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IX.
Aus Smidts Reisebriefen.

1) An Mine und die Kinder.

Cassel, den 7. Februar 1811.

... Wir haben bis jetzt das schönste Wetter, gute Wege und einen sehr bequemen Wagen, sind auch guter Laune dabey ... Von Hannover an wurden beym Wiederanblick der bekannten Gegenden wunderbare Reminiscenzen in mir wach. Ich sahe diese Gegenden zuerst wie ich zum erstenmal vom Hause nach Jena reiste, dann, wie ich zuletzt von Jena zurückkehrte allein, nach dem Tode der meisten meiner dortigen Freunde; dann wie ich nach der Schweiz ging und aus der Schweiz zurückkehrte, zuerst mit Ernst an den Anfang eines bürgerlichen Lebens denkend, und mit Scheu an den Predigerstand. – Jetzt, 14 Jahre später (die besten meines Lebens), fast auf den nehmlichen Punct wieder reduciert, mit einem neuen Schatz von Kenntnissen versehen, von denen ich nicht weiß, ob ich sie in Zukunft besser werde gebrauchen können, wie damals meine Theologie; also wieder mit der Aussicht eines neu beginnenden Lebens, doch ich verliere den Muth nicht. Leb herzlich wohl süße Mine, die Pferde stehen vor der Thür. Morgen Abend denken wir in Frankfurt zu seyn.

*

2) Epernay en Champagne. Depart de la Marne. Le 14 Fevrier 1811.

Das Rad, das ist zerbrochen,
Das Fahren hat ein End
Und wenn zwei Liebchen sich schreiben,
So reichen sie einander die Händ'.

Schreiben! ach schreiben! wer hat doch das Schreiben erdacht,
Das hat mein frisch jung Herze, schon frühzeitig fröhlich gemacht!

Ja so gehts, liebste Mine; wäre das Rad nicht zerbrochen, so hätte ich dir wahrscheinlich nicht eher als aus Paris geschrieben, jetzt bekommst du meinen Brief aus Epernay, obschon es möglich ist, daß du aus Paris noch eher einen Brief von mir erhältst, als diesen, denn ich weiß nicht, wie die Posten in diesem Lande laufen. Wir fuhren diesen Morgen von Chalons sur Marne, wo wir übernachtet hatten, aus, hatten um halb 11 die vier Meilen bis Epernay gemacht, und stiegen hier ab, um zu frühstücken. Da bekanntermaßen der beste Champagner Wein in Epernay zu Hause ist, so ließen wir uns eine Flasche vin d'Ai (sprich A-i –, umgekehrt wie ein Esel), geben. Vollmers sagte zu Gohle, er solle sich ein Frühstück geben lassen, aber keinen Wein, wir wollten ihm Wein abgeben, wir tränken die Bouteille doch nicht aus. Wie wir aber dabey kamen, und der Wirth dazu ein Stück von einem farcierten dindon vorsetzte, merkten wir bald, daß der Wein wirklich de premiere qualité sey, wie wir gefordert hatten, und tranken die Bouteille rein aus, und Gohle bekam apart zu trinken. Der Wirth brachte uns eine eben angekommene Pariser Zeitung, worin unter anderm stand, daß Messieurs les Senateurs Smidt et Vollmers von Hamburg als Deputirte an den Kaiser nach Paris abgereist seyen, und merkte aus unserm Gespräch, daß wir Deutsche seyen, und fragte, ob wir diese Herren unterwegs getroffen hätten. Wir begaben uns nun aus unserm tiefen Incognito heraus, und der Wirth zog sofort ehrerbietigst die Mütze herunter, nicht wissend, was er uns zu Willen thun solle. Wie wir gegessen und getrunken hatten, wollten wir wieder einsteigen, und da fand sich zu unserm großen Schrecken, daß das Eisen an einem Rade gesprungen war. Es wurde ein Schmidt geholt, der es in einer kleinen Stunde wieder zu reparieren versprach; wir gingen also wieder ins Wirthshaus zurück, forderten Kaffee und Pfeiffen. Man brachte uns zwei Stummel, jeden Fingers lang, mit diesen sitzen die fürnehmen Abgeordneten hier am Camin, der eine raucht und meditiert, der andere schreibt an seine Frau, höchst vergnügt, daß er seit drei Tagen zum ersten mal von seinen höllischen und immerwährenden Zahnschmerzen ein kleines Aufhören spüret. Der Wind stürmt dabey fürchterlich, wie seit drey Tagen fast in einem fort. Gestern Nachmittag und Abend war es ein Sturm, daß ich zu Vollmers sagte: »ich werde mich nicht wundern, wenn wir morgen hören, daß die gottlose Stadt Paris durch ein Erdbeben zerstört ist, wie Sodom und Gomorra ...«

Gestern Mittag waren wir bei dem Kriegscommissair Marschall in Verdun, der uns sehr freundschaftlich aufnahm und ein treffliches Dejeuner vorsetzte.

Morgen Abend denken wir nun in Paris zu seyn und übermorgen denke ich dir von dort meine Ankunft zu melden. Hoffentlich finde ich mehrere Briefe von dir bey Gröning Syndicus Heinrich Gröning, seit 1809 in Paris. vor und alle mit guten Nachrichten von dir und den süßen Kindern. Ich will für diese noch ein paar Worte hinzufügen, bis der Wagen fertig ist. Die Reisebeschreibung soll für dich und für sie zugleich seyn.

*

3) An Hanne, Hermann, Heinrich, Johann und Gustav.

den 14. Februar 1811.

Vater ist nun in Frankreich, ihr lieben Kinder, und will euch erzählen, wie er hierhergekommen ist. Ihr wißt noch wohl, lieben Kinder, wie Vater am Sonntag vor acht Tagen Nachmittags mit Ohm Vollmers in den Wagen stieg und Gohle stieg auf den Bock. Da fuhren sie fort über die Weserbrücke und zum Thor hinaus, durch Vater seine Googräfschaft, und fuhren immer weiter bis spät in die Nacht. Da kamen sie nach Bruchhausen; da wohnt der Amtmann Brauns, ein guter Freund von Ohm Vollmers, der gab Vater und Ohm Vollmers zu essen und zu trinken. Da schliefen sie in Bruchhausen. Um 6 Uhr des Morgens fuhren sie weiter. Des Mittags kamen sie nach Nienburg, eine kleine Stadt; da aßen sie und besuchten Herrn Amtmann Olbers, der sonst in Bremen war. Dann fuhren sie weiter und kamen gegen die Nacht nach Hannover, eine große Stadt. Da schliefen sie. Am Dienstag Morgen fuhren sie aus Hannover und fuhren den ganzen Tag durch mehr als 10mal so weit als nach der Dunge, und kamen Dienstag Abend nach Göttingen, auch eine Stadt, wo eine Universität ist und viele Studenten.

Mittwoch stiegen sie wieder in den Wagen und fuhren nach Cassel, wo der König von Westphalen wohnt; da kamen sie Nachmittags um halb 5 an und besuchten den französischen Minister Herrn Baron Reinhard und seine Frau. Diese wollten eben zu Tische gehen, und baten Vater und Ohm Vollmers, daß sie bei ihnen essen sollten. Das thaten sie auch, und wie sie gegessen hatten, so gingen sie in die französische Comödie. Da wurde ein Ballet gegeben, da tanzten wohl 50 Menschen in Holzschuhen; das sah lustig aus. Dabey wurde schöne Musik gemacht, und einer, der that, als wenn er betrunken wäre, und tanzte immer auf den Knieen; darüber haben Vater und Ohm Vollmers sehr gelacht.

Am Donnerstag Morgen, den 7ten Februar, fuhren wir um halb 7 weiter und von Cassel fort. Das Land, wodurch wir fuhren, hieß sonst das Hessenland, wo Großvater Rohde geboren ist. Da sprechen die Leute alle hochdeutsch, und es kann Niemand mehr Plattdeutsch sprechen, und sind auch schon viele hohe Berge da, sodaß eine Zeitlang der Wagen immer langsam den Berg hinauffahren muß, und dann gehts an der andren Seite ganz geschwind wieder herunter. Ists aber ganz steil, so muß man bergab auch langsam fahren.

Vater und Ohm Vollmers kamen auf diesem Wege in ein Dorf, was Jesberg heißt; da wohnt ein Prediger, der heißt: Herr Buch, der ist in Bremen gebohren, und Vater hat ihn wohl gekannt, wie er noch in Bremen war. Da ging er in die lateinische Schule in Prima und war unartig und lief fort, und wurde Soldat, und ging als Soldat über das große Meer nach Amerika. Da wurde er ganz krank und wäre beynahe gestorben; da bat er den lieben Gott, er möge ihn doch leben lassen, er wolle auch sein Lebenlang nicht wieder unartig seyn und ganz artig und ganz fromm leben. Da wurde er auch wieder besser und kam aus Amerika wieder nach Bremen und ging wieder in die lateinische Schule und lernte fleißig. Und er mußte noch viele Jahre länger in der Schule bleiben, wie die andren, mit denen er vorher auf einer Bank gesessen hatte, weil er unter der Zeit, daß er in Amerika Soldat gewesen, viel wieder vergessen hatte. Aber er lernte nun fleißig und studierte darauf, daß er ein Prediger werden wollte, und so ist er nun Prediger in Jesberg und wieder ein braver Mann geworden, und hat eine Frau und wohl 6 kleine Kinder. Den haben nun Vater und Ohm Vollmers besucht, und er hat sich sehr gefreut Vater wiederzusehen und hat seinen besten Wein aus dem Keller geholt und Vater und Ohm Vollmers zu trinken gegeben. Aber sie konnten nicht lange bleiben und mußten gleich wieder weiterfahren.

An beiden Seiten von den Wegen stehen an den Kornfeldern Aepfelbäume und Birnbäume und Zwetschenbäume, sowie bei uns Pappeln oder Weiden.

So kamen sie Abends nach Marburg, da besuchte Vater den Professor Merrem, der auch aus Bremen ist, und sie erzählten einander vielerley. Am Freitag Morgen fuhren sie weiter um 6 Uhr und um 11 Uhr kamen sie nach Gießen. Da besuchte Vater den Professor Pfannkuchen; denkt einmal, so heißt der Mann, der ein sehr braver Mann ist und oft zu Vater kam, als er früher in Bremen war. Und der Prof. Pf. freute sich sehr, daß Vater ihn besuchte und ging mit ihm nach dem Wirthshause, da rauchte er mit Vater und Ohm Vollmers eine Pfeife von ihrem Taback und erzählte ihnen, was er die Studenten lehre in Gießen, und sie erzählten ihm von Bremen. – Dann fuhren sie weiter, und kamen des Abends um 8 Uhr in eine große Stadt, die heißt Frankfurt, wo viele große, schöne Häuser sind, viel größer als in Bremen, und da kamen sie in ein Wirthshaus, das heißt: der englische Hof und ist viel größer noch als der Schütting in Bremen.

Da stiegen sie ab, und Vater, der, wie ihr alle noch nicht gebohren waret, auch schon in Frankfurt gewesen war, dachte daran, daß in Frankfurt noch ein alter Mann lebt und eine alte Frau, die ihn, wie er vorher in Frankfurt war, immer freundlich aufgenommen, und ihm viel zu Gefallen gethan hatten. Der Mann heißt: Herr Hofrath Piel und seine Frau: Frau Hofrath Piel, und Vater mußte in einem großen Hause wohl 80 Tritte hoch hinaufsteigen, da fand er sie auf der Stube, und sie kannten Vater gleich wieder, wie sie ihn sahen, obschon sie ihn in 14 Jahren nicht gesehen hatten. Und sie sprachen nun mit Vater von all den Leuten, die Vater vor 14 Jahren in Frankfurt gekannt hatte, und erzählten, wie es ihnen gegangen sey; einige lebten noch, viele waren aber schon gestorben, und Vater konnte sie nicht wieder zu sehen bekommen ...

In Frankfurt sprechen die Leute auch hochdeutsch; aber wenn sie nicht sagen wollen, so sagen sie nit, und wenn sie Pferd sagen wollen, so sagen sie Pärd. In Frankfurt heißt niemand Madame und die vornehmsten Frauen heißen Frau. So heißt auch niemand Mamsell, sondern alle Mamsellen heißen Jungfer. Am Sonnabend besuchten Vater und Ohm Vollmers noch viele Leute in Frankfurt und Vater fragte viel, ob keine Briefe aus Bremen gekommen wären, daß er hörte, wie es Mutter gehe, und ob die Kinder gesund wären und artig und fleißig, und ob sie noch an Vater dächten. Dann fuhren Vater und Ohm Vollmers um 12 Uhr nach Frankreich, und wie es weiter gegangen ist, will er ein andermal schreiben. Nun lebt herzlich wohl, ihr süßen Kinder!

*

4) Paris, 16. Febr. 1811.

... In Epernay fing ich vorgestern einen Brief an dich an, hörte aber, er käme, von dort abgeschickt, nicht so frühe an, als ich aus Paris schreiben könnte, darum lege ich ihn dir hier bey. Lies den letzten Theil den Kindern zusammen vor, und nimm auch klein Gustav auf den Schooß, wenn er schon nichts davon versteht; so hört er doch mitunter meinen Namen nennen und sieht die aufmerksamen Gesichter der andren dabey. Ich will nächstens die Reisebeschreibung fortsetzen. Du mußt die Karte dabey in die Hand nehmen und den Kindern die Orte zeigen.

... Ich habe daran gedacht, ob du und Friederike Mines Schwester, Frau des Senators Daniel Noltenius. nicht irgend einen Handel anfangen könntet, wozu ich euch hier die Waaren verschaffte, mich nach Preisen erkundigte etc. Madame Berk hatte ja sonst auch einen Handel, und es ist gut sich unabhängig zu machen. Denkt doch darüber nach und schreibt mir über die Gegenstände, Preise etc.; ich will mich nach allem erkundigen: – Leb herzlich wohl, süße Mine. Der Minister des Inneren, Graf Montalimbert, läßt uns eben, ehe wir ihm noch eine Visite gemacht, auf Mittwoch zur soirée bei sich einladen.

*

5) d. 17. Februar 11.

... Wir haben beschlossen keine gestickten Kleider zu kaufen, sondern blos ein Kleid von ungeschorenem Sammt, welches in 2 Jahreszeiten zu gebrauchen ist, – ich lasse mir ein braunes machen, Vollmers ein violettes. Vollmers ist mit den Lübeckern in die Oper gegangen, ich bin zu Hause geblieben, weil ich Lust hatte einmal ein paar Stunden allein zu seyn und mich ein wenig zu sammeln, damit man sich selbst nicht verliert in diesem Gedränge ... Sag an Thulesius, der ihm als Schriftsteller bekannte Cuvier werde im März als abgeordnetes Mitglied der université imperiale nach Bremen kommen um die Schulanstalten dort zu untersuchen; ich glaube, wir können uns zu dieser Wahl Glück wünschen. Ich werde ihn kennen zu lernen suchen. Er spricht sehr gut Deutsch; ich schreibe deshalb noch vorher an Thulesius, sobald ich ihn gesprochen. Sag das auch an Treviranus, Arzt in Bremen, Smidts Freund. der ihn kennt und bitte ihn mir sobald als möglich den versprochenen Brief an Cuvier zu schicken ...

*

6) An die Kinder.

d. 18. Febr.

Am Sonnabend d. 9ten Februar setzten also Vater und Ohm Vollmers sich in Frankfurt wieder in den Wagen und Gohle auf den Bock, und sie fuhren nach Mainz, welches in Frankreich liegt. An dem Wege dahin standen zu beyden Seiten viele Castanienbäume und Wallnußbäume. Zwischen Frankfurt und Mainz fließt der Rhein, ein großer Fluß, wie die Weser; da mußte der Wagen hinüber. Sonst giebt es da nur Brücken von Schiffen, die aneinander festgemacht sind; diese Brücke war aber, des Eises wegen, weggenommen. Nun wurden, wie wir an den Rhein kamen, unsre Pferde abgespannt und nach Frankfurt zurückgeschickt; unser Wagen wurde in ein Schiff geschoben, und wir blieben darin sitzen. Das Schiff wurde nun über den Rhein gerudert. Wie wir nun an das andre Ufer kamen, wo man dichte bey Mainz ist, wurde unser Wagen aus dem Schiff gezogen, und wir wollten nun nach dem Wirthshause in Mainz, was noch beynahe eine Viertelstunde vom Rhein lag, und wir hatten keine Pferde vor dem Wagen. Da kamen wohl 10-12 Männer aus Mainz und sagten, sie wollten uns wohl hinziehen nach dem Wirthshause; da spannten sie sich selbst vor den Wagen und zogen uns gewiß so weit wie von unserm Garten Von der Ostertorscontrescarpe nach der Sögestraße. nach unserm Haus durch die Straßen von Mainz. Mainz ist eine große Stadt.

Am Sonntag den 10. Februar Morgens um 7 Uhr fuhren wir aus Mainz und fuhren den ganzen Tag in einemfort, bis wir des Abends um 9 Uhr nach Kaiserslautern kamen, dies ist eine kleine Stadt und man spricht darin noch deutsch, obschon es zu Frankreich gehört. Das Departement, worin Mainz liegt, heißt Département du Mont tonnere (Donnersberg), das, in dem Kaiserslautern liegt: de la Sarre, von einem Flusse, der die Saar heißt. Montag den 11. Februar fuhren wir wieder den ganzen Tag weiter, durch vielerley Orte und kleine Städte, z. B. durch Saarbrück. Abends kamen wir nach einem Dorfe, das hieß St. Avold, wie es schon halb 10 war. Es liegt im Departement der Mosel – de la Moselle. Hier spricht schon alles französisch, große Leute und Kinder, deutsch verstehen sie garnicht. Die Frauen heißen in Frankreich alle Madame und die Mädchen Mademoiselle, auch die Dienstmägde und Bauernmädchen heißen Mamsell. – In Deutschland waren Vater und Ohm Vollmers immer mit 4 Pferden gefahren, in Frankreich fuhren sie mit 3 Pferden, die alle drey nebeneinander in eine breite Reihe vor den Wagen gespannt wurden; der Fuhrmann oder Postillon saß auf dem Pferde zur linken, sodaß er mit der rechten Hand auf die beyden andren Pferde schlagen kann. Der Postillon trägt immer große, hölzerne Stiefeln (wohl viermal so weit wie Vater seine), wo er mit Schuhen oder andren Stiefeln so hineintreten kann. Wenn nun auch ein Pferd stürzt und er kommt auf der Erde darunter, so bricht ihm das Bein doch nicht entzwey, weil der Stiefel so hart ist.

Die Betten in Frankreich sind ganz hoch, daß man oft erst auf einen Stuhl steigen muß und dann ins Bett, und haben fast garkein Kopfkissen. Die Häuser in Frankreich auf den Dörfern, wie in den Städten sind fast alle von einem Stein gebaut, der anfangs gelb aussieht, und alle neuen Häuser sehen aus wie unser Gartenhaus. Allenthalben sind Bettler auf den Straßen, und man sieht viel mehr Frauen wie Männer. Die Leute singen auf der Straße und wird viel Musik gemacht. Die Frauen tragen meistens Dormeusen Weiße Strichhauben mit hohem Kopf., und die Mädchen ein rotes Tuch um den Kopf, wie Vater sein Schnupftuch. Es giebt viele Esel in Frankreich, allenthalben sieht man Männer und Frauen mit Körben und andren Dingen darauf reiten. Oefen giebt es garnicht in Frankreich; sondern lauter Camine; das sind kleine Feuerheerde, die stehen in allen Stuben und man setzt sich herum und da brennt das Feuer ganz offen und lustig. – Am Dienstag den 12. Februar fuhren wir weiter und kamen Mittags nach Metz, wo wir aßen. Nach Tisch besahen wir eine große, schöne, herrliche Kirche, es waren lauter bunte Fenster darin, worauf allerley Menschen und Sachen gemahlt waren, roth, blau, grün, gelb, so schöne Farben, wie Vater sie noch nie gesehen; lauter große Säulen in der Kirche, ganz hoch, bis unter den Boden, und gar keine Stühle. – Die Mosel fließt bei Metz; ein schöner Fluß, aber kein Schiff darauf ...

Am Mittwoch den 13. Februar fuhren wir weiter und kamen Mittags nach Verdun, und als wir gegessen hatten, wehte bei'm Fahren der Wind ganz stark und regnete beständig und war ganz kalt, und der arme Gohle fror auf dem Bock. Und Vater hatte noch ein wenig alten Wein im Wagen; da rief er Gohle, er sollte absteigen. Da kam er vor's Fenster und Vater sagte ihm, er sollte den Wein austrinken, daß er warm würde. Gohle wollte den Wein nicht nehmen, und sagte: Vater sollte ihn behalten, er kriegte ihn so in Frankreich nicht wieder, aber Vater nöthigte ihn doch, daß er ihn austrinken mußte, und Ohm Vollmers gab seinen Kragen an Gohle, und Gohle hing ihn um. Da wurde er wieder warm von dem Wein und von dem Kragen. Abends um 11 Uhr kamen wir nach Chalons sur Marne im Departement der Marne, eine artige Stadt, wo wir schliefen. Am Donnerstag den 14. Februar fuhren wir in einem Lande, was sonst die Champagne hieß, wo die Erde fast ganz weiß aussieht, wie Kreide, und auf dem Felde wächst kein Gras und kein Korn; da wachsen lauter Weinstöcke, wovon der schöne Champagner-Wein gemacht wird. Und unterwegens in Epernay stiegen Vater und Ohm Vollmers aus, und tranken von dem schönen Champagner-Wein und aßen Puter und Brot dazu. Und Abends kamen sie nach einer kleinen Stadt, die hieß Meaux; da waren eine ganze Menge Esel, die trugen alle Käse, der da gemacht wird. Am Freitag den 15ten fuhren Ohm Vollmers und Vater aus Meaux und fuhren immerfort, bis sie Nachmittags zwischen 2 und 3 Uhr nach der großen, großen Stadt Paris kamen, wo sie noch sind. – Nun lebt herzlich wohl, ihr süßen, lieben Kinder!

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7) Paris 20sten Febr.

... Ich fühle es immer mehr, süße Mine, ich werde nicht damit auskönnen, nur zweymal wöchentlich Nachricht von dir und den Kindern zu erhalten; du mußt mir wenigstens dreymal in der Woche schreiben. Vollmers bekommt fast jeden Tag Briefe, und dann werde ich immer traurig, wenn nichts für mich da ist ...

Zum Besehen von Paris und Pariser Gegenständen konnten wir noch garnicht kommen. Von hiesigen Autoritäten haben wir noch bloß erst den Vice-grand-Electeur, Prince de Benevent (sonst Talleyrand) gesprochen. Diesen Abend sollen wir bey dem Minister des Inneren, Comte Montalivet seyn.

Es haben sich über tausend der angesehensten Damen Frankreichs der Kaiserin Napoleons zweite Gemahlin, Marie Louise v. Oesterreich, die ihr erstes Kind erwartete. zur Amme angeboten, ihren Namen deshalb anschreiben lassen, und sind zum Theil zur Auswahl präsentiert worden, wobey einige für 10-20 000 Thaler Diamanten um- und angehabt haben sollen. Der Kaiser will aber keine Pariserin, wie es heißt. Endlich ist die Frau des Maire zu Fontainebleau, eine junge, hübsche Dame, gewählt.

Was ich dir neulich zur Ueberlegung mit Friederike empfohlen habe (den kleinen Handel) vergiß ja nicht. Es ist in jetzigen Zeiten sehr wichtig, auf jede Art danach zu streben eine unabhängige Existenz zu erhalten.

Jetzt wird es auch Zeit seyn, daß du (im Garten) von den Pfirsichen und Aprikosenbäumen, die an Lampens Seite an der Planke stehen, soviel wie nöthig an den neuen Stall setzen lässest. Zugleich müssen dann auch die Weinstöcke unterdurch geleitet und in das Treibhaus gebracht, auch einige an den Stall gesetzt werden.

Die Veränderungen, welche jetzt unfehlbar dort (in Bremen) vorgegangen seyn werden, sind mehr Veränderungen in der Form, als im Wesen. Die wesentlichen werden wohl erst im Julius stattfinden. Erzähle doch fleißig und ausführlich, was man spricht und was vorfällt. Sorge, daß alles wohlgehe. –

Vollmers jammert immer, wenn er das neue Kleid über den Leib ziehen muß, er sieht dann aus wie ein ehrbarer Raschmacher Meister, wenn er des Sonntags in seinem violetten Rock zur Kirche geht. Die Weste ist von demselben Zeuge, dabey eine schwarze Hose und weiße Strümpfe; ein aufgekrempter, dreyeckiger Hut mit weißen Federn bezogen unterm Arm. So sehe auch ich aus, nur daß meine Farbe braun ist. Es ist ein spektaculeuser Aufzug, Degen dabey; alles geniert horrend, und ich lasse mir, um Vollmers willen, nur nicht merken, wie penibel mir selbst zu Sinn ist.

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8) den 22. Februar.

... Am Mittwoch Abend waren wir auf dem großen Ball bey'm Minister des Inneren. In dem großen Saal, worin ich beynahe 50 Kronleuchter zählte, war es gedrängt voll. 7 bis 800 Menschen waren eingeladen, alle Herren mit Degen und Federhüten, die Damen blitzten von Diamanten. Unter verschiedenen Bekanntschaften, die ich dort gemacht, ist die des berühmten Humboldt Wilhelm von Humboldt. die interessanteste, – er will uns am Montag in eine Sitzung des Nationalinstituts führen. Montag Mittag sind wir bey dem Duc de Cadore, Minister der auswärtigen Angelegenheiten und auf Dienstag bey dem Archichancelier, Duc de Parma eingeladen. Diesen Morgen haben wir Besuche gemacht, alles immer im größesten Staat, in den dein armer Mann täglich zweymal in der Regel aus- und einfahren, und dabey immer noch Vollmers zu Geduld und zu guter Laune ermahnen muß, die ihm alle Augenblicke ausgeht. Erzähl das Daniel Noltenius Friederikens Mann., damit er begreife, daß auch andre Leute nicht auf Rosen liegen, wenn es dort (bei euch) peinlich hergeht, wie ich mir's denken kann. Am Ende hat es doch immer auch seinen Vortheil, wenn man ein wenig durch den Bügel kommt; so muß ich hier auch jetzt mit Gewalt feine Manieren, Gewandheit und Französisch lernen, wozu ich mit gutem Willen schwerlich je gekommen wäre. Sage Daniel, er müsse sich ja den code administratif und besonders den code administratif de la police kommen lassen, oder dort kaufen. Das letzte Buch ist ihm jetzt unentbehrlich.

Bitte Stoltz, er möge mir doch über Nicolais Dr. Nicolai: Domprediger. Predigt und Recension die Quintessenz schicken. Mit seynem Toben wird es bald aus seyn; bey der französischen Behörde wird er als Erzhannoveraner und besonders als unruhiger Kopf nie etwas ausrichten. Die Franzosen können nichts weniger leiden, als das, was sie »tête chaude« nennen, den Nicolai im höchsten Grade besitzt ... Laß die Kinder dir doch nächstens einige Worte dictieren und sage mir, was sie zu meiner Reisebeschreibung gesagt haben. Heute ist's herrlich Wetter, und es scheint fast, als ob der Frühling im Anzuge sey. In deiner Stelle würde ich so früh wie möglich nach dem Garten ziehen. Grüß alles. Bitte jedermann mir zu schreiben und recht viele Details; ich höre fast nichts von dort. –

Herzlich der Deinige.

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9) An Dr. Nonnen. Senator in Bremen.

den 23. Februar.

... Gestern Morgen haben wir mit Gröning Visiten gemacht, zuerst bey dem Duc de Parma; dieser wird uns vermuthlich präsentieren (dem Kaiser), er erwartet aber erst die Ordre dazu. Dann bey dem Grand maréchal du Palais, Duc de Friaul, Duroc, der uns ebenfalls artig aufnahm und über die geographische Lage der Stadt (Bremen) etc. allerley nachfragte. Von dort fuhren wir zu dem Comte Montalivet und übergaben ihm das Schreiben des Senats, welches er sehr gut aufnahm; wir empfahlen die Stadt bestens, und äußerten die Hoffnung, daß wir Gelegenheit haben möchten, die Wünsche derselben vorzutragen. Er erwiderte, daß er unsere Vorstellung nach der Präsentation bey'm Kaiser mit Vergnügen annehmen werde; er wisse, wir hätten eine administration paternelle en famille gehabt: was sich irgend davon conservieren lasse, werde man gern conservieren. –

Dann fuhren wir zum Ministre des cultes, Bêgot de Préameneur, ein alter, freundlicher Herr, der sich lange und über allerley Gegenstände mit uns unterhielt. Er fragte nach der Anzahl der verschiedenen Confessionsverwandten bey uns; nach der Dotation der Kirchen, etc. Wir gaben über alles Auskunft und sicherten weitere, schriftliche Memoires zu, sobald er es wünsche. Auf unsere Aeußerungen: wie wir nicht zweifelten, daß man unsern Kirchen ihre Güter lassen werde, erwiderte er: man habe sie allen protestantischen Kirchen gelassen, und das werde auch bey uns der Fall seyn. Die Regierung pflege sich nur hineinzumischen, wenn die Fonds unzureichend seyen, und deshalb Abänderung getroffen werden müsse.

Wenn die Kirche bey uns ihr Auskommen hätte, so sey das um so besser. Die Katholiken, meinte er, müßten wohl mit irgend einem Bischöflichen Stuhl in Verbindung gebracht werden, und da sey der zu Osnabrück wohl der nächste. Von der griechischen Sprache sagte er: sie werde in Frankreich vernachlässigt; es gebe in Paris nicht 20 Personen, die griechisch verständen.

Ueber Luther, Melanchthon etc. wurde auch noch einiges gesprochen, wobey es sich zeigte, daß er mit der protestantischen Kirchengeschichte nicht ganz unbekannt sey. Wir werden ihn künftig mehr besuchen. Bei dem Grand Chambellan, comte de Montesquieu, und bei dem Duc de Cadore werden wir heute eine Audienz haben. Letzterer hat uns auf unsre Anmeldung sehr artig geantwortet. – ...

Wir sind recht begierig zu erfahren, wie es bey uns hergeht. Wir hören nichts von dort; es muß aber doch allerley vorgefallen seyn, da wir aus den Zeitungen die Verordnung des Prinzen von Eckmühl in Betreff der Polizey, die Ernennung von Daubignose zum Commissaire général und die Nachricht gelesen haben, daß der Senat von Hamburg sich am 16ten zum letztenmal in corpore versammelt habe. Sind die verschiedenen Commissionen nun schon in Thätigkeit gesetzt und auf welche Weise? wo werden die Versammlungen gehalten? Ist der Präfect Comte d'Arberg. schon dort angekommen? ... Sobald er da ist, wird es gut seyn ihm unser Interesse dringend vorzustellen und zur Beyhülfe aufzufordern. In Betreff der Militärlast und Erleichterung des Handels wird er gewiß kräftig mitwirken können und seinen Beistand uns nicht versagen ... Wir bitten fortdauernd uns fleißig zu schreiben und von allem au fait zu halten ...

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10) d. 24. Febr.

... Heute habe ich einen Ruhetag und danke Gott, daß ich nicht in die seidnen Kleider zu fahren und mit Degen und Federhut mich zu schleppen habe. Gestern habe ich mich gar viermal rein umziehen müssen. Tageszeiten und Gesellschaften haben hier ihre verschiedene Etiketten. Rasieren oder rasieren lassen muß ich mich alle Tage. – Gestern Morgen machten wir unsre Courvisiten. Gestern Abend waren wir im Cercle bei dem Archichancelier: fünf bis sechs Säle voller reichgeputzter Herren und Damen, alles so voll, als wären wir im Concert. Wenn man sich hindurch gedrückt hat, um dem Herren, der den Cercle giebt, sein Compliment zu machen, so bleibt man noch eine Viertelstunde, drängt und läßt sich drängen, dankt Gott, wenn man mit dem Degen sich nicht vertakelt und die Kleider beschädigt ... Läßt den Bedienten rufen, dieser sucht den Wagen, der oben in einer Reihe hält von hunderten und nicht aus der Reihe darf. Man muß also in der Regel eine halbe Stunde, oft eine Stunde im letzten Zimmer auf den Wagen warten und fährt dann vielleicht noch eine halbe Stunde, ehe man nach Hause kommt. So werde ich von nun an, solange ich hier bin, vielleicht jede Woche um 5 Uhr Abends zubringen müssen; denn jeder Große hält dergleichen Cercles, läßt genau darauf Acht geben, wer ihm dergestalt die Cour macht, und so muß man von Zeit zu Zeit bey allen herum ... Welch ein Leben!

*

11) d. 28. Febr.

... Daß du mit den Kindern wohl bist, ist herrlich. Du hast Recht, süße Frau; der Schatz, den wir in unsern Kindern besitzen, muß und wird uns trösten mit allem Wechsel des Glücks, und wenn uns dieser Schatz bleibt, so können wir schon viel Unheil ertragen ...

Die Syndici Gröning ist diesen Morgen doch abgereist; alle Gegenvorstellungen, die ihr auch hier gemacht worden, sind fruchtlos gewesen. – Uebrigens weiß ich, daß ich dich bey dem ersten Wochenbette nicht von mir gelassen hätte, und daß du nicht von mir gereiset wärest. Aber wenig Eheleute leben auch in so innigem Verhältnisse, wie wir.

Ich habe der Gröning zum Spaß einen Küchenzettel der Restauration für dich mitgegeben, worin wir gestern grade mit den Hamburgern und Lübeckern speisten; von den unterstrichenen Gerichten haben wir gegessen. Dann habe ich ihr einen kleinen Grundriß von Paris für dich mitgegeben, worauf ich mich künftig bey Beschreibungen beziehen will, und einige Bilder für die Kinder, worauf Carneval Masken, sowie sie hier in diesen Tagen auf den Straßen herumgelaufen, geritten und gefahren sind, mit allerhand Larven, großen Nasen etc. Dies wird den Kindern Spaß machen.

Ich wollte, du gingst einmal zu Gambs (?), und bätest ihn in meinem Namen, dir einige Adressen von hiesigen, protestantischen Predigern und an irgend eine bürgerliche Familie zu besorgen, wo die Hausfrau gefällig genug wäre, uns bey Einkäufen etc. Rath zu ertheilen. Alles ist hier fürchterlich theuer und man wird rasend geprellt, wenn die Leute sehen, daß man etwas nöthig hat und nicht Bescheid weiß ... Fordere doch alle meine Freunde in Bremen auf mir fleißig zu schreiben. Sag jedem, der mir schreibe, thue mir einen wahren Dienst damit. Die meisten Nachrichten, von dem, was bey euch vorfällt, habe ich bloß durch dich erfahren. Setze also nie voraus, daß ich etwas wisse. – Grüß und küß die süßen Kinder.

12) Paris d. 18. März.

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Unsere Präsentation beym Kaiser hat gestern wirklich statt gefunden, und ich will dir alles mit allen kleinen Details erzählen, damit du dich recht hineinversetzen kannst. Wir waren auf 11 Uhr bestellt, Syndicus Gröning sagte uns indeß, da der Kaiser bisweilen früher anfange, so müsse man eine halbe Stunde früher hinfahren. Wir fuhren also um halb 11 Uhr hin, gekleidet mit unsern Sammtröcken, gleichen Beinkleidern, einer weißen mit Gold gestickten Weste angethan, Degen an der Seite, Federhut im Arm. Unser Kutscher und Gohle waren in Grönings Livree gesteckt, hellblau mit Silber. So stiegen wir in dem Schlosse der Tuillerien aus und wurden die Treppe hinauf in den Saal geführt, der der Saal der Marschälle heißt, weil er mit den Bildnissen derselben, in Lebensgröße gemahlt, verziert ist. Wir waren noch die allerersten; doch bald kamen kaiserliche Kammerherren und Pagen; auch die Hamburger und Lübecker, andere Deputationen und Personen, die zur Audienz gelassen werden sollten. Der Saal wurde immer voller. Neben diesen Saal stößt ein anderer, großer und neben diesen ein dritter, welcher wegen des darin befindlichen Thrones, der Thronsaal heißt. Es kamen nun nachgerade die Großdignitairs, worunter auch der Vicekönig von Italien und der Prinz Borghese, Minister in ihrer Amtskleidung und viele Generäle, Admiräle und Senatoren. Die Großdignitairs und Minister gingen durch den Saal der Marschälle und durch den zweiten Saal in den Thronsaal, im zweiten blieben die Senateurs, Generäle und Admiräle. Ein Maitre de cérémonies rief uns bald auch dorthin; doch hatten wir schon eine kleine Stunde im ersten Saal verweilt; nach uns auch die Mitglieder andrer Deputationen. Nachdem wir wieder beinah eine Stunde zugebracht hatten, hieß es, zwischen 1 und 2 Uhr, der Kaiser sey in dem Thronsaal angekommen, und die Deputationen sollten vorgelassen werden, die der Hansestädte war die erste. Wir traten, durch einen Maitre des cérémonies geführt, nun in das Allerheiligste; die Hamburger gingen voran, darauf folgten wir, dann die Lübecker.

Im Thronsaal stand der Kaiser fast in der Mitte, auf einen Teppich, in einer blauen Uniform mit weißen Rabatten und Aufschlägen; unter dem Arm hielt er einen kleinen dreyeckigen, aufgezierten schwarzen Hut mit einer kleinen Nationalcocarde. Der Prinz Archichancelier trat vor den Kaiser, und zeigte ihm an, daß dies die Deputation der Hansestädte sey. An beiden Seiten des Kaisers standen in einer graden Linie die grand dignitairs und Minister in ihrer Amtskleidung. Wir traten nun mitten zwischen diese Reihe grade vor den Kaiser und machten unsre Verbeugung. Syndicus Doormann trat etwas vor, zog unsre gemeinschaftliche Adresse aus der Tasche und las sie mit vielem Anstande ab. Der Kaiser hörte alles mit der größten Aufmerksamkeit an, und sah uns dabey immer grade in's Gesicht; auch wir verwandten kein Auge von ihm. Wie Doormann geendigt hatte, zog der Kaiser seine Antwort aus der Tasche, und verlas sie sehr laut, deutlich und vernehmlich, so daß uns kein Wort entging. Unsre Adresse sowohl, als die Antwort des Kaisers werden ohne Zweifel morgen im Moniteur gedruckt werden, und aus diesem auch in andere Zeitungen kommen; ich beziehe mich daher darauf. Nachdem der Kaiser geendigt hatte, machten wir wieder unsere Verbeugungen und gingen, rückwärts schreitend, dem Kaiser immer das Gesicht zuwendend, wieder durch die Thür in den mittleren Saal. Es wurden nun auch die übrigen Deputationen (sie waren von Wahlcollegien verschiedener Departements), nacheinander in den Thronsaal gerufen; es währte mit jeder aber nur kurze Zeit, so kamen sie wieder. Dann gingen der Kaiser und alle, die im Thronsaal gewesen waren, durch beyde Säle, eine Treppe hinauf, die zu beyden Seiten mit Soldaten besetzt war, in die Schloßcapelle um die Messe zu hören; wir folgten in einen großen offenen Saal, der lauter offene Flügelthüren nach der Capelle zu hatte, und hatten auch hier den Kaiser, wie er die Messe hörte, beständig im Gesicht; Ihm zur Seite standen der Großherzog von Würzburg, der Vicekönig von Italien und der Prinz Borghese. Nach geendigter Messe gingen wir wieder zurück in den Mittelsaal, wohin auch der Kaiser bald nachkam. Hier war's nun so gedrängt voll, daß man sich kaum auf den Beinen erhalten konnte, jeder drängte den andern; ich mußte Hut und Degen mit der größten Anstrengung halten, daß sie mir nicht weggerissen wurden. Wir wurden ganz von einander gesprengt, der eine kam in diese, der andere in jene Ecke. Die Kammerherren, welche den Kaiser umgaben, hatten alle Mühe, ihm soviel Platz zu machen, daß er den Saal in einer unregelmäßigen Linie einmal auf und ab passieren konnte, er ging langsam durch und sprach mit einzelnen, die grade an der Reihe standen, ein paar Worte. So traf es sich auch, daß er auf Senator Cots und Senator Vollmers stieß. Er fragte sie um Namen und Wohnort, und wie sie dieselben genannt, ob sie Senateurs, dann ob sie négociante seyen; sie bejahten beydes, und dann ging der Kaiser weiter; ich stand einen Schritt weiter eingepreßt, konnte aber alles sehen und hören. Der Kaiser ging dann wieder in den Thronsaal, und alles fuhr nach Hause –

Von der duchesse de Montebello haben wir noch keine Nachrichten erhalten und wissen nicht, wie es mit der Audienz bey der Kaiserin steht. Mit unserer Audienz bey dem Kaiser können wir sehr zufrieden seyn. Man hat uns über unsere Adresse gestern Abend viel schmeichelhaftes gesagt, und findet die Antwort des Kaisers, wie es auch nicht anders seyn kann, sehr gnädig und ehrenvoll.

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13) d. 20. März 1811.

Wie ich diesen Morgen aufstand, hörte ich an dem Glockengeläute, daß die Kaiserin in Nöthen sey; alles war in der gespannten Erwartung. Gegen 10 Uhr ertönten die Kanonenschüsse vom Hôtel der Invaliden, ich öffnete ein Fenster nach der Straße und zählte mit klopfendem Herzen. Sowie der 22ste Schuß ertönte, brach alles in lauten Jubel aus: »C'est un prince! l'Impératrice a fait un garçon!« Ich lief ein wenig auf den Boulevard, der dicht bey unsrer Wohnung ist, setzte mich dann mit Vollmers in den Wagen und fuhr nach dem Carousselplatz und dem Tuileriengarten, wo schon eine große Menschenmenge auf und niederwogte, alles voller Freude. Die 121 Kanonenschüsse waren noch nicht zu Ende, wie wir dort ankamen. Es wird nun große Feste geben, der Kaiser wird der besten Laune seyn und darauf sinnen, alle Welt froh und glücklich zu machen. –

Heute ist unsre Audienz mit der dabey gehaltenen Rede im Moniteur bekannt gemacht; ich denke ihn mit dem Courier nebst diesem an Nonnen zu befördern. Geh daher gleich bey Empfang dieses zu ihm, so wirst du ihn (den Moniteur) lesen können. Ich möchte nur eine halbe Stunde auf dem Museum und in der Erhohlung seyn, um die Bemerkungen darüber zu hören.

Gestern habe ich bey dem Ministre du Trésor public mit den Lübeckern gespeist. Vollmers und Gröning waren nicht eingeladen; wir hatten erst vor 8 Tagen bey ihm gespeist. Auf meinem Einladungsbillet stand: Mons. Smidt, Député de Lübeck; ich ließ erwidern: ich sey von Bremen, es würde ein Irrthum seyn, erhielt aber zur Antwort, ich sey gemeynt; ich möge von Bremen oder von Lübeck seyn. So mußte ich also mit, und um mir alle Zweifel zu benehmen, fragte mich der Minister beym Ankommen: »M. Smidt, comment se portent Messieurs vos Collegues?« Wahrscheinlich war es Anfangs doch ein Irrthum gewesen; der Minister wollte aber nicht Unrecht gehabt haben, und wußte so, mit französischer Artigkeit die Sache in's Gleis zu bringen.

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14) Paris, 31. März 1811.

... Du scheinst nicht zu wünschen, daß ich G. S. Gesandtschafts-Sekretär. werden möge, weil, wie du sagst, die Stelle den ganzen Menschen in Beschlag nimmt, den Mann und den Vater. Es wird auch wohl nichts daraus werden, da ich jetzt fast nicht zweifle, daß Gröning dazu ernannt werden wird. Aber, süße Mine, wo werde ich eine Stelle erhalten können, die wenigstens 2,000 Thaler einbringt, und die mich nicht so in Beschlag nehme, daß ich nur dem Amte wie sichs gehört vorzustehen, und als Mann und Vater für dich und die Kinder sorgen zu können, nicht Zeit und Nebenzeit der Arbeit widmen müßte. Ich sehne mich wahrlich ebenso sehr danach, wie du, einmal in Verhältnisse zu kommen, wo ich dir und den Kindern etwas mehr leben kann, und ich versichere dich, daß, um dies zu erreichen, ich mich selbst mit dem Gedanken, Bremen im Nothfalle zu verlassen, schon vertraut gemacht habe. Wenn ich sehen muß, daß der größte Theil meiner ehemaligen Collegen, die mich nun 10 Jahre lang zu allem Möglichen brauchbar gefunden haben, weil sie zum Theil Muße hatten und ihrem Vergnügen nachgingen, wenn ich mich abquälte, mich jetzt fast zu nichts, sich aber zu allem brauchbar finden, so wird von dieser Seite her wenigstens meine Sehnsucht nach Bremen eben nicht sehr gereizt, und wenn mir in gewissen Stunden ein Antrag geschähe, selbst hier in Paris eine hinreichende Beschäftigung und Auskommen zu finden, ich wiese ihn nicht zurück und beriethe mich wenigstens ernstlich mit dir darüber ... Fürchte indeß keinen übereilten Entschluß, ich fühle nur, daß ich einmal an Thätigkeit gewöhnt, ohne einen bestimmten Wirkungskreis nicht leben kann, daß ich diesen also haben muß, aber daß ich zu gleicher Zeit nicht ökonomische Sorgen haben darf, wenn ich nicht darüber zu Grunde gehen soll; deshalb sehe ich mich nach allen Seiten um. Ich werde eine nützliche und sorgenlose Sphäre vor allem suchen; um Ehre und Ansehen ist es mir dabey garnicht zu thun, ich habe davon in meinem bisherigen Leben in meiner Art soviel genossen, daß ich für den übrigen Theil desselben diese Art von Reizmittel sehr gut, und ohne alle Nachwehen entbehren zu können fühle ... Fürchte übrigens nicht, als sey ich jetzt in einer besonders hypochondrischen Stimmung, das ist gewiß nicht der Fall. Es wird mir nur von Zeit zu Zeit Bedürfniß, mich durch herzliche Mittheilung erleichtern zu können.

Leb herzlich wohl, und fange keine Grillen meinetwegen; ich bin schon wieder heiter, wenn ich mich nur ausgesprochen habe; eben wie bey körperlichen Uebelbefinden, wenn ich meine Noth nur einem Arzt geklagt habe. Ich befinde mich fortwährend wohl.

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15) Paris 2. April 1811.

... Sag Trinche Smidts Schwester., wenn es mit mir so drehte, daß ich nirgends recht ankäme, so könnte ich am Ende noch wohl Hofmeister ihrer Kinder werden. Wir könnten zusammen wohnen, zusammen eine Pensionsanstalt errichten und noch mehrere Kinder dazu nehmen. Es ist dies wenigstens ein Plan unter vielen für unsere künftige Lebensweise; ich mache mir alle Tage dergleichen, um am Ende wählen zu können, aber wer die Wahl hat, hat die Qual. Soviel weiß ich indeß, daß wenn ich am Ende nun einmal gewählt hätte, oder andere habe für mich wählen lassen, so werde ich in jeder Lage, wo ich einigermaßen ohne öconomische Sorgen leben kann, am Ende wieder recht vergnügt seyn. Mein Gemüth ist im ganzen heiter gestimmt, und ist immer dazu geneigt die üble Laune, welche aus mißlichen Umständen außer mir herrührt, bey dem ersten Sonnenblick fortzustoßen und zu vergessen ...

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16) Paris den 7. April 1811.

Deinen nebst Hanne und Hermanns Brief vom 30. März habe ich gestern Abend richtig erhalten süße Mine; ich schrieb dir in diesem Monat am 2. 4. und am 5. Durch einen gestern von hier abgegangenen Reisenden, der etwa in 14 Tagen dort ankommen wird, schicke ich dir noch drey Bilder für die Kinder. Es sind Spiele; ein Affenspiel und Aehnliches. – Auf dem einen stehen lauter Figuren aus der Naturgeschichte; auf einem andern lauter Schiffe und auf dem dritten Bilder zu Lafontaines Fabeln. Die Beschreibung des Spiels ist darunter gedruckt, französisch nemlich. Hanne muß sich Mühe geben, daß sie sie herausbringt, und sie den Knaben lehren. Kannst eins davon aussuchen, was sich für Hermann am besten paßt und sagen, ich schickte es ihm zu seinem Geburtstage. Was gäbe ich darum, ihn heute mit herzen zu können. – Ferner habe ich ihm ein Stück schönen weißen Zucker, der aus Runkelrüben bereitet ist, mitgegeben. – Ich habe es neulich, wie wir beym Minister des Innern speisten, und wo nach Tische zum Kaffee bloß Runkelrüben-Zucker präsentiert wurde, bey Seite gebracht. Dies Stück Zucker bringe dem Aeltermann Nicolaus Kulenkamp mit einem herzlichen Gruße. Wenn du einmal nach der Mutter gehst, so sprich bei ihm vor und kündige es ihm an, so freut er sich schon im Voraus darauf. Du kannst ihm auch sagen: die Syndinci Gröning habe auch etwas Syrup und Sandzucker von Weintrauben mitgenommen. Wenn du sie siehst, so könntest du sie wohl bitten, dir ein wenig für Kulenkamp davon zu geben. Ordentlicher Zucker läßt sich übrigens nicht herausbringen. Dabei fällt mir ein, dir zu erzählen, daß ich hier in Gesellschaft mehrmals und noch gestern Trauben vom vorigen Jahre, die noch sehr süß und schön waren, und fest am Stocke saßen, gegessen habe. Birnen hat man hier auch noch ganz vortrefflich, besonders St. Germain.

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17) d. 9. April 1811.

Deinen Brief vom 31. März und 1. April auf einem Blatte habe ich richtig erhalten, süße Mine; du staunst über meine Unentschlossenheit wegen meiner künftigen Anstellung, da ich mich sonst nie unentschlossen gezeigt hätte. Mir kommt es vor, als sähest du mich mit der Angel fischen und riefest mir zu: »ich begreife nicht, warum du dich nicht entschließest, ob du einen Hecht oder Aal, oder was sonst fangen willst!« Ich bin nach wie vor sehr bald entschlossen, sobald die That, welche auf jeden Entschluß folgen soll, meine That ist. Aber eben, weil ich gewohnt gewesen bin, mir selber immer schnell zu helfen, und mich so wenig wie möglich auf andere zu verlassen, ist mir die durchaus entgegengesetzte Lage peinlich. Zu allem, was von meinem Entschlusse abhing, habe ich mich schnell genug bestimmt. Meine weniger angenehme Situation hat ein Ende. Auch jetzt verliere ich in der That keinen Moment dadurch. Es fragt sich also, was ist für die Zukunft zu thun? – und da wieder zunächst, ob ein Amt zu suchen, oder keins? So viel Angenehmes das letzte auch für mich haben würde, wenn ich mir mit Muße als Privatmann einen zweckmäßigen Wirkungskreis aufsuchen und verfolgen könne, so fand ich doch gleich, daß dies wegen ökonomischer Verhältnisse unthunlich sey und entschloß mich also zu dem ersten ... ich war dir und mir diese Rechtfertigung schuldig, süße Mine, weil mir an deiner Achtung und dir an dem Glauben gelegen sein muß, daß ich mich selbst nicht verlasse, und du unter allen Umständen auf mich zählen kannst. Schreib mir nur, daß du im Nothfall auch zur Dunge ein einsames Landleben zu führen den Muth hast. Dies ist, wenn es gleich noch ärger kommen kann, das Aergste, was wir, meiner jetzigen Ansicht nach, zu besorgen haben, und ich mache mich immer gern auf das Aergste gefaßt. Uebrigens sei völlig überzeugt, welche Lage uns auch künftig treffen werde, sobald sie einmal bestimmt ist, werde ich mich schon darein zu finden wissen, und du wirst mich heiter und zufrieden sehen, solange du es bist, und wir alle gesund sind, und die Kinder brav und gut werden. Leb herzlich wohl.

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18) d. 15. April.

... Hanne's Gedicht an den Frühling ist für sie wirklich ganz gut gerathen, wenn es gleich größtentheils aus Reminiscenzen zu bestehen scheint. Es hat mir viele Freude gemacht; laß sie es doch auch einmal mit dem Hexameter versuchen. Dieser bildet im Grunde mehr, aber er wird Hannen ungleich schwerer fallen. Laß dir die Regel dieses Versbaus gelegentlich von Betty Betty Gleim, sehr bedeutende Mädchenlehrerin und begeisterte Deutschpatriotin. eintrichtern, und hilf Hannen dann ein wenig zurecht. Es ist ihr besonders gut, daß sie auf dergleichen Liebhabereyen fällt ...

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19) d. 17. April.

Gestern erhielt Gröning die Nachricht von der glücklichen Entbindung seiner Frau von einem Knaben. Er ist außerordentlich froh, wie du dir denken kannst. Besuche sie doch einmal und laß dir bey der Gelegenheit Kleider und dergleichen zeigen, die sie hier angeschafft hat. Von den Stoffen, die man hier trägt und von den Preisen derselben, wird sie dich am besten unterrichten, und auch die Fabriken und Handelshäuser am besten angeben können, wo dieses und jenes zu haben ist. Du kannst mir dann darüber schreiben ... Wohl immer wegen des beabsichtigten, kleinen Handels?) Die Briefe der Kinder machen mir fortwährend viel Freude. Laß sie doch bisweilen damit fortfahren; laß auch den kleinen Johann ein paar Worte sagen, so confus sie auch herauskommen. Es ist doch ein kleines Lebenszeichen. Küß alle herzlich. Ich bin wohl. –

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20) d. 19. April.

... Gestern Mittag habe ich bey einem der hiesigen, lutherischen Prediger, Herrn Boissard gespeist, an den ich durch Gambs adressirt war, wo ich recht vergnügt gewesen bin. Die Gesellschaft – es war eigentlich ein Kindtaufschmaus – bestand etwa aus einem Dutzend Personen, meistens Elsässer von Geburt; es wurde deutsch und französisch untereinander gesprochen. Die Frau des Boissard sowohl, als einige andre Frauen gefielen mir sehr gut. Sonst stehen mir die Pariserinnen im Ganzen garnicht besonders an. Die französischen Frauen sind mir alle zu männlich. Beyde lutherische Prediger sind artige und, wie es mir vorkommt, auch gescheute Leute; beyde jünger, wie ich, und sind vorher schon im Militärdienst gewesen. Einer nur als Nationalgardist, der andre hat vier Jahre gedient, einen der österreichischen Kriege mitgemacht, ist bis zum Capitain avancirt und lange in Ungarn gefangen gewesen. – Dergleichen wird bey uns auch noch künftig wohl passieren, jeder Franzose muß der Conscription Genüge leisten, entweder durch wirklichen Dienst, oder durch Stellung eines Remplaçants, wozu die wenigsten das Vermögen besitzen.

Können nun selbst aus Officieren Prediger werden, so werden die Leute sich bey uns um so weniger darüber zu wundern haben, wenn Jemand aus dem Civilstande wieder in den geistlichen übergeht; – und in dieser Hinsicht brauchte ich mich also nicht zu schämen, wenn ich mich z. B. in St. Martini P. Jacob Stoltz beabsichtigte auszuscheiden oder war schon ausgeschieden. mit auf die Wahl setzen lassen wollte. Ich habe einen solchen Gedanken in mehren Briefen hingeworfen, aber man scheint ihn für Spaß genommen zu haben, und wenn er bey mir auch nie recht ernstlich gemeynet ist, so habe ich ihn doch aus dem tableau meiner möglichen Zukunft noch nicht ausgestrichen. So habe ich auch sonst noch allerhand Pläne in Reserve, mit denen ich, nur in Ermangelung eines besseren, mich ernstlich zu beschäftigen gedenke und vor der Hand stille davon schweige. – Kurz es wird sich schon ein Wirkungskreis für mich finden, und daraus, daß ich unablässig darüber nachsinne und mir immer neue Wege offen zu halten suche, kannst du schließen, daß ich den Muth nicht verloren habe. Mein Glück mag ich lieber hinterher preisen, als vorher. Cuvier besuchte mich gestern; er sagte mir, er habe alles, was ich ihm mitgetheilt, aufs neue durchgelesen, und finde, man werde bey uns hauptsächlich darauf Bedacht zu nehmen haben, wie die guten Einrichtungen, die sich bey uns finden, zu erhalten seyen. Das war mir sehr angenehm zu hören; denn es würde mich sehr schmerzen, wenn man alles Kopf unter, Kopf über werfen und nach dem neuen Leisten umformen wollte. Leb herzlich wohl.

... Promptitüde auf den Tag ist eine Hauptsache. – –

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21) d. 22. April.

... Das Notariat ist für mich von allen Stellen wahrscheinlich am leichtesten zu erhalten; es giebt die Aussicht zu einem hinreichenden Broterwerb, möglicherweise sogar zu einem reichlichen. Um mich in öconomischer Hinsicht keiner Sorge überlassen zu dürfen, halte ich diese Aussicht daher vor der Hand fest, und sinne übrigens unablässig darauf, was sich von interessanten und meinem bisherigen Wirkungskreise mehr entsprechenden Geschäften damit verbinden lasse.

... Gestern fuhren wir zur großen Audienz nach St. Cloud. Die Audienz wird in der geräumigen, dort befindlichen, kaiserlichen Bildergallerie gegeben, die durch die Sitzung des »Raths der Alten« am berühmten 18. Brumaire merkwürdig ist. Ich hatte die Ehre vom Kaiser angeredet und um meinen Namen befragt zu werden ... (Anmerkung.) Mündlicher Ueberlieferung nach (wahrscheinlich durch Cuvier) hatte Napoleon, kurz vor dieser Audienz, einen Brief vom Prinzen Eckmühl erhalten, in welchem Smidt als ein höchst gefährlicher Mensch geschildert worden war: »un homme des plus mal-intentionnés«. Darauf hin soll der Kaiser in der Tür des Empfangssaales noch einmal umgekehrt sein, auf Smidt zugegangen und vor ihm stehengeblieben, und soll ihn scharf und finster gemustert haben unter gedrückten Brauen hervor. Wortlos hat er dann den Saal verlassen. – Vielleicht hing mit diesem Eindrucke auf den Kaiser auch der beschleunigte Abreisebefehl für Smidt zusammen, den er am 28sten April aus der Kanzlei des Ministers des Inneren Montalivet erhielt:
»Ich danke Ihnen, mein Herr, für die Auskünfte, die Sie. mir, als Deputationsmitglied der Stadt Bremen gegeben haben. Da Ihr diesbezüglicher Auftrag für Paris erledigt ist, können Sie jetzt nach Bremen zurückkehren. Ich ersuche Sie, mir, binnen vierundzwanzig Stunden, mitzuteilen, welchen Tag Sie für Ihre demnächstige (»prochain« von der eignen Hand des Ministers) Abreise festgesetzt haben. Empfangen Sie, mein Herr, die Versicherung meiner Hochachtung

Montalivet

22) d. 29. April 1811

(s. Anmerkung zum Briefe v. 22. April.)

Wir dürfen uns eher wiedersehen, süße Mine, als ich es bisher dachte ... Durch eingezogene Erkundigungen sind wir nemlich völlig überzeugt worden, daß die früherhin geäußerte Erwartung, wir würden doch bis zur Taufe des Königs von Rom und den damit verbundenen Fêten hier bleiben, nicht, wie wir es bey den ersten, desfallsigen Aeußerungen glauben mußten, als ein halber Befehl anzusehen sey, und daß man es uns nicht im mindesten übeldeuten werde, wenn wir vor dieser Epoche zurückkehren. Wir haben deshalb gestern und heute nähere Ueberlegung angestellt und uns, falls nicht etwas besonderes dazwischen kommt, heute zu dem Entschlusse vereinbart, in künftiger Woche unsere Rückreise anzutreten. Am Ende nächsten Monats hoffe ich also gesund und wohl wieder bey dir und den süßen Kindern zu seyn ... Nun sehe ich doch noch vielleicht etwas von den Blüthen in unserm Garten.

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23) d. 1. Mai.

... Den Kindern muß ich doch wohl irgend eine Kleinigkeit mitbringen; ich möchte indeß gern zugleich etwas kaufen, was ihnen nützlich und nöthig ist, um unnöthige Ausgaben in diesen schweren Zeiten zu vermeiden ... Wegen Seide und halbseidenem Zeuge, Handschuhen und dergl. will ich mich dieser Tage noch umhören und einige Proben und Adressen mitbringen ...

Allem Ansehen nach tritt in unser Schulwesen vor künftigem Herbst keine Veränderung ein, und ich bleibe wenigstens noch 1½ Jahre Scholarch. Sag das Thulesius und Rump.

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24) d. 4. Mai.

Wie ich gestern im Begriff war an dich zu schreiben, süße Mine, hohlte mich Jemand ab, der mich zu einigen hiesigen Fabrikanten führen wollte; dies durfte ich nicht versäumen ... Ich habe für ein paar hundert Thaler von allerhand Waaren eingekauft. Alles ist so, daß es sich mit vielem Danke unter der Hand wieder absetzen läßt, falls es mit dem Handelsetablissement von Friederike und dir nichts wird ... Der beabsichtigte »kleine Handel« kam, da die Verhältnisse sich bald besserten, niemals zu Stande.

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25) d. 5. Mai.

... Ich schreibe dir heute um dich aufzufordern, den Vorschlag der Vermiethung einiger Zimmer in der Stadt für Officiere doch sobald wie möglich in's Werk zu richten; ich wollte du hättest es längst gethan.

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26) d. 7. Mai.

... Hierbey erhältst du, deinem Wunsche gemäß, mein Conterfey. Thue mir den Gefallen und zeige es jedem der Kinder einzeln, und schreib mir nach Amsterdam, ob sie es gekannt haben, und was jedes Kind gesagt hat.

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27) d. 9. Mai.

Nur mit ein paar Worten zeige ich dir heute an, süße Mine, daß wir diesen Nachmittag um 3 Uhr abzureisen beschlossen haben. Um ein freundliches Andenken an die Scheidestunde mitzunehmen, habe ich eben noch eine Stunde im Louvre unter den Herrlichkeiten der alten Kunst zugebracht ...

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28) St. Quentin 12. Mai.

... Freytag Mittags fuhren wir nach Ermenonville, und brachten den Rest des Tages damit zu, den dortigen, unvergleichlichen Park, das Haus, worin Rousseau starb, und die Pappelinsel, wo seine Grabstätte war, zu besehen. Während der Revolution hohlte man seine Gebeine von hier ab und brachte sie nach Paris in das Pantheon. Abends fuhren wir im Mondschein nach Senlis, wo wir schliefen.

Ich schicke dir hierbey noch ein paar Abdrücke meines Portraits. Einige finden es ähnlich, Andre nur halb; ich glaube, es könne nicht ganz ähnlich seyn. Ich mußte beym Abnehmen in einer sehr genirten Stellung unbeweglich sitzen; die Spitze eines Eisendrahts wurde gegen die Nase gestemmt, und ich mußte grade in's Licht sehen, welches mir eine gezwungene Stellung geben mußte ...

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29) Brüssel 13. Mai.

... Das Wetter ist heute, so wie alle Tage während unserer Reise, ausnehmend schön, mitunter ist es fast heiß. Wie wir von Schloß Laaken (Laeken) zu Hause kamen, sahen wir den Telegraphen auf einer der hiesigen Kirchen in voller Arbeit. Unser Lohnbedienter meynte, es müsse etwas besonderes vorgefallen seyn, daß der Telegraph noch gegen 8 Uhr, wo es schon beynahe dunkel, in Bewegung sey. – Das geschieht aber oft zur Mittheilung von Ordres und dergl. Mir ist heute bey der Hitze eingefallen, ob du auch wohl daran denkst, daß die Fenster des Treibhauses mit Matten belegt werden müssen, sonst treibt der Weinstock zu stark und verdirbt ganz. Frag doch nach, ob bey uns auch am 2ten Juny Zur Taufe des Königs von Rom wahrscheinlich. Feste gefeyert werden, und wie man es damit zu beginnen gedenkt, und schreib mir das nach Amsterdam. Kaufe Salbeysaamen und besäe ein Beet damit in unserm Garten. Ein Raucher in Paris hat mir gesagt, da der Taback jetzt so theuer und so schlecht werde, so rauche er jetzt nichts als getrocknete Salbeyblätter, das schmecke recht gut. Ich muß das doch auch probiren ...

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30) Antwerpen 14. Mai.

... Daß Hanne sich auch sehr auf meine Rückkehr freut, habe ich mit großer Freude vernommen, und mit größerer die gute Hoffnung, welche du von ihr hast. Ich habe an dem Mädchen nie verzweifelt, und sie, trotz aller ihrer Seitensprünge, immer recht lieb gehabt; sie soll mit der Zeit schon werden. Mich freut es nur, daß ich jeden Einfall sie irgendwo in Pension zu schicken, immer standhaft zurückgewiesen habe. Wo könnte sie auch besser gedeihen als bey dir? Halte sie nur immer recht nahe an dich und um dich, und sorge vor allem für guten Umgang für sie. Bekomme ich künftig mehr Zeit, so werde ich Hannen sowohl als die Knaben, in Hinsicht des Unterrichts, selbst mehr vornehmen. Ich denke mit großer Freude an diese Möglichkeit.

Mit dem jungen Osy War eine Zeitlang bei Senator Vollmers im Kontor. haben wir diesen Abend noch einen Spaziergang an die Schelde gemacht. Drey große Linienschiffe, jedes von 80 Kanonen, lagen dicht bey der Stadt. Mich soll verlangen, ob es eines von denen ist, worauf wir bremische Matrosen von der ersten, zweyten oder dritten Lieferung finden, oder ob diese weiter unten auf dem Flusse bey Vliessingen sind, wo noch ein Dutzend Linienschiffe liegen, und wohin wir nicht kommen.

Es würde mir viel Freude machen, von diesen guten Leuten jemand zu treffen und ihnen kleine Gefälligkeiten erweisen zu können. Uebrigens glaube ich, daß es diese Matrosen im französischen Dienst schon ganz gut haben werden, und daß unsre Leute sich weit eher an den Seedienst gewöhnen werden, als an den Landdienst ...

Im Pfingsten, wo ich hoffentlich Erbsen mit euch esse, wenn sie anders dort schon reif sind, möchte ich doch, daß unsre Zu jener Zeit waren bei uns in Bremen die regelmäßigen, gern weit ausgedehnten Familientage und andre regelmäßige, gesellige Zusammenkünfte sehr in der Mode. Leseabende, Pflege geistreicher Unterhaltung und idealer Bestrebungen bei einfacher Kost standen, bis in meine Mädchenjugend hinein, auf der Tagesordnung. Soviel ich weiß, kam die Smidtsche »Sonntagsgesellschaft« jeden zweiten Sonntag zusammen, und bestand damals in der Hauptsache aus den Familien Smidt, Noltenius, Thulesius und Castendyk. Auch Rumps, Bekenns und P. Jakob Stoltz gehörten dem Kreise an. Sonntagsgesellschaft am ersten, oder noch besser am zweyten Tage zusammenkäme. Suche das zu veranstalten, und mache, daß auch Horn und Thulesius dabey sind. Was habe ich euch nicht alles zu erzählen, und was werde ich alles von euch zu hören haben! – Wie wir diesen Morgen zwischen Brüssel und hier unterwegs waren, sahen wir die Telegraphen auf allen Kirchthürmen wieder in voller Arbeit. Ich sprach nachher mit dem jungen Osy darüber; dieser sagte, das sey nichts besonderes. Die Telegraphen würden sehr fleißig benutzt, auch zum besten von Privatpersonen, die eine Kleinigkeit dafür bezahlen. – Vor einiger Zeit hielt der Kaiser in Paris einen Conseil, worin, unter anderem, beschlossen wurde, daß eine Militairperson, die in Antwerpen sich aufhielt, schleunig nach Paris kommen solle, um über einen gewissen Gegenstand Bericht abzustatten. Die Ordre wird sofort an den Direktor des Telegraphen in Paris gegeben, es in Antwerpen zu melden. Dies geschieht unverzüglich; die Nachricht kommt eine halbe Stunde nachher hier in Antwerpen an. Der Mann ist grade zu Hause, läßt seinen Wagen anspannen und setzt sich hinein, und noch an demselben Morgen, in derselben Sitzung des Conseils wird dem Kaiser von dem Director des Telegraphen in Paris berichtet: sein Befehl sey ausgeführt; er habe soeben von Antwerpen die Nachricht erhalten, der Mann sey bereits unterwegs auf der Reise nach Paris.

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31) d. 15. Mai.

Ich mag hier gern seyn in Antwerpen. – Das französische Wesen verliert sich hier in dem holländischen. Man sieht eine Handelsstadt, worin doch einiges Leben ist, und gewinnt einige Aussicht, wie es doch etwas besser wieder bey uns werden könne. Die Maßregeln gegen den Handel sind hier nicht den zehnten Theil so strenge, wie bey uns.

Die Frauen aus den geringen Ständen tragen alle Regenkleider ... Diesen Mittag haben wir bei dem alten Osy gegessen, und sind dann nach dem Landgute des jungen Osy gefahren; ein Schloß, welches in alten Zeiten dem Cardinal Granville gehörte. Du wirst ihn aus Schillers Abfall (der Niederlande) kennen ... Morgen früh werden wir ein Linienschiff besteigen; der hiesige Präfect hat Erlaubniß dazu ertheilt. Uebermorgen reisen wir weiter. Leb herzlich wohl, süße Mine.

32) Rotterdam, d. 18. Mai.

... Am Donnerstag d. 16. speisten wir (in Antwerpen) Mittags bey dem jungen Osy, der uns nach Tische auf die Werft und in das Arsenal führte. Eine unzählige Menge Arbeiter ist dort mit dem Bau einer neuen Flotte beschäftigt. Wir fuhren dann an das Linienschiff le Tilsit, von 80 Kanonen, welches wir völlig besahen. Es waren beynahe 1000 Menschen an Bord. Kapitain und Lieutenant dieses Schiffes sind die beyden französischen Werbeofficiere für die Marine, welche kurz vor der Réunion in Bremen waren, und mit denen Gondela und Vollmers hauptsächlich verkehrten. Bey beyden habe ich auch einigemale mit ihnen gegessen. Der Capitain war nicht am Bord; der Lieutenant erkannte uns aber gleich und nahm uns mit der größten Artigkeit auf.

Leider war kein Bremer am Bord des Schiffes; bloß Franzosen und einige hundert Oldenburger. Die Bremer und Hamburger waren auf kleinen Schiffen, die in der Mitte eines Bassins an der andren Seite der Stadt lagen ... Herr Osy hatte die Gefälligkeit für mich, mit mir hinzuzugehen. An Bord der Schiffe durften wir nicht kommen; da aber grade ein Matrose mit einem kleinen Boote dahin abfuhr, so sagte ich diesem, wenn dort Bremer an Bord seyen, möge er fragen, ob es erlaubt sey, daß einige von ihnen an's Land kommen dürften? Der Mann kam bald mit dem Schiffe und einem Bremer zurück, der mich gleich kannte. Er hieß Hahn; ist der Sohn eines Kaufmanns, der vormals in der Molkenstraße beym Brill wohnte. Ich fragte ihn, ob Möhlenhof am Bord des Schiffes sey, welches er bejahte, und bat ihn dann, diesen, und wenn es thunlich sey, noch einige andre Bremer an's Land zu schicken, die mich persönlich kennten, besonders die aus meiner Googräfschaft.

Es kamen nun bald nachher ungefähr ein Dutzend an Land, welche alle die größteste Freude bezeugten mich zu sehen und mir Grüße an die Ihrigen aufzutragen. Sie sprachen von den guten, lieben Herren in Bremen mit der wehmüthigsten und dankbarsten Rückerinnerung. Ich gab ihnen vier Laubthaler, die ich grade bey mir hatte, um sich mit ihren Cameraden gütlich dafür zu thun, welches sie freundlich annahmen. Ihre Erzählungen haben mich indeß überzeugt, daß sie es im Ganzen in ihrer neuen Lage gut haben; denn wenngleich einige klagten, so kam es am Ende darauf hinaus, daß sie während des letzten Theils ihrer Reise, den sie zu Wasser gemacht, durch widrigen Wind aufgehalten, weniger reichliche Nahrung gehabt hatten, wie während des ersten Theils und seit ihrer Ankunft in Antwerpen. Hier bekommen sie täglich: Suppe, Fleisch, Brod, Gemüse, Bier und etwas Wein; dürfen auch von Zeit zu Zeit an's Land gehen, können auch mit den Ihrigen correspondiren – kurz, wenn die Sehnsucht nach Frau und Kindern nicht wäre, ich glaube, die Meisten würden sich freuen, auf diese Weise in jetzigen, schlechten Zeiten Brod zu haben. Ich ermahnte sie, sich gut zu halten, sich auszuzeichnen, damit sie bald Officiere würden etc. etc., und sprach ihnen möglichen Muth ein. Im ganzen schienen sie guter Laune zu seyn; bloß Möhlenhof, der, des Seelebens ungewohnt, sich sehr nach den Seinigen zurücksehnt, weinte, wie er mich sah. Es ist derselbe von den beyden Brüdern, der so oft in unserm Hause gewesen ist. Was ich seinethalben gethan, liesest du in der Einlage, die du dann, mit einer Oblate versiegeln und an Herrn Wichelhausen beym Markt schicken mußt. Laß auch von den Huchtinger Bauern jemand kommen, und sag ihnen Bescheid ...

Sonst habe ich aus meiner Googräfschaft noch gesehen: Friedrich Weyland vom Steinwege, er bat mich seine Frau zu grüßen und ihm seinen Geburtsschein zu besorgen; auch rief er mich wieder um und sagte mir in's Ohr, ich solle seine Frau doch vor allem ermahnen, daß sie die Kinder unausgesetzt zur Schule schicke, damit sie was lernten. Laß die Frau hohlen und sag ihr das, auch, daß sie den Schein schicke. Dann H. Frese, ein junger Kerl, der kürzlich eine Wittwe Reuters am Steinwege geheirathet hat. Joh. Christian Anthoni, derselbe vom Steinwege. Auch dessen Frau laß hohlen und sag ihr, wie den obigen, ich hätte ihren Mann gesprochen; er sey wohl. Ein gleiches sage den Frauen und Verwandten der übrigen, die ich gesprochen habe und dir jetzt nennen will. Einer, Sohn vom Ex-Silberdiener Knust; du könntest den Vater wohl hohlen lassen, es würde ihm Freude machen. Einer, Namens Joh. Gottfried Koch, der Herrn Wulf beym Markte bitten läßt, ihm seynen Geburtsschein baldigst zu schicken; besorge das doch. Einer, Gerhard Klamp, dessen Wohlbefinden der Wirth Hagemann in der »Stadt London« den Seinigen melden wird. Ein gewisser Krop, aus der Vorstadt, Sohn von Woltje Krops Wittwe, die an der lateinischen Schule bemeyert ist. Einer, Friedrich Schmidt, der den Schlachter Joh. Meyerriks grüßen läßt. Einer, Heinrich Jacobsen, der seinen Bruder Gerhard Jacobsen grüßen läßt. Ein Christian Schröder; eines Soldaten Sohn, dessen Mutter in der Neustadt, in Degen-Gang wohnt. Ein gewisser Wiese, dies ist, glaube ich, der Kutscher von Walte. Diese habe ich alle selbst gesprochen und wohl befunden; kannst du dies einem oder anderm sagen lassen und zugleich von den übrigen erzählen, so wird's einer schon dem andren wieder sagen, und die Nachricht, daß es den Leuten nicht übel gehe, wird sich im Ganzen verbreiten ...

Diese Nacht träumte mir so lebhaft, ich sey wieder bey euch, daß ich davon aufwachte, aber da war ich leider in Rotterdam!

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33) Haag, 19. Mai, früh 6½.

... Gestern um 1 Uhr kamen wir hier im Haag an. Vor Tisch besah ich noch das sog. »Haus im Busch« ein Lustschloß im Walde, das recht artig ist. Nach Tisch spazierte ich nach Scheveningen, ein Fischerdorf, eine kleine Stunde vom Haag. Hier habe ich am Ufer der Nordsee, unter den Kanonen der Engländer gestanden, drey englische Fregatten näherten sich dem Strande; zwey davon waren so nahe, daß ich das Tauwerk mit bloßen Augen unterscheiden konnte. In einem am Ufer gelegenen Wirthshause trank ich Thee und sah die Engländer durch ein Fernrohr hin und her kreuzen ...

Heute fahren wir nun nach Leiden, und diesen Abend bis Harlem, wo wir wahrscheinlich die Nacht über bleiben. Morgen geht es dann nach Amsterdam; dem Puncte meiner Sehnsucht, um endlich einmal wieder von dir und den Kindern etwas zu hören. Gott gebe lauter Gutes ... Du könntest mir wohl in den letzten Tagen der folgenden Woche noch ein paar Zeilen an Glade, den Wirth am Kattenthurm, schicken ... Wenn ich nach einer langen Abwesenheit zurückkehre, so klopft mir bey jeder Meile, die ich dem Hause näher komme, das Herz immer ängstlicher, und es würde daher sehr zu meiner Beruhigung gereichen. Den Koffer und meine Sachen denke ich lieber im Hause in der Stadt auszupacken, als im Garten; es möchte bey'm Hinausfahren zum Thore wegen Visitation allerley Schwierigkeiten geben ... Wegen Möhlenhof in Huchting habe ich dir gestern geschrieben, daß man den für ihn bestimmten Stellvertreter, wenn er wirklich ein erfahrener Matrose ist, nur baldigst nach Antwerpen an Herrn Joseph Osy schicken möge, mit dem ich deshalb gesprochen habe und der allen Fleiß anwenden wird, die Umwechslung zu besorgen.

... Auch Trinchen sage, sie möge gutes Muthes seyn. Gegen die Zeit, daß ihre Söhne conscriptionsfähig sind, hört der Krieg vielleicht und ich mag sagen höchstwahrscheinlich auf, und die Conscription ist dann so geringe, daß für eine Kleinigkeit ein Remplacant zu finden ist. Gesetzt aber, das wäre nicht der Fall, so kommt es ja fürs erste darauf an, ob das Loos eines ihrer Kinder trifft, und im ärgsten Falle, so muß sie für jeden ihrer Knaben 1000 Thaler daran wenden, um einen Stellvertreter zu finden. Ich würde zu meinen Kindern, wenn die Zeit für sie heranrückte, so sprechen: »Ihr werdet bald 20 Jahr; dann ist die Zeit, wo euch das Loos treffen kann Soldat zu werden. Wer dazu keine Lust hat, muß sich anstrengen auf irgend eine Weise soviel zu verdienen, daß er die Zinsen und einen Theil des Kapitals, welches ein Stellvertreter kostet, jährlich besonders erwerben kann. Es hängt also von eurem Fleiß und der Entwicklung eurer Talente größtentheils ab, daß ihr die Freyheit behaltet, euch euren künftigen Stand zu wählen.« – Was aber Trinchens gegenwärtiges Fortkommen mit ihren Kindern betrifft, so darf sie auch deshalb sich keine Sorge machen. Die Abgaben sind freylich sehr stark; aber die Lebensmittel werden auch viel wohlfeiler werden, und mancher wird mit einem kleinen Capital besser fertig werden können, wie vorher mit einem größeren. Kurz, süße Mine, bin ich nur erst wieder dort und finde alle meine Lieben gesund und wohl, so wollen wir schon damit fertig werden uns und andere zu beruhigen und zu ermuthigen. Freundschaft und Liebe bleibt uns, und damit läßt sich viel ertragen und bestehen. Grüß und küß die süßen Kinder recht herzlich; ich darf sie mir garnicht jedes einzeln denken, sonst brennt mir die Erde so unter den Sohlen, daß ich gleich zu Fuße nach Hause laufen möchte!

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34) 29. Mai Abends.

... Soeben sind wir hier in Lingen glücklich angekommen. Einen Honigkuchen habe ich durch Gohle in Amsterdam kaufen lassen und mit im Wagen. Am Sonnabend also denke ich. An die Mutter schicke ich mit eben der Post, welche dir diesen Brief bringt, einen langen Brief direct ab, welcher ihr viel von Putten erzählt. Lies ihn doch bey ihr, er wird dich interessiren. Leb herzlich wohl bis zum Wiedersehn, du süße, liebste Mine!

Der Deinige
Smidt.

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