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VIII.

Nur kurze Zeit hielt sich Bernhard in dem eroberten Breisach auf. Dem Lande, das er hinfort zu beherrschen dachte, wollte er nicht zumuten, sein Heer den Winter über zu erhalten. So brach er mit seinen Truppen gegen Weihnachten auf und zog das Tal des Doubs hinauf, lenkte dann seinen Marsch hinunter in die reiche Ebene der Franche Comté, die unter spanischer Hoheit stand. Kein Mensch hatte ihn dort erwartet, kein Heer war da, ihm den Einzug zu wehren, und die schwach besetzten Burgen und Städte der Landschaft vermochten ihm nur geringen Widerstand entgegen zu setzen. Er gewann sie mit leichter Mühe, und binnen wenigen Tagen war der ganze reiche Gau in seiner Hand. Riesige Vorräte an Proviant und Munition waren dort aufgestapelt und fielen ihm zur Beute. Zum ersten Male seit langen Jahren durften die weimarischen Kriegssvölker ihre Winterquartiere in einer reichen, durch den Krieg noch wenig heimgesuchten Gegend beziehen, zum ersten Male wieder nach unendlichen Mühen und Strapazen der Ruhe pflegen.

Nur der Herzog selber fand hier kein Ausruhen. In seinem Hauptquartier zu Pontarlier ging es so lebhaft zu wie in einem Bienenhause. Kuriere kamen und gingen unaufhörlich, denn der Herzog wurde nach seinem großen Siege von allen kriegführenden Mächten umworben. Der Kaiser setzte jetzt alles daran, ihn zum Frieden zu bewegen, und ließ ihm deshalb einen Vorschlag nach dem andern zugehen. Der schwedische Kanzler, der zurzeit in Hamburg saß und fruchtlose Friedensverhandlungen mit dem Oberhaupt des Reiches führte, schrieb ihm schmeichelhafte Briefe und ermahnte ihn zur Standhaftigkeit, riet ihm auch im tiefsten Vertrauen, sich nicht allzusehr mit Frankreich einzulassen, das es mit ihm nicht ehrlich meine. Der tapfere Banér schickte seine Gesandten und ließ ihn auffordern, im kommenden Sommer mit ihm auf die Erblande des Kaisers vorzustoßen. Der hessische General Melander, nach dem Tode des Landgrafen der Berater seiner Witwe, der Landgräfin Amalie, suchte ihn für den Plan zu gewinnen, einen Bund deutscher Fürsten zu gründen und dieses Bundes oberster Feldherr zu werden. Am allerlebhaftesten aber waren die Verhandlungen mit Paris. Die Nachricht vom Falle Breisachs hatte dort eine unbändige Freude entfesselt. Man hatte in allen Kirchen ein Tedeum singen lassen und ein glänzendes Siegesfest gefeiert, und Richelieu hatte seinem Pater Joseph, der auf dem Totenbette lag und sich eben zum Sterben anschickte, noch ehe er schied, triumphierend in die Ohren geschrien: »Mut, Mut, Herr Pater, Breisach ist unser!« Aber diesem Jubel folgte bald ein großer Schrecken. Denn man erfuhr – zunächst wollte man es gar nicht glauben –, daß der Herzog kurz und scharf die Zumutung abgelehnt hatte, auch französische Truppen in die eroberte Festung einrücken zu lassen. Frankreich habe ihm vertragsmäßig die vorderösterreichischen Lande zugesichert, wenn er sie erobern würde, und also hätte kein französischer Soldat in Breisach und den anderen festen Plätzen etwas zu suchen.

Der Kardinal wurde vor Ärger krank, als er sah, daß der Herzog sich ganz wie ein unabhängiger Fürst gebärdete und nicht die Rolle eines französischen Vasallen spielen wollte, die ihm zugedacht war. Es dünkte ihm hochgefährlich, daß da am Rheine in Gebieten, auf die man schon längst mit begehrlichen Blicken hinschielte, sich plötzlich eine neue Macht erhob. Sogleich sandte er einen königlichen Kammerherrn an ihn ab, der ihn mit Schmeicheleien überhäufen und nach Paris einladen mußte. Aber der Herzog hielt den Gesandten lange mit unbestimmten Reden hin und erklärte schließlich sehr kühl, die gegenwärtigen Umstände ließen ihm eine erneute Reise nach Paris untunlich erscheinen.

Der Kardinal war wütend und zugleich voll der tiefsten Besorgnis. Er wußte nicht, wo hinaus der Herzog wollte mit seinen Plänen, mißtraute ihm und beargwöhnte alle seine Schritte und hätte ihn am liebsten gar nicht mehr unterstützt. Aber er konnte ihn nicht entbehren, denn wenn sich nicht der Herzog mit den Spaniern und den Kaiserlichen herumschlug, so mußten es die Franzosen selber tun, und da, wo sie es bisher schon hatten tun müssen, waren sie übel genug gefahren.

So erlebte denn Erlach, der wieder als des Herzogs Gesandter in Paris weilte, dort sehr wunderliche Zeiten. Den einen Tag suchte man ihm mit Drohungen, den anderen mit Schmeicheleien beizukommen. Endlich wollte man ihn kaufen und bot ihm ein ansehnliches Jahresgehalt an. Er nahm das Geld mit seines Herrn Vorwissen vergnügt lächelnd an, ließ sich aber in keiner Weise irre machen, des Herzogs Interessen wie bisher zu vertreten, und da er ein überaus schlauer Mann war, so fand er ein Mittel, den Kardinal vorübergehend zu täuschen. Er redete ihm vor, die evangelischen Fürsten Deutschlands wollten sich gerade jetzt mit dem Herzog gegen den Kaiser verbinden, und deshalb dürfe der Herzog jetzt nicht französische Truppen in eine deutsche Festung aufnehmen. Er würde sie sonst in ihrem vaterländischen Empfinden verletzen und kopfscheu machen. Später ließe sich ja über die Sache reden. Der Kardinal bewilligte daraufhin wenigstens die größere Hälfte der geforderten Unterstützungsgelder, und Erlach reiste, dieses Zugeständnisses froh, sogleich von Paris ab nach Pontarlier zu seinem Herrn. Aber ein paar Stunden nach Erlachs Abreise sandte Richelieu einen Eilboten an den Marschall Guébriant ab, der zurzeit gleichfalls im herzoglichen Hauptquartier zu Pontarlier weilte. Der Marschall ward von Bernhard geschätzt um seiner Tapferkeit willen; deshalb erschien er dem klugen Priester der geeignete Mann zu sein, den Herzog zu einem absonderlichen Schritte zu bewegen. Da der Kurier vorzüglich beritten war, so kam es, daß er Erlach überholte und fast eine Stunde vor ihm in Pontarlier anlangte.

Als Erlach in das Städtchen einritt, ließ er sich sogleich zum Quartier des Herzogs geleiten. Mit Befremden sah er, daß vor dem Hause anstatt eines einfachen Postens ein ganzes Wachpikett aufgestellt war, und seine Verwunderung wuchs, als er auch im Hausflur beim Aufgange der Treppen und oben vor dem Vorzimmer des Herzogs eine Wache bemerkte.

»Das ist Befehl Seiner Fürstlichen Gnaden seit vorgestern,« erklärte ihm der wachthabende Lokotenent, der ihn hinaufführte. »Der Herr General wird noch nicht wissen, daß auf Seine Fürstliche Gnaden zwei Mordanfälle verübt worden sind.«

Erlach machte eine Bewegung des Schreckens. »Die Hunde haben Seiner Fürstlichen Gnaden nichts anhaben können und sind mit Gottes Hilfe schon gehängt,« fuhr der wackere Krieger fort. »Aber Seine Fürstliche Gnaden sind doch stutzig geworden, zumal sie beständig durch Briefe vor Mordanschlägen gewarnt werden. Und der Dolch des einen Halunken war vergiftet, und um ein Haar hätte die Spitze den Herzog getroffen.«

Erlach erblaßte und war so heftig erschrocken, daß er nach dem Treppengeländer faßte, um sich zu stützen. Da trat eben mit schnellen Schritten ein Mann aus dem herzoglichen Vorzimmer heraus, und gleich darauf erklang eine helle Stimme: »Potz Blitz! Das ist der Erlach! Willkommen, Herr Bruder, herzlich willkommen!«

Der General sprang die letzten Stufen schnell hinauf und umarmte den Obristen Rosen. »Ein günstiges Omen, daß ich meinen Herrn Bruder als den ersten Bekannten hier treffe,« rief er. Der Obrist war ihm wegen seines frischen, resoluten Wesens und seiner großen Umsicht und Tapferkeit vor Breisach so lieb und wert geworden, daß er beim Siegesbankett Brüderschaft mit ihm getrunken hatte.

»Komm herein, mein Herr Bruder!« erwiderte Rosen und zog ihn in das Vorzimmer. »Der Herzog ist noch nicht daheim, er mustert draußen in der Stadt vier Kompagnien Fußknechte, die er neu angeworben hat, und die requirierten Pferde. Er muß aber sogleich zurück sein. Nimm Platz, Herr Bruder!«

»Das Donnerwetter!« sagte Erlach sich niederlassend. »Mir ist ein schöner Schreck in die Glieder gefahren. Das sind ja verfluchte Geschichten, die hier passiert sind!«

Über das kühne, offene Gesicht des Obristen senkte sich ein tiefer Schatten. »Du meinst, Herr Bruder, die Tat der dreimal gottverfluchten spanischen Halunken? Schlimm, sehr schlimm, aber davor kann Wachsamkeit und Vorsicht schützen. Schlimmer, viel schlimmer, daß der Herzog nicht mehr gesund ist!«

»Er ist krank? Was fehlt ihm?« fuhr Erlach auf.

»Krank, daß er im Bette liegen müsse, ist er meist nicht,« erwiderte der Obrist bekümmert. »Aber alle acht Tage ergreift ihn ein Fieber, oder eine Ohnmacht wirft ihn nieder. Und eine Unrast ist in ihm – es ist ein Elend! Er schläft die Nacht nur ein paar Stunden, zuweilen gar nicht, und dann nimmt er Medizinen, die ihm Schlaf bringen sollen, und wird dadurch nur kränker.«

»Wer gibt ihm diese Medizinen?« fragte Erlach finster.

»Der Arzt. Wer sonst?«

»Hat er den Blandini noch nicht entlassen?«

»Nein. Hatte er das im Willen? Warum?«

»Ich will dir's im Vertrauen sagen, mein Herr Bruder: Ich hatt' es ihm geraten, als wir vor Breisach rückten. Und ich traue dem Kerle heute noch nicht. Er könnte ein Judas sein.«

Rosen sah ihn starr an. Der Gedanke war ihm offenbar neu und ganz überraschend. Die tiefste Betroffenheit spiegelte sich in seinem Antlitz wider. »Gift?« stotterte er endlich. »Du meinst: Gift?«

Erlach nickte.

»Höllen Donnerwetter!« schrie Rosen und sprang auf. »Daran habe ich nie gedacht. Das wäre ein Weg, auf dem die Halunken an ihn heran können. Dagegen helfen keine Wachen! Aber was ist da zu tun? Einen Arzt braucht er, wenn er krank ist –«

»Aber nicht einen welschen!« fiel ihm Erlach ins Wort. »Nicht einen, dessen Name mit »ini« oder ino« endet. Das ist mir allemal schon verdächtig. Nicht einen, den der Kardinal ihm empfohlen und in seine Nähe gebracht hat. Das ist mir noch verdächtiger.«

Rosen sank wieder auf seinen Sitz zurück und blickte düster vor sich hin. »Verflucht!« knurrte er. »Was ist da zu tun? Er traut dem Kerle, und wir haben ja auch nicht den kleinsten Beweis gegen ihn in der Hand. Dabei ist's doch möglich – ich könnte mir wohl denken – der Mensch ist auch mir fatal –«

»Rosen!« sagte Erlach bestimmt. »Wir beide gelten etwas beim Herzog. Wie wär's, wenn wir morgen um diese Zeit – es muß jetzt in der vierten Nachmittagsstunde sein – vor ihn zusammen hintreten und ihn bäten: Entlassen Sie den Menschen! Ganz gleich, ob er schuldig ist – uns, Ihren Getreuen, zur Beruhigung!«

Der Obrist erfaßte erfreut Erlachs Hand. »Das tun wir! Ich meine; er wird auf uns hören!«

»Und was sind seine Pläne für den Krieg?« fragte der General nach einer Pause.

»Große Pläne hat er. Der Kaiser hat ihn zum Frieden locken wollen, aber er hat nicht auf ihn gehört. Der Projektemann in Hessen, Melander, hat ihm geraten, sich zum Generalissimus eines deutschen Fürstenbundes aufzuwerfen. Er hat ihn abschlägig beschieden. Mit dem Bayer aber möchte er gern zusammen operieren und den Krieg in des Kaisers Erblande tragen.«

»Das wäre gut. Das sieht ihm gleich!« warf Erlach ein.

»Aber daneben hat er noch ganz andere Pläne. Mein Herr Bruder wird sich darüber verwundern. Ja, ich denke, er wird sich über die Maßen verwundern.« Er machte ein tiefbekümmertes und verlegenes Gesicht und raunte dem General hinter der vorgehaltenen Rechten geheimnisvoll zu: »Der Herzog will in den Stand der Ehe treten!«

Erlach kannte Rosens Abneigung gegen die Frauen im allgemeinen und gegen Ehebündnisse im besonderen und lächelte. Die Nachricht erfreute ihn, denn er wußte, daß der Herzog sich längst schon nach Ehe und Familienleben sehnte, und er hatte ihm ja selbst zu dem Schritte geraten. Darum entgegnete er lebhaft: »Warum soll ich mich darob verwundern? Der Herzog ist doch wahrlich alt genug, daß er an so etwas denken kann.«

»Ich hätte ihm diese Schwachheit nicht zugetraut. Bei Gott, gerade ihm nicht,« sagte Rosen gedrückt.

»Nun, er muß doch daran denken, ein Geschlecht zu gründen, wenn er das eroberte Land behalten will. Für wen trägt er denn eigentlich die Kriegsmühen? Für die Söhnlein seiner Herren Brüder? Da wäre er wahrlich ein großer Tor.«

»Ja, ja,« erwiderte Rosen verdrießlich. »Die Weiber sind leider unentbehrlich, wenn man eine Familie gründen will. So wollt' ich denn auch, in des Teufels Namen, nichts dagegen sagen, wenn er heiraten würde. Aber jetzt, jetzt sollte er's bleiben lassen. Der Herr ist krank und sollte der Ruhe pflegen. Rippoldsau ist in unserer Hand, nicht minder das Wildbad. Dahin sollte er gehen und sich sechs Wochen lang kurieren. Er bedarf der Ruhe. Statt dessen legt er sich eine junge Frau zu. Das ist sehr schädlich, sehr schädlich!«

»Ist sie hier in der Stadt?« fragte Erlach neugierig.

»Nein, sie kommt auch nicht her. Er hat sie nach Breisach entboten. Vor drei Wochen hat er Rotenhan nach Thüringen geschickt, der soll sie holen. Er bringt auch gleich ein halbes Regiment Reiter mit, das wir in Thüringen geworben haben. Das ist das Beste an der Sache – –«

In diesem Augenblick wurde das Gespräch der beiden unterbrochen durch den Herzog, der, gefolgt von dem französischen Marschall Guébriant, ins Zimmer trat. Erlach erschrak, als er seinen Herrn nach etwa dreimonatlicher Abwesenheit wiedersah. Rosen hatte ihm, das bemerkte er auf der Stelle, nicht zu viel gesagt über den ungünstigen Stand seiner Gesundheit. Die Haut seines Antlitzes war blaß und durchsichtig, die großen, hellen Augen lagen tief in ihren Höhlen. Sie glänzten zwar wie immer, aber es war etwas Fieberhaftes in ihrem Glanze.

Er stutzte, als er seinen Vertrauten so unerwartet in seinem Vorzimmer sah. Dann trat er rasch und freudig erregt auf ihn zu und streckte ihm die Rechte entgegen. »Ihr hier, Erlach? Gott zum Gruße!« Er sah ihm mit einem forschenden Blick in die Augen, und Erlach verstand die Frage.

»Viel erreicht!« flüsterte er ihm zu.

Über das Antlitz des Herzogs fuhr ein heller Schein, und er nickte dem General freudig zu. Dann sagte er laut: »Wir reden nachher. Zuvörderst muß ich diesen Herrn abfertigen. Ich bitte den Herrn Marschall, hier einzutreten.«

Er öffnete selbst die Tür und ließ den Franzosen vor sich her gehen. Da ein Fürst dieses Recht des Vortrittes sonst nur Besuchern fürstlichen Geblütes einräumte, fühlte sich Guébriant äußerst geschmeichelt durch die besondere Courtoisie und tänzelte rasch in das Zimmer hinein. Er sah infolgedessen nicht, daß der Herzog sich schnell umdrehte und gegen Rosen eine rasche Handbewegung machte, deren Sinn Erlach nicht verstand.

»Was wollte der Herr von dir?« fragte er erstaunt, als sich die Tür hinter dem Herzog geschlossen hatte.

»Das wird mein Herr Bruder gleich sehen,« erwiderte der Obrist geheimnisvoll und fuhr dann halblaut fort: »Der Herzog will Zeugen haben, wenn er sich mit einem Franzosen unterredet. Denn diese Kerle verdrehen jedem ehrlichen Manne die Worte im Mund und streuen lauter Lügen aus. Die Zeugen sollen wir jetzt sein; ich bin es schon zum dritten Male. Der Herr Bruder sehe hierher. Es ist hier eine Tür in der Wand. Dreht man sie auf, es ist nur ein kleiner Druck auf eine Feder nötig, so hört man jeden Diskurs, der da drinnen geführt wird, es sei denn, daß die Leute leise reden.«

»Das ist ja des Teufels!« sagte Erlach. »Das hat der Herzog anbringen lassen? So etwas sieht ihm doch gar nicht ähnlich.«

»Gott bewahre. Das haben wir vorgefunden. Der frühere Bewohner des Hauses war ein eifersüchtiger Ehemann, der belauschte hier durch die Wand seine Frau. Aber still! Sie reden schon da drüben.«

»Nun, so tragt mir diesen ersten Punkt Eurer Instruktion vor, Herr Marschall,« hörten sie den Herzog mit lauter Stimme sagen.

Der Franzose hüstelte und erwiderte dann so leise, daß er im Nebenzimmer kaum zu verstehen war: »Die Majestät sieht wohl ein, daß Eure Durchlaucht Rücksicht nehmen müssen auf die deutschen Fürsten, die Ihnen zufallen sollen, wenn Sie demnächst ins Reich einrücken. Sie besteht deshalb nicht darauf, daß Sie französische Besatzungen in die eroberten Festungen einnehmen.«

»Vortrefflich! warf der Herzog ein.

»Dagegen wünscht die Majestät, daß Sie schriftlich erklären – für jetzt insgeheim –, Breisach unter der Oberhoheit des Königs von Frankreich zu besitzen, und daß Sie ihm weiterhin versprechen, die Stadt nie ohne Einwilligung meines erhabenen Souveräns aus der Hand zu geben oder mit fremden Truppen besetzen zu lassen. Eure Durchlaucht werden gestehen müssen, daß der König sich mit sehr wenigem begnügt.«

Der Herzog fuhr auf. Der Stuhl, auf dem er gesessen hatte, fiel polternd zur Erde. »Wie?« rief er zornig, »das nennen Sie wenig? Was könnte man denn mehr von mir verlangen? Heißt das nicht, von einem tugendhaften Mädchen seine Keuschheit, von einem rechtschaffenen Manne seine Ehre fordern? Will man mich denn zum Sklaven machen? Mich, der ich das Schwert stets nur zum Schutze meiner Freiheit gezogen habe? Der König hat mir vertragsmäßig das Elsaß gegeben, und ich habe ihm dafür treu gedient. Ich habe ihm den Feind aus dem Lande gejagt, habe mein Blut für ihn vergossen und meine Armee geopfert, so daß man über mich gespottet hat, als käme ich nicht mehr in Betracht. Und jetzt, da ich dem Glücke und der eigenen Anstrengung wieder einige Erfolge verdanke, will man mich ihrer berauben?«

»Aber wie kann Eure Durchlaucht so sprechen!« erwiderte der Marschall. »Was wird denn von Ihnen verlangt? Ein Stück Papier, wogegen Sie die Festungen behalten. Sie haben also die Sache, der König begnügt sich mit dem Schatten!«

Der Herzog lachte laut auf. »Man würde, wenn nicht jetzt, so doch später, auf seinem Scheine zu bestehen wissen, und dann würde das Stück Papier eine feste Kette für mich werden. Ich kenne Ihren Hof. Ich kenne die französische Art, Gimpel zu fangen. Ich gehe nicht auf den Leim, mein Herr Marschall.«

Einen Augenblick herrschte Schweigen. Dann begann Guébriant von neuem: »Eure Durchlaucht haben doch so viele Wohltaten von Frankreich empfangen, daß Sie sich nicht dem Vorwurfe der Undankbarkeit aussetzen sollten!«

»Schweigt!« rief der Herzog. »Frankreich hat mich unterstützt, weil es mich brauchte, wie das liebe Brot. Ich habe seine Feinde abgewehrt von seinen Grenzen, dafür hat es mir Geld gegeben. Wenig Geld, Herr Marschall.«

»Aber wollen Eure Durchlaucht leugnen,« fuhr der hartnäckige Guébriant fort, »daß Sie das Elsaß niemals hätten erobern können ohne unsere Hilfe? Weshalb wollen Sie also dem Könige nicht einen so kleinen Beweis der Erkenntlichkeit geben?«

»Weil ich niemals den Vorwurf ertragen würde, der erste gewesen zu sein, der das deutsche Reich zerstückelte.«

»Wer mutet Eurer Durchlaucht das zu? Elsaß und Breisach gehören dem Kaiser nicht, weil er Kaiser ist, sondern als österreichischer Hausbesitz. Und könnten Eure Durchlaucht –« hier dämpfte der Franzose die Stimme, so daß er nur schwer verständlich war – »nicht selbst die Kaiserkrone erringen? Der König würde Ihnen sicher dazu behilflich sein. Sie führen in Paris den Beinamen ›Der deutsche Herzog‹. Könnten Sie nicht zum Herzog der Deutschen werden? Wenn Sie den Habsburger mit unserer Hilfe besiegen, so wird Ihnen der König dazu verhelfen, daß Sie an seine Stelle kommen. Nur nominell, bedenke Eure Durchlaucht, nur nominell sollen Sie Frankreich die Oberhoheit über Breisach einräumen.«

Wieder ein längeres Schweigen. Dann sagte der Herzog kühl: »Sind diese Gedanken in Eurem eigenen Kopfe gewachsen, Herr Marschall, oder hat sie jemand anders dahin eingepflanzt?«

»Ich bin beauftragt von Seiner Eminenz dem Herrn Kardinal, das Eurer Durchlaucht anzubieten!«

»So, so! Nun, der Herr Kardinal meint es ja gut mit mir und ist ein Mann von wahrer Toleranz, daß er dem Ketzerherzog auf den Thron der Ferdinande helfen will. Aber wir wollen fürs erste von dieser Utopie absehen. Zunächst will ich meine Pflichten gegen das Reich als deutscher Fürst erfüllen. Weder nominell noch in Wirklichkeit liefere ich ein Stück deutschen Landes an Frankreich aus oder an irgendeine andere Macht. Ich will dem Könige im Felde gute Dienste tun, aber Breisach bekommt er nicht!«

»Eure Durchlaucht! Herr Herzog!« rief Guébriant aufgeregt. »Besinnen Sie sich! Soll das Ihr letztes Wort sein?«

»Mein letztes, Herr Marschall!«

»So vergönnen Sie mir noch eine persönliche Warnung, Herr Herzog. Es ist nicht wohlgetan, die Eminenz zu reizen. Seine Feindschaft hat noch jedem Verderben gebracht.«

»Wie?« rief der Herzog verächtlich. »Sie wollen mich in Furcht setzen? Mich, der ich dem Tode so oft ins Auge geblickt habe? Mit wem verwechseln Sie mich, Herr Marschall? Wahrscheinlich mit einem Kammerherrn Ihres Königs!«

»Ich bitte um Verzeihung, wenn ich Sie durch meine Warnung gekränkt habe, und bitte Eure Durchlaucht, mich zu entlassen.«

»Adieu, Herr Marschall. Und wenn die Majestät meine Antwort schriftlich zu haben wünscht, so will ich mich dessen nicht weigern.«

»Das wird kaum nötig sein,« erwiderte der Franzose, und etwas wie Hohn klang durch seine Stimme. Gleich darauf näherten sich seine Schritte der Tür. Rosen warf den Wandschrank zu und sprang ans Fenster, wo er angelegentlich hinausschaute. Erlach dagegen blieb auf seinem Platze stehen und ließ den Marschall an sich vorübergehen. Der Franzose machte ihm dabei eine tadellose Verbeugung und versuchte zu lächeln, aber dieses Lächeln wurde zu einer abscheulichen Grimasse.

Erst etwa eine Viertelstunde später erschien der Herzog in der Tür. Er war noch bleicher als vorhin, und auf seiner Stirn standen dicke Schweißtropfen.

»Erlach,« sagte er, »ich kann jetzt nicht mit Euch verhandeln, beim besten Willen nicht. Kommt in zwei Stunden wieder. Oder nein, kommt morgen früh. Ich brauche Ruhe, Ruhe, bin total erschöpft.«

Er winkte ihm freundlich mit der Hand und zog sich zurück. Schmerzlich betroffen schaute ihm der General nach. »Du hast recht, Herr Bruder. Er ist krank, recht krank. Gott gebe, daß er bald wieder gesund werde!«

»Ja, das gebe Gott!» sagte Rosen.


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