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»Wer ist dort der blonde Fremde,
Der auf Don Paganos Dache
Wie ein Kater auf und ab geht?«
Frug wohl manch ehrsamer Bürger
In dem Inselstädtlein Capri,
Wenn er von dem Markte rückwärts
Nach der Palme und dem maurisch
Flachgewölbten Kuppeldach sah.
Und der brave Don Pagano
Sprach: »Das ist ein sonderbarer
Kauz und sonderbar von Handwerk;
Kam mit wenigem Gepäck an,
Lebt jetzt stillvergnügt und einsam,
Klettert auf den schroffen Bergen,
Wandelt zwischen Klipp' und Brandung,
Ein Strandschleicher, an dem Meere,
Hat auch neulich in den Trümmern
Der Tiberiusvilla mit dem
Eremiten scharf gezecht.
Was er sonst treibt? – 's ist ein Deutscher,
Und wer weiß, was diese treiben?
Doch ich sah in seiner Stube
Viel Papier – unökonomisch
War's nur in der Mitt' beschrieben,
Und ich glaub', es fehlt im Kopf ihm,
Und ich glaub', er schmiedet Verse.«
Also sprach er. – Dieser Fremde
Was ich selber; einsam hab' ich
Auf des Südens Felseneiland
Dieses Schwarzwaldlied gesungen.
Als ein fahrend Schüler zog ich
In die Fremde; zog nach Welschland,
Lernte manch ein Kunstwerk kennen,
Manchen schlechten Vetturino
Und manch südlich heißen Flohstich.
Doch des Lotos süße Kernfrucht,
Die der Heimat Angedenken
Und der Rückkehr Sehnsucht austilgt,
Fand ich nicht auf welchen Pfaden.
's war in Rom. Schwer lag der Winter
Auf der Stadt der sieben Hügel,
Schwer – selbst Marcus Brutus hätt' sich
Einen Schnupfen zugezogen,
Und des Regens war kein Ende;
Da stieg wie ein Traum der Schwarzwald
Vor mir auf, und die Geschichte
Von dem jungen Spielmann Werner
Und der schönen Margareta.
An der beiden Grab am Rheine
Stand ich oft in jungen Tagen;
Vieles doch vergißt man wieder,
Was am Rhein begraben liegt.
Jetzo wie dem Mann, dem plötzlich
Laut das Ohr klingt, als ein Zeichen,
Daß die Heimat sein gedenket,
Klang mir die Trompete Werners
Durch den röm'schen Winter, durch den
Blumenscherz des Karnevals.
Klang erst fern, dann nah ich näher,
Und gleich dem Kristalle, der aus
Dunstig feinen Luftgebilden
Niederschlägt und strahlen anschießt,
Wuchsen mir des Lieds Gestalten.
Sie verfolgten mich nach Napel,
Im bourbonischen Museum
Traf ich meinen alten Freiherrn,
Lächelnd droht er mit dem Krückstock,
Und am Tore von Pompeji
Saß der Kater Hiddigeigei.
Knurrend sprach er: »Laß die Studien,
Was ist all antiker Plunder,
Was der Mosaikhund selbst im
Haus des tragischen Poeten
Gegen mich, die selbstbewußte
Epische Charakterkatze?«
Dies war mir zu bunt – ich sann jetzt
Ernstlich, diesen Spuk zu bannen.
Bei der schönen Luisella
Bruder, bei dem pfiffig krummen
Apotheker von Sorrento
Ließ ich blaue Tinte mischen
Und fuhr übers Meer nach Capri.
Hier begann ich die Beschwörung.
Manchen goldgrüngelben Seefisch,
Manchen Hummer und Polypen
Zehrt' ich auf, und unbarmherzig
Trank' ich, wie Tiber, den Rotwein.
Unbarmherzig dichtend schritt ich
Auf dem Dach, – es widerhallte
Metrisch, und der Bann gelang mir,
In vierfüßigen Trochäen
Angefesselt liegen jetzo,
Die den Traum der Nacht mir störten.
's war auch Zeit. Schon winkt der Meister
Lenz herüber nach der Insel,
Knospen treibt der kahle Feigbaum,
Draußen knallt's. Mit Flint' und Netzen
Fah'n sie auf die arme Wachtel,
Die heimfliegend übers Meer streift,
Und dem Sänger droht es, daß er
Den geflügelten Kollegen
Auf dem Tisch gebraten sehn muß.
Drängend mahnt's, die Feder samt dem
Tintfaß an die Wand zu werfen;
Frischgesohlet sind die Stiefel,
Die mir des Vesuvius krit'scher
Schwefel mitleidlos verbrannt hat,
Weiter will ich auf die Wand'rung.
Auf, mein alter Marinaro!
Stoß vom Land! gern trägt die Meerflut
Leichten Sinn und leichte Ware. –
Doch den Sang, der mir in froher
Frühlingsahnung aus dem Herz sprang,
Send' ich grüßend an die Heimat,
Send' ich Euch, dem Elternpaar.
Manch Gebrechen trägt er, leider
Fehlt ihm tragisch hoher Stelzgang,
Fehlt ihm der Tendenz Verpfeff'rung,
Fehlt ihm auch der amarant'ne
Weichrauchduft der frommen Seele
Und die anspruchsvolle Blässe.
Nehmt ihn, wie er ist, rotwangig
Ungeschliff'ner Sohn der Berge,
Tannzweig auf dem schlichten Strohhut.
Was ihm wahrhaft mangelt, deckt es
Mit dem Schleier güt'ger Nachsicht.
Nehmt ihn, nicht als Dank, – ich stehe
Schwer im Schuldbuch Eurer Liebe,
Doch als Gruß und als ein Zeichen,
Daß auch einer, den die Welt nicht
Auf den grünen Zweig gesetzt hat,
Lerchenfröhlich und gesund doch
Von dem dürren Ast sein Lied singt.
Capri, den 1. Mai 1853. |