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Viertes Buch

 

1.

Nebel, Heimat, Frau und Kind, Krankheit: alles vergessen.

Der Tisch im großen Schlafsaal von Leibern ummauert.

Der Hintermann reckte sich über den Vordermann. Arme stachen wie Stiele auf den Tisch. Karten wollte man haben, Karten, um den Einsatz zurückzuholen oder die gute Laune der Glücksgöttin gründlich auszunützen.

»Wäre ich doch weggegangen, als ich zehn Dollars gewonnen hatte, ich Esel. Dann hätte ich einen schönen Gewinn gehabt und mein eigenes Geld gerettet. Wie konnte ich auch weiterspielen, nachdem ich gleich hintereinander fünf Dollars verloren hatte?«

»Nun ist alles hin, was ich mir so die Jahre hindurch zurechtgelegt hatte.«

»Ich wollte mir doch ein Gärtchen kaufen. Das liegt jetzt auf dem Tisch.«

»Du, das Andenken, das ich meiner Frau mitbringen wollte ...«

»Weg?«

»Freilich.«

»Ich wollte daheim alte Schulden decken.«

»Der Gläubiger, der Halsabschneider kann jetzt warten.«

»Wir haben ja auch lange warten müssen. Aufs Nachhausefahren.«

»Die Ruhe nicht verlieren!«

»Wer sagt denn, daß wir das Geld für immer verloren haben?«

»Das hängt doch ganz von uns ab.«

»Ich werde mir doch mein Geld wiederholen.«

»Du, Bruno, kannst mir mal zwei Dollars vorschiessen? Heute abend kriegst dus wieder!«

Der Briefträger bettelte. Und Kröger zog die Börse. Das ist so'ne Sache, das Wiederkriegen. Doch der Briefträger war immer ein patenter Kerl gewesen.

»Hier.«

Der Briefträger setzte und verlor. Da stolperte er an seine Hängematte, wühlte im Koffer, holte das Geschenk für seine Tochter heraus, ein ledernes Täschchen, verkaufte es schnell und billig. Und setzte wieder.

Der Steuermann lag mit glänzenden Augen in seiner Matte, zählte die Scheine, ließ sie knisternd durch die Finger gleiten und wollte mehr gewinnen, noch viel mehr. Morgen, morgen! Was er sich da alles kaufen würde, daheim! In den langen Jahren, hatte er sich ein Sümmchen gespart. Das sollte, wachsen, wachsen, wachsen. Herrgott, er konnte ein reicher Mann werden. Der Spitzbart zitterte, aufgeregt.

Gleich in aller Frühe stand er am Tisch und setzte. Erst vorsichtig, dann wild. Auf und ab ging es. Auf und ab. Von der Armut zum Reichtum.. Immer hin und her. Da gab es kein Besinnen, kein Halten mehr. Er war nicht mehr er. Zerflossen,, zerrissen, riß ihn der Strom mit, der gewaltige, und ließ ihn nicht mehr los.

Draußen wallten die Schleier über das stampfende, einsame Schiff. Durch die Ochsenlöcher zog noch immer eine dicke Feuchtigkeit herein, und das Nebelhorn schrie auf. Alle zwei Minuten schrie es auf.

Und dann summte es nachhallend in den Kabinen, in den Schlafräumen. Der Stahlkörper zitterte, und die Spielkarten auf dem Tisch tanzten.

»Ich kkkann die Kkkarte nicht mehr unter einem Dol-lar verkaufen«, seufzte der Oberleutnant, wobei er vor einem neuen Spiel die Karten mischte. »Bei kleinen Einsätzen komme ich nicht auf meine Kkkos-ten!«

Er gab Manteufel, der neben ihm saß und das Geld einzog, mit dem linken Arm ein Zeichen. Das besagte: aufpassen, daß die Gewinner den Einsatz nicht höher, als er tatsächlich ist, angeben! Bei dem Andrang war alles möglich. Er hatte wohl bemerkt, daß die Brüder schummelten, Karten für einen halben Dollar kauften und dann 75 Cents angaben. Wartet nur!

Der Oberleutnant mischte mit rasender Schnelligkeit. Er peitschte die Karten den andern in die Fäuste. Es war die sechste Stunde heute, ohne Unterbrechung. Er saß mit aufgekrempelten Hemdärmeln, trotz der feuchten und kalten Luft. Die tat ihm nichts mehr, seit er im Wasser gelegen hatte. Und er wurde warm, bei dieser Arbeit.

Die Karten flogen nur so aus seiner Hand. Und er kannte jeden einzelnen Spieler, hatte mit Bestimmtheit jeden Kartenkäufer im Kopf. Das erleichterte das Spiel, das brachte einen Schwung in die Maschine, so daß sie fauchend fortraste. Nur keine Stockung einreißen lassen, und wenn drei Mittagessen hintereinander zum Teufel gingen! Die Spieler nicht zur Besinnung kommen zu lassen, das war die Kunst des Bankhalters! Die Wut und den Taumel schüren, das Blut aufputschen, Feuer in die Adern gießen! Und dabei selbst von eisiger Kaltblütigkeit sein. Ruhe und Übersicht bewahren, und wenn das ganze Guthaben auf dem Tisch fortgefressen würde.

Die höchste Diplomatie des Bankhalters aber (der Oberleutnant lächelte verbindlich und steckte sich eine Zigarette an), den Leuten ein liebenswürdiges Gesicht zeigen, wenn sie gewinnen: das gab Vertrauen! Um so sicherer konnte er die Schäflein nachher wieder scheren. Wenn sie verlieren, höchst gleichgültig sein. Um Gottes willen keine Freude zeigen! Und dann noch eins (auch diesen Gedanken ließ der Oberleutnant nicht durch sein Hirn ziehen, ohne ihn sofort zu betätigen): niemals allzuviel Geld auf dem Tisch liegen lassen; lieber ab und zu etwas so nebenbei in die Brieftasche stecken, damit es schwache Gemüter nicht aufreizte! Wenn das Häuflein der Banknoten auf dem Tisch nicht allzuhoch war, konnte die Einnahme der Bank nicht allzuhoch abgeschätzt werden, und dann war es nicht stilwidrig, wenn er so nebenbei im Gelde schwamm.

Die Seinen waren froh. Arthur war doch ein Unbezahlbarer.

Das sollte ihm einer nachmachen.

Jetzt blökte keiner mehr: Herr Oberleutnant, äh! Jetzt pfiff es aus andern Tönen. Die Glückspilze, die sich aus der Spielschlacht mit einem ansehnlichen Gewinn gerettet hatten, die gedachten seiner mit holden Gefühlen. Und die andern – die ihr Geld pflichtgetreu abgeliefert hatten, sie liefen mit leerem Kopf und mit leerer Tasche herum. Denen war die Lust vergangen, sicher bis Hamburg. Besiegt hatte er sie alle, er. Die Mucker, die den Klapperkasten von Jerusalem zu einem Betsaal machen wollten! Er hatte wohl bemerkt, daß der Schünemann wie ein knurrender Löwe um den Spieltisch geschlichen war. Den Arzt hatte er stündlich erwartet. Er war nicht gekommen.

Was sollten die ihm tun können? Sogar der Schiffsgewaltige, der Kapitän, war machtlos. Nach welchen Gesetzen wurde auf der Jerusalem regiert? Sie schwamm im Stillen Ozean. Ein paar Schritte weiter, außerhalb des Schiffs, und alle menschlichen Gesetze wurden von der Ewigkeit, der abgrundtiefen, geschluckt. Ging die Gewalt so weit, daß man den Leuten verbieten könnte, zu spielen? Und wer kann den Scheinen verwehren, daß sie auf den Tisch fliegen? Es konnte doch geheim gespielt werden, wenn das Spiel tatsächlich verboten worden wäre. Ein Eckchen fand man doch immer. Ja, mit dem Whisky, das war eine andere Sache gewesen.

 

2.

Der Oberleutnant lachte, brannte sich mit der strahlenden Güte des Siegers eine Zigarette an, reichte das Feuerzeug den Seinen und machte einen tiefen Zug.

So heiß wie heute war es lange nicht hergegangen.

»Wann kommt die neue Schlacht?« rief Kunowski übermütig.

»Kommt noch«, meckerte Manteufel.

»ten Hoven, haste eine Zigarette?«

»Du rauchst schon drei Tage auf meine Kosten, Mensch«, antwortete der, »hier haste eine!« Es kam doch unter seinesgleichen nicht auf eine Zigarette an, und erst recht nicht nach solchen Tagen. Der Oberleutnant war doch ein Hund, ein unbezahlbarer. Das sollte ihm einer nachmachen, ja!

»Weißt du was, Arthur«, sagte Kunowski, und Erdmannsdörfer stimmte zu, »in den nächsten Tagen versuchen wir noch einmal den Fischfang. Er braucht nicht so happig zu sein wie gestern und heute.«

»Ees kkkann sein – abwarten!« bestimmte der Oberleutnant gnädig. Eigentlich möchte er noch nicht an einen zweiten Zug heran. Wußte man denn, ob er glückte? Leere Brieftaschen schafften keine vollen Herzen.

Er schlenkerte gemütlich mit den Beinen. Die Gamaschen hatte er heute nicht an. In der Ecke des feuchten Schlafsaals, in dem seine Freunde und er die Plätze hatten, war das natürlich nicht nötig. Der Oberleutnant und Manteufel saßen auf ihren Betten. Die andern standen dicht beieinander. Der Gang war schmal. Finsternis füllte den Raum. Die brennenden Zigaretten zuckten wie Irrlichter auf und ab. Die belegten Stimmen krächzten.

Der Oberleutnant und die Seinen kletterten aufs Deck, um die verräucherten Lungen auszulüften.

Sie blieben am Geländer stehen. Wie eine Wiese im Herbst, über die Nebelwolken fallen, ist das Meer: dachten sie. Man glaubt, unter den grauen Schleiern breitet sich die Wiese mit Gräben und Tümpeln aus. Man würde ohne Ängste über sie hinweggehen können. Aber hier: wer würde über diese graue »Wiese« gehen? Hu, wie kalt mußte es jetzt da unten sein. Der Oberleutnant dachte an seinen Todeskampf, als die Haifische an ihn heranwollten.

Das Nebelhorn dröhnte.

Wie leicht konnten in diesem Wetter Schiffe zusammenstoßen.

Dem Oberleutnant ward bange. Jetzt strömte aus den knisternden Dollarscheinen in der Brieftasche kein unbändiges Kraftgefühl in seine Seele über. Was war das nur?

Sie gingen rundherum und dann zum Vorderschiff. Der Oberleutnant blieb etwas zurück. Die andern schatteten in die von spärlichem Licht leicht durchbrochene Finsternis hinein.

Der Oberleutnant war allein.

Mochten die andern vorausgehen und in den Schlafsaal steigen. Er kam nach. Der Frieden tat ihm jetzt wohl und legte sich wie eine weiche Hand auf seine Stirn. In der Ruhe merkte er erst, daß das Spiel ihn doch angegriffen hatte. Die Nacht linderte. Die Jerusalem zerschnitt die erdrückende Einsamkeit, die unwillig unter leisem Knirschen sich teilte und hinter dem Schiff rauschend zusammenwuchs.

Der Oberleutnant mußte an Kramm denken. Der ruhte. Aber so einsam im Meer treiben, in Segeltuch gewickelt, von Fischen ständig angegriffen? Nein, leben – leben! Er klammerte sich an einem Tau fest, das zum Mast emporlief. Infolge der Bewegung des Arms knisterte die Brieftasche. Da war Macht aufgespeichert. Wie gut konnte er die daheim brauchen! Seine Mutter würde ein paar Notgroschen haben, und die Braut auch. Die Braut? Lachen mußte er, immer lachen, wenn er an sie dachte. Und dabei war es doch zum Heulen. Würde sie nach dem Geld greifen. Natürlich, wer würde sich das entgehen lassen?

Vor ihm stand ein Gesicht, ein wutverzerrtes, über dem sich Wollhaar wie eine Perücke bauschte. Der Oberleutnant dachte: schon wieder ein Trugbild? Und strich sich unwillig über die Stirn.

Das Gesicht blieb.

 

3.

Der Steuermann wankte durch den Gang, der sich wie ein Stollen neben der Küche hinzog. Dort hinten in einem kleinen Raum sah er einen Tisch. Davor saß Schünemann. Das Gesicht schimmerte wächsernbleich. Er war allein. Kröger und der Kantor waren in den letzten Tagen, an denen der Spieltisch aufgestellt war, nicht gekommen.

Der Steuermann sah um zehn Jahre älter aus. Sein Geld? Auf dem Spieltisch zerronnen. Seine Hoffnung auf das Häuschen, das er erwerben wollte? Auf dem Spieltisch zerronnen. Seine Sparsamkeit während fünf Jahren Gefangenschaft? Umsonst, ganz umsonst gewesen. Die Arbeit während dieser langen Zeit? Auf dem Spieltisch zerronnen. Das Schachern um Kopeken, die tolle Jagd nach jeder Verdienstmöglichkeit, die Gefahren, die er hierbei auf sich genommen, den Ekel, den er fühlte, wenn er mit schäbigen Naturen eine Sache machen mußte! Alles umsonst gewesen; alles war auf dem Spieltisch zerronnen. Er hatte sich fünf Jahre lang zwecklos ins Gesicht spucken lassen.

Der Spitzbart zitterte. Weiße Fäden durchzogen ihn. Die letzte Nacht, die schlaflose, peinigende, hatte sie hineingewoben. Grüne Schatten umrahmten die Augen, die nun wie durch eine bunte Scherzbrille starr und gelähmt stierten.

Schünemann schob ihm einen Stuhl hin.

»Wieviel war es denn?«

»Es war meine Zukunft!«

Schünemann horchte. Drang ein dumpfes Grollen herein? Grabesstille. Nein, Holzpantoffeln schlurften. Wirres Lachen durchstieß die Stahlplattenwände. Dann wieder Ruhe. Wann würden die Schuhe wieder über die Eisendielen klappern, hemmungslos, in einem fort? Wann würde das gespenstische Murmeln wieder an den Wänden herabrieseln?

»Ich – muß – mein – Geld – wieder haben, ich muß, und wenn ich –«

»Aber wie?« fragte Schünemann tonlos.

»Und wenn – ich's mir wieder nehmen müßte!«

»Alle gegen alle!« stellte Schünemann leise fest.

»Alle gegen alle, ja!«

Hoffnung, eine leise Hoffnung wühlte sich da herauf. Der Steuermann hob den Arm. Dieser Arm, dieser Arm war nicht zu schwach gewesen, das Luftschiff im Sturm zu steuern. Dieser Arm da würde nicht zu schwach sein, sich zurückzuholen, was er sich in langen Jahren errafft hatte und was ihm in wenigen Stunden genommen worden war. Dieser Arm da, – daß er noch diesen Arm hatte! Der Steuermann lachte lustig auf. Dieser Arm da ...

Schünemann sah im Geiste blutige Kämpfe, und er sagte schnell:

»Ich werde mal was schreiben, deutlich!«

»Ich kriege mein Geld.«

»Ich werde schreiben«, sagte Schünemann schnell und entschlossen, »so deutlich schreiben wie ich kann – schreiben!«

 

4.

Das Gesicht blieb.

Ein Koloß wuchs dazu aus dem Dunkel. Der Oberleutnant hörte einen schweren, schlurfenden Schritt. Und wich zurück, bis an die Reling, gegen die er sich zitternd preßte. Der Atem stand still, und der Lichtpunkt der Zigarette irrte mit der Hand auf und nieder.

Der Oberleutnant war eingekeilt. Wo waren die andern? Unten? Alles ruhig. Nichts mehr zu hören. Im Rücken das Geländer und dicht vor sich die breite Gestalt des Kesselschmieds. Gegen den Oberleutnant röchelte heißer Atem, und er hörte ein Knirschen, als zerbrächen Zähne.

»Mein Geld!«

Der Oberleutnant hob langsam, ganz langsam den rechten Arm und wollte, traumhaft, seinen Rock zuknöpfen, der mit den oberen Knöpfen nicht zu war.

»Was, schlagen ... du willst mich schlagen ...«

Zwei Fäuste packten an. Ein Gurgeln.

Die Fäuste gaben Luft, erschreckt über das, was sie taten.

»Das Geld ... hier haste Geld!«

»Sofort gib es – ich habe lange genug gewartet! Wie hast du mich bezahlt, he? Für meine schwere Arbeit, he? Vergessen natürlich. Hast ja nicht nötig, an die Kulis zu denken, he. Hast andere Sachen vor, he. Bist Bankier geworden, was? Und ich gucke zu, was? Nee, so ham'mer nicht gewettet. Ich will auch was ham. Mein Geld her! Als ich dich da unten vor dem Haufen von Scheinen sitzen sah, da dachte ich, jetzt ist's Zeit!«

Der Oberleutnant atmete schwer. Die eine Sekunde Todesangst unter den Fäusten ließ ihn seine noch immer bedrängte Lage als Paradies erscheinen, und er war entschlossen, dem Schwarzgelockten jeden Preis zu zahlen ... wenn der ... nur ... nicht ... zu hoch war.

»Komm – ans Licht!«

»Nein, hier ... hier!«

Ein dumpfes, entschlossenes Ächzen war's, und der Oberleutnant erschrak von neuem.

»Ja, ja doch!! Wieviel denn?«

»Wirst schon sehen. Fünfzig!«

»Fünfzig Dollars? Verrückt!« Ein entschiedenes Nein regte sich im Oberleutnant. Gemein, dieser Überfall.

»Ist das nicht ein bißchen viel?« fragte er kühn. Da hörte er wieder den schweren, keuchenden Atem wie einen brausenden, knarrenden Blasebalg, und er dachte daran, daß hinter ihm das düstere, einsame Meer wogte und daß die Schlagbäume an den Schultern seines Bedrängers nur eine Sekunde brauchten, um ... ihn ... in ... die ... Wasserwüste ... zu werfen. Man würde ihn suchen, nur einen Tag lang, und man würde von einem Unfall sprechen: ausgerutscht und ins Meer gefallen. Oder man würde von Selbstmord faseln. Psychologen würden beweisen, daß ein leichter Kerl, eine Spielratte und ein Don Juan unter der Last des Jammers, den er auf sich geladen, zerbrochen war, plötzlich, unerwartet.

»Keinen Cent weniger ... bin ich für nischt und wieder nischt um mein Geld gelaufen, he ... habe ich für'n Katzendreck gearbeitet, he? Glaubst du, ich bin eine Nulpe? Mein Geld – her!«

Der Oberleutnant griff in die Rocktasche, umspannte die dicke, gerundete Brieftasche.

»Licht – Licht – mmmüssen wir ha-ben!« gurgelte er. »Ohne Lllicht, nein ... und wenn nur ein Lllicht-ssstümp-chen!«

»Komm, da ... hinter den Schornstein ... wo die Lampe brennt!«

Sie gingen dahin.

Die Hände zitterten, die Geldscheine raschelten. Gegenüber rasselte schwerer Atem. Der Oberleutnant blickte von seinen Geldscheinen auf. Er sah die Augen seines Feindes schwefelgelb flimmern.

»Nicht ...« schrie er da.

»Still, sonst ...«

Hastig würgte der Oberleutnant das Buch in die Tasche zurück.

»Hier – Geld!«

Der Schwarze nahm es, zählte nach.

»Danke für das Trinkgeld«, sagte er, »es sind sechzig!« Die Stimme klang entspannt und gemäßigt

»Verzählt – verzählt!«

»Laß mal sein! Hast 'ne Zigarette?«

Sie gingen langsam über das Deck. Der Oberleutnant holte zwei Zigaretten aus dem Etui und das Feuerzeug dazu, reichte dem Kesselschmied friedlich eine Zigarette, zündete sie ihm sorgfältig an, und dann erst gönnte er sich selbst den Genuß.

»Was ich sagen wollte«, fing der Kesselschmied ruhig an, »du wirst kein Wort erzählen, hörst du?«

»Ja!«

»Wir sind noch lange nicht daheim. Verstehst ...«

»Ja ... Wirst dddu jetzt ruhig sein, ein für allemal mich in Ru-Ruhe lassen?«

»Ich wollte nur mein Geld haben, Mensch ...« sprach der Kesselschmied.

»Und wwwenn dann die andern kkom–men, die jetzt verloren hhaben?«

»Ist mir schnuppe!« erwiderte der Kesselschmied grob.

Das Lichtpünktchen in der Hand des Oberleutnants wurde wieder ungewiß.

 

5.

Sie wollten ihr Geld wiederhaben.

Fort war es, fort.

Aber sie wollten es wiederhaben!

Sie irrten umher und wußten nicht, wo sie Ruhe fanden. Sie gingen aufs Deck, gingen in die Schlafsäle, gingen wieder aufs Deck und dachten: das schöne Geld, das schöne Geld!

Sie wollten es wiederhaben.

Und so sahen sie in jeder Stunde von neuem nach, ob nicht endlich der runde Tisch wieder in die Mitte des großen Schlafsaals gerückt wurde, ob nicht der Oberleutnant kam, den Stuhl zurecht schob, die Karten auf den Tisch warf, mischte und verkaufte.

Der runde Tisch stand nicht in der Mitte des großen Schlafsaals. Der Oberleutnant kam nicht, schob nicht den Stuhl zurecht, legte nicht die Karten auf den Tisch, mischte nicht, verkaufte nicht

Da wurden sie unwillig und brummten.

Warum kam der Oberleutnant nicht und hielt die Bank, he? Hatte er schon genug, der Lümmel? Kommen sollte er, kommen mit den Karten und mit dem Geld.

Sonst ...

Der blieb untätig. Nicht, daß er fürchtete, er könnte etwas verlieren. Er möchte sogar gern etwas verlieren. Das Viele drückte. Doch er fürchtete sich vor dem Spiel, der Oberleutnant. Er fürchtete sich und wußte nicht, warum.

Wahrscheinlich könnte er als Bankhalter die Sache gar nicht mehr überschauen. Er war zu aufgeregt, zu zerrissen. Ihm fehlte die Ruhe und die klare Sicherheit.

Er konnte nicht die Bank halten.

Und schlich umher. Wich den Erzürnten aus und lief ihnen doch mit jedem Schritt entgegen. Da hieß es immer: vorbeihuschen, wenn der andere lauernd stehenblieb, ihn anflackerte mit bösen Augen und ihm höhnisch nachsah, wenn er davonstolzierte. Dem freundlichen Blick der Gewinner entgegen. An dem verschämten Blick merkte er immer: aha, gewonnen! Doch auch das ertrug er nicht

Nicht einmal Ruhe hatte er, eine Zigarette tief zu genießen.

Manteufel kam und fragte:

»Arthur, wie ist es?«

Arthur schüttelte den Kopf.

ten Hoven kam mit brennend roten Lippen und sprach:

»Na, Oberleutnant, wie ist's?«

Der Oberleutnant schüttelte den Kopf.

Kunowski bestürmte:

»Wir müssen etwas tun, Arthur!«

Arthur verneinte.

In Kreuzteufelsnamen, es war nichts zu machen. Er konnte nicht.

Die Leute wollten aber ihr Geld wiederhaben. Sie wollten spielen.

Und weil der Oberleutnant den Tisch nicht in die Mitte des großen Saals rückte, darum rückten sie ihn selber hin.

Der Briefträger war's, der nachts nicht mehr schlafen konnte, der etwas tun mußte, um nicht verrückt zu werden: der packte den Tisch und haute ihn in die Mitte hin, schmiß die Karten darauf und löste aus dem Brustbeutel eine Dollarnote.

Sie lag so einsam, so verlassen auf dem runden Tisch und flatterte. Eine schwere Hand legte sich auf sie.

Es klapperte, es schusselte durch das ganze Schiff. Ungläubiges Fragen, Kopfschütteln, und alle rasten in den Schlafsaal, in dem der runde Tisch stand.

Dichte Reihen ummauerten ihn wieder. Schweißige Hände umkrampften einen Dollarschein, einen Yen, ein paar Cents.

Der Briefträger mischte mit plumpen Fingern. Langsam gab er die Karten aus. Dem eine und dem eine. Das war doch beim Oberleutnant ganz anders gewesen. Und wer wollte denn noch eine haben? Du, für 25 Cents! Hier – und die Finger zitterten.

Und nun zog er die Karten, legte sie auf den Tisch. Da meldete sich ein Gewinner. Gleich drei Dollars mußte er auszahlen, und er hatte nur noch sieben auf dem Tisch. Wenn das große Los herauskam, dann war die Bank fertig. Doch, das große Los kam nicht. Die eine Ziehung war glücklich vorbei. Die zweite brachte einen Gewinn von vier Dollars. Die dritte sprengte die Bank.

Der Briefträger stand auf. Die Dollars, die letzten, sie waren hin.

Das Beispiel schreckte ab. Für Minuten nur. Wenn man sich's recht überlegte: mit ganzen zehn Dollars konnte man keine Bank halten und Verluste überstehen. Das leuchtete ein. Und darum wagte es Bembel, der noch zwanzig Dollars besaß.

Bei ihm ging's schon besser.

Bei den ersten Ziehungen brauchte er das »Große« nicht auszuzahlen. Er sammelte sich einen kleinen Gewinn, den er bangend von Ziehung zu Ziehung schleppte. Da kam eine arge Gewinnziehung. Die riß ihm seinen Gewinn hinweg und die Hälfte der Einlage dazu.

Der Oberleutnant war einmal, nach sechsstündigem Spiel, nahezu blank gewesen, bis auf zwanzig Dollars. Merken ließ er sich nichts. Gleichmütig gab er die Karten aus. In fünf Minuten hatte er wieder Geld an sich gerissen. Mit der größten Ruhe.

Bembels kleine Hand lag hilflos auf dem Tisch. Er zankte sich mit den Spielern und entschloß sich nur schwer, weiterzuspielen. Drei Stunden schleppte sich das Spiel hin, über Höhen und Tiefen. Das Schneckentempo marterte die Spieler. Als er endlich aufstand, hatte er vierzig Dollars zurückgeholt Er atmete auf. Er hatte sein Geld wieder. Nicht ganz, doch zum größten Teil. Aber auch den Rest mußte er wiederhaben.

Der seit Kramms Tod verwaiste Müller setzte sich an den Tisch. Der Gewinn des vorigen Bankhalters ermutigte. Er gewann, verlor. Die Bank war gesprengt: doch er hielt weiter aus; er pumpte sich 25 Dollars.

Sein Geld mußte er wiederhaben. Er kriegte es wieder, und doch konnte er sich damit nicht bescheiden, er wollte mehr haben. Sollten denn die Qualen umsonst gewesen sein? Er stopfte sich die Scheine in die Taschen, stand auf ... und ... konnte nicht fortgehen. Gebannt blieb er am Tisch stehen, an den sich Kröger gesetzt hatte, und kaufte sich Karten.

Als er alles wieder verloren hatte, stand er immer noch da. Er konnte sich von dem runden Tisch nicht losreißen. Er pumpte sich fünf Dollars und spielte und spielte.

Er mußte sein Geld wiederhaben, verflucht! Nachdem es sich gezeigt hatte, daß es an Bankhaltern nicht mangelte, wenn die auch nicht so schneidig waren wie der Oberleutnant, seitdem raste das Spiel. Alle wollten ihr Geld wiederhaben. Aber alle spielten weiter, wenn sie das Geld zurück hatten. Und wenn sie es wieder verloren, gingen sie erst recht nicht fort. Der höchste Stand, den sie einmal im Vermögen hatten, galt als Ziel: soviel mußten sie zurückgewinnen, nicht mehr und nicht weniger!

Die Bankhalter wechselten. Es kam der Kantor, es kam Klein an die Reihe. Nicht zehn Ziehungen leitete einer. Schon bei der dritten zerrte ihn ein anderer weg. Auch er wollte drankommen. Hatte schon soviel verloren, verdammt!

Kein Bankhalter war liebenswürdig im Unglück. Als sich der Barbestand eines ängstlichen Spielleiters einmal lichtete, schwollen ihm die Stirnadern. Er behauptete, er sei betrogen worden, und er weigerte sich, Geld auszuzahlen. Fäuste packten ihn und wollten ihn vom Tisch fortziehen, damit ein anderer sich daran setzen konnte. Der Bankhalter bettelte. Sie wären wohl verrückt geworden, fragte er: natürlich wollte er zahlen; es müßte aber alles seine Ordnung haben.

»Red' nicht, los!«

Zwanzig Arme streckten sich auf einmal über den Tisch, wie Schlagbäume, und fielen nieder.

Der Bankhalter legte in jede Hand eine Karte und schrie mißtrauisch:

»Das Geld!«

»Hier haste den Wisch, du denkst wohl, ich will dich um die paar Kröten betrügen?«

»Beeil' dich!«

»Das ist aber nicht mehr schön!«

»Wenn du noch lange dasitzt ...«

»Ein anderer ran!« brüllte es, und jeder hielt sich für den andern.

»Ein anderer ran!«

»Natürlich, ein anderer ran!«

Als sie ihn einfach beiseite schieben wollten, sprang der Bankhalter hoch:

»Vier Ziehungen noch, dann gehe ich!«

»Zuviel!«

»Laßt ihn die vier Ziehungen noch machen, dann muß er fort!«

»Dann muß er fort!« gröhlte es im Chor.

Und als die vier Ziehungen vorüber waren und der Bankhalter sitzenblieb, zog ihn der Kesselschmied hinterrücks fort.

Zwanzig stürzten sich zugleich auf den Tisch, krallten sich fest und wollten die Karten fassen. Keiner wich.

Bis der starke Arm des Kesselschmieds, jeden Widerstand niederringend, sich eine Gasse brach. Schnell setzte er sich auf den Stuhl und faßte die Karten.

Die andern waren ruhig, als wäre nichts geschehen, und kauften.

Der Kesselschmied war vorsichtig: er legte das Geld nicht mehr auf den Tisch. Er trug es in der Brusttasche. Jeden Schein holte er einzeln heraus mit der dicken, wuchtigen Hand. Es ging nicht schnell; es ging nicht langsam; es ging mit einer schweren Sicherheit. Das war zwar ungewohnt. Aber es beruhigte etwas. Die andern kauften, gewannen, verloren. Schon wußten sie nicht mehr, ob sie gewannen oder verloren:

Sie spielten.

Der Kesselschmied hielt die Bank.

 

6.

Der Oberleutnant erschrak vor dem Sturm, den er entfesselt hatte. Er? Wer war denn dieses Er? Konnte er darüber befehlen? Hatte er den Whisky gestohlen? War er in Mororan nicht nur darum ausgebrochen, weil man ihm den Whisky genommen hatte? Und würde er die Bank aufgemacht haben, wenn man ihm den Whisky gelassen hätte?

Er holte sich eine Zigarette hervor und sog gewaltsam daran.

Seine Brieftasche war geschwollen. Sie drückte. Er befürchtete, daß alle dahin sähen, wo seine Brieftasche war. Das war ihm unangenehm. Und darum ging er nicht gern unter die andern. Auf seinem Platz wollte er die Tasche auch nicht lassen. Man konnte nie wissen!

Draußen lichtete sich der Nebel. Die Fetzen zerrissen und wallten fort. Der Oberleutnant fühlte eine kleine Entspannung.

Er wagte einen Gang an den Banktisch. Mit Ruhe brach er den Ring. Und sah gelassen diesem erbärmlichen Spiel zu. Merken ließ er sich den Hohn nicht. Kummerfalten spalteten das Stirnchen. Er nickte bejahend dem lautesten Entrüstungsschrei zu, denn die Lautesten haben immer recht. Dann kramte er besorgt in den Taschen, kaufte und verlor.

Er verlor gern.

Er kaufte ein paar Karten für größere Beträge.

Und verlor. Gern!

Es floß Geld in die Kasse, und damit schwang eine bessere Stimmung.

Er gewann auch manchmal, fühlte sich bei dem Gewinn nicht recht wohl, sagte aber leise: »Endlich!«

Erst der Verlust zauberte ein Lächeln in die Augen. Aber das sah niemand und sollte niemand sehen.

Er setzte und verlor.

»Der Oberleutnant verliert, verliert tüchtig!« zitterten schadenfrohe Rufe durch den Saal.

Wie eine lichte Wolke schwebte dieser Satz über die Köpfe. Der Oberleutnant verlor.

Der Oberleutnant spitzte die Ohren. Die schadenfrohe Feststellung, daß er verliere, war Musik fürs Trommelfell. Er setzte kleinere Beträge, tat besorgt und ließ Schimpfworte fallen.

Damit reihte er sich ein in den Ring der andern.

Und konnte unbemerkt verschwinden.

Würden nun die andern noch auf seine Brieftasche sehen?

Sie war noch immer dick, trächtig dick.

Ein Alp war vom Oberleutnant genommen. Am andern Tag hielt er die Bank.

 

7.

Der Arzt war besorgt. Die Leute kamen nicht mehr zur Untersuchung.

»So geht es nicht weiter – so geht es nicht weiter!«

Der weiße Mantel flatterte erregt durch die Kabine, und die Brillengläser funkelten zornig zum Deck hinab. Niemand zu sehen dort, und sonst konnten sie nicht lange genug da unten hocken.

Ob er in der höchsten Not die Amerikaner anrufen sollte? Er griff nach der »Fliegenden Seeschlange«. Die letzte Nummer war recht merkwürdig: ein Schrei! Sie war wie immer kostenlos verteilt worden. Aber sie glitt den meisten durch die Finger. Die Seiten sanken wie welke Blätter aufs Deck. Die Besen der Matrosen schoben sie ins Meer, auf dem sie ruhelos schaukelten. Manche Nummern blieben dennoch in den Händen derer hängen, für die sie bestimmt waren.

Der Arzt las. Da waren einige Sätze, über die das Auge nicht so leicht hinwegspringen konnte. Das war Schünemann:

»Wir wollen den Gedanken, den peinigenden, entgehen und tun etwas. Ja, was tun wir? Wir verlieren uns. Wir sinken unter. Am Spieltisch sinken wir unter. Und reißen das bißchen Hoffnung mit, ersäufen die Aussichten, die wir aus den dürren Jahren mit Ach und Krach herausgekeltert haben. Alles nehmen wir mit. In der Heimat: große, fragende Augen. – Macht den Taumel ungeschehen! Jeder erhalte wieder, was er vorher besaß. Die Gewinner entäußern sich (der Arzt wird gewiß gern dieses Vertrauensamt übernehmen) des Geldes, das sie vorher nicht besaßen, und die Verlierer melden ihre Ansprüche an. Das Geld wird neu verteilt, nachdem alle Ablieferungen und Ansprüche erledigt und geprüft sind. Wer wird mehr haben wollen, als er wirklich verloren hat? Wer? Um Bereicherungsversuche zu vermeiden, müssen erst alle Ansprüche entgegengenommen und veröffentlicht werden. Einsprüche derer, die sich geschädigt fühlen, werden geklärt und erst dann die Beträge den Verlierern zurückgezahlt. Diese Regelung müßte auch den Gewinnern lieb sein: denn das durch das Spiel erworbene Geld brennt in den Taschen.«

Der Arzt sah von dem Blatt nachdenklich auf. Ein Kampf kündete sich da an. Er mußte wohl durchgefochten werden. Schon um deretwillen, die im Spiel arm geworden waren. Die würden von selbst keine Ruhe halten. Die würden gegen die Gewinner anrennen. Ein Ablaßventil, durch das die Wut verraucht, mußte unbedingt da sein. War es außerdem nicht gerecht, was Schünemann wollte? Ein Einziger hatte diese Unruhe ins Schiff gebracht. Wurde dieser Einzige aber nicht selbst von der Unruhe des Schicksals, das auf allen lastete, getrieben?

Der Arzt las weiter und stieß auf einen Satz, von dem er nicht wußte, ob er ernst oder spaßig gemeint war: »Oder will man so vorgehen, daß die Gewinner das Geld nicht zur Rückerstattung an die Verlierer, sondern zu späterer Verteilung an bedürftigste Angehörige im Heimathafen abliefern?«

Wie kam Schünemann dazu, das zu schreiben? Praktisch war doch dieser Vorschlag kaum. Der Arzt überlegte. Wollte Schünemann damit deutlich machen, daß das erspielte Geld den Gewinnern nicht gehöre? Um die Pflicht zur Ablieferung allen Zweifeln zu entrücken?

Das Spiel raste. Ein Paar Tage dumpfe Ausspannung, dann wirbelten die Karten wieder über den Tisch.

Schünemann ließ nicht locker. Er schrieb und schrieb. Einige drangen in die Redaktion ein und schlugen mit der Faust auf den Tisch.

Schünemann quartierte daraufhin in die Arztkabine.

 

8.

Zum erstenmal reckten sie die Schädel, als Schünemann davon schrieb, daß die Gewinner das Geld den Verlierern wiedergeben oder gar den Armen schenken sollten. Die Gewinner lachten verlegen und gingen an den Spieltisch, an dem sie zuschauten. Denn die Spielmaschinerie näherte sich dem Punkt, an dem sie sich heiß lief. Die Verlierer aber trugen die Zeitungen in der Tasche herum und traten an die heran, von denen sie wußten, daß sie verloren hatten, und sagten: »Habt ihr das schon gelesen, hier?« Die Angesprochenen nickten eifrig.

Der runde Tisch stand nicht mehr in der Mitte des großen Schlafsaals. Man hatte aufgehört, weil die Nerven versagten. Es fand sich keiner mehr, der die Bank hielt. Wer es versuchte, gab wohl die Karten, aber er wußte nicht, welche er gab. Er kassierte wohl Geld, aber er wußte nicht, wieviel er kassierte. Die Nervendrähte waren schlapp geworden.

Den Gewinnern kam die allgemeine Erschlaffung zugute. Sie gewöhnten sich an den neuen Besitz.

So hatte sich in die Schar der Heimkehrer eine Kluft gesenkt, in der die eisige Luft stiller Feindschaft wehte. Langsam wuchs ein Grollen herauf.

Der Steuermann sammelte die Unzufriedenen, und er fand unter ihnen den Kesselschmied, den, nach anfänglichen Gewinnen, die Leidenschaft in tiefen Verlust, in die blanke Leere, hineingepeitscht hatte. Der Steuermann fand auch Müller und den Briefträger. Sie stellten sich an die Spitze derer, die auf Grund des Rechts, das Schünemann proklamiert hatte, das Geld, das sie verloren, wiederhaben wollten.

»Das hätten wir auch ohne Schünemann getan«, sagten sie. »Der brauchte uns nicht erst aufmerksam zu machen.«

»Das wäre eine Ungerechtigkeit«, schrie einer, der viel, sehr viel verloren hatte, »den Armen etwas zu geben! Wer ist denn das? Das sind die, die sich nichts verdient haben. Die herumfaulenzten. Wir wollen unser Geld wiederhaben. Wir, die wir es verloren haben bei der Bank!«

»Die verfluchte Bank!«

»Wenn der Oberleutnant nicht damit angefangen hätte! Immer dieser Kerl!«

»Wir hätten schließlich nicht zu spielen brauchen«, wendete Klein schüchtern ein.

Er gehörte zu den Gewinnern. Zwanzig Dollars hatte er herausgeholt. Aber nicht darum stellte er sich vor den Oberleutnant, sondern, weil er glaubte, daß dem doch nicht alle Schuld aufgebürdet werden durfte. Zudem traf die ganze Sache Klein nicht bis ins Innerste. An ihm fraßen andere Sorgen. Sein Alter war reich. Was galten ihm die zwanzig Dollars? Er sah den kleinen Apotheker dort in der Ostpreußenstadt griesgrämig mit den Arzneigläsern hantieren. Nicht immer war mit ihm gut auszukommen. Sogar Schläge hatte es gesetzt. Kostspielig waren die Kuren auch, und der Alte würde alles bezahlen müssen, au, au!

Er strich sich den schwarzen Haarschopf nach hinten und strich damit die Gedanken an den grausigen Akt der Zukunft fort. Nun gelang es ihm wieder, sich zu der sieggewohnten, müden und alten Männlichkeit zu zwingen.

Da sah er feindliche Blicke auf sich gerichtet. Ach so, er stand unter denen, die im Spiel ihr Geld verloren hatten.

»Halt den Rand«, brüllte der Kesselschmied, »hast wohl auch was zu sagen, was? Hast wohl deine paar Kröten noch, was?«

»Morgen müssen welche zu Schünemann rauf – das mit dem Zurückzahlen, das muß ins Reine kommen!«

»Wir wollen unser Geld wiederhaben!«

»Unser Geld wiederhaben!«

»Unter dem machen wir es nicht!«

»Ich weiß ganz genau, wer mir das Geld abgenommen hat ...«

»Ich ooch ...«

»Ich ooch ...«

»Er soll ja nicht denken, daß er so davonlaufen kann, der Lump!«

Scheu drückten sich die Gewinner durch die Erregten. Sie taten gleichgültig. Einige mischten sich unter die Schreier, die das Geld zurückhaben wollten. Allmählich schrien auch sie aus Diplomatie und wurden, um ihre Person zu retten, notwendig Förderer der Bewegung, die sich sachlich gegen sie selber richtete.

Man erkannte die Leute als Plünderer und warf spitze Bemerkungen gegen sie.

»Ich will nichts dagegen sagen«, wagte Kröger die Stimmung abzutasten, »wenn einer im Spiel eine Kleinigkeit gewonnen hat.«

Damit wollte er das grundsätzliche Recht des Gewinners sicherstellen und sich dann gelegentlich als kleinen Rentner entblößen. Das würde dann nicht schmerzen.

»Nichts zu machen.«

»Nichts zu machen.«

»Alles muß herausgegeben werden!«

»Alles!«

»Jawohl, alles!«

»Selbstverständlich alles!« beeilte sich der Gewinner zu versichern. »Ich meinte ja nur.«

 

9.

In die Kabine des Arztes schoben sich der Steuermann, wächsern bleich, und der Kesselschmied, aufgeregt und entschlossen.

Schünemann saß in einer Ecke, vor sich den Tisch mit Papieren, und las ein Buch. Er mußte sich Ablenkung verschaffen. Warum das alles, warum? Hatte es überhaupt noch einen Zweck, die Hände zu rühren? Aus jeder Abwehr entstand eine andere und so fort Und doch: wußte man denn, ob die vom Spiel Aufgepeitschten nicht aufeinander losgeschlagen hätten, wäre nicht ein Ausweg, mochte der noch so dunkel und ungewiß sein, gezeigt worden? War der Zustand des Steuermanns, der ihn aufgesucht hatte, nicht Beweis genug?

Ruhe würde noch nicht sein. Die Leidenschaften würden, wenn nicht alles trog, erst richtig ausbrechen und zu einem Orkan wachsen. Keiner verlor die unter Mühsalen zusammengekratzten Spargelder gern. Er brauchte die beiden nur anzusehen.

Der Kesselschmied trat einen Schritt vor.

»Schünemann«, polterte er, »die Sache muß ins Reine kommen. Das geht doch nicht Das ganze Geld hin!«

Schünemann zuckte die Achseln. »Besser wäre es schon, wenn die andern sagten: nun gut, wir haben gespielt; die andern haben mitgemacht; sie haben Pech gehabt. Aber den größeren Teil wollen wir zurückgeben!«

Den größeren Teil? Der Steuermann erwachte aus seiner Erstarrung. Der größere Teil? Was hieß denn das? Alles wollte er zurückhaben, alles.

Der Kesselschmied setzte ein: »Die Brüder tun aber gar nicht dergleichen, oder sind schon welche mit dem Moos oben gewesen?«

»Kein einziger!« sagte Schünemann. »Man darf sich nicht übertriebenen Hoffnungen hingeben. Es ist nicht einmal sicher, ob überhaupt einer kommt Schließlich sagen sich die Gewinner: warum haben denn die andern gespielt, die sind doch keine kleinen Kinder – und wenn Sie nun, anstatt verloren, gewonnen hätten?«

»Der Oberleutnant der verfluchte.«

Der Kesselschmied entrüstete sich. Da fuhr ein Gedanke wie ein Blitz auf ihn nieder. Wie wäre es, wenn er ihn noch einmal stellte?

»Sie haben doch selbst geschrieben«, sprach der Steuermann leise, »daß die Gewinner das Geld zurückgeben könnten.«

»Das ist auch heute meine Meinung. Ich halte das für richtig. Aber Sie wissen selbst, das wenigste, was man für richtig hält, trifft ein. Dennoch lasse ich mich selten entmutigen, das Richtige anzustreben, selbst wenn daraus das Falsche wird.«

»Es müßte doch noch etwas getan werden«, warf der Steuermann ein. Der philosophische Quatsch konnte ihm gewogen bleiben. Er wollte sein Geld, weiter nichts. Alles andere ging ihn nichts an.

»Zwingen kann man doch niemanden.«

Der Steuermann fuhr sich mit der nervigen Hand durch den Spitzbart:

»Wie wäre es denn mit dem Kapitän.«

»Das ist nichts«, fuhr Schünemann schnell dazwischen, »erstens würde sich der Kapitän nicht darum kümmern, und zweitens können wir die Kameraden nicht vor die Bajonette der Amerikaner treiben.«

»Wenn Sie es nicht geschrieben hätten, wir hätten es selbst gefordert«, betonte der Steuermann. Er klammerte sich daran, daß Schünemann zuerst öffentlich auf die Möglichkeit der Zurückgabe des Geldes hingewiesen hatte. Der Steuermann hoffte, Schünemann damit zu verpflichten.

Schünemann aber blieb ruhig: »Ihr würdet als Gewinner das Geld selbstverständlich zurückgebracht haben.«

Der Steuermann wurde unruhig. Was ging ihn das alles an? Er war doch nicht Schüler. Er war ein alter Knopp, den der Verlust seines Vermögens hergetrieben hatte.

»Ein Anfang muß gemacht werden«, fuhr er fort, »ein Anfang«.

Schünemann sah ihn starr an.

»Ein Anfang?«

Die Faust des Steuermanns klatschte auf den Tisch. »Ich muß mein Geld zurückhaben!«

»Und wer soll's geben?«

»Der Oberleutnant!«

»Der Oberleutnant?«

»Der hat mein Geld!«

»Es ist wohl möglich, sogar sehr wahrscheinlich«, sagte Schünemann, »daß der Oberleutnant am besten bei dem ganzen Geschäft abgeschnitten hat. Aber wie kann man wissen, daß er als Bankhalter gerade Ihr Geld gewann? Jede Kartenausgabe hatte soundso viele Gewinne und soundso viele Verluste. Keine Ziehung glich im Ergebnis der andern. Die Beteiligten gewannen oder verloren. An wen Sie verloren haben? Wie können Sie das wissen?«

Dem Steuermann wurde Schünemann nachgerade unangenehm. Entweder er half oder er half nicht! Warum schrieb er denn erst? Ein Held, wie man ihn überall fand. Angst vor der eignen Kurage.

»Man kann sich aber doch an einen halten, von dem man weiß, daß er zu den Plünderern gehört!«

»Und die andern, die auch verloren haben?«

»Was kümmern mich die?« erwiderte der Steuermann barsch. »Der Oberleutnant hat mein Geld, und er muß es herausrücken.«

»Freilich, freilich«, knurrte der Kesselschmied.

Dann setzte er rasch hinzu: »Wie man's nimmt.« Plötzlich hatte er daran denken müssen, daß er sein Geld vom Oberleutnant schon erhalten werde. Wenn den aber auch andere bedrängten, war die Aussicht weit geringer. Aufmucken würde der Oberleutnant. Der Kesselschmied bedauerte, daß er überhaupt mitgegangen war. Allein hätte er das Ziel eher erreicht.

»Ich bin der Meinung«, rief der Steuermann mit größtem Nachdruck, »wenn feststeht: der Oberleutnant gehört zu den dicksten Gewinnern, kann einer von den dicksten Verlierern das Geld von ihm zurückverlangen.«

»Also umgekehrt auch? Wenn Sie gewonnen hätten, wären Sie Freiwild für die Verlierer?«

Da sprang, als würfe ihn eine Feder empor, der Steuermann auf. Langsam erhob sich der Kesselschmied. Er hatte Zeit.

»So wahr ich hier stehe«, preßte der Steuermann heraus, »ich kriege mein Geld, ich – kriege mein Geld, ich – kriege – mein Geld.«

Die Tür klirrte. Der Mantel des Arztes flatterte herein.

 

10.

»Schünemann hat manchmal komische Einfälle« lachte der Kantor. Aber es war ihm nicht nach Lachen zumute. Er hatte gewonnen. Wenn man zehn Dollars hergeben soll, lacht man nicht.

»Schreibt da, daß die Gewinner das Geld zurückgeben sollen. Warum haben wir denn gespielt? Wir sind doch keine kleinen Kinder. Regt auch noch die Verlierer auf.«

»Ich kann mir das nicht anders vorstellen«, meinte Kröger, denn er hatte gewonnen, »Schünemann muß an Stoff Mangel gelitten haben. Wie wäre es sonst möglich, daß er einen solchen Unsinn schreibt? Wie Schünemann sich das überhaupt denkt: jeder meldet seine Ansprüche an, und wenn kein Widerspruch gegen die veröffentlichten Angaben erfolgt, wenn Widersprüche geklärt sind, wird das Geld, das abgelieferte Geld, verteilt, an die Verlierer verteilt. Wer wird abliefern? Den Kerl möchte ich sehen. Und wenn wirklich etwas abgeliefert wird, gibts Mord und Totschlag. Wer nichts oder nur wenig verloren hat, wird wer weiß wie viel anmelden, großspurig, selbstverständlich, und dann ist die Keilerei da.«

Bembel warf ein: »Schünemann meint natürlich: Wenn sich die Höhe der Ansprüche mit der Summe des abgelieferten Geldes deckt, wird verteilt, andernfalls wird eine Einigung zu erzielen versucht.«

»Das wird niemals eintreffen«, stellte der Kantor in gereiztem Ton fest, »du kannst ja dein Geld abliefern.«

»Ich denke vorläufig nicht daran«, entgegnete Bembel.

»Vorläufig«, höhnte Kröger.

»Vielleicht wollte Schünemann«, meinte Klein vorsichtig, »mit seinem Artikel auch nur sagen, daß der Spielteufel Unglück anrichtet und daß wir aufhören sollen zu spielen. Der Vorschlag ist nur ein Ausdruck der Gesinnung. Die aber kann sich in der Form irren«.

»Kannst ja auch dein Geld hintragen«, höhnte Kröger wieder.

»Als wir noch zusammen mit ihm arbeiteten«, stellte der Kantor bedauernd fest, »war Schünemann viel vernünftiger. Auf sich angewiesen, ist er aus Rand und Band geraten.«

»Wir hätten ihn nicht verlassen sollen«, sagte Klein anzüglich.

»Nicht verlassen sollen? Was heißt das?« schnauzte Kröger. »Wir sind doch keine kleinen Kinder.«

»Jetzt braucht er uns nicht, jetzt sitzt er beim Arzt«, stichelte der Kantor.

 

11.

»Für die armen Angehörigen im Heimathafen?«

Ist das nicht ein Skandal? Der Steuermann stand auf dem Strickhaufen. Rings herum standen die Verlierer. Weiter weg schritten verstreut die Leute der Gegenpartei. Sie taten, als ginge das, was der Steuermann sagte, sie nichts an. Aber sie rissen die Ohren weit auf. Oho, der Steuermann sprach gegen die Kabine. »Einlösung des Versprechens.« Der Satz schmetterte nur so über das Schiff. »Einlösung des Versprechens. Das Versprechen muß gehalten werden, und wenn es nicht gehalten wird, werden wir dafür sorgen, daß es gehalten wird. So oder so.«

Immer wieder sprach der Steuermann sein »so oder so«. Seine Halsadern waren angeschwollen.

»So oder so! Wir sind daran gewöhnt, daß man Wort hält« Die Stimme hob sich blechern. »Wir fordern noch einmal von Schünemann und dem Arzt, daß gehalten wird, was versprochen wurde. Wir fordern Gemeinsinn. Wir fordern, daß man die Ausgeplünderten nicht vergißt. Wir fordern, daß einer für alle handelt. Wir fordern das, solange das Schiff noch auf hoher See ist. Ist es erst im Hafen eingelaufen, dann Kameraden, dann ist es zu spät.«

Das »Zu spät!« riß die Köpfe hoch.

»Dann Kameraden, können wir hinter unserm sauer verdienten Geld herlaufen. Dann haben die Forderungen jeden Sinn verloren. Wo nichts ist, Kameraden, haben wir kein Recht mehr. Wenn man einmal im Hafen gewesen ist, kann jeder, ohne daß er mit der Wimper zuckt, sagen: ich habe kein Geld mehr; ich habe das Geld vertrunken; ich habe das Geld den Armen, Kameraden, den Armen hahahah, gegeben: ich habe nichts mehr. Kameraden, man kann das Geld aber auch der Post anvertraut haben. Vergessen wir nie, Leidensgefährten, daß das Geld jetzt noch auf dem Schiff ist.«

Die Sätze hackten grausam auf die Köpfe herab.

»Vergessen wir nicht: da oben sitzt einer, der ganz gut helfen könnte, wenn er dem Kapitän ein Wort sagte (es ging ja bei den Whiskyflaschen, Kameraden. Einfach Gewalt anwenden, wenn die, die unser gutes Geld in den Taschen tragen, es nicht herausrücken wollen. Wir fordern noch einmal die Kabine auf: Wort halten. Kameraden, ich werde es noch einmal versuchen, ich werde noch einmal dort oben vorstellig werden. Ich werde aber nicht als Bittender kommen, ich werde als Fordernder in die schöne, gepflegte Kabine eintreten. Kameraden, ihr wißt, sie sieht anders, gepflegter aus als unser Saustall, in dem wir kampieren müssen. Kameraden, seid ihr einverstanden, daß ich mit ein paar von euch da hinaufgehe? Kameraden, seid ihr einverstanden, daß ich in euer aller Namen spreche?«

»Ja«, heulte es über das Schiff.

Der Steuermann reckte sich. Die Genugtuung, die ihm das Vertrauen der andern schenkte, ließ ihn für einen Augenblick den Schmerz und sein schönes Geld vergessen, dessetwegen er hier stand. Der Beifall berauschte ihn. Was konnte er mit der Macht, die ihm das Vertrauen der Leidensgefährten gab, nicht alles anfangen? Ringsum das Meer, ringsum das Schiff, und er mit einer Gewalt in den Händen, mit der er alles anfangen konnte. Er konnte mit der Gewalt, die er in den Händen hatte, hinaufgehen zum Kapitän, ihm die Gurgel zudrücken, er konnte den Arzt ins Meer schmeißen und den verdammten Schünemann hinterher. Er konnte das Schiff dahin steuern lassen, wohin er es wollte. Er, er, er. Er war der Gewählte, der rechtmäßige Führer. Der Schünemann da oben hatte sich das Führeramt nur angemaßt.

»Kameraden, wir haben es mit drei Personen zu tun, mit Schünemann, mit dem Arzt und mit dem Oberleutnant Wir gehn der Reihe nach, Kameraden. Und wenn wir bei Schünemann gewesen sind, Kameraden, dann gehn wir zu den andern. Wir werden zu unserm Recht kommen. Davon könnt ihr überzeugt sein, so wahr ich hier stehe. Und nun bitte ich euch, Kameraden, laßt euch das alles durch den Kopf gehn. Bis ich euch Bescheid bringe.«

Die Verlierer standen wie eine Wand, die sich gegen die Kabine vorzuschieben drohte.

 

12.

Für Klein stand fest, daß eher oder später eine furchtbare Auseinandersetzung losbrechen würde. War das, was der sonst so ruhige Steuermann gesagt hatte, noch normal? Die Nerven mußten sehr mitgenommen sein. Vielleicht war die Krankheit bei den meisten doch weiter vorgeschritten als man immer annahm. Vielleicht saß die Zerstörung schon in den Gehirnen. Vielleicht. Klein faßte sich an den schmerzenden Schädel. Auch er mußte befürchten, daß sein Denken nicht mehr der zuverlässige, gewissenhafte Berater war. Er rannte fort. In die Arztkabine.

Schünemann und der Arzt tauschten einen langen Blick.

»Ich will das Geld, das ich beim Spielen gewann, zurückbringen.«

»Wem hast du's denn abgenommen?«

»Denen, die sich melden. Oder denen im Heimathafen.«

»Werden noch mehr kommen?«

»Wie kann ich das wissen?«

 

13.

Die Nachricht durcheilte das Schiff: es hat einer sein Geld abgeliefert. Die Verlierer hielten nun die Schlacht schon für gewonnen. Sie reckten die Köpfe, priesen die Versammlung, die sie abgehalten hatten und die wie ein Wunder wirken würde, und nahmen sich, so ermuntert, vor, demnächst, wenn die Gewinner nicht bald alles ablieferten, so vorzugehen, wie sie beschlossen hatten.

Die Gewinner aber tauschten vorsichtig ihre Meinungen aus. Die Sache wurde fatal. Was sollte man tun? Tatsächlich hatte einer (wer – wer?) den Gewinn nach oben getragen. Sollte man das für möglich halten? Wenn das einriß? Und wenn die Verlierer geschlossen vorgingen? Der Steuermann hetzte. Hetzte täglich. War das nicht gemein? War das nicht räuberisch? War das nicht memmenhaft gehandelt? Gespielt ist gespielt. Niemand war gezwungen worden, mitzumachen.

Tagelang hatte man im feuchten Schlafraum gestanden, die Nerven malträtiert. Und nun? Schade, daß man nicht schon in einem Hafen war. Man hätte sich erleichtern können. Gezwungenermaßen. Denn das Geld war, solange man sich auf dem Schiff befand, keineswegs sicher. Man hätte die paar Kröten zu gern nach Hause gebracht. Dort konnte man Geld brauchen. Kuchen! Schon wurde es einem wieder abgenommen.

Die Arme hoben sich drohend gegen den Oberleutnant. Dem hatte man alles zu verdanken. Was war das überhaupt für'n Kerl? Wohin er kam, fiel der Frieden um wie ein toter Mann. Man müßte dem Störenfried eins über den Kopf hauen.

»Wir müssen Revanche geben, Arthur!« redete Manteufel gut zu.

Der Oberleutnant (der Sieg drückte schwer) verneinte entschieden. Er wußte, wenn er sich wieder an den Spieltisch setzte, war es vorbei. Die Verlierer würden sich auf die ersten Scheine stürzen. Zusammenstauchen, ausräubern würden sie ihn. Mord und Totschlag würde es geben.

»Ein kleines Spielchen mit ganz geringen Einsätzen würde vielleicht doch nicht das Schlechteste sein«, meinte ten Hoven.

»Oberleutnant, nur einen kleinen Betrag opfern«, sekundierte Kunowski. Erdmannsdörfer nickte. Wie es gemacht wurde, war es gut.

»Nein, nein, nein!« sagte der Oberleutnant »Ich bbin ddoch nnicht ver-rückt!«

Ein Gedanke blitzte in ihm auf.

Er trat dicht zu den andern und flüsterte. Die Gesichter erhellten sich. Der Oberleutnant, nein, war doch ein Aas, ein unbezahlbares.

 

14.

Mit den ängstlich abgezählten Dollars und der Summe, die er selbst seiner Brieftasche glücklich entwunden hatte, stand der Oberleutnant vor der Arztkabine. Die Gedanken kreisten, und er mußte daran denken, daß die Seinen ihn gebeten hatten, die Summe als vom ganzen Freundeskreis zusammengebracht zu überreichen und nicht die Beträge der einzelnen Spender zu nennen. O die Füchse!

Er strich mit spitzen Fingern die Falten vom Rock fort und ...

Da saß Schünemann, daneben der Arzt. Vor dem Oberleutnant tanzte eine dunkle Scheibe. »Zuschlagen, zuschlagen!« hämmerte es vor dem Trommelfell. Dann raffte er sich auf. Ein süßes Lächeln glitt wie ein Vorhang über die Fratze geballter Wut.

Er schlug die Hacken zusammen.

»Setzen Sie sich bitte, Herr Seitz!«

Vor dieser milden, ungefährlichen Güte schwoll der Oberleutnant im Selbstgefühl. Er machte ein paar Spaße.

»Wieviel ist's denn?« fragte der Arzt.

Sechzig Dollars wollte der Oberleutnant sagen. Soviel betrug die Gesamtsumme. Er überlegte sich aber schnell, daß das honigsüße Wohlgefallen, das ihm die beiden entgegenträufelten, wohl erlaube, die Summe um rund fünfzehn Dollars zu kürzen. Den andern würde er davon natürlich nichts erzählen. Die hatten ohnehin genug erhalten, würden es ihm auch gar nicht übelnehmen.

»45 Dollars!«

Schünemann pfiff leise vor sich hin.

»Es müssen«, sagte der Oberleutnant, »noch sehr vvviele kkkom-mmen, denn wwwir haben ja nnicht allein die Bank gehabt!«

»Stimmt – und dann schwillt die Kasse an.«

»Welche Ka-kasse?« Der Oberleutnant fragte unwillkürlich. Wie das klang: die Kasse!

»Ja, das wollten wir eben fragen: Wenn nämlich noch viel kommen, können wir, vielleicht auf dem Schiff, das Geld an die Verlierer verteilen. Wenn aber nicht viel Geld zusammenkommt, verteilen wir es mit Ihrer Erlaubnis an Angehörige im Heimathafen. Sie können es dann aber auch zurückhaben!«

»Ist nicht nnötig!« beeilte sich der Oberleutnant zu versichern. Gleich darauf schalt er sich, daß er voreilig gewesen war.

»Gut, Sie stellen das Geld zur Verfügung?«

»Jawohl!«

»Dann also entweder für die Verteilung auf dem Schiff oder an bedürftige Angehörige im Heimathafen!«

Der Oberleutnant sagte nichts.

Eine tadellose Verbeugung.

Der Oberleutnant warf sich draußen vor, daß der Bußgang bei der Milde, die ihm in der Kabine entgegengeschlagen, gar nicht nötig gewesen wäre. Der Oberleutnant fühlte wieder einmal eine Niederlage. Das brachte ihn auf, das war ein Stachel, und er beschloß Rache.

»Für die Bedürftigen in Hamburg« – lächerlich. Warum konnte den Verlierern nicht alles, auch der kleinste Betrag, unter allen Umständen zugeführt werden?

Der Oberleutnant überlegte: wenn er es geschickt anfing, mußte es ihm gelingen, die Verlierer aufzuhetzen und sich dabei selbst auch vor den Augen Rückständiger das Gefieder zu säubern, so daß es wie das einer Taube erstrahlte. Fürwahr, der Ärger hatte ihn auf eine tadellose Lösung gebracht Der Lacher war doch er wieder. Wunderbar, wenn er der Menge zuflüsterte: Seht, ich wollt' euch die paar Kröten zurückgeben, ich habe sie auch nach oben getragen – aber hört doch, für die armen Angehörigen in Hamburg werden sie verwendet, ist das nicht lächerlich, ist das nicht gemein?

Fleißig wühlte er den Sturm gegen die Kabine auf. Für die Armen in Hamburg – lächerlich. Er, der Oberleutnant, er hatte einen tüchtigen Batzen gezahlt: er dachte, die armen Schlucker, die ihr Geld im Spiel verloren hatten, kriegten es wieder. Hat sich was: für die armen Angehörigen in Hamburg hatte er's hingeschmissen. Wer ist denn das, die armen Angehörigen in Hamburg? Wer weiß, wer das Geld ... wirklich erhielt?

Der Steuermann machte mit. Er kannte sich selbst nicht mehr. Gier flackerte ihm aus den Augen. War es nicht unerhört? Er war noch einmal oben in der Kabine gewesen. Er wußte: der Oberleutnant hatte gezahlt. Es war also Geld oben. Schünemann aber und der Arzt hatten ihm die kalte Schulter gezeigt. Vertröstet hatten sie ihn. Es wäre noch nicht genug Geld da, hatten sie ihm gesagt. Eine Verteilung auf dem Schiff wäre noch nicht möglich. Man müßte noch warten. Da hatte er mit der Faust auf den Tisch geschlagen, so daß die Tintenfässer getanzt hatten. Und er hatte gefordert, doch wenigstens den Anfang zu machen, ihm das Geld, sein Geld, zu geben. Wenn auch nur einen Teil. War das nicht gerecht? Er gehörte zu den Großverlierern. Der Arzt hatte ihm die Tür gewiesen und gesagt, wenn das weiter so ginge, müßte er die Vorfälle dem Kapitän melden. Ohnehin sei das längst Pflicht gewesen.

Der Steuermann lachte gellend:

»Der droht mit den Amerikanern. Die Amerikaner bewachen das Geld. Wer weiß, wer es kriegt«

»Mmmacht Stunk, aber nnicht sso, ddaß die Ameri-kaner es mmer-ken!« ermahnte der Oberleutnant.

Die Wogen der Erregung wuschen die Schuld vom Oberleutnant ab. Fein hatte er die Sache gedreht, fein. Doch daß der Spaß 45 Dollars gekostet hatte, ärgerte ihn. Zumindest hätte er ihn billiger haben können. Die verfluchte Angst. Und dabei hatten ihn die Brüder in der Kabine nicht beschimpft. Man hatte ihn mit außergewöhnlicher Höflichkeit behandelt. Freude und Trotz stiegen in ihm auf. Aber der Trotz war größer.

Nun war er fertig mit der Moralbehörde. Es fehlte nur noch, daß die da oben von Mororan erzählt hätten. Da wäre er saugrob geworden. Dann hätte er den Brüdern einmal tüchtig die Wahrheit gegeigt. Und sein Geld behalten. Er war nicht geizig, nein, das wußten die Freunde. Aber für die da oben! Keinen Cent

Die schönen 45 Dollars.

Wie ein mißhandeltes Kleinod drückte er die noch immer trächtige Brieftasche an sich.

Und lachte wieder.

Fein hatte er die Sache gedreht, fein.

Und ringsum rauschte das Meer, schüttelte seinen runden Rücken, so daß die Haut sich blähte und zusammenfiel in ewiger Bewegung. Weiße Wölkchen schwammen am Himmel, und die Sonne zog lichtumflutet ihre Bahn.

Den Schnitt, den die menschenbefrachtete Jerusalem wie mit stumpfer Schneide in den weichen Wasserkörper zog, deckten die Wellen eilend wieder zu.

 

15.

Fragende, stumme, mahnende Blicke waren auf die Gewinner gerichtet. Wie, wollten die nichts zahlen? Der Oberleutnant hatte seinen Gewinn in die Kajüte getragen. Die andern standen zurück? Las man nicht die heiteren Anspielungen in der »Fliegenden Seeschlange«? Sie ließ es ungewiß, wieviel der Oberleutnant gezahlt. Die Verlierer wurden ungeduldig. Man würde bald in einem Hafen sein. Was dann?

Der Steuermann schlief nicht. Er lag mit starrem Blick in der Koje, hörte auf das Drängen des Wassers, nahm das Schnarchen der Schlafenden auf, die neben und über ihm in den Matten schaukelten. Ja, das waren Gewinner, wenigstens zum größten Teil. Für sie war der Schlaf etwas Gutes. Wie ruhig hätte er schlafen können, wenn er vom Spieltisch ferngeblieben wäre? Während der ganzen Gefangenschaft hatte er nur daran gedacht: wie schaffe ich Geld? Er hatte ausgerechnet, genau ausgerechnet: das Haus, die Auszahlung an die Schwester. Wenn andere in die Stadt und in die Kneipen liefen, saß er nicht auf seiner Pritsche und bastelte? Es machte ihm Spaß, ja. Das Sümmchen, das er wohlverwahrt in der Innentasche der Lederweste trug, wuchs und wuchs. Er rettete alles. Sogar die Krankheit trug er leichter als manch anderer. Er besaß Mittel, für seine Verhältnisse ein kleines Vermögen, und vermochte schon damit einen tüchtigen Spezialisten zu befragen.

Der Steuermann stöhnte. Dann kamen die paar Tage, die schwarzen, der runde Tisch im großen Schlafsaal. Der Oberleutnant ... Der Steuermann schlug gegen die Eisenstäbe seines Lagers und rüttelte daran. Er dachte an Schünemann, an den Arzt. Es mußte etwas geschehen, unbedingt etwas geschehen. Er mußte sein Geld wiederhaben, unbedingt sein Geld wiederhaben. Er horchte.

Über ihm sprach der kleine Bembel im Traum. Der kleine Bembel hatte auch gewonnen. Seine Hand hing herunter. Der Steuermann konnte sie fassen. Wieviel wohl der Bembel gewonnen hatte? Gehörte er zu den großen oder zu den kleinen Gewinnern? Dort oben lag sein Geld. Natürlich, da oben lag sein Geld. Alle, die gewonnen hatten, verfügten über sein Geld. Wo das Geld nur liegen mochte? Unterm Kopfkissen? Das wäre leichtsinnig. Geld gehörte auf den Leib, gehörte auf die atmende Brust. Die Hand, die danach griff, mußte man wie einen Alp fühlen. Der Steuermann wurde mutlos. Einem Schlafenden? Nein! Dann lieber offen im Kampf, Aug' in Aug'. Er grübelte und grübelte.

 

16.

Der Briefträger und Müller, die an ihrem Verlust nicht leichter trugen als die andern, bisher aber, obwohl der Steuermann sie gleich aufgefordert hatte, mitzutun, gesichtslos in der Masse der Verlierer geweilt hatten, rissen sich heraus aus der Unbestimmtheit und stießen in die Reihen der scheuen und wie Rehe flinken Gewinner vor. Denen traten sie nicht als Ankläger gegenüber.

Als Freunde kamen sie. Sei es beim Essen, Kaffeeholen, während der Mittagsrast oder beim Spazierengehen auf dem Deck. Sie sprachen davon, auf welchem Längen- und Breitengrad man jetzt fuhr, wie viele Knoten das Schiff zurücklegte, was der Funker an Neuigkeiten, die ihm durch den Äther zugetragen worden waren, mitteilte. Nebenbei, ganz nebensächlich floß die Frage ein. Wer sie hörte, hörte sie nicht. Wenigstens beantwortete er sie nicht. Dann ging man deutlicher vor, und nun fiel die gegenseitige Beschränkung.

»Du«, sagte der Briefträger, »du weißt doch, der Oberleutnant hat sein Moos abgeliefert!«

»Ja, das weiß ich«, antwortete der Kantor höhnisch.

»Es sind auch noch andere oben gewesen«, stellte Müller sachlich fest.

»Das wissen wir auch«, entgegnete Kröger.

»Schön ist es gerade nicht, wenn ihr so tut, als ginge euch das alles nichts an!«

»Geht uns auch nichts an!«

»So! So laßt ihr euch vom Oberleutnant beschämen!«

»Hört auf mit eurem Paradepferd! Auf das setzen wir nicht!«

»Ihr könnt über den Oberleutnant denken, wie ihr wollt«, sagte Müller gemütlich, bestrebt, die Gereiztheit des Tons zu mildern. »Er hat sich jedenfalls in dieser Sache anständig benommen.«

»Ein Kunststück« höhnte der Kantor.

Es traten noch andere, darunter der Kesselschmied, hinzu. Das war dem Kantor gerade recht. Mochten alle hören, was es mit dem Oberleutnant auf sich hatte:

»Natürlich, wenn man eine dicke Brieftasche hat, ist es leicht, ein paar Scheine herauszunehmen, um damit Gebrechen der schönen Seele zuzudecken!«

Die Verlierer wurden stutzig:

»Er hat aber doch seinen Gewinn abgeliefert.«

»Wenn ihr's glaubt, warum denn nicht?« Kröger lachte. »Ihr müßt den Oberleutnant kennen lernen. Ich habe monatelang neben ihm auf der Pritsche gelegen. Mir macht er nichts mehr vor!«

»Und er sollte ...«, stotterte der Briefträger überrascht und doch noch ungläubig.

»Ja, eine Bagatelle.«

»Wenn wir im gleichen Verhältnis zu unserm Vermögen soviel zahlen wie er«, betonte der Kantor, »dann brauchen wir, die Rechnung stimmt genau, nichts zu zahlen.«

»Und das haben wir denn auch redlich getan«, grinste Kröger. Mochte da kommen, was wollte. Die ewige Verteidigung hatte er satt. Er war kein Verbrecher, und er war längst kein Oberleutnant. Wenn der den Schünemann verblüffen konnte, gut

»Sollte der Oberleutnant geschwindelt haben?« rief der Briefträger. Die Silben waren schwer und zäh wie flüssiges Blei.

Der Kesselschmied wollte einen Zuruf riskieren. Aber er schlug sich rechtzeitig auf das Maul. Sein Plan stand fest.

»Ist doch ein Gauner, der Oberleutnant!« seufzte Müller. Und der Briefträger verlor die Beherrschung, die er mühselig mit sich herumschleppte.

»Und da wundert man sich«, brüllte er, »daß die andern Gewinner nicht heranwollen.«

»Der Oberleutnant soll erst seine Gewinne abliefern, aber ganz!« rief Kröger. »Dann kommen wir auch. Sollt mal sehen, wie schnell ihr nachher zu eurem Geld kommt!«

Ein Grollen pflanzte sich über das ganze Schiff fort. Der Kesselschmied dachte: die höchste Zeit

 

17.

Der Oberleutnant ging spazieren. Es war ein schöner Abend. Gott, es hatte sich doch alles besser entwickelt, als er vor wenigen Tagen noch geglaubt hatte. Ein leises Liedlein stieg und schwang sich empor und hielt sich an einem Stern fest, der blaßgolden an der straff ausgespannten Himmelsglocke blitzte.

Daß der Kesselschmied kommen mußte! Was wollte der hier? Er bot einen guten Abend und schloß sich dem Oberleutnant an. Der tappte vor der Haupttreppe, die in die Schlafräume führte, auf und ab. Der Kesselschmied beschrieb bei dem Auf und Ab immer weitere Kreise, die der Oberleutnant aber immer wieder zusammenzog.

Der Kesselschmied wurde unwillig. An der vom Eingang entferntesten Stelle des Spazierwegs stellte sich der Schwarze entschlossen vor ihm auf:

»Soll ich dir sagen, wie viele Dollars du zum Arzt getragen hast? Du weißt doch, man erzählt sich, du hättest den ganzen Gewinn hinaufgeschleppt!«

Der Oberleutnant erschrak. Freilich, die Höhe der Summe, die er hinaufgeschafft hatte? War sie bekanntgeworden?

»Ich weiß Bescheid!« grollte der Kesselschmied.

»Und?«

»Ich weiß Bescheid! Und wenn du nicht willst, daß es die andern wissen sollen ...«

Der Kesselschmied vollendete den Satz nicht. Es war auch nicht nötig. Der Oberleutnant wußte, woran er war. Diesmal hatte sich der Kesselschmied geirrt. Er war schon mit ganz andern Kerlen fertiggeworden. War er denn auch sicher, daß der Kesselschmied den Sachverhalt wußte? Der spekulierte vielleicht nur. Wie es auch sei. Er mußte dem Kesselschmied Widerstand bieten. Sonst war es vorbei.

Der Oberleutnant bog in die Haupttreppe ein.

»Einen Augenblick!« keuchte der Kesselschmied.

»Das kkönnen wir uns hhier unten auch erzzäh–len!«

»Da stören wir die Leute, die schlafen schon alle.«

»Eb–ben darum«, antwortete der Oberleutnant doppeldeutig.

»Du hast«, flüsterte der Kesselschmied, »auch mein Spielgeld in der Brieftasche.«

»Das kkann jeder er–zäh-len. Und wwwenn auch!«

»Ich will es wiederhaben!«

»Dddenkst, es geht im–mer sso?«

»Wenn du willst, daß nicht morgen das ganze Schiff weiß, dann ...«

Der Oberleutnant drehte ihm den Rücken zu und stieg hinab.

 

18.

»Herr Oberleutnant hat natürlich abgeliefert.« Breit stellte sich der Briefträger vor ihn hin.

»Ein feiner Mann, äh!«

»Und da wundert man sich, daß die andern nicht auch vornehm sind«, höhnte der Kantor von weitem.

Müller ermahnte ernst:

»Wir haben immer noch auf eine friedliche Schlichtung gehofft. Wir haben immer noch geglaubt, die Sache so ins Reine bringen zu können. Das scheint aber nicht der Fall zu sein. Beschwindelt haben Sie uns. Einen erklecklichen Betrag abgeliefert? Hat sich was.«

»Der Oberleutnant nicht gezahlt, was?«

»Nicht möglich.«

»Uns verkohlt«

»Eine Kleinigkeit hat er hinaufgebracht.«

»Der Schlauberger.«

»Wie kannst du da noch von Schlauberger sprechen. Gemein ist das doch.«

»Sogar erdreistet hat er sich, darüber entrüstet zu sein, daß seine paar Kröten im Heimathafen verteilt werden sollten.«

»Wer weiß, ob das stimmte.«

»Steuermann, hörst du ... wo ist denn der Steuermann?«

»Steuermann!«

Der Oberleutnant war wie betäubt. Dann faßte er sich. Lachhaft, wenn er sich nicht aus der Patsche ziehen würde:

»Mmenschenkkin–der, ich ha–be dddie klei–ne Sssumme, so kklein war ssie übri-gens nnicht, erst ddann gezahlt, nachdem ii–ich hör–hörte: ffür ddie Be–dürfti-gen; da hha–be ich mmir ge–sagt: nein, für den Unsinn, kkei–keinen Pfennig mmehr!«

Erhobene Arme:

»Nauke, hör' auf, sonst.«

»Denkst wohl, kannst uns weiter verkohlen.«

»Jetzt ist's genug.«

»Mach' dein Testament.«

»Kommst nicht heil nach Hamburg.«

»Darauf kannst du dich verlassen.«

»Wir wollen unser Geld haben, weiter nichts.«

»Verstanden??«

Der Oberleutnant wich zurück und sah sich von Gewinnern umstellt:

»Freilich, Oberleutnant, du hast ja auch das meiste.«

»Was wir haben, nicht der Rede wert.«

»Uun–sinn!« Der Oberleutnant stand allein.

Er sah den Steuermann auf dem Strickhaufen stehen und auf ihn zeigen. Wortfetzen trieben herüber:

»– – – eine Front ... Edle Geste hatte unsere ... Kräfte gelähmt ... alles klar jetzt ... einen Feind ... mitten unter uns ... Handeln ... müssen wir ... nächster Hafen ... zu spät.«

»Wie sollen wir handeln?«

»Das hat der Steuermann nicht gesagt!«

Bembel ging zu Schünemann und zum Arzt und sagte: »Die Verlierer sind zu allem fähig. Vor dem nächsten Hafen wollen sie vorgehn.«

 

19.

Milde Sonne strahlte über die Jerusalem. Land schwamm aus blauer Ferne dem Schiff entgegen.

»Wie ist es? Jetzt vorgehen?«

Der Steuermann sagte nichts. Er winkte müde ab. Wenn wir San Franzisko hinter uns haben? Er war gelähmt. Waffenstillstand geschlossen? Das Neue der Außenwelt forderte ihn.

Grau schimmernde Felsen, die steil ins Meer fielen und dicht aneinander traten: das Goldene Tor. Langsam, andächtig fast, schwamm die Jerusalem hindurch und überschritt den Strich, der sich quer über den Hafen legte. Hellgrün leuchtete das Wasser von der Landseite her bis zu dieser wie am Lineal gezogenen Linie. Scharf dahinter nahm das Meer die gewohnte, dunkelgrüne Färbung an. Steil stürzte der Grund der See an dieser Stelle ab, und nach dem weiten Meer zu drangen dunkle Geheimnisse der Tiefe mit gesättigter Schwermut herauf.

Die Disciplinary baracks waren breit vorgelagert. Die Häuser darauf duckten sich ängstlich.

In dichten Scharen kreischten und krächzten die Möwen um das Schiff und haschten nach den Brocken, die ihnen zuflogen. Wie sie sich fürchteten voreinander, wie sie den Kampf um die Nahrung rücksichtslos durchführten! Immer neue Bilder.

Seehunde lagen fett und schwer auf ihren Bänken oder streckten den runden Kopf mit dem Schnurrbartgesicht heraus, ruderten und schoben sich zur Ruhe auf die Bänke. Die Körper wie mit einer Kristallschicht überzogen, die noch flüssig ist und herabperlt. Die stahlblauen Rücken wie Striche, mit breitem Pinsel in die blauende Landschaft gesetzt. Da plumpste ein Tier hinein und arbeitete sich vorwärts. Erst Kopf, dann Rücken, erst Kopf, dann Rücken, erst Kopf, dann Rücken.

Es war Sonntag.

Feiertagsstimmung entzündete sich in der warmen, hellen Luft. Sie saß auf den Häusern, auf den Türmen und in den Straßen der alten Goldgräberstadt, die, von schwerem Erdbeben heimgesucht, einst aus Schutt und Asche neu erstanden war, ängstlich den Wolkenkratzern ausweichend. Wenn der Grund lebendig wird, bilden die eine größere Gefahr als andere Häuser.

Buntbewimpelte Motorboote fegten furchenziehend vorbei. Eins knatterte auf die Jerusalem zu: Journalisten. Aus den Taschen der weiten Mäntel guckten die Köpfe zeilenausgeschlachteter Zeitungen traurig heraus. Das Boot fuhr langsam neben der Jerusalem her.

»German prisoners of war?«

»Yes!«

Ob sie krank wären, fragte einer, auf die Kreuzflagge zeigend. Ja, aus den Spitälern gesammelt und in Dörfern und Städten aufgelesen. Die Bleistifte nahmen die Neuigkeiten unter gewaltigen Überschriften auf. Und hoch oben in der Luft kreisten Flugzeuge. Filmten das Schiff und ließen sich, ruhig wie Tauben, nieder, um dann, mit ausgebreiteten Flügeln, unter knatternden Stößen davonzueilen. Die Heimkehrer wußten: zivilisierte Schmissigkeit. Nicht mehr die asiatische Schläfrigkeit. Das ganze Stadtbild zeigte große Maße von Zweckmäßigkeit. Dort die Seeamtsstellen und die Gebäude vom Quartermasterkorps; da die Türme, die Tore und die Häuser einer früheren Ausstellung.

Als die Jerusalem im Pier 39 einlief, stand auf der Straße eine große Schar Wartender. Die schwenkten Fahnen und riefen: »Hoch – hoch – hoch!«

 

20.

Eine Lawine von Besuchern wälzte sich auf die Jerusalem. Ein Ansturm von Äpfeln, Apfelsinen, Kuchen, Kleidern, Schuhen, Hüten. Es regnete Wohltaten.

»Gibt's Magdeburger hier, wo sind Schwaben, wo sind Schlesier, wo sind Hamburger, wo sind Bayern?« Landsleute wollten sie sehen. Landsleute.

Der Steuermann glaubte, in einem luftleeren Raum zu leben. Eine Glasglocke war über seine Sorgen gestülpt. Selbst der neue Wurm, der sich in seinem Hirn ringelte, die Frage: würde Urlaub in die Stadt genehmigt werden? – tat nur wie aus der Entfernung weh. Würde sein Geld in die Lokale, in die Läden rollen? Wenn ja, würde seiner Arbeit der Boden fortgezogen, und dann –. Der Steuermann konnte nicht weiterdenken. Wie im Traum hatte er die letzten Tage verbracht. Ohnmächtige Wut fesselte die Hände. Ob er den Landsleuten von seinem Verlust erzählen sollte?

Der Steuermann lehnte sich gegen die Reling. Frische Mädchen standen unten. Gesunde Leiber, blanke Augen. Diese rauschende Gesundheit füllte sein Bewußtsein. Er dachte an die dunkeln, schmutzigen Gassen in Sibirien, an die gelben, fremden Schönheiten.

 

21.

Das hatten die Landsleute bald heraus, daß der Oberleutnant mit dem Flugzeug über Warschau gekreist war und daß der schwere Mörser der Festung stundenlang auf ihn gefeuert hatte, ohne zu treffen ... selbstverständlich, man war doch nicht dumm. Schließlich, in der Nacht, als der Oberleutnant Bomben warf, krachte ein Zuckerhut – ein Zufallstreffer, selbstverständlich, mitten hinein in die Maschine des Flugzeugs. Das brannte, fiel auf einen Baum, der Begleiter verkohlte, und der Oberleutnant wurde zum Glück ein paar Meter herausgeschleudert

Ausgehalten hatte er es. Selbstverständlich, er war doch nicht aus Pappe. Ganz und gar nicht. Bläuliche Wolken kräuselten tapfer aus der Zigarette. Die schlanken, gepflegten Hände, auf denen blaues Adergeflecht schimmerte, hielten mit schwebender Leichtigkeit eine Brieftasche. Der Oberleutnant war sich der Wirkung bewußt. Gottlob, daß er bei der Arbeit immer derbe, lederne Handschuhe getragen hatte. Da war nichts durchgegangen.

Er klappte die Brieftasche auf. War denn die Ansichtskarte, die er zeigen wollte, nicht da? Der Oberleutnant ließ den einen Deckel herabfallen, und da schimmerte die blaue Krone auf gelbem Grund, von den Buchstaben A. v. S. kunstvoll umschlungen. Der Oberleutnant zählte die Sekunden. Hatte jene hochstämmige, strotzende Dame hergesehen? Nicht? Seine Liebenswürdigkeit hatte den Panzer der Gleichgültigkeit, den sie ihm entgegenhielt, noch nicht durchschmettert? Darum: her mit der Geschichte vom Kampf in den Wellen, her mit den Haien! So wie sie nach ihm geschnappt, sollten sie vor den Ruhigen hier die Rachen aufreißen. Je weiter der Mund des Oberleutnants auseinanderklappte, um so gieriger waren auch die Haie.

Die Mär machte keinen Eindruck, gar keinen. Was nun? Die Bildstreifen der Erinnerung zogen vorbei. Ach da, Massenhinrichtung von chinesischen Verbrechern in der Mandschurei. Vor Jahren. Stoßhaft berichtete der Oberleutnant. Das mußte doch ziehen:

Arme Schächer. Zusammengetrieben. Dann wie Teig auseinandergezerrt zu einer dünnen Linie. Sie lief neben den funkelnden Schienensträngen entlang. Die Gewehrkolben der Soldaten richteten die Reihe aus. Ringsum eine Wand von Zuschauern. Ein breites Schwert blitzte, von scheuen Blicken zitternd betastet. Der Scharfrichter stellte sich vor den Ersten in der Reihe. Zwei Wächter zerrten den Rumpf nach vorn. Der Hals stand waagerecht. Das Schwert klatschte herab. Der Nebenmann zuckte zusammen. Er spürte die Schneide schon jetzt. Der Rumpf, von Wärterfäusten gezwungen, klappte nach vorn. Klatsch. Durch die ganze Reihe floß ein Zucken. Das Schwert war auf einen Hals und doch auf alle Hälse gefallen. Die Verurteilten waren so schon oft gestorben, ehe sie starben.

Der Briefträger, der sich in den Kreis der Zuschauer hineingezwängt hatte, nickte eifrig: Ja, er hatte so etwas auch gesehen.

Der Oberleutnant sprach schnell weiter. Die Sätze holperten über die Tücken des Sprechgebrechens. Was fiel dem Briefträger ein? Wollte der einheimsen, was er in Fluß gebracht hatte?

»Hier – ich hhabe nnoch eine Photo-graphie.« Nun durfte er wieder die Brieftasche herausholen. Vielleicht merkte die Dame jetzt etwas.

»Hier bbeugt gerade einer ddden Kkopf, der sscheue Blick auf dddas Schwert, das dem Nnebenmann gerade auf den Hals fffällt.«

Der Kreis schloß sich. Ein Ring von Häuptern, gesenkt, nach dem Mittelpunkt, dem Lichtbild gerichtet.

»Und wwas das Dddrroll-ligste ist«, sagte der Oberleutnant, »wer einen Rrrubel bezzahlte, dem wwurde das Schwert etwas angewärmt, damit es nnicht sso weh tat ...«

»Das ist doch Spaß!« lachte die Hochstämmige.

»Nein, auf Ehre, ppur-rer Ernst«, versicherte der Oberleutnant, »für einen Rrrubel wwurde das Schwert über ein kleines Feuer gehhal-ten.«

»Haben sich viele diese Vergünstigung erkauft?«

»Ich sah es nnur bbei einem«, antwortete der Oberleutnant, »den andern wwird es wwohl zu teuer gewwwesen sein. Ein Rrrubel damals war viel Geld.«

Gelächter schäumte. Der Oberleutnant stellte für sich fest: endlich. Er plauderte weiter. Sein Beruf? Diplomingenieur. Ein Seufzer. Nicht auf dem Laufenden. Die Fortschritte der Kriegsjahre nicht verfolgt. Möchte zu gern die öden Stunden auf dem Schiff durch Lektüre vertreiben. Aber Bücher, Bücher. Daran fehlte es.

»Fachliteratur? Was brauchen Sie?«

Der Oberleutnant wehrte ab.

»Erzählen Sie nur.«

»Kleinigkeiten.«

Durfte er unhöflich sein? Der Oberleutnant richtete sich auf. Unhöflich? Er war der Letzte, der unhöflich war. Mit einer großen Geste warf er den Landsleuten ein paar Wünsche hin.

Pakete türmten sich zu einem großen Haufen, der unter die Menge verteilt wurde. Der Oberleutnant kriegte Sonderpakete. Im schützenden Dunkel nahm er sie an der Treppe entgegen.

»Zwei Pakete davon sind für die Kameraden.«

»Selbst-verständ-lich!«

Eine tadellose Verbeugung. Ein rascher Blick bohrte sich in die Umhüllungen. Die Hand wog den Inhalt. Der Oberleutnant war sich klar:

»Hier, ich bbringe ein Pppaket. Ich soll es ab–liefern. Und ich lliefere es ab ... Mmmach' es nnicht so wwie andere ...«

»Bist doch eine ehrliche Nauke!«

»Wird sich auch so gehören!«

»Hast uns genug ausgebeutelt!«

Den Landsleuten machte es Spaß, den Halbverhungerten ein paar Brocken hinzuwerfen. Halbverhungert waren sie, das sah man ihnen an. Alle blaß und dürr, wie von schwerer Entsagung und Krankheit ausgehöhlt.

Hing da nicht auch die Rote-Kreuz-Flagge?

Ein gutmütiger Brummbaß war neugierig.

»Nun sagt mal, ich sehe da oben den Lappen mit dem Kreuz. Krank seid ihr. Aus den Spitälern seid ihr gesammelt und aus den Dörfern hervorgekrochen, das habt ihr uns schon hundertmal erzählt. Habt ihr den Lindwurm im Leib? Ihr seht nicht gerade aus, als ob ihr sterben wollt. Und Medizinfläschchen sieht man auch nicht. Vielleicht können wir was Gutes zum Futtern bringen?«

Die Frage schlug wie ein Hammer auf die Köpfe. War – das – nicht – die – Heimat? Was sollte man antworten? Schnell über die Frage hinweg, rasch. Alle sperrten die Mäuler auf. Aber der Oberleutnant war der Erste, der eine Entgegnung fand:

»Es sind verssschiedene Lleiden. Fffolgen von Typhus, Rrrheu–ma–tismus usw.«, log er.

»Ich habe«, sagte ten Hoven, »ein kleines, aber hartnäckiges Nierenleiden. Das habe ich mir während der Friedhofsarbeit im strengen Winter 15/16 zugezogen.«

»Friedhofsarbeit«, erzählte ten Hoven rasch, »war nicht so ohne. Damals in Omsk. Im Jahre 1916. Zweitausend Mann kampierten im Schlachthaus. Drei Pritschen übereinander. Nur auf hohen Leitern erreichbar. Stickige Luft. Fenster nicht zu öffnen, weil die Pritschen davorgebaut waren. In der obersten Pritsche Treibhausluft, so daß man nur nackt schlafen konnte. Der Schweiß sickerte nur so aus dem Fell. Die Läuse mußten schwimmen, kriechen konnten sie nicht mehr. Typhus brach aus. Täglich fünfzehn Mann ins Spital. Auf Schlitten. Totengräber nötig. Wer noch nicht krank war, mußte ohne Pelz, ohne Mantel früh im Friedhof Gräber schaufeln. Der Boden war steinhart, mußte abgestemmt werden. Bei jedem Schlag spritzte die Erde, so hart wie Stein. Täglich biß man sich nur wenige Handbreiten in den Boden. Alle zehn Minuten ablösen lassen, sonst wären die Beine abgefroren, und eine Viertelstunde lang hin und her rennen, die Arme um sich schlagen: so daß das Blut wieder rollte. Niedere Schlitten fuhren vorbei. Sie kamen aus dem Spital und hatten eine Leinwand darauf. Ein Toter. Immerzu fuhren Schlitten. Die Glöckchen am Hals der Pferde läuteten. In der Leichenhalle wurden die Toten aufgestapelt. Die Letzten lagen immer der Tür am nächsten. Übereinander wurden sie geschichtet. Wie Gefrierfleisch. Waren ja auch so hart. Die Leiter mußte angestellt werden, um die neue ›Ware‹ auf die alte zu packen. Da guckte ein Bein heraus, dort ein Kopf. Und wenn man anpackte, so kalt wie Eis. War ein Grab fertig, so wurde es angefüllt bis obenan. Mit Toten in weißen Leinentüchern. Man sparte den Sarg. Sparsam war man, sehr sparsam. War eine Grube voll, dann kam ein Kosak, sprang auf die Leichname und trat auf ihnen herum, als wenn ein Knecht Fuder zusammentritt, um Raum zu gewinnen.«

»Und Geräusche gab das«, fuhr ten Hoven fort, »als wenn man ... ja, als wenn man ... Kohlblätter schnell aneinanderriebe.«

Ja nicht die Frager zur Besinnung kommen lassen!

Es schnatterte ringsum.

»Bei mir ist's eine kleine Lungenentzündung«, sagte Klein, »so ein kleines, nettes Lungenschüßchen hatte ich aus dem Feld mitgebracht. Nachher mußte ich Säcke schleppen. Da hat das Gewebe einen Knacks bekommen. Es ist nicht schlimm. Wir sind doch nicht so zimperlich. Wir können noch was vertragen.«

Das hatte er so nebenbei herausgebracht, so schmissig, von oben herab. Der Glaube an seine Männlichkeit saß heute tief in ihm. Auf die Schwarze dahinten, die so traurig dreinsah, auf die hatte er es abgesehen.

Was sollten die albernen Sachen, die hastigen, gedrückten Antworten? Die Landsleute wunderten sich, wunderten sich sehr. Nachdem der erste Rederausch aus den Mäulern mit der Kraft des Sturzbachs herausgeschossen war, standen die Jerusalemer stumm da.

Was wohl die gepflegten jungen Damen, dachte Schünemann, für Vorstellungen haben mögen, wie wir gelebt haben? Jahrelang gelebt haben? Und was wohl die gepflegten jungen Damen, deren Stunden ein einziges Versorgtsein waren, denken, wie wir uns benahmen, als die Tore einmal sperrangelweit aufgerissen waren? Die gepflegten jungen Damen würden das alles nicht verstehen, nicht innerst begreifen. Das war eine andere Welt. Man hatte es hier aber mit einer Tatsache zu tun, die sich nicht zu verstecken brauchte. Warum auch? Etwa darum, weil Vorurteil die Tatsache nicht als Tatsache hinnahm? War die Frage, die hier soeben gestellt war, nicht die gleiche, die in der Heimat tausendmal jedem Einzelnen auf Schritt und Tritt gestellt werden würde? War das nicht die Frage, die Sühne verlangte für etwas, das nicht gesühnt werden konnte, weil es, übermächtig entstanden, nicht schuldhaft war? War das nicht die Frage, die zwischen der Sehnsucht, heimzukommen, und der Sehnsucht stand, dem zu entgehen, was die Heimat an Gewissensqualen bereit hielt? Die einfache Frage: »Was habt ihr?« Eine Frage, vielschneidig, und doch eine Frage, die, sollten nicht hundert andere ebenso schmerzende Fragen aus ihr herauswachsen, nur eine Antwort heischte: die Wahrheit. Eine Prüfung war es, eine Übung.

Schünemann sah die verlegenen Gesichter, spürte das drückende Schweigen, empfand die gemachte Harmlosigkeit.

Und er sagte es.

 

22.

»Sone Dddumheit, son Quatsch zu ssagen vvvor den Fffrau-en, als ob dddas nötig gewesen wwwäre. Wwwir hätten dda auch nnoch allerlei erwischen kkön-nen, Essen und Gggeld. Ssso sind ssie aber gleich abgehhhauen. Mmmenschenskinder, die hhatten ddie Nnna-se voll. Iiich kkkann euch nur sagen: Iiich mmache, was ich wwwill von nun an, ddda sssoll' mer kkeiner mmehr kkkom-men.«

An die Niederlagen, nur an die Niederlagen dachte der Oberleutnant, an die Niederlagen, die ihm Schünemann und die andern beigebracht hatten. Zuerst nahmen sie ihm den Geldschrank, die Freiheit, tausend Möglichkeiten. Dann vergriff man sich an seinem Whisky. Immer war er der Geblaumeierte. Dann stellten sie ihm beim Spiel ein Bein. Nicht genug. Mit allen Schikanen holten sie ihm die Dollars aus der Tasche. Ein schönes Stück Geld, verdammt. Dafür, daß er es auf Schünemanns Betreiben dem Arzt auf den Tisch haute, mußte er sich nachher noch von der Meute Lügner, Schwindler, Gauner und wer weiß was nennen lassen. Man hetzte ihm die Verlierer auf den Hals. Er kam auch darüber hinweg. Er schüttelte das Fell, und da tropften die Gemeinheiten, die sich bei ihm nicht wohlfühlten, wie Schlamm herunter. Er war wieder rein. Er war wieder er. Noch einmal hatte er frohe und freie Stunden gefühlt. San-Franzisko war aufgetaucht. Golden hatte der Himmel gestrahlt. Man war froh gewesen, daß man sich mit Landsleuten, die auch etwas gesehen hatten von der Welt, wieder einmal ruhig unterhalten konnte. Er war richtig aufgetaut. Die Sache hatte doch auch etwas eingebracht. Da war Schünemann gekommen.

War denn das überhaupt möglich? Vor Damen hatte er es gesagt, ungeniert gesagt, ohne Not gesagt.

Der Oberleutnant zitterte.

Graue Blässe lag auf den Backen. Die Knochen schienen durch die dünne Haut zu schimmern. Erregte Worte murmelnd, schlug er mit der Reitpeitsche auf die Reling. Das Stöckchen wickelte sich um die Eisenstäbe. Der Oberleutnant zog zurück, riß den Schaft vom Leder und warf ihn ins Meer.

Er nahm sich vor, jetzt überhaupt keine Rücksicht zu nehmen. Was hatte er davon gehabt, daß er stets einlenkte? Undank war ihm verschwenderisch versetzt worden, Hohn hatte er einstecken müssen. Verfolgt, verhöhnt, geschlagen hatte man ihn.

Nun war es aus, ganz aus. Die Erfahrungen auf der Jerusalem hatten ihn gelehrt: Durch! Nicht nach rechts, nicht nach links, nicht nach vorn, nicht nach hinten blicken: durch! Tun, was ihm beliebte. Das war das einzige, das frei und rein erstrahlte: tun, was ich will; tun, was mir Freude macht! Alles andere war Humbug. Er mußte eigentlich dankbar sein, daß die letzten Jahre der Gefangenschaft und dann die Erlebnisse auf dem Schiff ihn so gewandelt hatten, daß er sich jetzt sagte: durch!

Man konnte heute brüllen: Oberleutnant, äh – soviel man wollte. Schnuppe würde ihm das sein, höchst gleichgültig. Frei, vor aller Welt, würde er tun, was ihm beliebte. War er denn Sklave seiner Kameraden? Sklave des guten Tons? Sklave, Sklave, immer wieder Sklave? Was hätten ihm die San-Franziskoer Verbindungen in Deutschland noch nützen können? Verdorben.

Er ging zu denen, von denen er wußte, sie hatten gewonnen. Denen zeigte er, wo der Feind stand. Da oben in der Kabine stand er. Schünemann und der Weißkittel von Arzt und noch ein paar Mitläufer. Wer weiß, was die in Hamburg noch anstellten? Ob sie es nicht gar noch in die Zeltungen bringen würden?

»Wer gggeht mit nach Pana-ma?«

Da hoben sich die Köpfe. In die Stadt hätte man sich nicht allein gewagt. Wie vom Schiff herunterkommen? Der Oberleutnant verstand so etwas. Panama konnte man sich ruhig einmal ansehen. Die Gelegenheit würde nie wiederkommen. Abgemacht. Wenn sie das ein paar Monate früher gewußt hätten: Verbündete vom Oberleutnant!

»Ich kann euch sagen«, sprach ten Hoven, und auf seinen vollen, geschwungenen Lippen brannten Flammen, »ich will froh sein, wenn ich von diesem Kasten herunter bin.«

»Wenn wir nun schon einmal Unglück gehabt haben«, zürnte Manteufel, »dann braucht man es doch nicht jedem auf die Nase zu binden. Und gerade den Deutschamerikanern! Was sollen denn die von uns denken? Die müssen uns für Hottentotten halten!«

»Es ist toll« rief Kunowski.

Erdmannsdörfer sog an seiner Zigarre und sagte nichts. Warum die Aufregung?

 

23.

Die in Kraterform geschnittene Wand mexikanischer Küstenberge lief über das leuchtend blaue Meer. Ein Kreuzer schaukelte gen San Franzisko. Am Horizont, den Bergen gegenüber, wuchs ein breiter, leuchtender Segler heraus. Er sah aus wie ein riesiger Schmetterlingsflügel, auf den blitzenden Wasserspiegel gestellt.

Der Steuermann sah die friedlichen Bilder nicht, obwohl er in sie hineinstarrte. Er sah anderes, und das war nicht so freundlich. In ihm ward das lebendig, was der Aufenthalt in San Franzisko überdeckt hatte. Daß er mit seinen Trupps immer auf einen Schiffsposten gestoßen war, als er gleich hinter San Franzisko die Gewinner einzeln stellen wollte, trieb ihm die Scham in die Stirn. So weit war er schon gesunken. Räuber war er geworden. Er lächelte schmerzlich. Der Wind griff in das Haar und wirbelte Strähnen hoch. Räuber? Hatte man nicht ihm das Geld geraubt? Die Leidenschaft hatte es an sich gerissen. Die Leidenschaft. Und die Leidenschaft würde es zurückholen. Er hing an dem Geld. Es war das Beste seiner Gefangenschaft. Wenn es jetzt mit der Brieftasche in die See fiele, er würde hinterher springen, wie ein Hund in den Fluß stürzt, hinter dem Stück Holz her, das der Herr hineingeworfen hat. Er mußte sein Geld wiederhaben. Er konnte darauf nicht verzichten.

»Was wird denn nun?« Der Kesselschmied, der mit dem Briefträger und Müller den Steuermann gesucht hatte, sprach es ungeduldig. »Jede Stunde ist kostbar. Durch das Ins-Meer-Starren wird es nicht besser. Wir sind bald in Panama.«

»Urlaub wird es sicher geben«, betonte Müller.

»Und wenn es keinen gibt, nehmen die Brüder sich welchen.« Der Briefträger war sehr besorgt.

»Und das Schönste: wir werden noch bewacht«, erboste sich der Kesselschmied. »Guckt doch mal dahin, wie gemütlich da ein Posten über das Deck marschiert.«

»Das ist doch früher nicht gewesen.«

»Früher war das nicht«

»Elend an die Amerikaner verraten!«

»Wenn der Schünemann nur nicht so machtlos wäre«, grollte der Steuermann.

»Der kann nur sein Blättchen voll schreiben«, trumpfte Müller auf. »Die Zeitung ist auch danach.«

»Laßt doch sein«, besänftigte der Briefträger, »Schünemann ist doch der Schlechteste nicht.«

»Gefreut habe ich mich doch«, lachte der Kesselschmied, »daß er dem Gauner von Oberleutnant das Geschäft in San Franzisko vermasselt hat.«

»Da haben wir auch den Schaden gehabt«, wendete Müller ein.

»Was hätten wir denn noch erwischt?« erregte sich der Briefträger. »Das meiste hätte doch wieder der Oberleutnant geschnappt.«

»Er hatte schon alle Kisten und Kästen voll«, spottete Müller. »Der Bursche hat sich dazugehalten. Bücher hat er gekriegt, Schinken hat er gekriegt, Kakao hat er gekriegt Und Geld? Ich möchte nicht wissen, wieviel Geld er eingesteckt hat. Was haben wir bekommen? Die paar Kleinigkeiten zählen nicht. Ich habe nichts bekommen.«

»Ich auch nicht.«

»Ich auch nicht.«

»Denkt ihr vielleicht ich?«

»Das glaube ich, der kann in Panama Lebeschönchen machen.«

»Für unser Geld.«

»Für unser Geld.«

»Nein, nicht für unser Geld.« Der Steuermann schrie es. Die andern horchten auf. Endlich? Dann steckten sie die Köpfe zusammen.

 

24.

Die Luft war heiß und dick. Blei floß in ihr. Kein Wind strich kühlend über die Gesichter. Die fast in Scheitelhöhe stehende Sonne warf die kurzen Schatten der schmalen Palmblätter auf den üppigen Grasteppich. Hier lagen sie wie kurze Dolche. Bäume, so dünn und hoch wie steil gerichtete Giraffenhälse, mit winzigen, in Sonnenform strahlenden Kronen, reckten sich empor. Der mit Früchten schwer behangene Papayabaum seufzte unter seiner Last.

Neger, Spanier, Mexikaner und Amerikaner: Lebendig gewordene Farbflecke, blieben stehen und betrachteten neugierig den Trupp Weißer, die, obwohl verschieden angezogen, sich durch die Uniformreste, die zwischen den Kleidern lugten, als die schäbigen Reste des Weltkriegs, nicht gut genug für ein Massengrab, verrieten. Man hatte es bald heraus, daß es german soldiers waren, und ein mitleidiges Grinsen flog über die Gesichter. O, die huns, die kannten sie gut, sehr gut aus den Zeitungen, und die Zeitungen kündeten die Tatsache, daß die germans nicht würdig waren, einem Gentleman die Hand zu reichen. Sie haben Kinder abgeschlachtet und auf die Helmspitzen gespießt. Ein Schwarzer entblößte die Perlenreihe seiner Zähne und wunderte sich, daß die schwächlichen huns soviel Kraft haben. Kinder auf die Helmspitzen spießen, das war doch schon etwas.

Der Trupp tappte in der Glut schläfrig dahin. Fremde Erde brannte unter den Sohlen. Wie im Traum sahen sie die von lichter Glut umlohten Dinge vorbeigleiten. Aus den Bilderbüchern auferstandene Negerjungen, mit Badehöschen angetan. Dann ältere Bengels mit kurzer gelber Hose und dunkelblauer Jacke. Dickes, krauses Wollhaar quoll unter dem breiten Strohhut hervor. Kleine barfußgehende, buntgekleidete Mädchen. Fette Negerfrauen mit blauer Schürze und rotgewürfeltem Kleid, Gazeglocken mit Gebäck und Körbe auf dem Kopfe tragend.

Kleine Pferde liefen vorbei und trugen mit Fischen dichtgefüllte Taschen an beiden Seiten des Sattels. Hoch in den flimmernden Lüften zog ein Vogel mit spitzen Flügeln und langem gabelförmigen Schwanz weite, schwingende Kreise. Schwarz war das Gefieder und schwarz der Schnabel, blendendweiß leuchtete die Weste: ein schwimmender weißer Fleck in bläulich dunkelnder Umrahmung.

Ein Dampferruf dröhnte vom Hafen her.

 

25.

Wortlos gingen sie einen schmalen Weg jenseits von Panama. Dann bogen sie in die von winkligen Straßen zerrissene Stadt ein. Die aus Holz gebauten, nicht sehr hohen Häuser waren sauber und wohnlich. Sie hatten überhängende Dächer, unter denen sich in Mittellinie breite Veranden hinzogen. Bis auf den Fußweg reichende Balken und Pfeiler stützten sie. Reiter jagten vorbei. Wagen holperten. Eine in Weiß gekleidete, schlanke Negerin flocht unter der Veranda vor der Tür an einem Hut. Vor dem nach der Straße gehenden Schiebefenster einer Bäckerei standen olivengelbe Männer und kauften ein.

Ohne Ziel tappten die Jerusalemer durch die fremde Stadt. Vor einem großen Sandsteingebäude stutzten sie. Das nationale Theater. Sie gingen an Häusern vorbei, die auf meterhohen Holzfüßen thronten und an denen sich kleine Treppen festhielten. Ob unter diesen erhöhten Häusern wohl der Wind hindurchstreichen soll, oder ob sich die Bewohner vor Schlangen schützen wollen, ging es dem Oberleutnant dumpf durch den Schädel. Endlich stießen sie in einer gepflegten Straße auf ein großes Eckhaus. Von dessen Veranda fiel ein breiter Schattengürtel herab. Der verhieß Kühlung. Die Cantina la Plata de José Penag.

Laue Kühle empfing sie wie halbwarmer Regen. Aber nur im ersten Augenblick. Dann wurde es schwül. Dicke Luft hatte sich an die Wände gehängt. Man atmete schwer, und es war, als rinne trockner, heißer Sand durch die Kehle.

Manteufel fragte nach Kokosnußmilch. Lachen antwortete aus der dunkeln Ecke. »That's a dry fellow!« Amerikanische Soldaten in der Khakiuniform mit dem Whiskyglas vor sich. Der Oberleutnant war im Zweifel, ob hier Alkoholverbot war. Und wenn auch, die Gesetze waren dazu da, daß sie umgangen wurden.

Der Wirt, ein junger Spanier mit blendend weißen Hemdärmeln und erdgrauen, wundersam polierten Knopfschuhen, brachte die frisch geteilte Nuß. In den Halbkugeln schimmerte trübes Wasser. Gierig schlürfte Manteufel es hinter. Durstig war er noch immer. Er drehte sich um und sah auf dem Tisch köstliche Annanasfrüchte aufgetürmt liegen. Von denen mußte er haben.

Der Oberleutnant war dem Umsinken nahe. Die Hitze hatte das Gesicht heidelbeerblau gefärbt. Aus ten Hoven preßten die Gluten, die er eben durchschritten hatte, Wasser wie aus einem nassen Sack. Kunowski sah stumpf drein. Erdmannsdörfer aber schob das tropfende Fleisch saftiger Früchte in den mahlenden Mund.

Der Oberleutnant ließ den Blick stolz über seine Getreuen schweifen. Er kam sich jetzt wie ein richtiger Oberleutnant vor. Denn es war eine ganze Schar, die sich beim Ausbruch an seine Fersen geheftet hatte. Er hatte mit dem zweiten Schiffsoffizier, dem Wachtoffizier, unter vier Augen gesprochen. Der hatte erst nicht gewollt und daran erinnert, daß der Kapitän in San Franzisko streng befohlen hatte, darüber zu wachen, daß kein Gefangener das Schiff verließ. Der Deutschamerikaner wegen. Da hätte die Jerusalem vielleicht allein nach Hamburg fahren können.

Jetzt aber sind wir in Panama-Stadt, hatte der Oberleutnant entgegnet, Deutschamerikaner so gut wie keine. Der Wachtoffizier hatte immer noch gezögert. Da hatte ihm der Oberleutnant zugeflüstert: von Urlaub könne gar keine Rede sein. Es genüge, wenn zur fraglichen Stunde einmal, so mir nichts dir nichts, keine Posten an den Schiffstreppen ständen. Die Geldscheine hatten geknistert. Allright.

Der Oberleutnant war mit dem Ergebnis zufrieden. Er hatte nachher von denen, die mitwollten, eingesammelt War er verpflichtet, das Geld allein aufzubringen? Wer sich vergnügen wollte, sollte zahlen. War nicht mehr als recht und billig. Es hatten sich viele herangedrängt. Alle, die etwas in der Tasche hatten, die Schäker, die im Spiel gewonnen, hatten nach Freiheit gedürstet und gern ein Scherflein bezahlt. Es war sogar noch etwas für ihn übrig geblieben. Recht so. Alle hatten sich um ihn geschart. Ungläubig hatten sie ihn angeklotzt »Oberleutnant, kriegstes wirklich fertig?« Der Oberleutnant hatte die Frager mit verachtungsvollem, zugleich zärtlichem Blick gestreift »Wwwenn ich's nnicht sschaf-fe, Mmmenschenskinder, auf mmich könnt ihr euch verllass-sen.«

Und der Oberleutnant hatte sie unversehrt hinabgeführt Es waren so viele gewesen, die vom Schiff huschten, daß er sie in drei Trupps teilen mußte. Der größte Trupp war mit ihm gegangen, ein zweiter mit dem Kantor. Im dritten waren Klein und Kröger gewesen. Das war ein Paar, mit dem er nicht gern etwas zu tun hatte. Klein ein Abtrünniger. Und Kröger?

Der Oberleutnant hob das Glas. Der kühle Trunk löschte den Brand im feurigen Schlund. Mit schmatzendem Wohlbehagen wischte der rote Lappen der Zunge die letzten Tropfen, die wie Perlen an den ausgedörrten Lippen hingen, gewandt in den Mund. Der Oberleutnant war mit sich zufrieden. Fein hatte er das gemacht, fein.

Als die kaffeebraunen Neger, deren Haut wie gewichst glänzte, auf der Flucht vor den Fußtritten der weißen Aufseher in den Schiffsbauch gekrochen waren, um die Kohlen, die sich in eisernen Kübeln hinabsenkten, auszuladen, und die Jerusalemer dieses Geschäft mit Aufmerksamkeit betrachtet hatten, war für den Oberleutnant die Zeit zum Handeln gekommen. Sie hatten so getan, als müßten sie an der Kohlenstation arbeiten. Der Oberleutnant hatte, mit dem Blick den Wachtstand des Offiziers durchbohrend, mit verstümmelten Sätzen nach Instruktionen geangelt, die Achseln gezuckt, als Stillschweigen ihm antwortete, und gestottert, zu der Arbeitskolonne gewendet: »Dddann mmüssen mer sso gehn.« Und sie waren gegangen. Dicken Triumph im Bauch.

Der Oberleutnant hob das Glas.

Genugtuung durchströmte ihn. Hatte er nicht wieder bewiesen, daß er noch tat, was er wollte? Die Gesellschaft hatte ihn genug gepiesackt. Noch bis zuletzt O, wie die Zurückgebliebenen sich gefuchst hatten. Er sah noch jetzt Schünemann. Der hatte ihm wie entgeistert nachgestarrt. Seine Wut war weichste Salbe auf der mißhandelten Seele des Oberleutnants. Und er hatte den Kesselschmied gesehen. Der hätte ihn am liebsten zwischen die Schraubstöcke seiner Finger genommen. Und dann der Steuermann.

Der Oberleutnant ertränkte die Erinnerung an das Bild rasch in der Flüssigkeit, die er wie im Fieber hinabgoß. Verdammt, das war ja Limonade. Das war immer noch das fade Zeug von vorhin. Whisky her! Er schrie, so daß der Spanier, der auf dem runden Tisch vor dem Ausschank saß und die Beine mit den erdgrauen, wundersam polierten Schuhen im Takt schlenkerte, wie eine Figur im Puppentheater, dem Draht gehorchend, erschreckt aufsprang.

»Oberleutnant, du bist wohl verrückt«, grollte es neben ihm. Die Schläfrigen, die mit langen Gesichtern an den Tischen hockten, hoben erstaunt die Schädel. Was wollte der Oberleutnant? Wurde er wahnsinnig? Brach der Irrsinn aus? Ganz richtig war er schon immer nicht gewesen. Was er jetzt für Grimassen zog?

Der Oberleutnant achtete der Zurufe nicht. Die Erinnerung an den Ausbruch hatte ihn gepackt, ja. Als er unten war und die Jerusalem mit einem letzten Blick umspannte, waren lauter Köpfe auf die Reling gesetzt. In denen flackerten heiße Lichter. Beinahe wie die Kerzen in den Totenkopfkürbissen, die er sich als Junge oft geschnitzt hatte. Die Rümpfe aber, so schien es, waren wie halbleere Säcke gegen das Geländer gelegt. Der Oberleutnant glaubte, daß hier auch das Gesicht des Steuermanns dabei war.

Der Steuermann, der Steuermann, immer mußte er an ihn denken. Der Oberleutnant fühlte mit dem Mann Mitleid. War eigentlich immer anständig gewesen. Er hatte gute Geschäfte mit ihm in Wladiwostok gemacht Der Oberleutnant schlug mit der Faust wirsch in die Luft. Wenn er diesem einen entgegenkam, würde sich die ganze Meute der Verlierer auf ihn stürzen. Nein, das ging nicht Warum auch? War er nicht im Recht? War nicht alles rechtmäßig zugegangen? Ha, er würde sich selbst ins Unrecht setzen, wenn er nachgab. Das wäre noch schöner. Schließlich konnte er sich den Fall immer noch überlegen.

Der Oberleutnant schüttete den Whisky hinunter. Die andern schütteten auch.

 

26.

Hatten sie es denn nicht gewußt, hatten sie es denn nicht immer gesagt: die Bande verließ das Schiff. Alle hatten es gesehen. Dennoch sagte es einer dem andern.

Der Steuermann ging hin zum Kesselschmied und flüsterte: »Sie sind vom Schiff runter.«

Der Steuermann ging zum Briefträger: »Sie sind vom Schiff runter.«

Der Steuermann ging zu Müller: »Sie sind vom Schiff runter.«

Zu allen ging der Steuermann, und allen verkündete er, mit unheimlich toter und flüsternder Stimme: »Sie sind vom Schiff runter.«

Dann meckerte er wie ein Kind, von dem die Mutter fortgeht:

»Ich will mit, ich will mit.«

»Hör' doch auf, Steuermann, hör doch auf!« Der Kesselschmied packte ihn an. Der Steuermann aber schlug um sich, entwand sich den Armen und kroch hinter einen Strickhaufen. Vorsichtig spähte er nach den andern. Ob sie ihn sehen würden? Sie würden ihn schlagen, wenn sie ihn entdeckten. Er wartete, wartete, spähte. Das graue, vergrämte Gesicht war weinerlich verzerrt. Die Augen, tief in die Höhlen gesunken, schienen sich nicht mehr bewegen zu können. Die Pupille war weit aufgerissen und ins Leere gerichtet Am Spitzbart hing der Schnee der Sorge.

Der Steuermann huschte hinter dem Strickhaufen hervor, sah sich scheu um, schwang sich auf die Reling, griff nach einem der Taue, die die Jerusalem an die Erde banden und an denen sie nervös zerrte, ließ sich fallen, so daß sich der Strick straff spannte, und glitt behend hinab.

Durch die Glut des Tags kroch der Steuermann mehr als er ging. Angst schnürte ihn ein. Wie ein Hündchen, das den Herrn verloren hat, kreiste er mit vorgestrecktem Kopf und der traurig in die Stirn hängenden Mähne. Vor den vielen fremden Leuten in den bunten Kleidern fürchtete er sich. Die großen schwarzen Männer sahen ihn alle so bös an. Sie fletschten die Zähne. Dem Steuermann füllten Tränen den Blick. Wo sollte er die finden, die er suchte, zu denen er gehörte? Er kreiste und kreiste, starrte auf die Erde, als wären die Fußtapfen abgezeichnet. Angstschweiß sickerte. Im Gehirn wurde es dumpfer und dumpfer.

Er spitzte die Ohren. Aufmerksamkeit spannte die Mienen. Stimmen? Der Oberleutnant? Mit einem gellenden Aufschrei der Freude stürzte der Steuermann ins Haus.

 

27.

Der Oberleutnant sprang entsetzt auf. Er schaukelte auf hohen Whiskywogen. Das aber sah er noch, daß das der Steuermann war. Die andern johlten. Noch einer hinzugekommen. Das sollte eine tolle Nacht werden.

War das wirklich der Steuermann? Der Oberleutnant tastete mit unsicherer Hand dem Angekommenen über den Schädel, klopfte ihm auf die Schulter. Der Steuermann hielt merkwürdig still. Er lachte und war glücklich.

Er hat auch einen in der Krone, dachte der Oberleutnant. Gut so, da war alles in Ordnung. Mußte doch noch Geld haben, der Strick. Der Verlust war vielleicht gar nicht so schlimm. Immerhin, eine Szene hätte er ihm dennoch vorführen können. Der Bursche sah aber ganz manierlich aus. War ganz zufrieden. Hat sich auch nie so unanständig wie die andern benommen. Obwohl er mächtig wütend war. Konnte ihm auch keiner verdenken. Geld ist Geld. Morgen wollte er mit dem Steuermann die Sache einmal bereden. Ein Sümmchen würde er ihm in die Hand drücken. Nur Maul halten. Gut, daß er gekommen war. Da konnte man bei einem Glas Whisky Freundschaft schließen.

»Whisky für den Steuermann!«

Ängstlich ließ der Steuermann das Getränk vor sich stehen. Er war nicht sicher, ob er wirklich trinken sollte. Vielleicht würde man ihn dann schlagen. Aber die Männer da, zu denen er gehörte, waren alle recht nett. Da nahm er das Glas, nippte, kostete und trank gierig.

Die Scheu fiel.

»So ist's recht, Steuermann. Immer zu!«

Der Steuermann trank und trank. Dann sang er. Das hörte sich an wie das Krähen eines Kindes, dem man eine Baßstimme eingesetzt hat

Der Oberleutnant breitete segnend die Hände über den Sänger, der immer lauter quakte, und richtete sich mühsam auf, torkelte hinter den Steuermann und schlug ihm im Takt mit der flachen Hand auf den Kopf. Und verkündete: daß der Steuermann so schön quake, weil er ihm auf den Kopf tippe. Im Schädel wäre eine Stimme. Auf die müßte man schlagen, wie auf ein Jahrmarktsspielzeug.

Die Hände tappten auf den Kopf. Die Stimme quakte. Alle brüllten. Es war so, wie der Oberleutnant gesagt hatte. Wie bei einem Jahrmarktsspielzeug.

Die schlanken Oberleutnantshände fielen auf den Kopf wie auf eine Tastatur und drückten den ganzen Steuermann vom Stuhl. Der purzelte herunter wie ein Stück Holz.

Der Oberleutnant verlor den Halt und fiel auch.

Der Spanier kam gemächlich vom Ausschank her. Schon wieder Tote? Zwei? Nein, nur einer, wie es schien.

 

28.

Die Folge war ein Protokoll.

Bei einem blieb es nicht. Der Oberleutnant setzte auch eins auf, eins mit fünfzehn Unterschriften, in dem er bewies, daß alles mit richtigen Dingen zugegangen war. Der Steuermann starb friedlich unter seinen Händen. Der Oberleutnant wollte nicht bestreiten, daß sie alle in gehobener Stimmung waren. Die schloß eine Auseinandersetzung mit dem Steuermann von vornherein aus. Im Gegenteil, der Steuermann war lustig und fröhlicher Laune. Einen besseren Tod hätte er sich nicht wünschen können.

Der Oberleutnant faltete das Protokoll sorgfältig zusammen.

»Oberleutnant, reg dich nicht auf«, ermunterte Manteufel.

»Das hat keinen Zweck«, meinte ten Hoven. Er war ehrlich um den Oberleutnant besorgt.

Kunowski suchte die Angelegenheit juristisch zu werten: »Der Oberleutnant hat den Steuermann zwar auf den Kopf geschlagen, aber ...«

»Pst, pst, pst, nicht so laut«, ermahnte Erdmannsdörfer.

»Wenn das einer hört« tadelte Manteufel. »Auf den Kopf geschlagen. Unsinn war doch das. Unter der Trommelei stirbt keine Fliege.«

»Der Arzt«, erinnerte ten Hoven, »hat eindeutig festgestellt, daß ein Gehirnschlag eingetreten ist. Also!«

»Können wir dafür, daß der verrückt gewordene Steuermann noch trank??« grollte Kunowski, »lassen wir die Sache auf sich beruhen. Und Oberleutnant, Kopf hoch!«

Der Oberleutnant aber war gedrückt Der Bart brauchte dem Angriff des Rasiermessers nicht zu weichen. Die Gamaschen waren beiseite gestellt; denn der innere Frieden fehlte, den es wiederzuspiegeln galt. Schließlich, einer war doch in seiner Gegenwart ums Leben gekommen. Das war peinlich. Vielleicht noch Scherereien in der Heimat.

Der Oberleutnant war in den Tagen nach dem Vorfall kaum aufs Deck gegangen. Was sollte er jetzt da oben? Überhaupt: was war die ganze Aufregung wert? Jede frohe Laune wurde mit einem Schlag belohnt Konnte man denn aber ruhig bleiben? Die Heimat schob sich wie eine graue Insel in seine Gedanken. Konnte man angesichts dessen, was einen erwartete, gemütlich wie ein Weltenbummler im Korbsessel sitzen und die Pfeife rauchen? Er kam als ein anderer nach Hause. Die daheim würden wahrscheinlich die Augen weit aufreißen, wenn er alles sagte. Und mußte er das nicht? Kampf und Untergang. Wenn schon, dann wollte er fröhlich mit singendem Blut untergehen.

Er strich sich mit der Hand über den gelichteten Schädel. Warum fuhr er denn überhaupt nach Hause? Warum blieb er nicht hier in Panama? Oder warum stieg er nicht in einem andern Hafen aus? Erfahrungen standen ihm genug zur Seite. Er würde sich durchschmeißen, daran zweifelte er nicht. Aber nein, nein! Er würde sich festkrallen, wollte man ihn gewaltsam vom Schiff reißen. Wenn das Schiff weiterführe und er würde am Ufer stehen, würde er hinfallen, das wußte er. Nach Hause mußte er kommen.

Der Oberleutnant sprang auf und stieg rasch aufs Deck. Um andere Gedanken einzufangen. Tief sog er die warme Luft ein. Da sah er sich plötzlich eingekreist. Ein Trupp Wutverzerrter hatte ihn gefangen genommen. Dicht vor ihm stand der Kesselschmied.

»Mörder«, knirschte er, »nicht genug, daß du uns ausgebeutelt hast. Du hast auch den Steuermann geschlachtet«.

Der Oberleutnant hatte, er überlegte es sich schnell, oft genug den Richter in sich sprechen lassen. Wohl hatte der die Anklage nicht scharf formuliert, immerhin, er hatte geraunt: da ist vielleicht etwas nicht ganz in Ordnung. Nun kamen aber die Leute, denen gegenüber er sich nichts vorzuwerfen hatte, höchstens, daß er gescheiter war als sie, stürmten auf ihn ein und überschütteten ihn mit Angriffen. Da packte ihn Trotz und Zorn. Und das vernichtete den Rest der Selbstvorwürfe. Sollte er ewig verfolgt werden? Und warum? Früher hatte er immer klein beigegeben und die Widersacher zu überreden versucht. Das fiel ihm jetzt nicht mehr ein. Der Oberleutnant straffte sich und schrie, sie sollten den Weg freigeben, sonst ... Er hob die Faust.

»Ihr wwollt mmich erpppressen, kkeinen Cent!«

Die andern wichen zurück, die Sprache war ungewohnt, schlossen aber den Kreis gleich wieder. Was wollte der Bursche? Hatte er den Steuermann nicht in Wahnsinn und Tod getrieben? Sie nicht beraubt? Nun noch dieser Ton? Brachte der Mann nicht Unruhe in das ganze Schiff? Hatte er nicht immer das Gleichmaß der Tage gestört? Peitschte er nicht immer die Leidenschaften auf? Nur um Geld, Geld, Geld zu gewinnen.

Was die Kameraden in langen Jahren mühselig gesammelt hatten, das trug er in seiner Brieftasche umher, und das trug er zu den Weibern. Pfui Deibel!

Das wogte und brandete. Die Verlierer waren eins geworden. Jeder entzündete sich am andern. Eine Flamme der Entrüstung lohte empor. Unten im Schiff lag der Steuermann im Segeltuch und wartete, bis die Jerusalem auf hoher See war. Dieser stille Mann, über den jetzt dick, fett und schwer die Ratten krochen, klagte den Mörder an. Und der war noch frech. Gemurmel stieg hoch. Alle Reue, alle Selbstvorwürfe kamen zusammen. Jetzt mußte gehandelt werden.

Der Kesselschmied taumelte vor und stürzte sich auf den Oberleutnant. Als der unter der Übermacht zusammenzubrechen drohte, eilten die Seinen herbei.

 

29.

»Ich sehe keinen Ausweg«, sagte Schünemann und durchmaß mißmutig die Kabine.

»Und die ›Fliegende Seeschlange?‹« warf der Arzt zögernd ein.

»Ach, die Zeitung. Wenn die noch helfen könnte. Wir sind unrettbar in zwei Lager geteilt. Sehen Sie doch, wie feindselig die Leute aneinander vorbeigehen. Die sind nicht mehr zusammenzubringen. Die sind auseinander. Das wird eine schöne Überfahrt geben. Ein schöner Empfang daheim! Wenn die sehen, wie einig wir sind. Blutgeruch schwebt über der Jerusalem.«

»Wenn das noch das Einzige wäre! Aber die Qualen für die Einzelnen beginnen ja erst. Leid wird entstehen. Not wird aus der Wiedersehensfreude wachsen. So oder so. Wir gehorchen der Freude, der Pflicht, die unabweisbar zur Qual führt, und steuern die Jerusalem heim. Wir müssen der Freude gehorchen, wir müssen die Qual, die unverschuldete, wollen. Ist das nicht zum Wahnsinnigwerden? Wie oft haben wir schon darüber gesprochen, Schünemann.«

»Ich sehe keinen Ausweg. Und doch müssen wir aufheben, was uns vor den Füßen liegt. Nicht wahr?«

Schünemann schritt auf und ab. »Wie wäre es« sagte er leichthin, »wenn wir einen Schachwettbewerb veranstalten?«

»Das kann man tun«, sagte der Arzt gleichgültig.

 

30.

Es war ein Fehlschlag. Die Leute schoben die Bretter zurück. Sie standen nur zwischen den Freunden. Aber auch die machten nicht mit. Was sollten die Kinkerlitzchen? Nur ganz wenige Paare rangen um den Sieg. Der Kampf war matt.


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