Heinrich Schaumberger
Im Hirtenhaus
Heinrich Schaumberger

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

10. Ränke und ihre Folgen.

Nachmittag ging Margelies mit den Kindern in's Bergbauernhaus, Lorenz zum Schusterferdinand, dort einen Dreschflegel zusammenzustellen. Hasenherle benützte die Gelegenheit, setzte sich zum Hansnikel, behauptete, überall gehörten die Todtengräber zur Geistlichkeit, das Obst auf dem Gottesacker käme ihnen ganz allein zu, er wolle ihm Beweise von andern Orten mitbringen, und es gäbe keine Gerechtigkeit mehr in der Welt, wenn die Gemeinde nicht baldigst Beil, Rotthaue und Schaufel verstählen lassen müsse. Das klang dem Hansnikel wie Musik, dem Hasenherle schenkte er plötzlich unbedingtes Vertrauen, und es ward dem alten Fuchs leicht, 103 Hansnikel vollständig umzustimmen. Bald meinte Hansnikel selber, das Auftreten des Schreiners sei allzu gewaltsam, er nehme sich gar zu viel heraus und habe nicht einmal vor einem Mann in Amt und Würden Respekt. Das habe er klärlich bewiesen, als er so mir nichts Dir nichts die Fenster aufriß, was doch gar nicht erhört sei. Nun fiel auch das Mädle dazwischen: »Und was sich erst die Margelies deucht, das ist gar drüber 'naus! Erst wischt sie die Decke ab, nachher macht sie eine Nässigkeit in die Stube, daß Alles schwimmt, darauf steckt sie ihre Kinder in's Bett, 's gleichen als wären wir ihr nicht gut genug, und zuletzt hat sie gar noch über die Uhr gebrummt. Solche Hoffahrt ist nicht zu ertragen, das brauchen wir nicht zu leiden, und das brauchen wir nicht, und das brauchen wir einmal nicht!«

Kein Zweifel, das kaum gewonnene Ansehen des Schreiners stand in großer Gefahr. Nun kam aber die schwierigste Aufgabe für Hasenherle – auch die Wassermaus und die Schwarze für seine Pläne zu gewinnen. Denn einträchtig mußten sie gegen den Schreiner losgehen, sonst war's nichts. Kaum hatte er jedoch ein Wort an die Wassermaus gerichtet, so erwachte die Eifersucht der Schwarzen, und mit gekrümmten Fingern zog sie auf Hasenherle los. Diesen Angriff verstand die Wassermaus falsch, stellte sich der Schwarzen in den Weg – das Weitere versteht sich von selbst. Hasenherle erschrak heftig über diesen Ausgang; ebensogut wie ihn hier ein Mißverständniß rettete, konnte ihm ein anderes desto gefährlicher werden, den wilden Frauenzimmern war ja alles zuzutrauen. Da ihn auch der 104 Wasserchristian mit zweifelhaften Blicken ansah, ward es ihm vollends unheimlich; mit einem tiefen Seufzer, in dem das Bekenntniß lag: Im Hirtenhaus habe ich meine Rolle ausgespielt! – hockte er seinen Korb auf und brummte unter der Thür: »Da wird mir's zu heiß! Wollen lieber abwarten, wie es in acht Tagen wieder aussieht!«

»Sua!!! – – Mädle, Mädle!!!« jammerte Hansnikel, als der Lärm immer größer wurde, die Stube für die beiden Kämpferinnen kaum ausreichte. »Sua, sua!! Da hast Du's – Ach du lieber Gott, wenn nur der Schreiner käm!«

Endlich konnte die Schwarze nicht mehr, und auch die Wassermaus rang nach Athem; aber trotzdem sie auch hart mitgenommen war, blickte sie doch triumphirend um sich, und wie ein Hahn dem überwundenen Gegner höhnend nachkräht, bedrohte sie die Schwarze: »Wofern Du Dir beikommen läßt, nur noch mit einem einzigen Blick nach dem Herle zu gucken, bist Du ein verlorenes Wesen.« Die Schwarze entgegnete gar nichts, ächzend und seufzend las sie ihr Haar zusammen, das büschelweise den Boden bedeckte, verbarg es in ihrer Schürze und eilte mit blutigem Gesicht, heulend und schreiend, hinab zum Schultheißen. Doch mußte sie dort nicht zum Besten angekommen sein, denn nach überaus kurzer Zeit wankte sie stöhnend den Berg herauf, band ihr ausgerissenes Haar auf einen Bündel, verhüllte Kopf und Gesicht und legte sich, ohne vorher das Blut abzuwaschen, wimmernd in's Bett.

»Um tausend Gottes willen, Schreiner! das war wieder ein Zustand!« begrüßte der gründlich bekehrte Hansnikel 105 den heimkehrenden Lorenz. »'s ist Alles drunter und drüber 'gangen! Gar nicht auszusagen ist's, was das für widerwärtige Weiberleute sind!«

»Was hat's schon wieder gegeben?« fragte Lorenz und setzte erschrocken hinzu: »Wer winselt so? ist Jemand krank geworden?«

»Krank? hätt' bald was gesagt!« lachte die Wassermaus giftig. »Nichts wie Verstellung, die blanke Heuchelei, keine Ader thut ihr weh! Und Ihr, Hansnikel, braucht was von widerwärtigen Weiberleuten zu sagen – Ihr! Zupft Euch an der eigenen Nasen! Ihr und Eure Mädle seid auch keine Christkindle!« Damit fuhr sie hinaus und schmetterte die Thür zu.

»Sua!« nickte Hansnikel dem Lorenz betrübt zu. »Da habt Ihr's! – so geht mir's immer. Ist's erlaubt, so mit der Geistlichkeit zu reden?«

»Aber was ist denn eigentlich los?«

»Nu – was wird's sein? – Geprügelt haben sie sich wieder, die und selle!« Dabei zeigte er mit der Pfeifenspitze über die linke Schulter nach den hintern Kammern, mit dem weitzurückgebogenen rechten Daumen nach der Stubenthür.

»Das ist doch arg! – Und warum?«

»Ei so fragt! – Wegen dem Heppelehepp! – weswegen sonst?«

»Aber da liegen Haare – dort ist wahrhaftig Blut – die Wassermaus wird doch kein Unglück angerichtet haben? – Hört nur wie die Schwarze jammert, einen 106 Stein könnt's erbarmen!« – Das Stöhnen ward jetzt wirklich herzzerreißend.

»Garstig waren sie an einander!« entgegnete Hansnikel gleichmüthig und drückte den Taback in seiner Pfeife nieder. »Was das Wimmern betrifft, das sind wir schon gewohnt, die Schwarz' macht's nicht anders! So lang sie winselt, hat's nichts zu bedeuten.« – Die Klage verstummte plötzlich, dafür brummte und knurrte es in der Kammer. – »Seht Ihr?« nickte Hansnikel. »Das Racker hat jedes Wort verstanden!«

Lorenz war ganz empört und sagte: »Da ist's Zeit, daß ernsthaft durchgegriffen wird, das Hirtenhaus ist ja eine wahre Mördergrube. Vorhin war ich beim Schulzen und hab' verlangt, daß der Hasenherle und der Wasserchristian aus der einen hintern Kammer entfernt würden, damit Raum für die Kinder der Wassermaus und Schwarzen wird – kam aber gut an, Herr meines Lebens, hat mich der Türkenhenner angefahren! Aber wenn er meint, er jagt mich damit in's Bockshorn, hat er sich garstig verrechnet. Die Mannsleute müssen aus der Kammer, überhaupt: Ordnung muß im Haus werden! Noch in der Woche geh' ich in die Stadt und beschwer' mich im Amt, ich will doch sehen, ob das nicht anders wird!«

»Sua, sua!« meinte Hansnikel nachdenklich. »Lorenz Ihr seid ein ganzer Kerl, aber nehmt Euch in Acht, verbrennt Euch die Finger nicht, die Großen halten alle zusammen.«

»'s muß sein, Hansnikel! Beim Schulzen finden wir keinen Beistand und allein zwingen wir die Bande nicht!«

»Sua, ganz mein Wort, Lorenz, das ist's, das ist's! 107 Nichts nach einem gefragt, grob über's Maul gefahren, von einer Eck' in die andere gesteckt, zuletzt gar an den Thürpfosten – da – nu guck ein Mensch an – da – da – Himmelschwenselens! ha seht Ihr denn nicht, wie die widerwärtigen Weiberleut meine Uhr zugerichtet haben? – Ach, ach, meine gute alte Uhr! – Das Donner soll die nichtsnutzigen Weiberleut regieren – meine Uhr, meine Uhr! – 's ist, um sich alle Haare einzeln auszureißen! – Der Perpendikel rein verbogen! – Lorenz, Lorenz, was ist zu machen?«

»Ja, Hansnikel, der Thürpfosten ist doch aber auch kein Platz für eine Uhr? – Habt Ihr ein paar alte Bretter?« Als Hansnikel gespannt nickte, fuhr Lorenz fort: »So geht zum Schreinersfrieder und holt einen Hobel und eine Säge; bis Ihr wieder kommt, bringe ich die Uhr in Ordnung, darnach mache ich Euch einen Uhrkasten in Eure Ecke; an der Thür muß ja das Werk zu Grund gehen!«

Hansnikel konnte vor Rührung nicht reden, heimlich wischte er sich mit der Beutelmütze die Augen. Draußen vor dem Ofenloch drohte er seiner Aeltesten mit der Faust und sagte: »Mädle, redest Du noch ein Wort gegen die Schreiners, hast Du's aus bei mir, merk's!«

Da die Schwarze nicht aufstand, sich auch nicht um ihre Kinder kümmerte, erbarmte sich Margelies der Verlassenen und ließ sie an ihrem Tisch mitessen. Weinend wollte sie zanken, als sie darnach Emil knufften und Tine schimpften, aber Lorenz hielt ihr den Mund zu und lachte: »Sei barmherzig, das ist recht; thu' es aber nicht um des Dankes Willen, dann brauchst Du Dich über Undank 108 nicht zu erzürnen. Sag, was würde aus der Welt, wollte es der Herrgott machen wie Du eben?«

Nachts gingen die Wassermaus und das Mädle in ihre Lichtstube, der Wasserchristian in's Wirthshaus, das Bettelfräle lag schon lange im Bett – so war die Schreinersfamilie mit dem Hansnikel und der Hirtenlang allein gar traulich zusammen. Hansnikel saß glückselig neben dem Kasten, in dem seine Uhr tickte, und klopfte der Tine und dem Emil Haselnüsse auf. Lorenz schnitzte Lichtspähne, Schleißen genannt, Margelies nähte, und Marie strickte mit der Langen um die Wette. »Ja, der Kirchbauer muß kein reines Gewissen haben!« berichtete die Hirtenlang. »Die Kirchbäurin hat mir erzählt, die ganze Nacht habe er geächzt und gestöhnt, und heute morgen habe er so verwirrt dreingesehen, es sei ihr ganz angst geworden.«

»Ja, ja,« fiel Hansnikel drein, »im Kirchbauer seiner Haut möchte ich nicht stecken, das ist kein Guter!«

»Ja, und das Wunderlichste ist,« fuhr die Hirtenlang fort: »Der Kirchbauer hat seiner Schwester selber gerathen, sie solle sich mit dem Märt vertragen, er könne ihr nicht helfen. Da steckt was dahinter – sonst hätte das der Kirchbauer gewiß nicht gethan!«

»Und wie steht's mit den Ottensleuten?« fragte Margelies.

»Nu, der Märt wollte lang nicht hören, zuletzt hat er doch nachgegeben. Verdient hat die Ottensbäurin die Schande reichlich! Das ganze Vermögen kommt doch vom Märt her, man weiß ja; was ihr der Kirchbauer als Erbtheil hinauszahlte, hat ihr kein Loch in den Hosensack 109 gerissen! Dazu hat sie der Märt immer gut behandelt – und doch mußt er unterducken! Aber das ist nun vorbei! Hätte der Herr Pfarrer nicht gar so eindringlich geredet, ich glaube, die Bäurin wäre in drei Tagen nicht wieder ins Haus gekommen. Sie mußt' dem Märt auch die Hand darauf geben, daß sie den Kirchbauerhof nicht mehr betrete und sich betrage, wie es einer ordentlichen Frau zukommt!«

»So ist's recht,« sagte Lorenz, »wenn er nur darauf bestehen bleibt!«

 


 << zurück weiter >>