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Zu der Anstellung Berchtolds wollte der alte Förster von Bartlmä sein gut Teil beitragen, als er dem Forstmeister von Berchtesgaden die Rechnung übergab, deren Anfertigung ihn morgens so »grandig« gemacht hatte. Dabei nun erwähnte er der Ankunft des jungen Perlacher, der ihm ganz ausgezeichnet gefallen bis auf einen Punkt, nämlich daß er auf ganz leichtsinnige Weise seine Papiere, weiß der Himmel welch einer gewissenlosen, weiblichen Person übergeben habe. Der Alte war nicht wenig überrascht, als ihm der Forstmeister hierauf mitteilte, die Papiere seien in seinen Händen und ihm durch eine dem Hofe zunächst stehende hohe Persönlichkeit übergeben worden; daß er aus den Zeugnissen die Vortrefflichkeit des jungen Mannes ersehen, und weil derselbe im Tegernseer Revier mit der Anlegung von Reitwegen betraut gewesen, so käme derselbe gerade zur richtigen Zeit, um die neuanzulegenden königlichen Reitwege vom Kessel aus über die Gotzenalpe nach dem Jagdhause Lahfeld zu leiten, weshalb er ihn zur Dienstleistung bei dem ohnedies kränklichen Revierförster in Königssee in Aussicht genommen habe.
Der alte Förster von Bartlmä glaubte dem Amtsvorstand versichern zu können, daß er keine glücklichere Wahl hätte treffen können. Freilich hätte er es lieber 122 gesehen, den weidspruchkundigen Jäger bei sich zu behalten, aber der Forstmeister meinte lächelnd:
»So ein jugendlicher Weidmann, wie Sie sind, braucht noch keinen Adlatus; der Revierförster vom Königssee aber ist ein alter Mann!«
»Grad um zwanzig Jahr jünger als i!« versetzte der Alte lachend – »aber oanwegs fühl i mi gottlob! jünger und frischer wia viele, die meine Söhn sein könntn! Und trotz meine fünfasiebzg Jahr is mir nix liawa, als 'n Gamsl nachgehn, und mei' Liadl is:
»A Gams möcht i sei',
Das wär wohl a Freud'!
Alleweil bei der Höh',
Alleweil bei der Schneid'!«
Mit einem herzhaften Händedruck entließ der Forstmeister den alten Weidmann; dabei mochte er wohl mit einiger Wehmut denken und beklagen: »Daß es keine Kultur giebt, solche alte Weidmänner zu ersetzen, die gleich den Urwaldsriesen mehr und mehr verschwinden und nur noch vereinzelt stehen und zeugen von der alten, herrlichen Weidmannszeit!«
Der alte Förster verhielt sich in Berchtesgaden noch längere Zeit und schlug dann, sein Pfeifchen rauchend, bei untergehender Sonne den Weg nach Königssee zu ein.
Er war noch nicht weit gegangen, als ihn Berchtold einholte, der, wie schon erwähnt, ebenfalls dem Königssee zueilte. Der Alte beglückwünschte ihn herzlich und drückte ihm besonders darüber seine Freude aus, daß er sich bezüglich des ihm zugemuteten Leichtsinns geirrt habe.
»Denn woaßt – du mußt mir scho erlaubn, daß i du zu dir sag, bist ja der Suhn von meim Jagdspezl – 123 drei Ding san teuer auf der Welt: D' Hund, d' Weiberleut' und 's Wirtshaus. Die drei bringa annamal für oa' Freud sieben Reuen.
Därfst nit glaubn, daß i a Heiliger bin, weil i die Sprichwörter so guat kenn – a jeder macht seine bestimmten Dummheiten durch im Lebn, und der a Sprichwort zamstudiert hat, hat's z'erst erlebt und is hintnnach so gscheit worn! Du glaubst überhaupt nit, wie hintnnach die Leut so gscheit wern; morgn kann dir a jeder Fex sagn, was heunt für a Wetter war. Wolltst aber vorher alles wissen, so halten di d'Leut für recht gscheit – aber die gar gscheitn Leut passen nit eina zu uns in d' Berg, und so is 's besser, ma' schleppt dös gemeinsame Kreuz der Einfalt mit furt, und is a bisserl frumm, a bisserl krumm – aber allezeit a grundehrlichs Leut! Oder wie's Gsangl hoaßt:
»I abant a bißl lusti sei',
I abant a bißl betn,
Aft woaß unser Herrgott schon,
Wia ma's gern hättn!«
»Sand Sie niamals verheirat gwen?« fragte jetzt Berchtold den rüstig neben ihm herschreitenden Nimrod.
»Niamals,« entgegnete dieser. »Aber aa nit aus Klugheit, weil i vielleicht gfürcht hätt', i werd betrogen oder i geh sunst ein, sundern weil mir mei' Schatz 'n Abschied geben, und an' Salzbergler gheirat hat. Sie hat si' freili damit d' Suppn versalzn. I bin a Lediger bliebn, und siext – die da, mei' Flintn, is mei' alles worn – da hon i alleweil ins Schwarze gschossn, und dös is halt aar a Freud! da hon i mi jung erhaltn im Gmüat. – Woaß Gott, wia's ganga hätt', wenn i 's 124 Haus und 's Kinderkreuz hätt durchs Lebn schleppn müassn! I moan, so is 's halt grad am besten, wia's worn is.«
»So is eana Schatz nöd glückli worn?«
»Ja no,« erwiderte der Alte, »'s is halt an' alts Wei' worn. I will damit nöt verächtli von die altn Weiber redn. I bin koaner von dene, die si's aufs Begegna von an' altn Wei' ausredn, wenns nix treffn. Na', pfüat mi Gott! Es giebt gar nix Ehrwürdigers, als a so an' alts, bravs Weibl, aber mei' Schatz hat a verdroßns Gmüat kriegt, dös is a ganz extrige worn, und wennst d' es heut sehgest, thaatst es gar nit mögli haltn, daß 's amal a Schönheit und a lustigs Deandl war. Durt steigts eh daher, da kannst es glei kenna lerna.«
»D'Rappelleni?« rief der junge Jäger überrascht, als er trotz der schon stark zunehmenden Dämmerung in dem herankommenden Weibe seine gestrige Gesellschafterin unter der Esche erkannte. Sie trug heute auf ihrem Kopftuche einen schwarzen, gut erhaltenen Filzhut mit goldener Schnur und hatte in der Hand einen Bergstock, den sie noch rüstig hob und einsetzte.
»Ja, d'Rappelleni,« entgegnete der Alte. »Wenns ihren Rappel nit hat, is 's a gscheits Leut. – Mei', mi dabarmts! Grüaß di Gott, Leni,« rief er jetzt schon von weitem dieser zu.
»Grüaß di Gott, alter Jagersbua!« rief die Herankommende mit Nachdruck, und Berchtold erkennend, fuhr sie zu diesem gewandt fort: »heunt schreckst mi nimmer, heunt ärgerst mi grad.«
»Warum dös?« fragte Berchtold.
»Warum? Weilst es gestern beim Mondschei' so schö' kinna hast mit der Sabin, die wo di eini gfahrn hat aafn 125 Obersee. Da Holzernazi hat mein saubern Peterl drum ghanselt, und der nit faul, schlagt eam sein gläsern Maßkrug aafn Kopf. Du tragst die Schuld dran. Mei' bravs Buaberl, mei unschuldigs, hams arretiert und 'n Holzernazl hat der dumm Bader a großmächtigs Pflaster aaf d'Wundn pickt, aber 'n Glasscherbn im Fleisch lassn. Schaug i mi um die Sach nit um, bleibt der Nazl a etli Wochn arbeitsunfähig, und 'n Peterl pflasterns a doppelte Strafzeit aaffi. Da bin i halt außi und visitier die Wundn und ziag 'n größtn Glasscherbn außa. Mit dem hat 's Wehthoan, sei' Jammern und dös von seim Burgei aufghört. In a etli Tag kann er scho' wieder holzn und dös hat halt wieder an' alts Wei' zambringa müassn!«
»I hon schon am Herweg ghört von der Rauferei,« sagte der Förster, »aber nix von der Ursach.«
»Ja no', die Ursach steht da,« versetzte die Alte, »a junger Jagersbursch – kaum schmeckt er eina in unsa Landl, geht er scho' die schönstn Deandln aus, und er is ja danach, daß er's kriagt!«
Der alte Förster drohte Berchtold lächelnd mit dem Finger.
Dieser aber versicherte ihm, daß noch nie unnützeres Blut geflossen sei, denn die Sabina habe ihn nur zur Saletalpe gefahren und dabei nur über das und jenes mit ihm geplaudert. Wenn es ihm hier jemand angethan habe, so sei es nicht Sabine, sondern ihre Schwester, das Regerl, für die er Leib und Seele hergeben könnte!
»Barmherziger Himmel!« rief der alte Förster, »du hast ja seit vierundzwanzig Stunden das reinste Hetzjagen ghaltn!«
»Halt wia der wild Jaga,« sagte die alte Frau, 126 »und da soll ma' nit vor eam davon laaffn und 's Kreuz machn! I hon nur oan kennt in mein Leben, dem's grad a so glückt is – alle hat er 's kriagt, die er mögn hat.«
»I bin der nit gwen,« fiel der alte Jäger lachend ein – »'s schö' Grafendeanerl hat mi verschmacht!«
»Därfst froh sei',« erwiderte die Alte. »Was thaatst iatz mit ar a solchn Voglscheuch, wier i oani bin! Na', na', du bist a braver gwen! Der, den i moan, waar aa nit aus, aber bei dem hats ghoaßn:
Ȇber oa' Stigl steig i nit,
Bei oan Deandl bleib i nit,
Alleweil über Ecks über Ecks,
Alleweil fünf, sechs!«
Woaßt denn nimmer, wer dös gwen is? Der Perlacher is 's gwen!«
»No, da steht der Perlacher!« sagte der alte Jäger, lachend auf Berchtold weisend.
»Was, dös is da Perlacher?« rief jetzt die Alte. »Meiner Seel! Leibhaft! Alle guatn Geister loben ihren Herrn! Was ist dein Begehrn! Gott steh mir bei!«
Und die Alte eilte mit allen Zeichen des Schreckens und Entsetzens von dannen. Mit dem Bergstock machte sie das Zeichen des Kreuzes zurück, und nachdem sie schon über eine Ecke verschwunden, hörte man noch ihre laut gerufene Beschwörungsformel gegen das vermeintliche Gespenst des längst verstorbenen Perlacher.
»Was is ihr denn scho' wieder?« fragte Berchtold.
»Es rappelt ihr halt wieder,« entgegnete der alte Förster. »Jetzt halts dich für 's Gspenst von deim Vatern, den 's guat, recht guat kennt hat. 's wird 's best' sei', du gehst ihr aus 'n Weg. Und no' wen vermeid, i moan 127 'n Grafnpeter, ihrn Enkl, dös is a gwaltthätiger Mensch, an' arbeitsscheuer, dem alles oans is. Es is schad um den junga Burschn; es is der kühnst Bergsteiger im ganzn Landl, er nennt si selm 'n Edlweißküni. Richti is 's, daß 's eam koana nachmacha kann. I bin aa überzeugt, daß er zur richtigen Zeit wildert. I hon scho' oft dran denkt, es wär nit ungrad, wenn ma' an' Jagersknecht aus eam machet, da waar er in sein Element und wer woaß 's, ob er nit guat thaat. Aber so oft i der Rappelleni und der Grillersabin z'liab a guts Wörtl für eam beim Forstmoaster einlegen wollt, hat mir der sakrische Bua wieder an' Strich durch d' Rechnung gmacht.«
»Aber d' Sabin – will denn dös brave Deandl ebbas von dem Loder wissn?« fragte Berchtold.
»Dös hat a bsunderne Bewandtnis, i woaß 's nur halbert, aber wenn du mit der Sabin scho' so guat bekannt bist, und sogar ihre Schwester, 's Regerl, gern siehgst, so kannst es ja amal fragn, wia dö Liab entstanden is.«
Wie diese entstanden, hätten die beiden Männer wohl am besten erfahren, wenn sie die beiden Mädchen hätten belauschen können, welche zu eben dieser Zeit auf der Bank vor des Grillerseppen Häuschen saßen; es waren Sabine und Burgei. Letztere war auf die ihr durch die alte Nandl hinterbrachte Nachricht von Nazls Verwundung sofort nach Königssee geeilt und übernahm die Pflege ihres Bräutigams. Sabine aber schickte, nachdem sich die Schmerzen des Verwundeten nicht stillen wollten, nach Berchtesgaden zur Rappelleni, die als »Fretterin« mit ihren Kräutern und Säften nicht selten die besten Kuren machte. Den Erfolg ihres Besuches erhielten wir durch 128 die Alte selbst mitgeteilt. Als nun nach Entfernung des Glasscherbens aus der Wunde Nazl in einen tiefen Schlaf verfiel, ging Burgei zu ihrer Freundin Sabine, welche dem Verwundeten gleichfalls jegliche Hilfe hatte angedeihen lassen. Die Mädchen plauderten über dies oder jenes, natürlich am meisten über Nazl und auch über den Grafenpeter, den Verursacher dieses Unglücks.
»Sag mir nur, wie dir 's der Peter anthan hat?« fragte Burgei die Freundin.
Und Sabine erzählte ihr gerne von jenem denkwürdigen Tage, der ihr Herz an einen Mann gefesselt, welcher ihrer Liebe nicht würdig, den sie sich zu hassen zwinge, der aber stets mit unwiderstehlicher Gewalt ihr ganzes Sein und Denken gefangen halte.
Im vorigen Jahre durfte sie mit ihrem Vater zum erstenmal auf die Gotzenalpe zum Almkirta. Dort wurde in der Springlhütte gesungen und getanzt, aus allen Richtungen waren Gäste herangekommen, und ein reges Leben herrschte auf und in der Alm.
Sabine mit dem schwarzen, goldbeschnürten Hütchen aus den blonden Flechten und der sonstigen Berchtesgadenertracht hatte besonders die Aufmerksamkeit eines ihr bis jetzt fremden Burschen erregt, nämlich des erst jüngst vom Militär zurückgekehrten Grafenpeter. Er war einer der hübschesten und kräftigsten Burschen, der beste Tänzer, und erregte durch seinen Gesang während des Ländlertanzens und in den Pausen die allgemeine Aufmerksamkeit.
Wie bei allen derartigen Gelegenheiten fehlte auch hier nicht der »Fex«, wie man die ehedem in dieser Gegend sehr zahlreich, nun aber seltener vorkommenden Blödsinnigen nennt. Es war der»narrisch Jakoberl,« 129 ein kleines, schon ältliches Männlein, der sich Hut, Gewand und Stock mit mächtigen Almbuschen geschmückt hatte und die Kirchweihgäste damit erheiterte, daß er ihnen durch Gebärden und Zischen das Laufen der Lokomotive vergegenwärtigte. Er lief dabei weite Strecken und ahmte das Pfeifen der Lokomotive nach. Ein Stück Brot oder ein Restchen Bier war seine magere Bezahlung. Der arme Kerl hatte sich schon halb zu Tode gehetzt und immer wieder munterte man ihn zu neuen Läufen an.
»Wenns eam nur a Ruah lasseten!« sagte Sabina zu ihrem Vater. »Der arm' Mensch dabarmt mi!«
Der in der Nähe stehende Grafenpeter hatte diese Worte kaum vernommen, als er vortrat und gebieterisch erklärte, daß man den Fexen nun in Ruhe lassen soll; es sei eine Schande, den Ärmsten so zu quälen und ihn dennoch Hunger und Durst leiden zu lassen.
»Hat er enk a Freud gmacht bis iatz, so machts eam ös aa oane und schenkts eam was!« meinte er. Er selbst ging mit gutem Beispiel voran und drückte dem Jakoberl von seinen wenigen einen Sechser in die Hand.
Dem anwesenden Burschen wollte der gebieterische Ton des Grafenpeter nicht behagen und es flogen Bemerkungen hin und wieder, welche Peter zu dem Ausspruche veranlaßten, daß er keinen der Anwesenden fürchte und jeden unter sich bringe, ohne Waffen, nur mit seinen zwei kräftigen Armen.
Das wollten sich viele kräftige Burschen nicht gefallen lassen, sie nannten ihn einen »Brosler« (Prahler), und Peter lud sofort jeden der Anwesenden ein, mit ihm zu rankeln (ringen). Schnell erboten sich mehrere dazu, es wurden Wetten gemacht, einige boten sich als Ordner an, 130 worunter besonders der Grillersepp, Sabinens Vater, damit der Ringkampf nicht in Ernst ausarte.
Nur mit Hemd und Beinkleid bekleidet eilten nun die Rankler in den durch die Zuschauer gebildeten Kreis. Sie faßten sich über den Hüften an, rangen lange mit ebensoviel List als Muskelanstrengung, bis einer von ihnen das Gleichgewicht verlor, in die Höhe gehoben ward, doch halb schon zu Boden gestürzt, sich wieder emporschwang und den schon als Sieger Begrüßten dennoch zur Erde streckte. Hier siegt nicht immer die Stärke, sondern meistens Geschicklichkeit und Behendigkeit. Und der Grafenpeter blieb jedesmal Sieger.
Beschämt zogen sich die Burschen zurück, Peter aber ward laut bewundert. Besonders aber johlte der narrische Jakoberl über den Sieg seines Beschützers, der ihm durch seine Hilfe Ruhe verschafft hatte.
Peter hatte kein Ohr für all das ihm gespendete Lob, er suchte nur eine einzige Person im Kreise der Zuschauer, und diese einzige fehlte. Es war Sabina. Sie wollte den Ringkampf nicht mit ansehen. Aber dem mitleidigen Burschen, der sich des armen Jakoberl so energisch angenommen, alles Glück wünschend, ging sie allein hinaus zum Vorsprunge der Alpenwiese, dem sogenannten Feuerpalfen (Kreuzeck), legte sich hier unter einer Zirbeltanne nieder und blickte sinnend hinab in den tief unter ihr liegenden Königssee. Sie sann wohl nach über die feurigen Blicke des Burschen, sie wünschte ihm Glück im Kampf. Und während sie so dalag, näherte sich ihr derjenige, dessen sie soeben gedachte, der Grafenpeter.
Sabina wollte gehen, aber Peter bat sie, zu verweilen. Sie that es, weil Jakoberl eben nachkam, und 131 als sich Peter neben Sabina setzte, warf sich auch Jakoberl in einiger Entfernung zu Boden.
»Hast 'n Kampfpreis kriegt?« fragte Sabina.
»Freili hat er 'n kriegt!« rief Jakoberl. »Alle hat ers niedergmannxt ins Gras, a Goliath is er, der Peter; für ihn giebts koan David.«
»'s giebt oan!« sagte Peter, »'s giebt ebban, der mi bsiegt hat, ohne mi anzgreifen, grad mit an' Blick, und der Blick is aus deine Augn kemma, Deandl. Was liegt mir am Kampfpreis! Jakoberl, da hast 'n! Mei' schönster Preis is dei' liebs Gschau, Deandl.«
Sabina stand errötend auf. Sie wollte gehen.
132 »Schenk eam aar ebbes!« sagte Jakoberl, »mach eam aar a Freud.«
»Mit was denn?« fragte die überraschte Sabina lächelnd.
»Schenk eam dös rote Herzl, dös d' am Schnürl um 'n Hals tragst,« sagte Jakoberl.
»Ja, dös schenk mir,« bat Peter, nach dem Korallenherzchen blickend. »Koa' Gschenk machet ma a größere Freud.«
Sabina reichte ihm das Kleinod mit den Worten:
»Es ist a Andenkn von meiner Muatta, nimm's und halt's in Ehrn.«
Dem Deandl war es, als flösse wirklich ihr Herz hinüber zu dem schönen Burschen. Willenlos gestattete sie, daß er seinen Arm um sie schlang und sie küßte, und als er sich darauf rasch entfernte, sah sie ihm lange nach; sie fühlte, daß er in der That ihr Herz mit sich genommen.
Nur der närrische Jakoberl schreckte sie aus ihren Gedanken auf, da er jetzt Sabina fragte:
»I muaß 'n Peter nachi, was willst, daß eam von dir bring?«
»An herzhaften Gruaß,« erwiderte das Mädchen, und mit lauten Juhus eilte Jakoberl seinem Beschützer nach. Sabinens Herz aber gehörte dem Grafenpeter. Es gehörte ihm trotz der üblen Nachrede, welche er sich allenthalben zuzog, trotz ihrer vergeblichen Bemühungen, aus dem arbeitsscheuen Manne einen ehrlichen Arbeiter zu machen. Er hatte sich ihr Herz am Feuerpalfen genommen, und ihre Gedanken weilten bei ihrem Herzen. Sie gab sich vergebliche Mühe, das Andenken an den Burschen zu ersticken, er hatte es ihr ein für allemal angethan. – So weinte sie jetzt über das neue Unglück, das er angerichtet, und ihre 133 Freundin, das Burgei, durch den Unfall, der ihren Geliebten betroffen, selbst aufs tiefste erregt, tröstete die Freundin, so gut sie es vermochte.
Inzwischen kamen der alte Förster von Bartlmä mit Berchtold an dem Hause an, vor welchem die Mädchen saßen.
Berchtold sprach diesen gegenüber sein Bedauern aus, daß er die unschuldige Ursache an dem Unfalle gewesen. Beide Mädchen aber entbehrten heute viel von ihrer gestrigen Freundlichkeit gegen ihn, denn er war immerhin die Ursache des Übels, und Burgei erinnerte sich unwillkürlich der Antwort ihres kleinen Bruders an den König:
»Wärt's ös nit zu mir donnakemma, so hätt' i halt mei' Messerl no'.«
Sabina drang hierauf, wie sie es schon oft gethan, in den alten Jäger, er möge den Grafenpeter als Jagdknecht anstellen, wo er allein auf seinem Platze wäre, und das war der beste Trost für sie, als ihr der Alte zusagte, sich für den Burschen verwenden zu wollen.
Sie reichte jetzt auch Berchtold die Hand, der ihr mitteilte, daß er beim Revierjäger in Königssee angestellt sei.
Der Schiffer des Försters harrte bereits seines Herrn, um ihn nach Bartlmä zurückzufahren.
Berchtold begleitete ihn, da er Gewehr und Rucksack dortselbst gelassen und ihn der alte Jäger, wie nicht anders zu erwarten, einlud, sein Gast zu sein. – Wie gestern glitt der Kahn durch die vom Mondschein erhellte Flut.
Es deuchte Berchtold wie ein Märchen, was er seit diesem Gestern erlebt und erfahren, in lebendiger Wirklichkeit aber schwebte vor seinem geistigen Auge die Enkelin des greisen Künstlers, 's Regerl, und nichts als 's Regerl. 134