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Die schwarzen Diener gossen Öl in die vielen Maschinen.
Die schwarzen Diener krochen in unglaublich großen Scharen wie schwarze Salamander an den Maschinen hinauf und hinunter.
Die Öltonnen ragten übereinanderstehend zwischen den Maschinen wie stilisierte Berge in die Luft.
Die schwarzen Diener gossen auch die letzten Öltonnen vorsichtig in die starken Räderwerke hinein und atmeten dann erleichtert auf; sie hatten eine schwere Arbeit hinter sich.
»Jetzt«, flüsterten sie sich zu, »müssen die Geister gleich kommen.«
Andre jedoch sagten:
»Das Gewürm muß gleich kommen.«
Die Schwarzen warteten auf die Geister, die sich von ihren Sternen trennen wollten.
Diese Sterne waren sämtlich Kugelsterne.
Und die Geister, die oberhalb oder innerhalb dieser Kugelsterne lebten, wurden Wurmgeister genannt.
Die Wurmgeister, die sich von ihren Sternen trennen wollten, ließen jetzt auf sich warten.
Und die schwarzen Diener riefen empört: »Dieses Gewürm!«
Auf den Maschinen flackerte der Glanz schlafloser Nächte.
Am graden Rande einer halbrunden Steinebene stehen die blanken Maschinen; die Steinebene ist schwarz und ganz glatt wie ein Eismeer ohne Schnee.
Und entsetzlich groß ist die halbrunde glatte Steinebene; um ihren krummen Rand hat sich ein hellgrauer Wolkenkranz gelegt; die Wolken sind stilisierte hellgraue Riesenrosen, die zu maßlos hohen Gebirgen wurden.
Weiß ist der Himmel – wie Milch.
Und auf der schwarzen glatten Steinplatte spiegeln sich die Wolken und zwischen den Öltonnen die Maschinen, die mit der Kopfseite nach außen gerichtet sind und den ganzen graden Rand des Halbrunds bedecken.
Vor dem graden Rande versperren zarte, sich leicht bewegende Nebelschleier alle Aussicht.
Obwohl nun die Zahl der Maschinen eine ganz ungeheure ist, nehmen diese doch eben nur den graden Rand des Halbrunds in Anspruch. Wird die Maschinenreihe verglichen mit der ganz leeren halbrunden Steinebene, so werden die Maschinen so klein wie Kinderspielzeugund – und sie sind doch so groß.
Es sind eiserne Fahrzeuge am schwarzen schnurgraden Plattenrande – und sie haben ein abenteuerliches Aussehen – da gibt's Riesenkanonen, deren Stahlröhren so lang sind, daß man sagen möchte, sie seien viel länger als ein Jahrhundert – da gibt's Bahnzüge, die tausendmal länger sind, und Lokomotiven vorgespannt haben, deren Schornsteine Kirchtürmen ähneln.
Da gibt's schlanke Schlitten mit weiten Flügeln, die wie Wolken aufragen – da gibt's Stelzmaschinen, die auf hundert meilenlangen Stelzen stehen – da gibt's himmelhohe räderartige Maschinen, in deren Speichen lauter Körbe hängen – da gibt's geflügelte Riesenräder – da gibt's Korbketten, die an hohen Eisensäulen befestigt wurden und an beiden Enden Raketenapparate besitzen – da gibt's Luftschiffe mit Kanonen, die gefesselte Kugeln abschießen können; durch ihre Kugeln können sich die Luftschiffe sehr schnell fortreißen lassen; die Kugeln dür fen sich nur nicht losreißen.
Da gibt's – viel zu sehen!
Das ist ein gewaltiges Maschinenreich!
Und alle diese Maschinen sind bloß für das große Wettrennen gebaut, das jetzt gleich beginnen soll.
– – Auf der schwarzen Plattform entstanden jetzt viele runde Löcher und aus diesen runden Löchern stiegen jetzt langsam, steif und gespensterhaft viele Billionen Geister heraus.
Die Geister staken in perlgrauen unbestimmten Gewändern, und ihre Köpfe waren weiß wie Lilien; wie Standbilder stiegen sie empor.
Und die Löcher schlossen sich wieder.
Und die Geister schwebten langsam dicht über den schwarzen Fliesenboden zu den Maschinen hin.
Und die schwarzen Diener machen den Geistern Platz.
Die schwarzen Diener haben viele Schlangenbeine und viele dicke Köpfe, die Molchköpfen ähneln. Und ihr Rumpf ist wie ein schwarzer Sack, in dem sich durchscheinende rote Würfel balgen. Und ihre schwarzen Kopfhaare steher immer hoch empor wie Besen und steife Pinsel.
»Es ist alles vortrefflich eingeölt!« sagen die Diener unter devoten Bücklingen.
Und die Geister prüfen die Ölung und bewundern ihre Maschinen; die haben sie selbst in vielen schlaflosen Nächten unter dem schwarzen Fliesenboden erfunden und oben mit Hilfe der molchköpfigen Diener aufgebaut.
Nun verabschieden sich die Geister voneinander und steigen in ihre Bahnzüge und in ihre Maschinen hinein, denn es soll gar bald losgehen.
»Als Götter sehen wir uns wieder!«
Das rufen sie sich in vielen Sprachen lachend zu.
»Ist es wahr«, fragen da die Diener, »daß bloß die erste Million zu Göttern wird?«
»Gewiß«, erwidern die grauen Geister mit den lilienweißen Köpfen, »sonst wäre doch das ganze Wettrennen überflüssig. Wir sind ja zu Billionen hier. Nur die erste Million, die durch die Allee zuerst durchkommt, wird zu einer Million von Göttern.«
»Und ist es wahr«, fragen die Diener weiter, »daß Euch alle Mittel beim Weiterkommen erlaubt sind? Ist es wahr, daß Ihr unterwegs um die Plätze kämpfen dürft?«
»Ja, das haben wir schriftlich!« antworten die Geister in Chören, »sogar jede Gemeinheit und jede Niedertracht ist uns erlaubt.«
Das Stimmengewirr wird zum reinen Meergebrause, denn die Billionen Geister sprechen alle noch miteinander in unsäglich vielen Sprachen und nehmen auch freundlich von den Schwarzen Abschied, deren Zahl auch ins Billionenhafte steigt.
»Das Gewürm«, flüstern sich die Schwarzen zu, »ist so siegesgewiß, daß man beinahe neidisch werden könnte. Wenn sie früh genug durch die Sternallee durchkommen, werden diese Würmer selber zu Sternen – zu Kugelsternen. Und als Kugelsterne sind sie Götter. Dann gibt's wieder eine Million Götter mehr. Das muß herrlich sein, so als Gott weiterzuleben.«
Aber die Diener, die selbstredend ebenfalls ganz waschechte Geister sind, lächeln dabei – ihnen liegt eigentlich sehr wenig daran, zu Göttern zu werden; die Wurmgeister aber, die jetzt Götter werden wollen, sind sehr entwickelte Geister, die eine lange, lange Vergangenheit hinter sich haben – ein vielfaches Leben auf und in der Kugelsternen, die jetzt gleich zu sehen sein werden.
Die Nebelschleier, die vor dem graden Rande der halbrunden, von grauen Rosenwolken umrahmten Plattform alle Aussicht bislang versperrten – diese Nebelschleie zerfließen jetzt und gehen zur Seite.
Und eine Sternallee wird sichtbar.
Breit ist die Allee – rechts gehen Kugelsterne wie eine Perlenschnur in die Unendlichkeit – und links ist ebenfalls eine solche Sternperlenschnur. Die beiden Sternketten der Allee scheinen in der Ferne eine Spitze zu bilden.
»Die Allee ist natürlich keineswegs unendlich!« sagen die Geister in ihren Maschinen und in ihren Bahnzügen.
Zwischen den Kugelsternketten liegen die vielen Schienen, doch ist die Mitte der Allee ohne Schienen – in der Mitte befindet sich nur spiegelglatter schwarzer Steinboden – wie auf der Plattform, die als Ausgangspunkt des Rennens mit ihrem Wolkenrahmen sehr stattlich wirkt; die vielen grauen Riesenrosen sind noch größer geworden.
Aber die Kugelsterne überragen die Rosen um ein Beträchtliches; die Kugelsterne sind nur so weit ab, daß ihre Größe nicht so drückend empfunden wird.
Eine Götterallee ist diese Sternenallee, denn jeder Kugelstern ist wie gesagt ein Gott.
Und die Wurmgeister, die durch diese Allee durchkommen, werden wie gesagt selber Götter als selbständige Kugelsterne.
Aber es kann wie gesagt nur eine Million der Wurmgeister den Götterpreis erringen – daher das große Wettrennen, das jetzt sofort beginnen soll.
Der Himmel ist weiß wie Milch. Und die Kugelsterne sind grau wie die Wurmgeister.
Und es gibt einen furchtbaren Knall!
Und die Maschinen gehen alle los – im selben Augenblick!
Und ein einziger Jubelschrei durchgellt die Welt.
»Als Götter sehen wir uns wieder!«
Das haben die Wurmgeister auch den molchköpfigen Dienern zum Abschied zugerufen.
Die molchköpfigen Diener stehen jetzt ruhig auf dem graden Rande der Plattform zwischen den Öltonnen.
Die Maschinen sind schon weit fort.
Nur die großen Kanonen und ein paar hohe Eisensäulen sind zurückgeblieben. –
Und die Maschinen jagten dahin.
Das war ein Geknatter, als würde mit Billionen Peitschen geknallt.
Und die Geister machten einen Lärm – es hörte sich an, als würden Billionen Hunde geprügelt.
Wie ein heulender Sturmwind jagte das Geisterheer durch die Sternallee. Die Schienen bebten und zitterten, und alles rasselte, als sollten ganze Höllen zerrissen werden.
Ungeheure Dampfmassen blieben hinter einzelnen Maschinen zurück.
Der furchtbare Knall, der das Signal zum Losfahren bildete, war von den Kugelsternen erzeugt worden; auf den Kopfplatten der Kugelsterne hatte zu gleicher Zeit ein Vulkanausbruch stattgefunden.
Und nun lag oben auf jedem Kugelstern ein kleiner weißer Wolkenkranz – wie eine Krone aus weißen Perlen.
In der Mitte der Allee, wo der schwarze Steinboden spiegelglatt und geölt war, flogen die geflügelten Schlitten wie die Pfeile dahin; jeder Flügelschlag wurde mit stürmischem Halloh begrüßt.
Auf den Schienensträngen, die der Mitte am nächsten lagen, rollten die großen Kanonenkugeln – haushohe Bälle – viele durchsichtige Schalen drehten sich auf diesen Kugeln umeinander und bildeten eine sehr komplizierte Kugeloberfläche, so daß sehr viele Geister im Innern der Kugeln ruhig sitzen und hinausgucken konnten, trotzdem die Kugeln rasend rasch dahinrollten.
Die Lokomotiven mit den langen Bahnzügen machten einen mörderlichen Spektakel.
Auf der linken Seite der Allee hatte der Boden in beträchtlicher Breite ganz unebene Formation – da stolzierten die Stelzmaschinen neben den geflügelten Riesenrädern, die ihre Passagiere seitwärts an der verlängerten Achse trugen. Da stolperten auch höhere Radmaschinen herum, die ihre Geister in Speichenkörben trugen.
Und oben sausten fortwährend knallend die Kanonenluftschiffe durch die Luft – immer wieder schossen sie ihre Fesselkugeln ab und ließen sich von denen ruckweise vorwärts reißen, daß es beängstigend schien, dem zuzusehen.
Jedoch zwischen den Luftschiffen arbeiteten sich noch die großen Korbketten durch, die an beiden Enden Raketenapparate besaßen und sich immerzu in großen Bogen überschlugen; kaum hatten sie sich mit dem vorderen Ende in dem unebenen Bahnboden festgebohrt, so ging das hintere Ende los und flog im großen Bogen weiter wie ein geschleudertes Tau; die Raketenapparate, die gegen das Anprallen am unebenen Steinboden musterhaft geschützt waren, funktionierten tadellos.
Die Lokomotiven, die rechts und links am äußersten Rande der Rennbahn mit den längsten Wagenzügen dahinrasten, schossen öfters eine Harpune in die Kugelsterne und gewannen durch das Ziehen an der Harpune, wenn diese festsaß im Stern, einen erheblichen Vorsprung; losgemacht wurde die Harpune durch elektrisch entzündbare Platzapparate.
Die Rennbahn dröhnte wie ein Meer im Frühlingssturm.
Die geflügelten Schlitten und die Korbketten mit den Raketenapparaten hatten die Führung.
Und darob begann ein wildes Gefluche, denn nun wollte jeder mit diesen schnellsten Fahrzeugen fahren.
Viele verließen ihre sicheren Plätze, um auf einem Flügelschlitten schneller weiterzukommen.
Die Geister hatten – was gesagt sein muß – wohl die Fähigkeit zu schweben – aber ihnen lag trotzdem noch ihre volle Sternschwere auf den Schultern – so daß sämtliches Gewürm nicht schneller vorwärts kam als im früheren Leben – sonst hätte ja das Maschinenmaterial ein ganz anderes sein müssen.
Es wurde nun aus dem Platzwechsel ein erbitterter Kampf, in dem es wie in allen schwierigen Lebenslagen an lächerlichen Momenten nicht fehlte.
Ein Wurmgeist, namens Knipo, tut schrecklich empört, als er von einem Flügelschlitten heruntergeworfen wird.
»Unter welches rohe Volk bin ich geraten!« schreit er wütend, »Ihr wollt Götter werden? In Schweine müßtet Ihr verwandelt werden.«
Und der Knipo springt mit der ganzen Gewandtheit, die einem Wurmgeiste zu Gebote steht, auf eine jener haushohen Kugeln, die auf ihren besonderen Schienen dahinrollen. Aber die glatte Kugel rollt weiter, und der Springer bleibt mit flatternden Gewändern in der Luft zurück. Er faßt ein Tau, das von einem Luftschiffe herunterbaumelt, und will sich dran emporziehen – aber das Tau wird oben mit einer großen Schere abgeschnitten.
»Diese Tücke!« ruft der Knipo ärgerlich, während er das Tau zusammenballt, »beim Einsteigen und Abfahren ging alles ganz gemütlich zu – und jetzt benehmen sich diese Kerls wie die gemeinsten Raubtiere. Schöne Geister! Und die wollen Götter werden! Rabiates Gesindel!«
Die Korbketten mit den Raketenapparaten überholen währenddem sämtliche Flügelschlitten, und ein Mordsradau entsteht – besonders auf den geflügelten Rädern, deren Passagiere einen bequemen Uberblick genießen.
Knipo versucht es noch, sich auf eine Stelzmaschine zu schwingen, wird jedoch auch hier mit vielen anderen Geistern zugleich durch lange Stangen fortgetrieben; die meisten Geister wollten an den Stelzen emporklettern.
Die Stelzmaschinen kommen scheinbar ohne Anstrengung vorwärts und erinnern an laufende Kamele; nur haben die meisten Stelzmaschinen mehr als vier Beine. –
Diejenigen, die einen Platz auf den schnelleren Maschinen erobern wollten, wurden fast sämtlich zurückgedrängt und ließen sich schließlich in Scharen auf den Verdecken der längeren Bahnzüge nieder, wo sie sich ordentlich festhalten mußten in nicht grade beneidenswerter Lage.
Knipo rettete sich ebenfalls durch einen Sprung auf das Verdeck eines Bahnwagens und hatte da leider unter den Rauchwolken einer Radmaschine viel zu leiden, sah jedoch zu seiner Rechten einen langen Zug, dessen Lokomotive immer wieder eine Harpune in die Haut der dicken Kugelsterne schoß.
Die meisten Geister, die sich aus den vorderen Gefährten in die hinteren gedrängt sahen, beklagten sich nicht. Doch Knipo beklagte sich gar bitterlich, denn er hatte seinen festen Schlittenplatz durchaus nicht mit einem besseren Platze vertauschen wollen.
»Ich bin vergewaltigt worden!« schrie er, »glaubt man denn, ich hätte kein Recht, auch ein Stern zu werden: Ich will sogar ein Doppelstern werden – ja, das will ich! Ich will als Doppelgott weiterleben.«
Die andern Geister auf dem Verdeck des Zugwagens mußten trotz ihrer schwierigen Lage bei dem Worte »Doppelgott« laut losprusten.
Knipo jedoch rief sehr grimmig: »Ich erinnere mich jedenfalls ganz genau, daß ich das meiste zur Erfindung der Flügelschlitten beigetragen habe.«
Hiernach wurde die Aufmerksamkeit von dem Knipo abgelenkt; in einem Bahnzuge, der auf dem Nebengeleise mit ähnlicher Geschwindigkeit fuhr, wurde laut und heftig über transparente Empfindungen debattiert.
Mitten durch den furchtbaren Lärm der rasselnden Schienen drang vernehmlich die Stimme eines jungen Geistes herüber, der seiner abenteuerlichen Ideen wegen überall berüchtigt war: »Ihr könnt Euch ruhig Eure Geisterlunge ausschreien«, kreischte seine Stimme, »mir wird zu allen Zeiten bombenklar sein, daß ein Kugelstern anders empfindet als ein Wurm – Sterngeist und Wurmgeist sind zwei ganz verschiedene Weltsubjekte. Der Sterngeist hat eben lauter transparente Empfindungen und nicht Empfindungen, wie sie durch Wurmsinne erzeugt werden. Ein Stern hat nicht bloß viel mehr Sinnesorgane als ein Wurm – die Sinnesorgane eines Sterns sind auch qualitativ von denen eines Wurms verschieden. Aus diesem Grunde wollen wir ja Sterne werden, damit wir endlich mal rauskönnen aus unsrer alter Empfindungswelt. Als Wurm sehen wir immer nur mit unsern alten Augen – das, was wir eben sehen können; es ist nichts für uns dahinter. Als Stern aber haben wir hinter jedem Sinneseindruck noch eine ganze Portion weiterer Sinneseindrücke zu gleicher Zeit. So wie wir heute als Wurm im durchsichtigen bunten Glase nicht bloß dieses. sondern noch das, was dahinter ist, wahrnehmen könner – so werden wir später als Stern Ähnliches hinter aller Eindrücken haben – die Transparenz der Empfindungen wird in Permanenz erklärt werden – wir werden überal mit jedem Sinnesorgan, das astraler Natur ist, gleich noch weiter zu empfinden vermögen – gleichsam durch durchbrochene Wände durch – durch ein paar Dutzend transparenter Wände hindurch. Der Stern kommt eben in vielfacher Art hinter seine Sinneseindrücke – was uns noch nicht gelang – da ja für uns durchsichtige Glaswände immer nur einen einzigen Sinneseindruck bilden.«
Leider verschlang jetzt ein furchtbares Sturmgetöse – begleitet von schrillem Schienengeknack – die ganze Debatte.
Eine blendende Helligkeit drang aus der Höhe herunter auf die Rennbahn hernieder.
Eine Brillantensonne durchquerte funkelnd die Richtung der Götter-Allee; die Sonne schien hoch über den perlartigen Wolkenkronen.
Aber während die neue Sonne so viel Licht verbreitete, entdeckten die wettfahrenden Geister plötzlich unzählige feinste bunt glitzernde Spinngewebefäden, die die Geister mit den Kugelsternen verbanden; es waren gradezu unendlich viele Fäden da, von denen unzählige weit nach vorn mit den Schienen parallel gingen.
»Aha!« rief da der Knipo, »so sind wir also sämtlich doch noch mit unsern Sternen verbunden. Wie mich das freut!«
Die Brillantensonne verschwand jedoch bald hinter den Kugelsternen. Und mit der Sonne verschwanden auch die nie gezählten Spinngewebefäden.
Der Lärm der fahrenden Geister war plötzlich verstummt.
Indessen – Knipo fand bald seine Sprache wieder und sagte zu denen, die mit ihm zusammen auf dem Wagenverdeck lagen und sich immer noch krampfhaft an Ecken und Haken festhielten: »Meine Herren! Wovon ich immer überzeugt war, hat sich also plötzlich als unumstößliche Wahrheit erwiesen. Wir sind sämtlich noch mit den Sternen, von denen wir uns loslösen wollten, verbunden. Ja – das Eine gehört eben dem Anderen und umgekehrt! Bewundert meinen horrenden Tiefsinn! Es ist mir bei den Fäden, die uns festhalten, nicht recht begreiflich, wie wir jemals selbständige Sterne und Götter werden sollten. Ich sehe auch gar nicht ein, warum wir durchaus und durchum sogenannte Sterne und sogenannte Götter werden möchten. Ich habe den ganzen Selbständigkeitsrummel eigentlich bloß so mitgemacht wie eine Modesache. Schließlich muß doch jeder das bleiben, was er war – wenn er nicht aufhören will – zu sein.«
»So spring doch ab!« riefen da die andern.
»Ih nein!« erwiderte dazu Knipo lachend, »ich mache zunächst alles mal mit! Es kann ja niemand wissen, wo´s uns vergönnt sein dürfte, noch mal zu enden. Außerden möchte ich mal wo festen Fuß fassen; mich macht die Fußschonung der Geister zu empfindlich in der Sohle; ihr verdanken wir wohl die feinen Fäden, mit denen wir so fein angebunden sind.«
Die anderen Geister dachten voll Geringschätzung über Knipos schwach entwickelte Selbständigkeitssucht; sie schauten sich voll Sehnsucht die großen Kugelsterne an, neben denen sie vorüberfuhren.
Rechts und links schienen unendlich viele Kugelsterne die Allee zu bilden – aber es waren noch lange nicht unendlich viele – rechts stand bloß eine halbe Million – und links desgleichen. Die Geister erschraken nur, als sie bemerkten, daß jeder nächste Stern beträchtlich größer war als der vorhergegangene.
Die Wurmgeister sollten so groß werden wie die Sterne der Allee; jeder früher durchs Ziel schießende Wurmgeist mußte also größer werden als sein Nachfolger.
Danach mußte den Wurmgeistern, die jetzt im Schienengeklapper um die Wette dahinjagten wie hungrige Wölfe, noch viel mehr daran liegen, einander zuvorzukommen – die ganze zukünftige Größe stand ja auf dem Spiele – die Kugelsterngröße.
Es wurde den Wurmgeistern ganz schwül zu Mute, als sie sich dieser Einsicht nicht mehr verschließen konnten. – – – –
Und den Wurmgeistern ward die Fahrt sehr lang.
»Steigert Eure Kräfte!« riefen sie sich gegenseitig zur Ermunterung zu.
Aber ihre Kräfte ließen sich nicht mehr steigern.
Ein Kugelstern wurde nach dem andern genommen – doch die Kugelsterne wurden immer größer – und es dauerte immer länger, eh die Maschinen an einem der ungeheuren Sternleiber vorbeikamen.
Und es ergriff die armen Geister eine maßlose Ungeduld; auf ihren Schultern begann es zu prickeln – den Geistern ward es immer schwerer, die alte Sternschwere auf ihren Schultern zu ertragen.
Voll Sehnsucht starrten die Ungeduldigen zu den großen Kugelsternen hinüber.
»So sollen wir werden!«
»So sehen Götter aus!«
So sagten die Geister der Rennbahn.
Aber die Götter, die immer noch ihre Perlkronen aufhatten, bekamen allmählich Gesichter – ihnen wuchsen scharfe Augen und Nasen und Bärte – und um ihren Mund begann es zu zucken.
Und plötzlich lachten die Kugelsterne grell auf, daß die Wettfahrer zusammenschraken.
Und viele Geister sprangen ab von den Maschinen und blieben zurück, denn sie verzweifelten daran, zur richtigen Zeit durchzukommen.
Die Maschinen hatten nicht gelitten; die Flügelschlitter und die Korbketten, die sich immerzu überschlugen, behaupteten abwechselnd wie am Anfange die Führung – die Bahnzüge rasselten unaufhörlich weiter, daß die Funken nur so stoben – die Luftschiffe knallten auch jetz noch ihre Schüsse in die Alleeluft – die Stelzmaschinen trabten unermüdlich weit ausgreifend dahin, und die geflügelten Räder drehten sich polternd und schwankend wie bisher, und die durchsichtigen Kugeln, in denen so viele Geister saßen, rollten auf ihren Schienen so gleichmäßig weiter, als wenn nichts los wäre – und die Harpune tat ihre Schuldigkeit – und die Kühlapparate taten eben falls ihre Schuldigkeit. –
Trotz alledem waren die Geister müde geworden und wollten bald sämtlich nicht mehr weiter fahren.
»Es hat ja keinen Zweck!« riefen sie gähnend und händeringend und ohne jedwede Spannkraft.
Jahre hatten sie gebraucht, um bis zum siebenunddreißigsten Alleestern zu gelangen.
Und schneller fahren konnten sie nicht.
Da ging denn ein gellender Pfiff durch die lange, lange Allee.
Die Wurmgeister blickten erstaunt auf.
Die Gesichter der Kugelsterne wurden dunkler und dunkler und zuletzt ganz schwarz.
Und plötzlich machten alle Kugelsterne gleichzeitig eine halbe Wendung nach rechts – und die Rennbahn brach unter betäubendem Donnergeknarr durch und durch entzwei.
Sämtliche Maschinen fielen gleich mit durch und sanken in die Tiefe. Und die Wurmgeister fielen aus den Maschinen und Wagen raus nach oben, da das Eisen schwerer ist als der Geist; einzelne Maschinen ließen allerdings ihre Geister nicht los.
Und in diese große Katastrophe blendete eine zweite Brillantensonne hinein, die noch größer war als die erste.
Und abermals sahen die Geister unzählige glitzernde Spinngewebefäden, die nun alle nach oben zu den fortziehenden Kugelsternen hinaufführten.
Die Wurmgeister fielen immer tiefer – immer tiefer – hinab.
»Aha!« sagte Knipo, »unsre Sterne lassen uns nicht los!«
Und die unzähligen Spinngewebefäden glitzerten in unzähligen Farben.