Friedrich Schiller
Geschichte des Abfalls der vereinigten Niederlande
Friedrich Schiller

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Andere Eingriffe in die Constitution der Niederlande.

Kein Wunder, daß ein so unnatürliches Gericht, das selbst dem duldsameren Geiste der Spanier unerträglich gewesen war, einen Freistaat empörte. Aber den Schrecken, den es einflößte, vermehrte die spanische Kriegsmacht, die auch nach wiederhergestelltem Frieden beibehalten wurde und, der Reichsconstitution zuwider, die Grenzstädte anfüllte. Karln dem Fünften hatte man diese Einführung fremder Armeen vergeben, weil man ihre Notwendigkeit einsah und mehr auf seine guten Gesinnungen baute. Jetzt erblickte man in diesen Truppen nur die fürchterlichen Zurüstungen der Unterdrückung und die Werkzeuge einer verhaßten Hierarchie. Eine ansehnliche Reiterei, von Eingebogen errichtet, war zum Schutze des Landes hinreichend und machte diese Ausländer entbehrlich. Die Zügellosigkeit und Raubsucht dieser Spanier, die noch große Rückstände zu fordern hatten und sich auf Unkosten des Bürgers bezahlt machten, vollendeten die Erbitterung des Volks und brachten den gemeinen Mann zur Verzweiflung. Als nachher das allgemeine Murren die Regierung bewog, sie von den Grenzen zusammenzuziehen und in die seeländischen Inseln zu verlegen, wo die Schiffe zu ihrer Abfahrt ausgerüstet wurden, ging ihre Vermessenheit so weit, daß die Einwohner aufhörten, an den Dämmen zu arbeiten, und ihr Vaterland lieber dem Meer überlassen wollten, als länger von dem viehischen Muthwillen dieser rasenden Bande leiden.Allgem. Gesch. der verein. Niederl. III. Bd. 21. Buch. S. 23 u. s. f.

Sehr gerne hätte Philipp diese Spanier im Lande behalten, um durch sie seinen Edikten mehr Kraft zu geben und die Neuerungen zu unterstützen, die er in der niederländischen Verfassung zu machen gesonnen war. Sie waren ihm gleichsam die Gewährsmänner der allgemeinen Ruhe und eine Kette, an der er die Nation gefangen hielt. Deßwegen ließ er nichts unversucht, dem anhaltenden Zudringen der Reichsstände auszuweichen, welche diese Spanier entfernt wissen wollten, und erschöpfte bei dieser Gelegenheit alle Hilfsmittel der Chikane und Ueberredung. Bald fürchtet er einen plötzlichen Ueberfall Frankreichs, das, von wüthenden Faktionen zerrissen, sich gegen einen einheimischen Feind kaum behaupten kann; bald sollen sie seinen Sohn Don Carlos an der Grenze in Empfang nehmen, den er nie Willens war aus Castilien zu lassen. Ihre Unterhaltung soll der Nation nicht zur Last fallen, er selbst will aus seiner eignen Schatulle alle Kosten davon bestreiten. Um sie mit desto besserm Scheine da zu behalten, hielt er ihnen mit Fleiß ihren rückständigen Sold zurück, da er sie doch sonst den einheimischen Truppen, die er völlig befriedigte, gewiß würde vorgezogen haben. Die Furcht der Nation einzuschläfern und den allgemeinen Unwillen zu versöhnen, bot er den beiden Lieblingen des Volks, dem Prinzen von Oranien und dem Grafen von Egmont, den Oberbefehl über diese Truppen an; beide aber schlugen seinen Antrag aus, mit der edelmüthigen Erklärung, daß sie sich nie entschließen würden, gegen die Gesetze des Landes zu dienen. Je mehr Begierde der König blicken ließ, seine Spanier im Lande zu lassen, desto hartnäckiger bestunden die Staaten auf ihrer Entfernung. In dem darauf folgenden Reichstag zu Gent mußte er mitten im Kreis seiner Höflinge eine republikanische Wahrheit hören. »Wozu fremde Hände zu unserm Schutze?« sagte ihm der Syndikus von Gent. »Etwa, damit uns die übrige Welt für zu leichtsinnig oder gar für zu blödsinnig halte, uns selbst zu vertheidigen? Warum haben wir Frieden geschlossen, wenn uns die Lasten des Kriegs auch im Frieden drücken? Im Kriege schärfte die Notwendigkeit unsere Geduld, in der Ruhe unterliegen wir seinen Leiden. Oder werden wir diese ausgelassene Bande in Ordnung halten, da deine eigene Gegenwart nicht so viel vermocht hat? Hier stehen deine Unterthanen aus Cambray und Antwerpen und schreien über Gewalt. Thionville und Marienburg liegen wüste, und darum hast du uns doch nicht Frieden gegeben, daß unsere Städte zu Einöden werden, wie sie nothwendig werden müssen, wenn du sie nicht von diesen Zerstörern erlösest? Vielleicht willst du dich gegen einen Ueberfall unserer Nachbarn verwahren? Diese Vorsicht ist weise, aber das Gerücht ihrer Rüstung wird lange Zeit ihren Waffen voraneilen. Warum mit schweren Kosten Fremdlinge miethen, die ein Land nicht schonen werden, das sie morgen wieder verlassen müssen? Noch stehen tapfere Niederländer zu deinen Diensten, denen dein Vater in weit stürmischeren Zeiten die Republik anvertraute. Warum willst du jetzt ihre Treue bezweifeln, die sie so viele Jahrhunderte lang deinen Vorfahren unverletzt gehalten haben? Sollten sie nicht vermögend sein, den Krieg so lange hinzuhalten, bis deine Bundsgenossen unter ihre Fahnen eilen, oder du selbst aus der Nachbarschaft Hilfe sendest?« Diese Sprache war dem König zu neu und ihre Wahrheit zu einleuchtend, als daß er sie sogleich hätte beantworten können. »Ich bin auch ein Ausländer!« rief er endlich, »will man nicht lieber gar mich selbst aus dem Lande jagen?« Zugleich stieg er vom Throne und verließ die Versammlung, aber dem Sprecher war seine Kühnheit vergeben. Zwei Tage darauf ließ er den Ständen die Erklärung thun: wenn er früher gewußt hätte, daß diese Truppen ihnen zur Last fielen, so würde er schon Anstalt gemacht haben, sie gleich selbst mit nach Spanien zu nehmen. Jetzt wäre dieses freilich zu spät, weil sie unbezahlt nicht abreisen würden; doch verspreche er ihnen auf das heiligste, daß diese Last sie nicht über vier Monde mehr drücken sollte. Nichts desto weniger blieben diese Truppen statt dieser vier Monate noch achtzehn im Lande und würden es vielleicht noch später verlassen haben, wenn das Bedürfniß des Reichs sie in einer andern Weltgegend nicht nöthiger gemacht hätte.Burgund. L. I. p. 38. 39. 40. Reidan. L. I. p. 4. Mederen I. Th. 1. Buch. 47.

Die gewalttätige Einführung Fremder in die wichtigsten Aemter des Landes veranlaßte neue Klagen gegen die Regierung. Von allen Vorrechten der Provinzen war keines den Spaniern so anstößig, als dieses, welches Fremdlinge von Bedienungen ausschließt, und keines hatten sie eifriger zu untergraben gesucht.Reidan. L. I. p. 1. Italien, beide Indien und alle Provinzen dieser ungeheuren Monarchie waren ihrer Habsucht und ihrem Ehrgeiz geöffnet; nur von der reichsten unter allen schloß sie ein unerbittliches Grundgesetz aus. Man überzeugte den Monarchen, daß die königliche Gewalt in diesen Ländern nie würde befestigt werden können, so lange sie sich nicht fremder Werkzeuge dazu bedienen dürfte. Schon der Bischof von Arras, ein Burgunder von Geburt, war den Flamändern widerrechtlich aufgedrungen worden, und jetzt sollte auch der Graf von Feria, ein Castilianer, Sitz und Stimme im Staatsrath erhalten. Aber diese Unternehmung fand einen herzhaftern Widerstand, als die Schmeichler des Königs ihn hatten erwarten lassen, und seine despotische Allmacht scheiterte diesmal an den Künsten Wilhelms von Oranien und der Festigkeit der Staaten.Grot. Annal. L. I. p. 13.


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