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Mährisches Volkslied.
Es war einmal ein ganz kleines Kind, das pochte mit seinen warmen, weichen Fingerchen schüchtern an ein großes, kaltes Mutterherz. »Nimm mich auf!« rief es mit seinem zarten Stimmchen, – »ich bin müde, nimm mich auf – sei Du meine Wiege, in Dir find' ich Ruh.« –
Aber das Herz blieb verschlossen. Aus dem Kind wurde ein Jüngling und der pochte wieder an das große, kalte Herz und sagte: »ich bin in Angst und Zweifel – sei Du [178] mein Altar – nimm mich auf, damit ich beten lerne bei Dir!«
Aber das Herz blieb verschlossen. Und aus dem Jünglinge wurde ein Mann, den traf ein herbes Weh, und abermals pochte er an das große, kalte Herz und flehte: »nimm mich auf, tröste mich, sei Du mein Hort, in dem ich erstarke und gesunde und vergesse!«
Aber das Herz blieb verschlossen. Da ergriff herbe Verzweiflung den Mann und er ging hin und that sich ein Leids. – Und da kam die Leiche und schlug mit eiserner Faust auf das harte Herz. »Thu Dich auf!« befahl die Leiche, – »Du hast meine Wiege nicht sein wollen, und nicht mein Altar, und nicht mein Hort, als ich zu Dir flehte in [179] meiner Zärtlichkeit und Liebe. Nimm mich auf jetzt, da ich kalt und hart bin, wie Du!«
Da sprang das Herz auf und nahm die Leiche zu sich.
Und jetzt trägt es die schwere Last mit sich, Jahr aus, Jahr ein – bis zum jüngsten Tag! –
G.
Pätz'sche Buchdr. (Lippert & Co.),
Naumburg a/S.