein Wehgeschrei!
Nun weinen beide selbander –
Ein Glück, daß sie sich fanden, die zwei,
Sie passen so gut zu einander.
Gustav Weck.
Mein kleines Kind, drei Sommer alt,
Begleitet mich schon in den Wald.
Mein kleines Kind schaut hier und da,
Sieht manches, was ich selbst nicht sah.
Mein kleines Kind schaut hin und her,
Fragt manches, was mir selbst zu schwer.
Mein Kindlein, dir muß selbst der Greis
Gestehen, daß er wenig weiß.
Beim Tag scheint die Sonne
Und nachts scheint der Mond:
Wie sind doch mei'm Bürschle
Sei' Löckle so blond.
Beim Tag fällt der Regen
Und nachts fällt der Tau:
Wie sind doch mei'm Bürschle
Sei' Aeugle so blau.
So lieb sind sei' Löckle,
So lieb sind sei' Aug'n:
Ich wollt', daß sei' Herzle
Möcht' just so viel taug'n!
Friedrich Güll.
»Gretel, sieh mal, diese Nacht
Da hat ihn der Klapperstorch gebracht –
Der arme Kerl kann gar nicht gehn!«
»Ach, Hansi, er kann auch nicht mal sehn, –
Er macht ja immer die Augen zu!«
»Aber, Gretel, wie dumm bist du!
Augen bekommen sie erst nach neun Tagen,
Das kann dir doch unser Kutscher sagen!
Diana's Junge hatten auch keine,
Aber sie hatten doch wenigstens Beine!«
Heut kam ein böser Pustewind
Herein noch abends spät.
Der hat mein kleines Herzenskind
Zum Fenster 'nausgeweht!
Da fliegt es!
Wer kriegt es?
Jetzt ist es schon ganz fern
Und hängt mit seinem Hemdenzupf
An einem Zackelstern.
Ach, Schornsteinfeger, munter!
Recht herzlich bitt' ich dich,
Hol mir mein Kind herunter,
Es schreit ja fürchterlich!
Was macht er?
Da lacht er!
»Das ist doch gar nicht schwer!«
Und kommt mit einem langen, langen
Besenstiel daher.
Und mit dem Ding, da hat er jetzt
Vergnügt herumgefischt
Und schließlich auch zu allerletzt
Den Hemdenmatz erwischt.
Nun weint es
Und greint es:
»Ich hab' mich so erschreckt!«
Das kommt davon, das kommt davon,
Wenn man nicht zugedeckt!
Mein Büdelein
Is noch so tlein,
Is noch so dumm,
Ein armes Wum,
Muß tille liegen
In seine Wiegen
Und hat noch teine Hos'.
Aetsch, aetsch!
Und is bin son so droß!
Wilhelm Busch. Aus Sein und Schein.
Es hat geschneit, es hat geschneit heut Nacht.
Schlohschlohweiß ist die Erde aufgewacht.
Hof, Garten, Dächer, alles puderweiß.
Der Kinder Wangen glühen freudeheiß,
Das Kleinchen gar will nicht vom Fenster lassen.
»Milch! Milch!« ruft es entzückt und kann sich gar nicht fassen.
Frida Schanz.
Sprich, kleine Maid, was willst du sein?
Ich? Mutter will ich werden!
Zwölf Buben will ich, groß und klein,
Und Mädchen, ganze Herden!
Mein Bruder, der wird ein Soldat,
Und ich will Kinder haben,
Ich geh spazieren durch die Stadt
Mit allen meinen Knaben.
Das kleinste trag' ich auf dem Arm,
Wie meine Puppe eben,
Ich hüll' es ein und halt es warm,
Muß ihm zu trinken geben.
Wie meine Mutter bin ich bald,
Die hat auch viele Kinder,
Ach! wär' ich doch wie sie so alt,
Dann hätt' ich sie geschwinder.
Du milchjunger Knabe,
Was siehst du mich an?
Was haben deine Augen
Für eine Frage getan?
Alle Ratsherrn in der Stadt
Und alle Weisen in der Welt
Bleiben stumm auf die Frage,
Die deine Augen gestellt.
Ein leeres Schneckhäusel,
Schau, liegt dort im Gras.
Da halte dein Ohr dran,
Das brummelt dir was!
Kein Vöglein in Lüften,
Kein Fisch in der Flut,
Kein Blümlein auf Triften,
S' hat's keines so gut.
S' hat keines gefunden
Ein Nestlein so warm,
Wie's Kindlein, umwunden
Vom Mutterarm.
Da leuchtet die Sonne,
Da singt es und klingt,
Wo eine Mutter mit Wonne
Ihr Kindlein umschlingt.
Sie schaukelt und wiegt es
Im kosenden Scherz,
Und drückt es und schmiegt es
An's liebende Herz.
Mein zappelndes Bübchen,
Nun hört nur, wie's lacht!
Im Wänglein ein Grübchen,
Zum Küssen gemacht.
Wie Kirschen sein Mündchen,
Goldlöckchen so kraus;
Mein Herzchen, mein Kindchen,
Und das Schäkern ist aus.
Nun geht es zu Bette!
Schlaf Bübchen, und dann –
Geht's Schäkern, ich wette,
Von vorn wieder an.
Bubi soll ein Händchen geben,
Eia machen ins Gesicht,
Einer Tante, nie im Leben
Noch gesehn! – Das will er nicht!
Seine lieben großen blauen
Augen schauen finster drein!
Alle fremden lauten Frauen
Wollen liebe Tanten sein!
Brummelnd formt er Klagetöne.
Händchen geben aller Welt,
Noch dazu das rechte, schöne,
Drin man meist den Wauwau hält,
Nein, das ist nicht zu ertragen!
Schrecklich ist dem kleinen Herrn
Dieses dumme »Tag-Tag!« sagen,
Aber »Adda« sagt er gern!
Wie da seine Zähnchen blinken!
Adda sagen liebt er sehr.
Strahlend sah ich ihn heut winken
Hinter einer Tante her.
Adda! – Aus dem offnen Zimmer
Scholl's den Gartenpfad entlang.
Adda! Adda!! Adda!! Immer
Hör ich noch den hellen Klang!
Wenn der Dackel im Korb liegt und so bellt,
Das hat die Hilde immer verdrossen.
Da hat sie's heute mal umgestellt:
Kommt der Dackel dahergeschossen,
Will kopfüber ins Körbchen hinein.
Wau!! – – kläfft's ihm da entgegen voll Wut.
Wer liegt im Körbchen? Hilde klein
Und ruft: »Daß du's auch mal weißt, wie's tut!«
Raimund.
Ruschelpuschel werd' ich geheißen,
Weil Sträucher immer Schürzen zerreißen,
Weil Sohlen gar kein Halten verstehn,
Weil Zöpfchen immer aus Bändern gehn.
Mein Jahrmarktspüppchen brach auch gleich gestern
Beim ersten Falle. Bei meinen Schwestern
Hält alles viel länger, wie ich seh' –
Ruschelpuschel, das täte mir weh.
Ruschelpuschel, das schmerzte mich sehr!
Wenn die alte liebe Flickfrau nicht wär'!
Wenn ich zu der komm' mit den Kaffeetöpfchen,
Sagt sie ganz heimlich: »Mein Strahlenköpfchen!«
Anemonen sind Königskinder,
Die sich vor Zeiten im Walde verirrt,
Daher wissen sie auch geschwinder
Als die andern, wenn's Frühling wird.
Kleine Prinzeßchen sind Anemonen,
Die verzaubert die böse Fee,
Daher tragen sie goldene Kronen,
Seidene Kleidchen, weiß wie Schnee.
Taumelnd schaukeln sie, wie verschlafen,
Wenn sie der erste Lenzhauch weckt,
Wenn die ersten Strahlen sie trafen
Unter Moos und Ranken versteckt.
Manchmal bei hellem Vollmondglanze
Schweben umher sie, der Zauber weicht,
Flattern auf Flüglein, drehn sich im Kreise,
Liebliche Kinder, lustig, leicht.
Und am Morgen, im Waldesschweigen
Müssen sie wieder Blumen sein.
Aber die Freude am nächtigen Reigen
Ueberhaucht sie mit rosigem Schein.
O selig Mutterleben!
Ein Weinstock mit vier Reben,
Eine Myrte mit vier Rosen.
O selig Küssen und Kosen!
Wen liebt sie am meisten?
Wen liebt sie am treusten?
Da mußt du die Englein fragen,
Und die wissen's auch nicht zu sagen.
Mach auf, Frau Griesbach! Ich bin da
Und klopf' an deine Türe.
Mich schickt Papa und die Mama,
Daß ich dir gratuliere.
Ich bringe nichts als ein Gedicht
Zu deines Tages Feier,
Denn alles, wie die Mutter spricht,
Ist so entsetzlich teuer.
Sag selbst, was ich dir wünschen soll,
Ich weiß nichts zu erdenken.
Du hast ja Küch' und Keller voll,
Nichts fehlt in deinen Schränken.
Es wachsen dir fast auf den Tisch
Die Spargeln und die Schoten,
Die Stachelbeeren blühen frisch
Und so die Reineclauden.
Bei Stachelbeeren fällt mir ein:
Die schmecken gar zu süße,
Und wenn sie werden zeitig sein,
So sorge, daß ich's wisse.
Viel fette Schweine mästest du
Und gibst den Hühnern Futter.
Die Kuh im Stalle ruft muh, muh!
Und gibt dir Milch und Butter.
Es haben alle dich so gern,
Die Alten und die Jungen,
Und deinem lieben, braven Herrn
Ist alles wohl gelungen.
Du bist wohlauf, Gott Lob und Dank!
Mußt's auch fein immer bleiben;
Du, höre, werde ja nicht krank,
Daß sie dir nichts verschreiben.
Nun lebe wohl! ich sag Ade.
Gelt, ich war heut bescheiden?
Doch könntest du mir, eh ich geh
'ne Butterbemme schneiden.
Friedrich von Schiller.
Zum Geburtstag der Mutter am 20. Dezember 1857
Im Wintermond, und das ist wahr,
Da sind die Blumen gar zu rar,
Man sieht sie nirgends glänzen.
Wo nehmen wir die Blumen her,
Und winden Kränze, voll und schwer,
Die Mutter heut zu kränzen?
Wer hilft uns nur, wer gibt uns Rat?
Ich! sagt der alte Freiligrath,
Und einen ganz famosen!
Habt ihr nicht Augen hell und klar?
Habt ihr nicht braun und blondes Haar,
Und Wangen wie die Rosen?
Der Himmel gab euch Licht und Tau,
Ihr seid auf dieser fremden Au
Wie Blumen frisch erwachsen!
So schlingt die Hände denn zum Tanz,
Und tanzt, der allerschönste Kranz,
Um die Mama aus Sachsen.
Sie kam durch Storches Unverstand
Als Mädel auf die Erden.
Geschrieben war von Engels Hand:
Ein Kernbub soll sie werden! –
Nun liegt ihr alles das im Blut:
Die Bubenlust, der Bubenmut,
Die Lieb zu Hund und Pferden!
Frau Mutter, sei nicht so entsetzt,
Wenn deine kleine Wilde
So jungenwild den Park durchhetzt,
Als führt' sie was im Schilde!
Ei, laß sie nur so keck und stolz!
Geschnitzt aus gutem Bubenholz
Ist eben eure Hilde!
Drum packt sie ja so urgewandt
Ein Roß am Mähnenschopfe,
Drum hält das beste seidne Band
Ihr nie im blonden Zopfe.
Es war ja eben ein Versehn!
Der Storch sagt: Sowas kann geschehn!
Er hat zuviel im Kopfe!
Die Kinder schmücken sich mit Kränzen,
Sie selber sind der Mutter Kranz;
Sie treten an zu Ringeltänzen,
Das ist der Mutter Freudentanz.
Sie sieht die jungen Augen glänzen,
Das gibt den ihren neuen Glanz:
Wem gute Götter so ergänzen
Des Lebens Lust, dem ist sie ganz.
Unter Schnee in kalter Erde
Still ein Knösplein sinnt und sagt:
»Sonne rief ein frohes Werde;
Wohl, es sei mit Gott gewagt!«
Bald ertönt das Frühlingsglöcklein,
Morsch zerfällt des Winters Zelt.
»Heil du Held im weißen Röcklein!«
Ruft begeistert alle Welt.
Robert Schwarz.
Wollt ihr unsre Wohnung schauen?
Meister Frühling half sie bauen;
Flocht aus Zweig- und Blattgewind
Dach und Wände uns geschwind.
Hat sie lustig grün bemalt;
Schickt auch, daß es prächtig sei,
Bruder Sonnenschein herbei,
Der sie goldig überstrahlt,
Der mit Blumen sie geschmückt
Und den Teppich bunt gestickt
Und aufs Dach zu guterletzt
Grüne Fahnen aufgesetzt.
Kein Königsschloß kann herrlicher sein,
Wir glücklichen Kinder, wir ziehen hinein!
So eng ist kein Fleckchen,
So schmal ist kein Eckchen,
So winzig kein Raum:
Es prägt sich darauf der Kindheit Traum
Seine Wonnen zu Hauf,
Baut sich flink und gewandt mit Elfenhand
Sein lustiges Haus
Und lacht mit seligen Augen heraus.
Pauline Schanz.
Wir fahren aus! Das Feld ist grün,
Die gelben Schlüsselblumen blühn,
Die Sonne lacht vom Himmelszelt,
Und jung und fröhlich ist die Welt.
– Komm, Scheck, du sollst uns heute ziehn,
Ich schmücke dich mit Birkengrün!
Verzeih, daß in der Frühlingsluft
Wir fahren und du laufen mußt.
Wir freun uns auf die Fahrt so sehr,
Und frohe Herzen sind nicht schwer,
Die haben beinah kein Gewicht,
Paß auf, mein Scheck, du spürst uns nicht.
Emma Sauerland.
Mutter! Mutter! Glücklich kreischts der Junge
Aus dem Bett und stellt sich hoch im Hemdchen:
»Mein Ballon. Dort fliegt er überm Garten.«
Strahlend steht er, seine Augen lachen,
Die den ganzen Tag wie Bäche flossen
Um den roten Ball, der ihm entflogen.
Mutter küßt den Schatz, die Linden rauschen,
Und der rote Vollmond will sich schütteln,
Daß der Hemdenmatz ihn so verkannte.
Wenn das Brot fällt auf die Butterseit',
Das ist gewiß kein kleines Leid.
Wen der Schuh drückt, der ist nicht froh,
Wer krank ist, dem gehts ebenso.
Die größte Trübsal doch findet statt,
Wenn man die Hose zerrissen hat,
Und es weiß noch niemand!
Johannes Trojan.
Mach', liebe Sonne, ein freundlich Gesicht!
Vergiß, wenn du scheinst, unser Gärtchen auch nicht,
Blick' mit den wärmenden Strahlen darauf,
Küss' unsern Blumen die Aeugelein auf!
Kernlein und Würzelchen pflanzen wir ein;
Regen und Frühlingstau rieselt herein,
Bis, was da schlummernd im Boden versteckt,
Sanft ihr zum blühenden Leben erweckt!
Morgen- und Abendwind, flattert und weht,
Bis ihr die Keime, die grünenden, seht!
Lockt sie mit Grüßen, lieblich und sacht,
Aus ihres Grabes dämmernder Nacht!
Vöglein, du kleines, komm, bist du nicht müd?
Setz' dich hier nieder und sing' uns dein Lied;
Sing', wie der Mai und das Leben so schön,
Daß sie es hören und eilig ersteh'n!
Pauline Schanz.
Komponiert von Dr. Martin Jacobi.
Wo im Mauereckchen
Die Sonne sich fing,
Hockt mit heißen Bäckchen
Ein herziges Ding. –
Die Locken gebunden
Mit leuchtendem Band,
Die Arme geschunden
Und braun gebrannt.
Die bloßen Beinchen
Mit klapperndem Tritt
Lösen die Steinchen
Vom Mauerkitt.
Da stockt das Gewedel.
Ins Händchen hinein
Fliegt unserm Mädel
Ein Käferlein.
Wie strahlt das Gesichtchen!
Behutsam und sacht
Hat's Käferwichtchen
Sich aufgemacht.
Und läuft behende
Das Aermchen hinauf,
Und nimmt ohne Ende
Von neuem den Lauf.
Im Sonnenfleckchen
So ferne der Welt
Das Kind ein Eckchen
Vom Glücke hält.
Leise atmend, halb entschlummert,
Liegt das Kind im Bettchen klein,
Plötzlich durch das offne Fenster
Schaut der Abendstern herein.
Und nach ihm mit beiden Händen
Laut aufweinend langt das Kind:
»Mutter, Mutter, hol' mir diesen
Schönen Stern herab geschwind!«
»Dummheit!« ruft der Vater zornig
Hinter einem Zeitungsblatt,
»Was der Fratz von dritthalb Jahren
Für verrückte Launen hat!
Denkt man: dreißig Millionen
Meilen weg und ein Planet,
Der zweihundertvierundzwanzig
Tage um die Sonne geht!«
Doch die Mutter tröstet leise:
»Schlaf', mein Engel! Diese Nacht
Hol' ich dir den Stern vom Himmel,
Der dir so viel Freude macht.
Morgen früh, hier auf dem Bette
Findest du den Edelstein.« –
Und das Kind, in Tränen lächelnd,
Schläft am Mutterherzen ein.
Nun laß dir erzählen, mein liebes Kind,
Wie schön die guten Engel sind!
Sie sind so schön von Angesicht
Als Erd' und Himmel im Frühlingslicht,
Sie haben Augen, gar blau und klar,
Und ewige Blumen im goldigen Haar,
Und ihre raschen Flügelein,
Die sind von silbernem Mondenschein.
Bei Tag und Nacht
Schweben die Engel in solcher Pracht.
Nun laß dir erzählen, mein liebes Kind,
Wie die Englein fliegen, leis und lind!
So leis', als der Schnee vom Himmel fällt,
So leis', als der Mond zieht über die Welt,
So leis', als der Keim aus der Erde sprießt,
So leis', als der Duft durch die Lüfte fließt.
So leis', als vom Baume weht das Blatt,
So leis', als das Licht über Land und Stadt.
So leis' und lind
Fliegen die Englein, mein liebes Kind.
Nun laß dir erzählen, mein liebes Kind,
Wozu die guten Engel sind!
Wo ein Armer betet in seiner Not,
Da bringen sie in das Haus ihm Brot,
Wo beim kranken Kinde die Mutter wacht,
Da nehmen des Kindleins sie in acht.
Und wo in Gefahren ein Guter schwebt,
Wo jemand weinet, jemand bebt,
Dahin geschwind
Gehen die Englein, mein liebes Kind!
Und willst du, mein Kind, die Englein sehn –
Das kann auf der Erde wohl nicht geschehn;
Doch wenn du hier lebest fromm und rein,
Wird stets ein Engel um dich sein,
Und wenn dereinst dein Auge bricht,
Du nicht mehr erwachest zum Tageslicht:
Dann wirst du ihn schaun; er winkt dir still,
Dann folg' ihm, wohin er dich führen will,
Im Himmelsschein
Wirst du dann selber ein Engel sein!
Fr. Löwenstein.
Pst! Im Hemdchen klar und licht,
Bei des Lämpchens rosigem Schimmer
Kniet mit heiligem Gesicht
Hansi. Und es tönt durchs Zimmer:
Lieber Dott im Himmelreich!
Mich und meine artigen Tiere
Mache Deinen Engeln gleich!
Hundels hab ich jetzt schon viere.
Lieber Dott, mein Hottehott
Hat sein Beinchen abgetreten.
Ohne Beinchen, lieber Dott,
Können Hottehotts nich beten.
Dackel hat heut bös gebellt.
Lieber Dott, verzeih uns allen! –
Ob dem großen Herrn der Welt
Dies Gebetlein nicht gefallen?
Muckschel, die Sonne hat sich versteckt!
Sie mag dich heute gar nicht schauen.
Seit sie dich heute aufgeweckt,
Geht das Maulen und Mauen.
Guck, das Miezel sogar tut blind,
Gähnt und schließt ihre Gucken.
Hätte die so ein mucksches Kind,
Würde die's aber ducken! –
Fr. Raimund.
Bim – baum! sagt noch einmal das Abendglöckchen,
Langsam – dann hat es ausgeschwätzt.
Noch ein Mutterküßchen auf Kinderlöckchen,
Ach wie so müd sind die Kleinen jetzt!
Die Abendwölkchen sind heimgegangen
Im langen Zug, wie vom Kinderfest.
Grasmückenstübchen ist grün verhangen,
Sechs Köpfchen drängeln im weichen Nest.
Laufkäfer lief heut zehn Käfermeilen,
Hält nun unter Nelkenfederlein Rast.
Ein Finkenkind zirpt noch die letzten Zeilen
Von Vaters Liedchen und kann sie fast.
Der Schmetterling hat sich mit steilen Flügeln
Wie unsichtbar auf die Lilie gesetzt.
Zu den ruhlosen Wellenhügeln
Neigt sich das Mondlicht! »Ruht mal jetzt!«
Die Kinder träumen von blumiger Wiese.
Die Wiese träumt von der Kinder Lust.
Es liegt ein Ball auf dem Gartenkiese,
Der heute tausendmal springen gemußt,
Immer müder wird nun das Städtchen – –
Da – ein Leuchten am Himmelszelt:
Aus dem goldenen Sternenbettchen
Fiel ein Stern in die weite Welt.
Frida Schanz.
Müde bin ich, geh zur Ruh,
Schließe beide Aeuglein zu,
Vater, laß die Augen Dein
Ueber meinem Bette sein.
Hab' ich Unrecht heut getan,
Sieh es, lieber Gott, nicht an!
Deine Gnad' und Jesu Blut
Machen allen Schaden gut.
Alle, die mir sind verwandt,
Gott, laß ruhn in Deiner Hand;
Alle Menschen, groß und klein,
Sollen dir befohlen sein.
Kranken Herzen sende Ruh,
Nasse Augen schließe zu,
Laß den Mond am Himmel stehn
Und die stille Welt besehn.
Luise Hensel
Um einen Trunk bat mich zur Nacht mein Kind,
Mein wilder Kamerad in Spiel und Scherzen.
Sein Stimmchen bettelte so warm und lind –
Und reiche Liebe strömte mir vom Herzen.
Es schaute groß und still mich an beim Trinken
Und gab verschwiegnen Dank, indem es nahm,
Und schien in meinen Anblick zu versinken,
Als tränk es mit, was mir vom Herzen kam.
Sie lernte heut' so lange,
Nun aber ist's genug;
Legt auf den Arm die Wange,
Auf ihren Schoß das Buch.
Und hat so ohne Wanken
Lang vor sich hingesehn.
Was da wohl für Gedanken
Durch solch ein Köpfchen gehn?
Ein Lüftchen zieht mit Flüstern
Vom Fenster her gelind,
Des Buches Blätter knistern,
Ihre Löckchen hebt der Wind.
Ein Träumen und ein Sinnen
Umfließen ihr Gesicht,
Als rege sich tief innen
Erwachend Morgenlicht.
Tief in des Kelches Hülle,
Ein Knöfplein schläft im Grün;
Einst wird in Pracht und Fülle
Die Rose d'raus erblühn.
Die dunklen Wimpern sanken.
Die Aeuglein wurden klein,
Und Bilder und Gedanken
Im Köpfchen schlafen ein.
Aus halbgeschloss'nem Lide
Blinzt schläfrig sie und spricht:
Lieb' Mütterlein, bin müde
Und lernt auch mein Gedicht.
Mutter, fühl' mal, wie's mich glüht!
War das weit zum Wald hinaus!
Meine Schuhchen sind so müd',
Zieh mir mal die Schuhchen aus!
Und ist's mit dieser Welt herum
Und komm ich ins Elysium,
Der Ahne Haus muß mit hinein,
Sonst mag ich nicht darinnen sein.
Hinter dem Hause muß am Hag
Die Sonne lagern den ganzen Tag,
Daß golden durch der Blätter Luken
Wie die Engelsbacken die Kürbis gucken.
Daß die Nachbarn wieder herüberschaun,
Die Arme aufgestemmt am Zaun.
Wie sie am Sonntag aus den Pfeifen
Lassen die blauen Wolken schweifen.
Lustige Mägde ziehn am Haus
In weißer Schürze den Weg hinaus.
Und draußen schütteln am Gartensaum
Wir Buben den frühsten Birnenbaum.
So sei es im Elysium,
Sonst scher ich mich den Teufel drum.
So
klein, daß sie in einer Winde wohnen!
Ein Windensamen gibt zwei Elfenkronen,
Ein zehntel Mausohr ein paar Elfenschuh,
Ein Sommerfaden einen Strumpf dazu,
Ein Spinngewebe Linnen für ein Jahr!
So klein sind Elfen: – eine ganze Schar
Geht in ein Rosenblatt und fährt drin Kahn.
Der Waldteich ist ihr großer Ozean!
Wie sind meine Finger so grün,
Blumen hab' ich zerrissen;
Sie wollten für mich blühn
Und haben sterben müssen.
Sie neigten sich in mein Angesicht
Wie fromme schüchterne Lider,
Ich war in Gedanken, ich achtet's nicht
Und bog sie zu mir nieder,
Zerriß die lieben Glieder
Im sorgenlosen Mut.
Da floß ihr grünes Blut
Um meine Finger nieder,
Sie klagten nicht, sie weinten nicht,
Sie starben ohne Laut;
Nur dunkel ward ihr Angesicht,
Wie wenn der Himmel graut.
Sie konnten's mir nicht ersparen,
Sonst hätten sie es abgetan;
Wo bin ich hingefahren
Im trüben Sinneswahn?
O töricht Kinderspiel,
O schuldlos Blutvergießen!
Gleicht's auch dem Leben viel,
Laßt mich die Augen schließen,
Denn was geschehn ist, ist geschehn.
Und wer kann für die Zukunft stehn?
Annette Freiin v. Droste-Hülshoff
Aetsch, wir haben Besuch gekriegt!
»Von wem denn?« – das sag' ich nicht;
Von meiner Tante Haberstroh,
Die wohnt ganz weit, ich weiß nicht, wo.
Die hat ein Kleid von Seide an
Mit Franzen dran,
Ein Halsband von Chenille
Und eine Samt-Mantille,
Am Kopf zwei lange Locken
Und den ganzen Hut voll Blumenglocken!
»Trude, die ist wohl schrecklich reich, ja?
Die kommt wohl nach der Königin gleich, ja?«
Das glaub' nur: Die hat so viel Geld
Wie keine Tante auf der Welt!
»Das hab' ich mir bald gedacht!
Was hat sie dir denn mitgebracht?«
Mitgebracht hat sie mir gar nichts;
Ich dacht es erst, aber es war nichts;
Meine Mutter sagt, sie wär' sehr genau.
»Gar nichts, die reiche Frau?
Gar nichts? Du meine Güte –
Kriegst nicht mal 'ne Düte,
Kriegst nicht mal ein Zuckerplätzchen,
Kriegst nicht mal ein Dreierkätzchen!
Da sollst du unsere Tanten seh'n,
Die sind gar nicht schön,
Aber wenn die uns besuchen,
Gibt es immer Pfefferkuchen!
Da geh nur, lauf zu deiner alten –
Die kannst du behalten!«
Du fragest kindisch oft um vieles,
Was ich dir nimmer sagen kann –
Nun ist vorbei die Zeit des Spieles,
Nun fängt der Ernst des Lebens an.
Nun lerne mir die Lettern fügen,
Gewinn der Zahlen sichern Hort,
Lern', was man weiß von Kriegeszügen,
Wo dieser liegt und jener Ort.
Dann lerne Tier und Pflanze nennen,
Die Minerale – kurz, was nur
Ein wenig Walten läßt erkennen
In den drei Reichen der Natur.
Dann geht es weiter zum Lateine
Und dann zum Griechischen – wie schwer! –
Doch wandelst du im Götterhaine,
Verkehrst mit Plato und Homer.
Und immer höher auf der Leiter
Gesamten Wissens steig' hinauf,
Bis endlich – nun, da geht's nicht weiter,
Da hört das Reich des Wissens auf!
Mein Arm wird stark und groß mein Mut:
Gib, Vater, mir ein Schwert!
Verachte nicht mein junges Blut,
Ich bin der Väter wert.
Ich finde fürder keine Ruh
Im weichen Knabenstand;
Ich stürb, o Vater, stolz wie du
Den Tod fürs Vaterland!
Schon früh in meiner Kindheit war
Mein täglich Spiel der Krieg;
Im Bette träumt' ich nur Gefahr
Und Wunden und nur Sieg.
Mein Feldgeschrei erweckte mich
Aus mancher Türkenschlacht,
Noch jüngst ein Faustschlag, welchen ich
Dem Bassa zugedacht!
Da neulich unsrer Krieger Schar
Auf dieser Straße zog
Und wie ein Vogel der Husar
Am Haus vorüberflog.
Da gaffte starr und freute sich
Der Knabe froher Schwarm;
Ich aber, Vater, härmte mich
Und prüfte meinen Arm.
Mein Arm ist stark und groß mein Mut:
Gib, Vater, mir ein Schwert!
Verachte nicht mein junges Blut,
Ich bin der Väter wert.
Friedrich Leopold Graf v. Stolberg.
Trotzköpfchen, wie geht's?
Hast nicht bald ausgetrotzt?
Trotzköpfchen, wie steht's?
Immer auf zwei Beinen?
Zwischen Lachen und Weinen?
Immer noch wie gestern?
Was machen Ihre Schwestern?
Was machen Ihre Brüder?
Machen Sie nicht bald ein freundlich Gesicht?
Trotzköpfchen spricht:
Lass' mich in Ruh'! –
Nun, so trotze nur zu,
Dickköpfchen du!
Pauline Schanz.
Nun ist es zwischen Franz und mir
Ganz aus für alle Zeit.
Da steht er jetzt, und ich steh' hier –
Ich glaub, es tut uns leid.
Uns beiden ist nicht wohl zu Mut,
Wir sind so trüb und stumm.
Ach, wären wir uns wieder gut,
Ich gäbe meinen Apfel drum!
Vesperbrötchen, stell dich ein,
Aber komm nur nicht zu klein,
Denn das Spitzchen und das Spätzchen
Und das liebe Mausekätzchen,
Alle, alle warten dein:
Vesperbrötchen, stell dich ein!
Mutter, eben schlägt es vier,
Und um viere vespern wir.
Warten Spitzchen auch und Spätzchen
Und das liebe Mausekätzchen,
Warten kann dein Franz nicht mehr,
Denn ihn hungert gar zu sehr.
Heinrich Hoffmann von Fallersleben
Gute Nacht, Welt, schlaft wohl, ihr Leute!
Welch ein reizender Tag war heute!
Was der alles Schönes enthielt!
Der Briefträger hat mit mir Ball gespielt,
Nachbars Spitz hat mich heute nicht angekläfft,
Ein Marienkäfer lief über mein Heft,
Muttel trug heut ihr blumiges Kleid,
Es gab Makkaroni mit Käse beschneit,
Und als ich abends zum Bäcker mußte,
Traf ich unsre alte Auguste,
Die mir so sehr, ach so sehr gefällt!
Gute Nacht, – liebe, –
liebe Welt!
Ich kann nicht, ich kann wirklich nicht,
Die Noten sind zu bunt!
Und wenn ich eben spielen will,
Dann bellt der dumme Hund.
Das Stück ist gar zu fürchterlich
Mit as und fis und b.
Ich kann nicht, ich kann wirklich nicht,
Mir tun die Finger weh!
Friedrich Oldenburg.
Das war schrecklich, war entsetzlich,
Als beim allerbesten Spiel
Unser kleiner Jakob plötzlich
In den tiefen Zuber fiel.
Alle Lust war da zu Ende,
Alle Fröhlichkeit war aus,
Und ich stand und rang die Hände,
Und ich rief: Komm doch heraus!
Doch er tat's nicht. Mit den Beinen
Strampelt er, der arme Wicht,
Und da fing ich an zu weinen,
Denn was Besseres wußt' ich nicht.
Endlich kamen sie und fanden
Ihn – noch ist's nicht lange her.
Hält' ich nicht dabei gestanden,
Was dann wohl geschehen wär?
Kennt ihr wohl den Unfuggeist,
Der mit Namen Niemand heißt?
Wohnt beinah in jedem Haus,
Fragt nur mal landein, landaus!
Wer hat Vaters Tisch bekleckst?
Mutters Fingerhut verhext?
Mutters Nadel? Mutters Scheren?
Wer nahm von den Stachelbeeren?
Wer zerschnitt den neuen Ball?
Ueberall und überall
Ist's und war's derselbe Fant!
Niemand! – Niemand! – Niemand!
Niemand hat das Garn verfetzt,
Niemand hat die Wurst stibitzt,
Niemand krachte mit der Tür,
Niemand kann etwas dafür,
Daß der Garten offen steht;
Niemand trat ins Nelkenbeet,
Niemand aß das Osterei,
Niemand riß das Buch entzwei,
Niemand warf das Glas vom Tisch!
Wenn ich ihn einmal erwisch!!
Such und hasch ihn alle Tage!
Wenn ich Kinder nach ihm frage
Kommen sie in große Not,
Werden feuerfeuerrot,
Doch es nennt ihn mir im Land
Niemand, niemand, niemand!
Ach, sieht man Sie wieder einmal, Frau Strahl?
Wie lange hat man sich nicht getroffen!« –
»Du, unsre Zensuren egal diesmal.«
»Du trägst ja mal wieder die Haare offen!«
»Noch nie stand Ihnen ein Hut so gut.
Wie heißt doch, beste Frau Rat, Ihr Schneider?« –
»Wie ist dir denn bei der Glut zu Mut?«
»Man möchte nichts anziehen, doch muß man leider.«
»Sie gehen doch heuer ins Bad, Frau Rat?«
»Natürlich, Liebste, die nächsten Wochen.« –
»Du, unser Schreifritz, mein Staat, wie schad!
Der hat mal wieder die Nase gebrochen.«
»Doch ich muß eilen. Ich seh, o weh!
's ist spät, und ich will noch zwei Karpfen kaufen.«
»Du kommst doch heut Abend? Ich geh, ade!
Bring Franz mit, wir wollen das Wachskind taufen.«
F. Soyaux
Ich fand mein Bübchen schmollend
Für sich allein.
»Ich möchte,« sprach es grollend,
»Wer anders sein!«
»Wer denn? Du bist mein Werner,
Ist das kein Spaß?«
»Ach nein, ich wär viel gerner
Der
Osterhas!«
Mein Schätzchen! Halt' nur still den Kopf,
So flecht' ich dir den blonden Zopf
Und schling' ein rotes Band hinein
Und Veilchen blau und Rosmarein!
Halt' still, mein Schätzchen, wie ein Lamm!
Dann setz' ich drauf den gold'nen Kamm
Und ringsherum den Rosenkranz,
Und dann erst sind wir fertig ganz.
Viele Kinder sind im Haus,
Mutter sieht oft ängstlich aus,
Fragt mit ihrem lieben bleichen
Mund gar häufig: Wird das reichen?
Jede Schüssel auf dem Tisch,
Jedes Brot und jeden Fisch,
Jedes gute Schmeckesüß,
Jeden Marktkorb voll Gemüs',
Jeden noch so großen, dicken
Kuchen prüft sie mit den Blicken,
Denn sie weiß schon, wie es geht,
Wie's um Kinderhunger steht. –
Wie ihr größtes Liebeszeichen
Ist dies Rechnen: Wird es reichen?
Und es scheinen's alle Sachen
Ihr im Hause nachzumachen.
Jeder Braten scheint zu fragen:
Reich' ich auch für fünfzehn Magen?
Weihnachtsstollen fragen auch.
Jeden braven Himbeerstrauch,
Jedes Beet mit süßen Beeren
Scheint die Sorge zu verzehren:
Wird es reichen, was ich habe,
Zur Ernährung und zur Labe
Für die große Schar im Neste
Und gar oft noch ein paar Gäste?
Sorgen, liebe, liebe Sorgen! – –
Nur der Birnbaum ist geborgen,
Ueber-, überreich beladen
Steht er, wie von Gottes Gnaden.
Uralt ist er, stark gestützt,
Hat sich weidlich abgenützt,
Doch es mehrt sich wunderbar
Seine Kraft von Jahr zu Jahr.
Wie viel Hunger kann ich stillen,
Einen Keller kann ich füllen!
Nein, kein Blick braucht mich zu streifen
Mit der Frage: Wird es reichen?
Keiner hat in solcher Fülle
Unter schlichter grüner Hülle
Soviel Labe süß und weiß,
Jubelt er – (doch nur sehr leis,
Daß nur keine Birne falle! )– –
Ich bin froh! Mein's reicht für alle!
Frida Schanz
Was ist das mit den beiden Knaben,
Die sonst so friedlich sind und still?
Der eine will die Peitsche haben,
Die auch der andre haben will.
Zum Vater kommen sie und klagen
Und einer macht den andern schlecht,
Was soll man zu der Sache sagen,
Da jeder meint, er sei im Recht?
Der Vater spricht: Ich will's entscheiden.
Der ist im Recht, der
dieses tut:
Der jetzt zuerst sagt von euch beiden:
Nimm sie und sei mir wieder gut!
Ach, wer das Studieren, das Lernen erdacht,
Was hat der für Plage
Bei Nacht und bei Tage
Den Kindern gebracht!
Das Lesen, das Schreiben,
Das Rechnen dazu,
Da soll einer bleiben
Tag über in Ruh!
Statt daß man den Wald und die Wese durchschweift,
Muß still auf den Bänken
Man schwitzen und denken,
Was schwer man begreift.
Der Lehrer daneben,
Mit schrecklichem Ernst,
Geht gleich dir ans Leben,
Sobald du nicht lernst.
Im Traume noch stört uns manch grausliche Zahl,
Nach rennt sie mit Necken,
Vom Schlaf uns zu wecken,
Das ist eine Qual!
Da schreibt man die Hände,
Die Finger sich krumm,
Da wird man am Ende
Vom Lernen noch dumm.
Mich lachte einst als kleinen Knaben an
Des Lebens ganzes Glück, in Traumgestalt,
Ich ritt als junger Rittersmann
Frühmorgens durch den grünen Wald.
So jung war ich, mein Herz schlug mir so mutig,
So munter tänzelte mein schwarzes Pferd,
Und Abenteuer winkten, blau und blutig,
Hei! an der Seite klirrte mir mein Schwert.
Wie war ich frei von allen Knabensorgen,
Wie war ich königlich in jener Nacht!
Wie weint ich grimmig an dem grauen Morgen
In niegefühltem Schmerz, als ich erwacht!
Ihr alten zauberhaften Ritterbücher,
Wie füllet ihr den jugendlichen Sinn,
Ihr Wappen, Sporen, bunten Fahnentücher,
Ihr lustigen Turniere her und hin!
Jetzt lacht man über euch, ihr alten Mären,
Mit schlechtem Spott, mit neidgebornem Fluch,
Doch meinen Traum mir also zu verklären
Mit so viel Glück. – Heil einem solchen Buch!
Ja, selig war ich einst in deinem Bann,
O holde Knabentraumgestalt,
Da ich als junger Rittersmann
Frühmorgens ritt im grünen Wald.
O wie es alles prächtig steht
Auf meinem kleinen Blumenbeet!
Erst gestern hab' ich's eingesetzt,
Und schon recht tüchtig wächst es jetzt.
Hätt' ich's nicht sehr begossen,
Wär's nicht so aufgeschossen.
Nun tut mich eins verdrießen:
Nichts mehr ist zu begießen. –
Ich leg' mir noch ein Gärtchen an,
Daß ich noch mehr begießen kann.
Johannes Trojan
Von fern schon sah ich durch die offne Türe
Den Nachbarsohn und Liese, die Walküre.
Die blauen Augen sprühten ihr nur so,
Das Haar hing um den Kopf wie gelbes Stroh,
Fest hatte sie des Jungen Ellenbogen
Mit ihren Fäusten rückwärts angezogen.
»Großvater,« rief sie, »reich mir mal das Band!
Ich fess'le ihn und häng ihn an die Wand.«
»Was führst du,« sprach ich, »Liese, denn im Schilde?«
»Der Jung ist Günther, und ich bin Brunhilde!
Nur Siegfried ists, der mich bezwingen kann.«
»Wo ist dein Siegfried denn?« – Da hielt sie an
Und horchte nach dem Haus, die kühne Fraue:
»Ich glaub, er kriegt von Mama eben Haue.«
Großmutter, bist du auch mal klein gewesen?
Sind deine Haare da braun oder blond gewesen?
Bist du lustig im Garten herumgetrabt?
Großmutter, hast du auch eine Puppe gehabt?
Sag, werd' ich auch eine Großmutter werden?
Großmutter, kann ich nicht jung bleiben auf Erden?
Friedrich Oldenburg
Die Kinder pflückten die Halde leer
Von roten Preißelbeeren.
Die Halde reifte noch ein paar mehr,
Den Vögelchen zu Ehren.
Ein bißchen blaßre waren's meist,
Die sie ins Blattgrün setzte.
Dann, als die Vögel fortgereist,
Noch ein paar allerletzte.
Die holte sich ein Elfenkind,
Für die doch Preißelbeeren
Sehr große, rote Aepfel sind,
Für Weihnacht, zum Bescheren.
Von drauß, vom Walde, komm ich her;
Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr.
Allüberall auf den Tannenspitzen
Sah ich goldene Lichtlein sitzen;
Und droben aus dem Himmelstor
Sah mit großen Augen das Christkindlein hervor,
Und wie ich so strolcht durch den finstern Tann,
Da riefs mich mit heller Stimme an:
»Knecht Ruprecht,« rief es, »alter Gesell,
Hebe die Beine und spute dich schnell!
Die Kerzen fangen zu brennen an,
Das Himmelstor ist aufgetan,
Alte und Junge sollen nun
Von der Jagd des Lebens ruhen,
Und morgen flieg ich hinab zur Erden;
Denn es soll wieder Weihnachten werden.«
Ich sprach: O lieber Herr Christ,
Meine Reise fast zu Ende ist.
Ich soll nur noch in diese Stadt
Wo's eitel gute Kinder hat!«
»Hast du das Säcklein auch bei dir?«
Ich sprach: »Das Säcklein, das ist hier;
Denn Aepfel, Nuß und Mandelkern
Essen fromme Kinder gern.«
»Hast denn die Rute auch bei dir?«
Ich sprach: »Die Rute, die ist hier,
Doch für die Kinder nur, die schlechten,
Die trifft sie auf den Teil, den rechten.«
Christkindlein sprach: »So ist es recht.
So geh mit Gott, mein treuer Knecht.«
Von drauß, vom Walde, komm ich her.
Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr.
Nun sagt, wie ichs hierinnen find!
Sind's gute Kind? Sind's böse Kind?
Theodor Storm
Hei, das Eis ist heute fester!
Schlittern ist ja Bubenbrauch.
Aber Heinz hat eine Schwester,
Willi möcht', er hätt' sie auch.
Sich drum prügeln nähm' kein Ende.
Teilen geht nicht. Nun, zum Glück
Hat das Schwesterchen
zwei Hände,
Also zieht man sie ein Stück.
Mühsam geht's. Doch läßt sich's machen.
Dorchen jauchzt und ruft: Juchhei!
In dies Jubeln, in dies Lachen
Teilen sich nun wirklich zwei.
Frida Schanz
Zu einer Zeichnung von Albert Hendschel
Es ist so stille, der Abend naht.
Verschneit ist zum Walddorfe Weg und Pfad.
Der Schnee ist so lieblich anzuschaun,
Als müsse er wärmen weich wie Daun.
Von ein paar Zweigen nur stäuben Flocken
Wie unter dem Klange der Abendglocken.
Abendrauch steigt in Wölklein kraus,
Eine junge Frau steht vorm kleinsten Haus,
Zeigt ihrem Kindchen das Abendrot:
»Guck! Dort bäckt Christkindlein Zuckerbrot!«
Heut morgen ging ich durch den Tann,
Ei, denkt nur, welcher Schrecken!
Da stand am Weg der Weihnachtsmann
Und schnitt sich dürre Stecken!
Sein Bube hockte nebenbei
Und tat noch mehr des Guten:
Umwand die Reiser eins, zwei, drei.
Mit rotem Band – zu Ruten!
Wenn ich jetzt Hans und Lisel wär',
Ich wüßte, was ich brauchte,
Ich nähme meine Fibel her,
Bis das der Kopf mir rauchte.
Und wäre dann der Weihnachtsmann
Mit Ruten mir erbötig, –
Da guckt' ich aber stolz ihn an:
»Bei uns ist keine nötig!«
Im Garteneckchen zur Weihnachtszeit
Ein winzig Bäumchen tief verschneit.
Wollte so gern unser Christbäumchen sein,
Aber es war noch viel zu klein!
Nun hing es die Zweiglein wie grüne Ohren,
All seine Tränen waren gefroren.
Kam ein Englein, kamen zwei,
Fragten das Bäumlein, was ihm sei?
Holten die Sternchen voll Himmelsglanz,
Behingen damit das Bäumchen ganz,
Die strahlten goldner denn Weihnachtslichtchen,
Und's Bäumchen strahlt übers ganze Gesichtchen!
Verfasser unbekannt
Wie linde fallen die Flocken
Und hüllen den Weg dir ein.
Ganz leise bitten die Glocken:
»Nun, Christkind, ziehe ein.«
Mein Kinderherz, das kleine,
Soll dir geöffnet sein,
O mach es lieb und reine,
Nun, Christkind, ziehe ein!
Heilger Christ, der alles kann,
Du auf goldnem Sterne,
Puppenfrau und Puppenmann
Wünscht ich mir so gerne!
Dürft es dann noch etwas sein,
Schenk mir noch zwei Kinderlein,
Eins ein sanfter Engel,
Eins ein wilder Bengel!
Durch das gute milde
Bessert sich das wilde!
Ach, das müßte reizend sein!
Liebes gutes Christkindlein
Mit der weißen Lilie –
Schenk mir die Familie!
Fr. Raimund.
Ach, die vielen lieben Weihnachtspuppen!
Heia, wieviel Arbeit gibt es nun!
Die im weißen Kleid mit rosa Tuppen
Hat nicht mal 'ne Schürze umzutun!
Bei der einen mit den seid'nen Locken
Ist kein einziger Knopf am weißen Kleid.
Als ich nachsah, war ich ganz erschrocken.
Nicht mal Höschen an! Du liebe Zeit!
Nur im schottischen Kleid die neue Käte
Und der alte Hans mit neuem Kopf,
Dessen braunen Anzug Muttel nähte,
Die sind fein! –Da fehlt kein Stich und Knopf!
Vom Himmel durch die tiefsten Klüfte
Ein milder Stern herniederlacht.
Vom Tannenwalde steigen Düfte
Und hauchen durch die Winterlüfte,
Und kerzenhelle wird die Nacht.
Mir ist das Herz so froh erschrocken:
Das ist die liebe Weihnachtszeit!
Ich höre fernher Kirchenglocken
Mich lieblich heimatlich verlocken
In märchenstille Herrlichkeit.
Ein frommer Zauber hält mich wieder,
Anbetend, staunend muß ich stehn;
Es sinkt auf meine Augenlider
Ein goldner Kindertraum hernieder:
Ich fühl's, ein Wunder ist geschehn!
Theodor Storm
Gute Nacht, gute heilige Nacht,
Mutter und Väterlein du, –
Seh noch im Dunkel die strahlende Pracht,
Christbaum, Püppchen und Schuh.
Machtet alles so wunderbar,
Schließt nun die Aeugelein zu! –
Liebes trautes hochheiliges Paar,
Schlafet in himmlischer Ruh!
Er ist so schön! – sein lichtes Haar,
Das möcht ich mit keinem vertauschen,
Wie seidene Fäden so weich und klar.
Wenn zarte Löckchen sich bauschen;
Oft streichl' ich es, dann lacht er traun,
Nennt mich seine alberne Barbe;
Er ist nicht schwarz, nicht blond, nicht braun.
Nun ratet, wie nennt sich die Farbe?
Und seine Gebärde ist königlich.
Geht majestätisch zu Herzen,
Zuckt er die Braue, dann fürcht' ich mich,
Und möchte auch weinen vor Schmerzen.
Und wieder seh' ich sein Lächeln blühn,
So klar wie das reine Gewissen,
Da möchte ich gleich auf den Schemel knien
Und die guten Hände ihm küssen.
Heut bin ich in aller Frühe erwacht,
Beim ersten Glitzern der Sonnen,
Und habe mich gleich auf die Sohlen gemacht,
Zum Hügel drüben am Bronnen;
Erdbeeren fand ich glühn wie Rubin,
Schau, wie im Korbe sie lachen!
Die stell ich ihm nun an das Lager hin.
Da sieht er sie gleich beim Erwachen.
Ich weiß, er denkt mit dem ersten Blick,
»Das tat meine alberne Barbe!«
Und freundlich streicht er das Haar zurück
Von seiner rühmlichen Narbe,
Ruft mich bei Namen und zieht mich nah.
Daß Tränen die Augen mir trüben;
Ach, er ist mein herrlicher Vater ja,
Soll ich ihn denn nicht lieben, nicht lieben?
Sie wandeln im Festkleid, sie wandeln in Myrten,
Gott-tiefe Andacht hält sie im Bann.
Die Strahlengestalt des himmlischen Hirten
Sammelt sie alle und führt sie an.
Goldner als jemals brennen die Kerzen;
Die Orgel schallt, wie sie nie geschallt!
In Ewigkeitsschauern beben die Herzen
Wie ein frühlingdurchschauerter Wald.
Sie singen die uralten Christenlieder. –
Voll Lenzkraft singt sie der junge Chor.
Leuchtend wie blankes Taubengefieder
Schweben die reinen Stimmen empor!
Sie hören zu eigenstem Bibelworte
Bei Namen sich rufen, wie keiner rief.
»Die Krone des Lebens«, – »die enge Pforte« –
Wie senken die Sprüche sich herzenstief!
Sie fühlen sich fest gegen alle Feinde, –
Sie wandeln wie träumend durchs Orgelgebraus.
Junge Gemeinde, junge Gemeinde,
Wie schreitest du stark aus dem Gotteshaus!
Vorfrühlingssilberne Wolken schweben,
Sonndurchschimmert, herrlich geballt!
Hinter den Wolken wartet das Leben!
Schauernd erkennen sie feine Gestalt!
Reines Herzens, Lieber, sollst du bleiben,
Gottes Kind, in allem Denken rein,
Mit der Adlerfeder will ichs schreiben
In dein junges starkes Herz hinein:
Dieses Tages sollst du oft gedenken,
Dieses Tags, drauf Gottes Segen ruht.
Ich will dir die Adlerfeder schenken.
Was du schreibst, auch das sei rein und gut.
F. Soyaux
(Widmung in ein Buch)
Dich grüßt ein Tag voll ernster, schöner Feier,
Dem Spiel der Kindheit stehst du abgewandt,
Und in der Hoffnung lichtem Sonnenschleier
Vor deinen Augen liegt der Zukunft Land.
Durch seine Fluren führen tausend Pfade –
Wer sagt, ob Glück, ob Leid ein Weg verheißt?
Den rechten weise dir des Höchsten Gnade!
Und ob die Welt gering, ob hoch dich preist –
Ob früh das Glück dich an die Hand genommen,
Ob du durch Dornen einst gewandert bist:
Vergiß es nie, daß du von Gott gekommen,
Und daß der Himmel deine Heimat ist!
Süße Mutter, sei gegrüßet!
Zeig mir doch dies Kindelein,
Das dein reiner Arm umschließet;
Sag': ist das mein Brüderlein?
Schaut so ernsthaft und so innig.
Blickt so zärtlich doch und lind.
Sel'ge Mutter, fromm und innig,
Ja, du hast das schönste Kind. –
Kind, was bring ich nur für Gaben
Her in deinen dunklen Stall?
Willst du all mein Spielzeug haben?
Meine Puppe? Meinen Ball?
Alle Blumen will ich bringen,
Die in meinem Garten stehn,
Will dir singen, will dir springen,
Nimmer wieder von dir gehn.
Sag' mir nur: Was soll ich machen?
Kränz' und Krönlein, bunt und blank?
Soll ich weinen oder lachen?
Willst du Flöt' und Zitherklang?
Was du willst, das sollst du haben,
Gib mir nur dein Händelein. –
Fahrt nur hin, ihr andern Knaben!
Ich kann eu'r G'spiel nicht sein.
Laß mich eine Stell erwerben,
Kind, im Reich, das du erwirbst!
Lehr mich leben, lehr mich sterben,
Wie du lebst und wie du stirbst.
Nun, Maria, voll Erbarmen,
Reiche mir dein Kindelein,
Daß ich zärtlich in den Armen
Wiege solch ein Brüderlein.
Luise Hensel
Ihr guten Waffen, das verzeiht
Uns langen, schlanken Jungen:
Die Lieder unserer Knabenzeit
Hatten wir ausgesungen.
Am Wall, der einst das Stift begrenzt,
Da senkten wir schweigend die Spaten,
Und was so wehrhaft sonst geglänzt,
Hellebarde und Bleisoldaten
Und Schwert und Pickelhaube auch
Entfielen unsern Händen; –
Doch pflanzten wir einen Rosenstrauch,
Damit wirs wiederfänden.