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Ist frisch das Naß
Und süffig g'nug:
Mir schmeckt's »im Glas«,
Mir schmeckt's »im Krug«.
Doch merkt euch fein,
Ich trinke schier
Am Rhein nur Wein,
In Baiern – Bier.
Der Wein zeugt Glut,
Das Bier schafft Kraft:
Hoch Traubenblut!
Hoch Gerstensaft!
Und nun bringt her
Krug oder Glas:
Ich sag' nichts mehr –
Ich komm' euch was!
Ich gab dir, mein Lieb, den Abschiedskuß –
In die Ferne mußte ich wandern;
Doch da wieder heim ich lenkte den Fuß,
Du hattest längst einen Andern!
Doch magst, du Arge, dein falsches Herz
Manch' neuem Buhlen noch schenken:
Ich bleibe treu meinem heiligen Schmerz,
Will ewig dein gedenken!
Ich pflanzt' in die Erde ein Röselein fein,
D'ran duften und hangen und prangen
Die jungen Knospen im Purpurschein,
So hold wie deine Wangen!
Doch ach, nicht lang' zu dem Rosenstrauch
Mocht' ich voll Andacht wallen;
Vor meiner Seufzer glühendem Hauch
Alle Blüten welken und fallen!
Dann hab' ich gepflanzt ein Vergißmeinnicht –
War blau wie deine Augen –
D'raus sollt' meine Seele fromm und schlicht
Das Deingedenken saugen;
Doch da meine Thränen ungehemmt
D'rauf flossen in der Stille,
Das Blümlein wurde hinweggeschwemmt
Von all der Salzflut Fülle!
Nun senkt' eine Rebe ich in den Grund,
Die trug so süße Trauben:
An einen Kuß von deinem Mund
Macht' mich ihr Balsam glauben!
Den Weinstock pflegte ich Jahr um Jahr,
In tiefstem Gram versunken,
Und hab' an seinem Safte klar
Mir das Gedächtnis getrunken.
Ich habe getrunken Tag und Nacht,
Ob golden der Becher, ob zinnern,
Ich habe erneuert mit Macht, mit Macht
Das schmerzlich süße Erinnern!
Bald drücke ich sanft, bald stürmisch wild
An seine – meine Lippen,
Im Grunde des Bechers lächelt dein Bild,
Das thät' ich zu mir nippen!
Und winkt mir der Tod einst mit ernstem Gruß,
Deß magst du tragen Reue:
Ich aber beim Glas noch im letzten Kuß
Besiegle dir meine Treue!
»So soll man denn um Mitternacht
Verschmachten grad' vorm Kruge?!
He, holla! Wirtshaus, aufgemacht,
Gefahr ist im Verzuge!
Mir will der Gaumen kleben
Vor grimmer Durstespein,
D'rum schänkt mir eine Kanne ein:
Es gilt ein Menschenleben,
Und
meines obendrein!«
Der Wirt, das feiste Murmeltier,
Steckt seine Nas' an's Fenster:
»Das Faß ist leer; hier giebt's kein Bier
Zur Stunde der Gespenster!
Der Spättrunk ist ein Laster,
Das merk' dir, Fiedler, du;
Und giebt dein lautes Maul nicht Ruh',
Schmiert dir mein Bursch' ein Pflaster!« –
Klirr! fliegt das Fenster zu.
Deß hegt der Spielmann bitter'n Haß:
»Erbarmungsloser Schänke,
Todsünde ist's, dem Fiedler baß
Zu weigern das Getränke!
Wohl kenn' ich Wort und Wesen
Von manchem Zauberspruch
Aus Nostradamus dunklem Buch;
Doch dir sei auserlesen
Des Magiers schwerster Fluch!
Du sollst mir büßen allermeist,
Wie je kein Schlauch noch büßte:
Denn hetzen soll der böse Geist
Dich mitten in die Wüste;
Dort magst Du stöhnend wälzen
Durchs ganze Lybierland
Den Wanst im glüh'nden Sonnenbrand,
Bis dir das Fett thät' schmelzen
Und tropfen in den Sand!
Sein Feuer zünd' in deinem Schlund
Der grimme Höllenfürste
Und bann' in
deiner Kehle Grund
All' ird'schen Spielmannsdürste;
Auch reif' dir keine Nahrung
Ringsher im öden Raum,
Als nur am fernsten Wüstensaum
Ein einsam salz'ger Harung
Auf einem Dattelbaum!
So sollst du schmachten Jahr um Jahr
Samt deiner ganzen Sippe,
Samt Kellnertroß und Bräuknechtsschar,
Mit lechzend dürrer Lippe;
Doch deine schnöde Zunge,
Die mir das Urteil sprach,
Die trage dir zu Gram und Schmach
Der jüngste Küferjunge
Als Schleppe hinten nach!« – –
Ihr Wirte, folgt der heil'gen Pflicht,
Und laßt die Mähr' euch frommen:
Schließt allzufrüh das Hausthor nicht –
's könnt' noch ein Spielmann kommen!
Gemahn's euch des Verbannten;
Der spukt nun staubumhüllt,
Bis daß im weiten Weltgefild'
Dem
letzten Musikanten
Sein letzter Durst gestillt!
»Herein nur, du fahrender Gesell,
Thu' deinen Gaumen netzen;
Du hast eine Stimme frisch und hell –
Dein Lied soll uns ergötzen!«
Im Chore ruft's der Gäste Schar;
Es reicht der Wirt, der kluge,
Dem Sänger den vollen Becher dar,
Der leert ihn mit
einem Zuge;
Und zieht gar kraus die Lippen dann
Nachdem er ausgetrunken,
Und stimmt eine seltsame Weise an –
Gleich hundert heiseren Unken;
Bald tönt's wie ein mönchisch Requiem,
Bald klingt's wie Sterbeächzen – –
Sind's Katzen, jammernd in der Klemm'?
Sind's Raben, die da krächzen?!
Es fliehen die Hörer allzumal –
Die Finger in den Ohren;
»Mit deinem schaurigen Grabchoral
Laß' du uns ungeschoren!« –
Die Stirne runzelt wild der Wirt:
»Mußt' ich den Trunk dir reichen
(– Und schlägt den Tisch, daß der Becher klirrt –),
Die Gäste mir zu scheuchen?! –«
Der Sänger aber gelassen spricht:
»Klingt heut' mein Lied nicht reine,
So liegt das an meiner Stimme nicht,
Das liegt an deinem Weine!
Du hast mit dem Rebensaft gegeizt,
D'rum ist's der Lauf der Dinge,
Daß mir die Gurgel wund gebeizt
Von deinem Säuerlinge!
Sehnt sich die Kehle nach Honigseim
Und du beut'st schnöden Essig,
Da werden sauer auch Ton und Reim
Und klingen scharf und gehässig.
Soll wonnig dir meines Sanges Gold
Zu Ohr und Herzen dringen:
Mußt du mir meinen Spielmannssold
In gleicher Münze bringen!
Ade! Deine Schalkheit hast du gebüßt,
Nun sünd'ge so nicht wieder;
Und merk' dir's: Wie man den Sänger grüßt,
So danken seine Lieder!«
He, Mond-Wirt, alter Mischewein,
Ich bin kein Hetzer und Ketzer,
Doch was du uns heute schänktest ein,
Ist schlimmer als Höllenkrätzer!
Wohl glaub' ich, daß des Wassers Kraft
Die
Taufe offenbare:
Doch ist kein Heide der Rebensaft,
Du bist kein Missionare!
Wohl weiß ich, es sei des Christen Pflicht,
Den Glauben allwegs zu lehren,
Doch soll man den »Rüdesheimer« nicht
Zum Christentum bekehren! – –
Jüngst sucht ich vergebens den Herrn Curat
In Studiensaal und Söller:
Er hielt ein Rigorosum grad
Im kühlen Klosterkeller.
Er prüfte gar emsig das edle Naß;
Ich half ihm treulich proben,
Und mußte dabei jed' neues Faß
Mehr als das vorige loben.
Es floß manch Tropfen stark und mild,
Und feurig – bei Ja und Amen! –
An jedem Spund ein zierlich Schild
Verkündete Art und Namen;
Zeigt' auch genau des Wachstums Jahr,
Den Ursprung aller Sorten,
Das war eine Weinkart' wunderbar –
Find't sich nicht allerorten!
Doch da ich aus
deiner heut bestellt
Eine Marke nach der andern,
So mein' ich, in der verkehrten Welt
Gradwegs herumzuwandern:
Denn sag' mir, Schänke, wenn dir's bewußt,
Du arger Zapf-Philister:
Wie kommt der Pfaffe zur Weinkart' just
Und du zum – Tauf-Register?!
So bin ich unlöslich denn deinem Bann
Verfallen, tückischer Schänke?!
So mußtest verraten du jedermann,
Was je mir an Stoff durch die Kehle rann
Von deinem schnöden Getränke?!
Daß ich just an die siebenzehn Jahr
Der sauren weit mehr als der süßen
Tropfen vom Rheine, von Mosel und Ahr
Dir schuldig bin blieben ehrlich und bar:
Die Treue läßt hart du mich büßen!
Kein Mahnbrief hätt' mir den Zorn geschürt
Was schiert mich solch eitles Geschreibe?!
Doch du hast die Mahnung ungerührt
Mit lesbaren Lettern mir tättowiert
Auf meinem lebendigem Leibe;
Hast alle Wirts- und Menschenpflicht
In deinem Herzen ertötet,
Da du die Zeche, ruchloser Wicht,
Im Stillen mir angekreidet nicht –
Nein, offen hast angerötet!
Der Rheinweinkelch – dein Rechenstift,
Dein Kerbholz – meine Nase,
Drauf steht mit purpurglühender Schrift
Jedwede Flasche von deinem Gift
Notiert, samt jeglichem Glase!
Dort hast du Gauch meine Schuld gebucht
In unverlöschlichen Zeichen;
Und wie ich gestöhnt und wie ich geflucht:
Vergebens, ach, hab' ich versucht
Dies Konto auszu … bleichen!
Ob droben am Himmel die Sonne lacht,
Sich dreht die Welt im Dunkeln:
Die Ziffern dort strahlen in heller Pracht;
Je dichter der Nebel, je tiefer die Nacht,
Je mehr sie leuchten und funkeln! –
Und muß denn der Schelmstreich ertragen sein,
So trag' ich ihn mit Gedulden!
Wir leiden am Ende gleiche Pein:
Mich kränkt deiner Runen höllischer Schein,
Dich drücken … meine Schulden;
Dich drückt die Sorge, daß nimmer verblaßt
Der Rechnung Rubinenleuchten;
So bleib' ich dir treu – dein ewiger Gast,
Denn ewig mußt' ohne Ruh und Rast
Du das lebige Kerbholz befeuchten!
Warnte mich die Maid vor'm Becher:
Gift nur sei der Saft der Reben! –
Vor den Dirnen warnt der Zecher,
Die das Gift in Küssen geben!
Und es regt' die Doppel-Warnung
Mir des Herzens banges Klopfen!
Gram der tötlichen Umgarnung,
Schwur ich ab der Traube Tropfen;
Schwur ich schaudernd ab nicht minder
All das wundersüße Nippen
Von der holden Himmelskinder
Schwellend heißen Purpurlippen! –
Doch des Darbens überdrüssig
Bald, verwünscht' ich nun mein Leben,
War bereit, gefaßt und schlüssig,
Selber mir den Tod zu geben –
Wollte selbst gewaltsam lösen
Mich vom Druck der Daseins-Kette!
Rasch zu enden, nahm die bösen
Gifte beid' ich um die Wette;
Küßt' und trank, und trank und küßte
Ohne Zeitmaß und Bezirkung:
Wollte sterben – und vermißte
Gänzlich, ach, der Gifte Wirkung!
Auf den Grund zu meinem Leide
Thät mich tiefste Forschung führen:
Gegengifte sind's, die beide
Wechselnd sich paralysieren!
So dem Tod nun stets mit frischer
Kraft weih' ich mich unvergänglich:
Trink' und küss' – ein Giftemischer –
Selbstmord übend lebenslänglich!
Ein trinkhaftes Lehrgedicht.
Bekanntlich ißt und trinkt man heut
Bei jeder größeren Festlichkeit;
Und für das erstere zumal
Entwirft sich unschwer – teils frugal,
Teils üppiger, teils ganz aparte –
Von Fall zu Fall die Speisekarte.
Dagegen bleibt man tief versunken
In Zweifeln oft: was wird getrunken?!
Zunächst in Anbetracht des Weines,
Gilt dieser stets als etwas Feines;
Doch sind der Gäste allzuviel,
Dann ist's damit kein Kinderspiel!
Indem der Durst sich stets vermehrt,
Die Flaschen aber – umgekehrt.
Nun bleibt noch allerdings das Bier
Als Auskunftsmittel dort und hier;
Indeß so sehr von Malz und Hopfen
Der Deutsche ehrt 'nen guten Tropfen,
Sitzt »stilvoll« er im Schanklokal:
So sehr erscheint es ihm fatal,
Wenn man das Bier bei »höheren« Festen –
Besonders gar
befrackten Gästen –
Zur Stillung ihres Dursts versetzt
– Bis auf »ein Echtes« ganz zuletzt. –
In solchem Flüssigkeits-Dilemme
Zog man sich endlich aus der Klemme
Durch die zum allgemeinen Wohle
Erfundene sogenannte »Bowle«. –
Erscheint für irgend eine Feier
Der Weingenuß zu hoch und teuer
Und zu entwürdigend das Bier,
Nimmt seine Zuflucht man zu ihr,
Und wandelt gern in diesem Nasse
Die gute gold'ne Mittelstraße,
Darin mit Lust sich auch bezecht
Sogar das schönere Geschlecht. – – – – –
So dachte auch im Stillen sich
Der Kalkulator Jeserich,
Als ihn ein Jubiläums-Drang
Zum größeren Gabelfrühstück zwang;
Doch fordert die »
noblesse oblige«
Daß er bereite das Gemisch
Heut aus den allerbesten Stoffen;
Denn täuscht nicht gänzlich ihn sein Hoffen,
So fügt sich's wohl, daß der Herr Rat
Mit der »Gehaltserhöhung« naht,
Und bei
dem Mann erkor zum Sitze
Das Urteil sich – die Zungenspitze! –
Zu seiner Gattin äußert drum
Herr Jeserich: »An Fluidum
»Besorge doch, sobald es heller,
»Sechs Flaschen Rheinwein aus dem Keller;
»Es hilft dies heute nichts, mein Kind,
»Trotzdem's die letzten leider sind!
»In einem Porzellangefäße
»Von der verhältnißmäßigen Größe
»Setz'st du den Wein zur Bowle an
»Und mischest emsig ihn sodann
»Mit den zwei ›Heidsieck Monopolen‹,
»Die gestern ich bereits ließ holen;
»Und daß darin auch schwimmt etwas,
»Nimm Pfirsich oder Ananas,
»Zerschneide sie zu mäßigen Scheiben
»Und laß dem Trank sie einverleiben!«
Drauf kehrt der Gattin er den Rücken,
Sich für den Ehrentag zu schmücken. –
Nun war des Kalkulators Frau
Ein Biederweib, doch sehr … genau!
Sie denkt: »Den teuren Rüdesheimer
»Vertrinkt man doch nicht so per Eimer;
»Und überdies, solch' edler Wein
»Ist ja zum Mischen viel zu fein!
»Nimm dir die Kellerschlüssel, Rosel;
»Sechs Flaschen von dem ›Königsmosel‹,
»Der ungesiegelt daliegt, hole –
»Und gieß' ihn gleich hier in die Bowle!« –
Als Rosel drauf die Kellertreppen
Beginnt den Stoff heraufzuschleppen,
Begegnet sie, wie öfter sich
Dies trifft, dem Hausknecht Friederich;
Der fragt sofort mit süßem Blick:
»Na, Roseken, mein Himmelsjlick,
»Wat haben Sie denn in die Körbe?!« –
»»Jott, helfen Sie mir doch – ick sterbe! –
»»Des Zeig's is ja janz ochsig schwer …!
»»Bei uns jeht's doll heit oben her – –
»»Des kommt hier in die Bowle 'rein –!««
»I wo, so'n pieker Moselwein?!«
Erwidert Friedrich: »Des wär' schade!
»Det scheint for
uns mir so was jrade!
»Vorjestern war een Kunde nämlich
»Von meine Herrschaft so bockdämlich,
»Mir, eh' ick konnt' was Böses denken,
»Sechs Pullen Aeppelwein zu schenken;
»Beseht man den sich nu jenauer
»Bei Lichte, is er eklig sauer!
»Drum Roseken, mein Herzplaisier,
»Den füllen wir janz heimlich hier
»Nu fix auf Ihre Moselflaschen – –
»Als »Bowle« hat er sich jewaschen,
»Da merkt man ja im Jrunde nischt,
»Weil sich des allens doch vermischt;
»Wojejen
uns als feiner Soff
»Denn bleibt der höhere Moselstoff!« – – –
In Friedrichs Kammer nebenan
Gewinnt Gestalt der schwarze Plan,
Und »
Château Borsdorf« wandert so
Als »Mosel« fort inkognito. – – –
Inzwischen zu Frau Jeserichs Harm
Naht sich bereits der Gäste Schwarm
Und sie bemerkt mit tiefem Weh,
Daß sie noch stark im Negligee.
Da ruft in ihres Herzens Bangen
Zu Hilfe sie sich Tante Langen,
Sie bittend, daß zum Frühstückstische
Dieselbe flugs die Bowle mische.
»Die Rosel soll zur Halle laufen
»Und etwa zehn Stück Pfirsich kaufen;
»Dort steht der Sekt, hier ist der Wein,
»Die Früchte schneidest du hinein …«
Frau Gertrud Lange drauf geschwind
Schiebt sie zur Thür: »So geh' doch, Kind –
»Das werd' ich alles ja schon machen!«
Still fährt sie fort: »Na, solche Sachen!
»So dick sitzt's Jeserichs doch nicht …
»Hier sparsam sein, ist Freundschaftspflicht!
»Vor allem: mit solch' seltenen Früchten
»Aas't doch der kluge Mensch mit nichten!
»Ich nehme etwas statt der Pfirsich,
»Daß jeder denken soll, er irr' sich –
»Denn ähnlich schmeckt der Selleriesaft
»Der Ananas ganz fabelhaft,
»Mein sel'ger Lange braute nie
»Die Bowlen als mit Sellerie!«
Drauf spricht zu Roseln Frau Gertraude:
»Du, lang' mir 'mal die Selleriestaude
»Und schneide scheibig sie recht schön – –
»Es muß so aus wie Pfirsich sehn!«
Von Tanten wird indes der Sekt
An einen kühlen Ort gesteckt;
»Den können sie noch Jahre haben,
»Um schluckweis' sich daran zu laben!
»Hier mitten drin in dem Geplänsch
»Spürt selbst der raffiniert'ste Mensch
»Beim besten Willen nichts Genaueres.
»Es giebt ja noch viel Kohlensaueres – –
»Zum Beispiel hier das Selterwasser
»Schäumt grade so und ist weit nasser:
»Nun schnell noch etwas Syrup schließlich,
»Der macht sowohl die Mischung süßlich,
»Als auch, was ja das Mannsvolk liebt,
»Er ihr die dunkle Färbung giebt!
»Nun umgerührt und aufgetragen – –
»Das ist was für den schwächsten Magen!«
– – – – – – – – – – – – – – –
Im Zimmer lauscht der Gäste Schaar
Dem
Rat, der auf den Jubilar
Die tiefempfundene Rede hält …
Da wird die »Bowle« hingestellt;
Der Rat bemerkt's und nickt: Ah so,
Die kommt mir grade
à propos – –
Denn er begann bereits zu stocken,
Weil ihm die Kehle samumtrocken;
Man reicht ihm hinterrücks den Saft,
Und er fährt fort mit frischer Kraft:
»In diesem Sinn ergreife ich
»Das Glas: Hoch unser Jeserich!«
Und schlürft das Fluidum ohne Zaudern …
Doch, ha! welch' nie geahntes Schaudern?!
Welch' Schnappen, Schlingen, Würgen, Schlucken?!
Welch' Röcheln, Prusten, Kratzen, Spucken?!
Ein Blick den Kalkulator trifft,
Worin das Wort sich spiegelt: Gift!
Dann sieht man, wie's im Magen wühlt –
Worauf der Rat sich stumm empfiehlt;
Es treibt ihn fort mit Allgewalt,
Noch eh' des Jubilars Gehalt
Im Allerhöchsten Auftrag er
Erhöht – nebst Titel-Zubehör! – – –
Entsetzensstarr steht Jeserich,
Die Gattin wirft in Ohnmacht sich,
Den Gästen sträubt sich wild das Haar –
Die Tante selbst ist fassungsbar …
Doch unten auf des Hauses Flur
Der Rat kämpft wider die Natur,
Man hört ihn unter Magenkneifen
Nach einer Droschke krampfhaft pfeifen;
Er seufzt, als er hinein sich schleppt:
»Von dieser Bowle das Rezept
»Laß ich dem Kerl, dem vertrackten,
»Einheften in die Führungsakten«« – – – –
Hieraus, o Mensch, die Lehre zieh':
Die Bowle brau' zu billig nie.
Auch setze – selber ist der Mann! –
Sie lieber stets persönlich an;
Denn ob die Farbe auch besticht,
Was manchmal drin ist, weiß man nicht!
Eine Bier-Nänie.
Wie kommen die
Fliegen in das Bier?!
He, Bursche? das ist die dritte schier –
Eine junge nebst zwei alten!
Ich hab' aus dem schäumend wilden Gischt
Mit blutendem Herzen herausgefischt
Die Leichen, die starren, kalten!
Und stehst du, Mörder, noch lächelnd da?! –
Wie solch ein ruchloses Werk geschah,
Ich will es der Welt bekunden:
Seit dieser tötlich dunkle Stoff
Dem Hahne des Fasses
frisch enttroff,
Ist sicher manch' Tag entschwunden;
Nun stand es im Maßkrug hier herum,
Die Fliegen umkreisten's mit Gesumm,
Die lernten es gründlich kennen
Durch jedes grollenden Gastes Mund,
Dem biß das Gerinnsel die Lippen wund
Und macht' ihm die Kehle brennen.
Die alten Fliegen mit weiser Scheu,
Die bleiben fern so wüstem Gebräu,
Die meiden solch Getränke;
Die haben in bitterm Spott und Hohn
Getauft dein Wirtshaus seit lange schon
»Zur lust'gen Arsenik-Schenke!«
Die
junge nur, ob oft gewarnt,
Die hat der Versucher alsbald umgarnt,
Trotz ihrer tausend Augen:
Die ließ sich locken vom falschen Gedüft,
Die thät aus deinem verruchten Gift
Sich ihr Verderben saugen!
Und als das Elternpaar, o Not!
Den einzigen Sprößling erblickte tot
In dieser Höllen-Träuflung,
Da haben ihr Dasein sie selbst verkürzt:
Kopfüber sich in den Krug gestürzt
Vor Jammer und Verzweiflung!
So les' ich's in Flammenzügen grell
Was hier, du finsterer Mordgesell,
Hast grausam angestiftet:
Ein Fliegenhaus in Trauer versenkt –
Der Vater versoffen, die Mutter ertränkt,
Das zarte Kind vergiftet!
Mich aber möchtest du mit Bedacht
Verleiten, daß ich in ew'ge Nacht
Die Opfer solle bergen?!
Weh' dir, du meuchlerischer Kumpan,
Wie werden im letzten Stündlein dir nah'n
Des Schuldbewußtseins Schergen!
Und »drunten« vor'm »peinlichen Biergericht«,
Wie wird das Urteil, du arger Wicht,
Dir durch die Seele zucken,
Das lautet: In heißester Schwefelglut
Für Ewigkeit so schändlichen Sud
Ohn' Unterlaß zu schlucken! – – – –
Ihr weidlichen Schänken Mann für Mann
Ein Beispiel mögt ihr euch nehmen d'ran,
Die Lehre euch lassen nützen;
Ist schaal und ständig der Gerstensaft,
Sollt nimmer künstliche Jugendkraft
Ihr heuchelnd ein ihm spritzen!
Das Bier soll rinnen vom Zapfen
frisch!
Und wer seinen Gästen beut ein Gemisch
Von gestern und ehegestern,
Den steche hier des Gewissens Dorn,
Den treffe jenseits Gambrini Zorn –
Denn das heißt ihn verlästern!!
»War einst von Moses Stamm ein Mann,
Auf dessen Haupt den schwersten Bann
Die Racheengel luden;
Man heißt, dieweil er nicht sterben kann,
Ihn nur den »ewigen Juden«;
Dem blieb versagt der Sühne Huld,
Er muß für seine Sündenschuld
Trotz Heulen und Haarausraufen,
Von Seelenqual und Ungeduld
Gehetzt, die Welt durchlaufen.
Doch
ich, unseliges Gebräu
Stillseufzend forsche stets auf's neu',
Was
ich so schwer gesündigt,
Daß mir mein Wirt sonder Scham und Scheu
Das nämliche Urteil verkündigt?!
Von Malz und Hopfen ein blond Gemisch,
Hat eines Abends man froh und frisch
Im Keller mich angestochen;
Ich hüpfte in's Freie mit munterm Gezisch – –
Sind heut just drittehalb Wochen.
Doch, ach, bald ging mein Unstern auf – –
Zwei Tage kaum währte mein Lebenslauf
Und allenfalls was drüber:
Das heitre Geschäum ward zum Angstgeschnauf,
Die Stimmung ward trüber und trüber!
Schon war ich des langen Pilgerns satt;
Doch daß es
nimmer ein Ende hat,
Sagt' mir mein düsteres Ahnen:
Ich fühlte mich bald so schwach und matt,
Konnt' laufen kaum aus dem Hahnen!
Und sah mich aus dem heimischen Faß
Der durstgemutetste Zecher baß
So träg' und schläfrig hinken,
Voll Schauder schob er beiseit sein Glas – – –
Es wollte kein Mensch mich trinken!
Indeß der Schänke, verschmitzt und fein,
Verlängert mir listig des Daseins Pein:
Er füllt zu ewigen Qualen
Mich oben beim Spundloch wieder ein
Zu ungezählten Malen!
So rinn' ich, schon ein paar Wochen jetzt:
Und hab ich mich kurze Zeit gesetzt,
Erschlafft von Hast und Hitze:
Der böse Wirt mich weiter hetzt
Mit seiner Folter-Spritze!
Vom Geist verlassen, an Phlegma schwer,
Muß wandern und wandern ich hin und her,
Es läßt kein Retter sich spüren:
So bin ich der alte Ahasver
Geworden unter den Bieren!
Gambrinus, heiliger Schutzpatron,
Dir sprach der schurkische Schänke Hohn,
Aus rosigen Träumen erwache:
Erteil' ihm du seines Frevels Lohn,
Schaff' du mir endlich Rache!
Dafür, daß lebenswierigen Mord
An mir er verübte fort und fort,
Laß zahlen ihn die Zeche,
Und wandl' ihn durch dein Herrscherwort
Zu einem Klümpchen Peche;
Zum »Bierfisch« wandl' ihn zornentflammt
Kraft deinem göttlichen Richteramt,
Gieb, daß mit Groll und Grimmen
Er bis zum jüngsten Tag verdammt,
In mir herumzuschwimmen!
Auch fein zu singen nach der Melodie: »Es steht ein Wirtshaus an der Lahn.«
War einst ein Brauer zu Bernau,
So dick als lang, so frumm als schlau:
Der braut' aus Malz und Hopfen
Zu Sankt Gambrini Ehr' und Ruhm
Gar einen feinen Tropfen!
Zu Ohren kam auch dem Prokop
Desselb'gen Gerstensaftes Lob;
Flugs kriegt er d'rauf ein Dürsten –
Es wässert sein Hussiten-Maul
Ganz ohne Maß dem Fürsten.
Da er nun heiß des Trunks begehrt,
So zog er sein zweischneidig Schwert:
»Nun rüstet flink, ihr Haufen;
Bernau,
joch hossko hawadey!
Zu Grund will ich dich – trinken!«
So kam er vor die gute Stadt,
Die drob kein großes Freuen hat;
Doch schwur man auf der Stelle:
Wie's kommen mag, wir lassen ihn
Nicht über uns're Schwelle! – –
Zum Brauer aber nächtens baß
Trat listig grinsend Satanas:
»Soll zwischen Ein und Zwölfen
Mir deine Seel' verfallen sein,
Will aus der Not ich helfen!« –
Hei, denkt der Brauer, altes Haus,
Nur zu, ich zieh' mich schon heraus!:
»Schmier', Teufel, deine Sohlen;
Ist nur die Heimatstadt befreit,
Magst du um Zwölf mich holen!« –
Und Beelzebub, ein Haupt-Adept,
Giebt flugs dem Brauer ein Rezept,
Drin flimmert es von Quecke
Und Quassienholz und Glyzerin
Und anderm Teufelsdrecke!
Und der Gesell' braut draus ein Bier,
Davor ihm schaudert selber schier;
Das schickt man ohn Entgelte
Als Willekumm und Sühnetrunk
In des Prokopen Zelte.
Doch der thät kaum den ersten Schluck,
Da hat er mehr schon als genug:
Im Leibe mocht' er's spüren – –
Und muß sich samt dem ganzen Heer
Flugs »rückwärts konzentrieren«!
Derweil der Brauer weislich schon
Fleht still zu seinem Schutzpatron:
»Gambrinus, laß gelingen,
Daß ich mit deiner Hilf' und Kraft
Mich rett' aus Satans Schlingen!« –
Und gießt von seinem
besten Trank
Drei Liter auf die Ofenbank,
Das gab ein Gischt und Schäumen –
Nun gilt's, den dummen Beelzebub
Gehörig hier zu »leimen«!
Noch eh' die Glocke zwölfe schlug,
Der Böse kam in wildem Flug …
»Ich weiß, weß dich gelüstet;
Sitz' nieder hier 'nen Hahnenschrei,
Bin gleich zur Fahrt gerüstet!«
Und Satan sitzt vor'm Ofenloch – –
Riß' er sich los nicht, säß' er noch!
Zwo Stunden mit Gekeife
Zerrt er herum, dann blieb zurück
Ein Stück noch von dem Schweife!
Heim schleicht er trüb zum Höllengrund!
»Was soll' ich mit dem Kerl da drunt?!
Mir scheint, es ist das beste,
Ich lass' ihn hier, sonst klebt er noch
Die Großmama mir feste!« – –
So ward gerettet einst Bernau
Durch seinen Brauer frumm und schlau. –
Wo Satan mit Gestanke
Und der Prokop den Heimweg nahm,
Da fließt noch jetzt die Panke. – –
Nur ließ der Böse uns voll Tück'
Auf Erden sein Rezept zurück:
Das fand alsbald ein Wälscher,
Der erbt's auf Kind und Kindeskind –
Sind lauter Bierverfälscher!
Doch in Bernau, gedenk des Falls,
Braut man aus Hopfen stets und Malz
'nen Stoff, der sonder Zweifel,
Und fürcht't sich im geringsten vor
Hussiten nicht und Teufel!
Und der Euch dieses Lied erdacht,
Hat dort verkneipt manch' lust'ge Nacht:
Er thut den Becher heben
Und bringt ihn allem guten Bier
Und läßt Bernau hoch leben!
Dirnen küss' ich, die üppigen und schlanken,
Nektar trink' ich, den roten und blanken:
Aber beide – Weiber und Wein –
Dürfen gefälscht mir nimmermehr sein!
Soll ich dich, Mädel, mit Lust umfangen,
Echter Purpur muß glühn auf den Wangen;
Blond oder schwarzbraun, lockig und kraus:
»Eigenes Gewächs« nur, das bitt' ich mir aus!
Soll ich das Glas zum Munde heben,
Muß ihm entströmen der Duft von
Reben;
Jeglicher Tropfen, der niederrollt:
Bacchus Herzblut und lauteres Gold!
Hüte dich, Knabe, vorm Fälschertume!
Prüfe bei Weibern und Wein die »Blume« …
Fälscht man doch heuer die »Körper« gar:
Künstliche Hüften und fremdes Haar!
Ob Wein, ob Kuß: was Gefälschtes ich trinke,
Netzt mir die Lippen mit ekler Schminke;
Rein bis zum Grunde sei Trunk und Schatz –
Künstliche Färbung schafft Bodensatz!
Nimmer der »Kunstmaid«, nimmer dem Kunstwein
Wird drum ein weiser Mann seine Gunst weih'n:
Aber die schlichtesten selbst sind ihm recht,
Wenn sie an Körper und Geist nur echt!
Folg' meinem Rate, fröhlicher Zecher:
Voll bis zum Rand den kristallenen Becher
Füll' mit dem Reinen, dem Echten, du,
Trink' ihn der Einen – der Rechten zu!
Moral für den Schänken:
Der aber, wie einer alten Kokette
Heimlich dem Wein hilft bei der Toilette,
Das ist ein Wirt nicht – ich sag' es frei:
Das ist ein schnöder Kammerlakai!
Eine satanische Reise-Ballade.
Es sitzen die Gäste in schimmernden Reih'n,
Der Kellner blickt finster und schmerzvoll d'rein;
Die Binde umschlottert so bleich den Hals,
Trüb leuchtet vom Haupt das gescheitelte Schmalz.
Den Leib im Frack, in der Seele den Tod,
Serviert er geknickt an der
table d'hôte
Ihr, die ihm geschaffen zu Lust und Pein,
Des stolzen Kommerzienrat's Töchterlein.
Kein Strahl dringt in's liebende Kellner-Herz,
Kein Taucher ergründet den tiefen Schmerz,
Kein Weltmeer löscht seines Sehnens Brand – –
Und Teller muß wechseln die zitternde Hand!
Wohl fragt er »sie«, bergend sein herbes Weh:
Ob »
Soupe jardinière«, ob »
consommé?«
Wohl preis't seine eig'ne beredt und süß
Die
fremde Zunge als Zugemüs' – –
Doch Gänge auf Gänge vorübergeh'n,
Die herrliche Maid will ihn nimmer versteh'n,
Es naht das »
Hors d'oeuvre«, es duftet der Fisch,
Sie hebt nicht das Auge empor vom Tisch.
Er schneidet den Truthahn in banger Lust,
Sie ahnt nicht den Pfeil in des Jünglings Brust;
Stumm greift sie nach »Sauer und Süß« – o Gott!
Sie rührt kein Salat, sie erwärmt kein Kompott!
Der Pudding dampft, gebräunt in der Glut,
Es schimmert die Tunke, so rot wie Blut;
Er beut ihn ihr dar, ob sein Herz auch bricht – –
Sie schüttelt die Locken, sie mag ihn nicht!
Und da er die Schüssel ihr dringender reicht,
Sie zuckt mit den blendenden Schultern leicht;
Da schwimmt ihm das Auge in Zähren heiß –
In Purpursaft schwimmt ihr Gewand so weiß!
Und zornig die Maid auf den Knaben blickt:
»Ha«, flüstert die Lippe, »wie ungeschickt!« –
Sie schnellt empor, sie wendet den Fuß,
Sie rauscht ihm vorbei ohne Wink und Gruß!
Die hohe Stirn in Falten zumal,
So folgt ihr der Rat hinaus zum Saal;
Er wirft auf die Tafel zehn Pfennig Douceur:
»Der täppische Schlingel verdient nicht mehr!«
Da flammen im Kellner Zorn und Scham,
Da nimmt er den Nickel, den nie er sonst nahm,
Da stürmt er fort in den dunklen Flur,
Da schwört er den dunkleren Racheschwur.
Der Hölle gelobt er sich hier und dort,
Und die Hölle hört sein entsetzliches Wort;
Sie segnet den Nickel ihm ein, und jach
Vermehrt sich der Nickel ihm tausendfach.
Mit selbigem Mammom, auf selbiger Stell',
Hat selbst er erbaut bald ein eig'nes Hotel;
Den Groll und den Ingrimm, die grub er in' Grund
Und nannt' es das Gasthaus »Zum Höllenschlund«.
Dort hat er die Schmach seiner Liebe gerächt,
Geahndet am ganzen Menschengeschlecht,
Dort übt er furchtbar Vergeltung noch heut',
Dort schafft er den Sterblichen Höllenleid.
Wer immer dort nächtigt, ob Mann, ob Weib,
Sie sind ihm verfallen mit Seele und Leib;
Sein Ohr bleibt der flehenden Bitte taub:
Kalt übt er den blutigen Fremdenraub!
Er hegt die Betten vom härtesten Stein,
Die wildesten Wanzen, den sauersten Wein,
Die zähesten Beefsteaks, das wärmste Bier
Und schreibt die »Nota« auf endlos Papier.
Der Gast entfaltet die Rechnung bang,
Da grinst ihm entgegen das »Logement«;
Es sträubt sich sein Haar, es wanken die Knie –
Gigantisch erdrückt ihn »Servis« und »Bougie«!
O Wanderer, der du die Straße ziehst,
Beeil' dich, daß du von hinnen fliehst;
Ob trocken dein Gaumen, der Fuß dir wund:
Vorüber husche am »Höllenschlund«.
Dem Bösen verfällt dort dein Gut und Hab' –
Dort nimmt man das letzte Metall dir ab,
Dort waltet des teuflischen Nickels Bann,
Der zieht all' die andern magnetisch an!
Wohl sinken die Städte, die Berge gar –
Das höllische Gasthaus ragt immerdar;
Des Sängers Fluch währt manche Zeit,
Des Kellners Rache in Ewigkeit.
Nun ist nach langer Winternacht
Aus tiefem Schlummer die Natur
Zu neuem Leben rings erwacht,
Nun schmücken frisch sich Wald und Flur:
Nun lösen sich die Bande auch
Der eisumstarrten Menschenbrust,
Nun regt des Lenzes Wonnehauch
In unsern Adern Wanderlust!
Um junger Blüten Nektarquell
Ein Heer von Käfern kosend schwirrt:
So – im erwachenden Hotel –
Schwirrt eifrig Kellner auch und Wirt;
Es schwirrt in gleißender Livree
Und reckt das Fühlhorn sonder Rast
Der beutewitternde Portier
Zum Angriff auf den ersten Gast.
Wie rauscht so laut von Baum und Busch
Vieltausendstimmiger Jubelschall,
Wie schmettern ihren hellsten Tusch
Rotkehlchen, Fink und Nachtigall:
So rauscht der »fremden Sprachen« Strom,
Der von des Kellners Lippen zischt,
Wenn sich sein sächsisches Idiom
Mit »Fränkisch« und »Italisch« mischt!
Hoch droben, schau, auf steiler Alm,
Tief drunt' im düstern Felsenthal
Sprießt einsam noch manch' grüner Halm,
Den netzt kein Quell, den wärmt kein Strahl:
So blüht oft einsam unter'm Dach,
Oft in des tiefen Kellers Raum
Dem Reisenden noch ein Gemach …
Wieviel es einbringt, glaubt man kaum!
Was gestern noch am Boden schlich
In Raupenhülle, schlicht, gering,
Schon heut vielleicht entpuppt es sich
Zum farbenprächtigen Schmetterling:
So wandelt zum Touristen-Bett,
Geziert mit Linnen rot und weiß,
Sich flugs das schmalste Bügelbrett –
Und bringt dem Gastwirt hohen Preis!
Sei noch so kümmerlich ein Keim,
Ein Blütenkelch so ärmlich noch –
Er birgt ein Tröpfchen Honigseim
Auf seinem tiefsten Grunde doch:
Der »Ungarwein« – zur Winterszeit
Verblichen, ach, und angeherbt –
Gewinnt an Kraft und Süßigkeit
Durch bunten Fruchtsaft aufgefärbt!
Die schaffende Natur bezwingt
Selbst den Allüberwinder »Tod«;
Sieh', wie sich rings die Welt verjüngt
Nach ihres Schöpfers Machtgebot:
Und sorgtest gestern du betreffs
Des Wirtes altersschwacher Kuh,
Heut – durch die Kunst des Küchenchefs –
Lacht sie dir jung im Beefsteak zu!
Und ob ein Stäubchen wunderklein,
Nie trifft es des Vergessens Fluch:
Ein ewiger Wille trug es ein
Sorgsam ins große Schöpfungsbuch;
So mikroskopisch winzig war
Auch manch' Gericht, das du verzehrt:
Gleich wird's dem Auge offenbar,
Sobald die Rechnung du begehrt!
Und wie sich Blumen ohne Zahl
In Hain und Garten, Feld und Au
Erschließen durstig allzumal
Dem demantklaren Himmelsthau:
So – rüstest du zur Abfahrt dich –
Nach blankem Trinkgeld öffnen weit
viel hundert rege Hände sich
Vom Hausknecht bis zur Zimmermaid!
Du aber segne Herd und Haus
Und preise selig dein Geschick,
Wenn man dir zog durch Zufall aus
Nicht auch das … letzte Kleidungsstück;
Doch schlimmstenfalls gieb' sonder Harm
Dem wackern Wirt auch dieses hin:
Denk', wie's beim Wandern schwül und warm,
Indeß dir leicht und frei zu Sinn!
Es hat eine Mähr' aus alter Zeit
Zu uns sich fortgesponnen –
Man kennt sie im Lande weit und breit
Die Mähr vom
Jugendbronnen –
Dem Bronn', damit den göttlichen Leib
Frau Venus einst erlabte,
Und der alsbald jed' irdisches Weib
Mit neuer Jugend begabte.
In Sagen zwar waltet oft Lug und Trug,
Doch diese ruht einzig auf Wahrheit:
Noch immer sprudelt ja mächtig g'nug
Der Born in alter Klarheit;
Und fließt er verborgen auch jetzo dem Blick
wir ahnen, daß er muß rinnen
Zu aller Sterblichen Heil und Glück
Im
Frauenherzen d'rinnen!
Nicht Damm noch Wehr ist ihm gesetzt,
Bei Christen und Juden und Türken –
In Schloß und Hütte wird doch zuletzt
Erkannt sein Wunderwirken.
Und glänzt es aus Frauen-Augen nicht,
Wenn holden Gruß sie winken,
Wie in der Morgensonne Licht
Der Tropfen Demantblinken?!
Und klingt nicht ihr Lachen silberhell
Bei heiterem Wortetauschen,
wie von dem lebendigen Feenquell
Melodisch süßes Rauschen?!
Und wenn sie sich im Reigen dreh'n –
Im buntbewegten, schnellen:
Meint man im Geiste nicht zu sehn
Das zierliche Spiel der Wellen?!
( Mezza voce)
(Oft sorgt selbst der Gewandung Schnitt,
Daß Wellen-Art man spüre,
Die etwas wohl »über die Ufer tritt«
Bei Damen von – Tournüre!) – –
Und also wirkt des Zaubers Kraft,
Daß selbst uns armen Teufeln
Vom »starken Geschlecht« manch' Jahr entrafft
Des Wunderbornes Träufeln;
Wenn aus des Tages Sturm und Drang
wir flüchten zu dem Bronne,
Er beut in seinem Labetrank
Uns Paradieseswonne;
Uns stärkt den Mut der Quelle Schein,
Die nicht mit jähem Gebrause,
Nein, flüsternd sanft und kristallen rein
Den Lenz uns weckt im Hause!
Und haben die Seele wir uns gesund
Getrunken daran, die kranke,
Wohl drängt es aus tiefstem Herzensgrund
Uns zu heißinnigem Danke;
Wohl will sich uns im freudigen Sinn
Des Wunsches Blume erschließen:
Reich möge der Quell auch fürderhin
weiblicher Huld uns fließen –
Wohl tönt es laut beim schäumenden Glas
weithin durch alle Gauen:
Heil unser'm Jugendbronnen baß –
Den deutschen Mägdlein und Frauen!