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XII.
Aus den Briefen von der Reise in's Hauptquartier der verbündeten Mächte.

1) An Frau Mine.

Göttingen, den 5ten December 1813. 1 Uhr Nachmittags.

Vor einer Stunde sind wir hier angekommen, liebste Mine, und haben eben Villers Charles de Villers, geborener Franzose, der damals schon jahrelang in Lübeck gelebt und sich durch seine Schriften so große Verdienste um die Hansestädte erworben hatte, daß ihm der Bremer Senat 1809 das Ehrenbürgerrecht verlieh. besucht, der vor Freude weinte und uns fast erdrückt hätte ...

Gestern Morgen kamen wir in Hannover an.

Den Mittag brachten wir in Hannover sehr interessant und geistvoll zu. August Wilhelm Schlegel August Wilhelm Schlegel, der Kritiker und Literat war 1813-14 Sekretär des Kronprinzen von Schweden. und Benjamin Constant Benjamin Constant de Rebseque, vorzüglicher, französischer Politiker aus reformierter Emigrantenfamilie, war zur Zeit gleichfalls im Gefolge des Kronprinzen von Schweden., von dem dir Horn oder Thulesius, die ihn aus der Geschichte der Revolution näher kennen werden, erzählen können, speisten mit uns in einem besondern Zimmer. Schlegel war außerordentlich aufgeräumt, erzählte viel und declamirte uns manche seiner ungedruckten Gedichte, auch einige ganz unbekannte von Göthe. Wir saßen bis 6 Uhr zu Tische und fuhren dann weiter. Wir sind alle wohl; und meine Reisegefährten lassen dich vielmals grüßen. Das Gespräch geht uns nie aus. Diese Reise ist mir höchst interessant, dabei vertragen wir uns herrlich.

Sage Gondela, ich schriebe ihm nächsten Posttag ausführlich. Vor der Hand sei es ganz unnöthig, daß jemand nach Hannover gehe. Der Herzog von Cambridge und Graf Münster werden wahrscheinlich nächstens von London über Bremen nach Hannover reisen. Diese müsse man fêtiren.

*

2) Marburg, den 7. Dec. 1813, 10 Uhr.

Wir sind fortdauernd munter und wohl und fröhlichen Gemüthes. Die Nächte fahren wir durch, und des Tages verwenden wir einige Stunden darauf, in allen Städten von einiger Bedeutung die Edleren im Volke kennen zu lernen und die öffentliche Stimmung zu erforschen. Morgen Vormittag denken wir in Frankfurt zu sein, wo wir Briefe von dort zu finden hoffen. Spanne alles an, mir fleißig zu schreiben. –

Ein englischer Courier, der uns gestern begegnete, erzählte, daß der Prinz von Oranien bereits im Haag angekommen sei. Das Gerücht, welches wir in Cassel hörten, daß die Franzosen Amsterdam wieder besetzt hätten, wird dadurch als unbegründet, widerlegt. Frankfurt soll als freie Stadt wieder retablirt sein. Bitte, daß man mir ein Schreiben des Senats an Lord Cathcart schicke, der in Frankfurt ist, auch daß man mir mit der fahrenden Post ein halbes Dutzend Exemplare von der »Wiedergeburt Bremens« von Dr. Willmanns und sonstige interessante Piecen, auch ein Exemplar der Bremer Zeitung und der Feldlager-Zeitung schicke. Der Churfürst von Hessen ist retablirt; bis auf 3 Hanausche Oerter, die Darmstadt erhält. Der Churfürst stellt 24,000 Mann und liefert viel Hafer etc. etc.

Sag Pastor Menken, er möge mir einige Adressen an patriotische und gescheute Frankfurter schicken.

Mit den gelieferten Requisiten an Stiefeln, Schuhen etc., desgl. was die Verpflegung kostet, mit den Maaßen an Hafer etc., nach Lasten und nach dem preußischen Maaßstabe angegeben, müsse mir die Aufgabe der Verpflegungs-Deputation mit jeder Post nachgeschickt werden, so auch die jedesmalige Anzahl der Einquartirungen, auch Nachrichten, wie es mit Hamburg, Holstein und Holland steht ...

*

3) Frankfurt, den 8. Dec. 1813.

So eben, Morgens halb 11 Uhr, kommen wir hier glücklich und wohl in Frankfurt an. Unser braver Landsmann, der Buchhändler Willmanns, hat uns sofort Quartier im Weidenhofe, einem gutem Gasthofe, der seinem Hause gegenüber liegt, verschafft. Du kannst deine Briefe nur an Willmanns couvertirt abschicken.

Die beiden Kaiser, der König von Preußen, Stein und alle Minister sind noch hier. Es heißt aber, Ende dieser Woche gehe der Kaiser Franz nach Heilbronn, und der Kaiser Alexander nach Heidelberg ...

*

4) Frankfurt, den 13. Dec. 1813.

Wie wir Audienz beim Kaiser von Oesterreich und König von Preußen gehabt haben, hast du ohne Zweifel von den andern gehört, auch welche interessante Personen wir dort getroffen.

Gestern Mittag speiste ich bei Herrn Mülhens in einer ganz kleinen Gesellschaft, wo außer den Hausgenossen nur der Fürst Esterhazy, der General Jomini und der preußische Staatsrath Stegmann waren, Horn wird dich diese Leute näher kennen lernen. – Es ist hier höchst interessant, sowohl in Hinsicht der hier anwesenden merkwürdigen Personen, als des forschenden Geistes.

Perthes Hamburgischer Buchhändler und hanseatischer Abgeordneter in's Hauptquartier. und Sieveking Hamburgischer Syndikus. Beide große und begeisterte Patrioten., die in ein paar Tagen abreisen werden, sollen dir unendlich viel erzählen, sie gehen über Bremen. Ich gehe in ein paar Tagen nach Carlsruh oder nach Freyburg im Breisgau, wohin man von hier in 36 Stunden fährt.

*

5) Frankfurt, den 15. Dec. 1813.

Ich grüße dich, liebste süße Mine, einige Augenblicke vor meiner Trennung von Perthes und Sieveking, sie sind mir sehr lieb geworden, und ich rechne die 14 Tage, die ich mit ihnen zugebracht, zu den interessantesten meines Lebens. Sie werden dir sehr viel erzählen können.

Wenn ich wieder komme, kann ich noch mit keiner Wahrscheinlichkeit sagen. Es scheint wohl, als muß ich, nach P. und S. dortiger Ankunft, noch erst Briefe hier erwarten, ehe ich abreise, bis Mitte Januar kann es daher wohl dauern, ehe ich wieder bei dir bin.

Daß du die beiden lieben Leute herzlich aufnehmen wirst, kann ich mir denken, du wirst aber deine Noth haben, daß sie dir nicht wieder unter den Händen entwischen. Wahrscheinlich bleiben sie nur eine Nacht in Bremen. Deinen Brief vom 7ten erhielt ich gestern, den vom 8ten und l0ten beide heute. Briefe, die für mich ankommen, öffne immer erst und handle nach den Umständen.

Allerhand kleine Brochüren, die mir zum Theil geschenkt sind, sind in einem kleinen Packet, das dir Perthes geben wird. Nimm heraus, was du willst, mit dem Uebrigen laß Thulesius, Horn und die Sonntagsgesellschaft sich amüsieren.

Schreib mir doch etwas besonders von den Kindern. Warum schreibt Hanne nicht einmal, warum die Knaben nicht? Was sagt der liebe Gustav und der süße Johann? Laß Perthes den Kindern doch viel erzählen, wie die ungarischen Grenadiere präsentiert haben, wie wir zum Kaiser Franz hinaufstiegen; wie die Adjudanten flogen und von dem unaussprechlichen Grafen mit dem Schlüssel. Es wird ihnen großen Spaß machen. Nun leb herzlich wohl, süße Mine, ich muß fort nach Carlsruh. Adressire deine Briefe nur immer an Willmanns und schreibe recht fleißig.

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6) Knatzingen, den 21. Dec. 1813. 2 Uhr Nachmittags.

Knatzingen 4 Meilen von Freyburg heißt der Ort, süße Mine, wo wir, zum ersten Mal auf unsrer Reise, aus Mangel an Pferden schon 4 Stunden still liegen, und nicht wissen, wann wir Pferde bekommen werden.

Ich schrieb gestern an Nonnen, der Rheinübergang sei erfolgt; in Carlsruh wurde das Gerücht allgemein um 1 Uhr verbreitet und ich glaube es um so eher, da ein preußischer Oberst mir kurz vorher gesagt hatte, daß diese Nachricht mit jeder Stunde zu erwarten sei. Hier höre ich indeß, daß blos kleine Detachements zum Recognosciren hinübergegangen, und der Uebergang der Armee noch nicht stattgefunden; berichtige das also bei Nonnen.

Die Hanseaten und ihre Anstrengungen sind allenthalben in gutem Rufe; es wird ihrer ehrenvoll gedacht, wohin man kommt. Es ist mir wiederholt angeboten worden, mich bei dem badischen Hofe einzuführen, es hätte mich aber zu sehr aufgehalten, darum habe ich nicht darauf eingehen können.

Wie bald ich wiederkomme, kann ich noch nicht sagen, doch hoffe ich noch immer, spätestens in der Mitte des Januars. Unsre Angelegenheiten stehen sehr gut. Nach allem, was ich höre, dürfte es nicht unwahrscheinlich sein, daß die verbündeten Heere noch vor Ostern in Paris einrücken, und den Gegenbesuch für die französischen Visiten in Wien, Berlin und Moscau abstatten ...

*

7) Freyburg, 27. December 1813.

... Wie freut es mich, daß ihr alle wohl seid, ich bin es auch; es herrschen hier zwar auch bösartige Fieber, aber es starben bis jetzt nur einheimische daran und keine Fremde, auch gebrauche ich alle Präservative, wahrscheinlich geht es auch bald nach Basel. Vor 14 Tagen kann ich an die Abreise nicht denken.

... Beim russischen Kaiser habe ich gestern Audienz gehabt und bin sehr gütig aufgenommen. Man muß das in die Bremer Zeitung setzen lassen, daß ich in Frankfurt am l0ten December bei dem Kaiser von Oesterreich, am 12ten Dec. daselbst bei dem Kaiser von Rußland Audienz gehabt, allenthalben mit großer Huld aufgenommen sei, daß von den erhabenen Monarchen viel Mitleid mit dem Schicksal der Hansestädte bezeugt und die besten und beruhigendsten Aussichten für dieselben gegeben seien. Man wundert sich, wenn es nicht hineinkommt, da die Zeitung jetzt im Hauptquartier sehr gelesen wird ...

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8) Freyburg, 28. und 29. December 1813.

... Die vorstehenden drei Gedichte sind von einem vormaligen preußischen Officier, Herrn von Schenkendorf, der sie mir in Carlsruh gegeben hat. Nonnen wird dir mehr darüber sagen. Laß sie abschreiben durch Hanne; theile ihm das vorstehende Blatt mit; zeige sie auch an Thulesius und wem du sonst willst ... Erzähle Nonnen auch, die kleine Festung Blamont zwischen Breisach und Belfort, auf dem Wege nach Besancon, habe sich den Alliirten ergeben; in Colmar habe man eine Contribution erhoben. Es heißt auch, Blücher sei unweit Mainz über den Rhein gegangen. Alle Tage marschiren hier viele Tausende von Truppen durch. Es wird alles gut gehen ... Die Bayern beschießen Hüningen. Bern hat seine alte Verfassung wieder eingeführt und Aargau und das Pays de Vaud wieder mit sich vereinigt.

Schreib mir in jedem Briefe, wie es um Hamburg steht ...

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9) Freyburg, d. 30. December 1813.

... Der Fürst Schwarzenberg ist gestern hier gewesen und diesen Morgen wieder zur Armee gereist. In den Vogesen hatte man einen französischen Transport von Gewehren genommen. Es ist zu erwarten, daß Neapel beitrete. Hüningen ist letzte Nacht bombardirt. Der König von Preußen kommt morgen oder übermorgen hier. Diesen Abend ist ein großer Ball. Die Kaiser gehen wahrscheinlich auch hin; wir auch. – Leb herzlich wohl und küß die süßen Kinder, laß sie doch mehr schreiben! Gustav auch dictiren ...

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10) Freyburg, 2. Januar 1814.

Wieviel schöne Festtage muß ich hier entfernt von meinen Lieben vertrauern. Weihnachten, der letzte Tag im Jahr, unser Hochzeitstag, dein Geburtstag. – Nun im Geiste bin ich immer bei euch, und ihr denkt gewiß auch an mich. Ich schicke durch D. einige Kleinigkeiten zum Andenken; für dich ist die schöne Postkarte und die beiden Anschreibekalender, für Hanne »Voßens Luise«, für Hermann der »Orbis pictus«, woraus er zugleich französisch lernen kann, für Heinrich »Der Mensch auf Reisen«, für Gustav und Johann die Kuchen, Trinchen soll den Rheinländischen Hausfreund haben; Hebel, der Dichter allemannischer Lieder, den ich in Carlsruh in seiner Liebenswürdigkeit kennen gelernt, ist der Verfasser. Die Einfältigkeit der Erzählungen, wobei der Artikel von dem Hauptplaneten nicht zu übersehen ist, wird ihr gefallen. Die beiden ganz kleinen Kalender sollen Mathilde Schwester Trinchen Castendyks Tochter. und Minchen Holler haben, zum Beweise, daß ich ihrer, und unsrer fröhlichen Reisen nach und von Idensen noch immer mit Vergnügen gedenke ... So eben, süße Mine, erhalte ich deinen Brief vom 22ten, herzlichen Dank dafür, das hast du brav gemacht mit dem Geschenk für Perthes' Frau.

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11) Freyburg, den 5. Januar 1814.

... Das Hauptquartier der hohen Mächte wird nun nächstens nach Basel verlegt werden, der Kaiser von Rußland reist schon übermorgen ab, indeß über Schaffhausen, wo er seine Schwester, die Wittwe des Prinzen von Oldenburg, welche sich dort aufhält, besuchen will. Der österreichische Kaiser reist am 10ten direkt von hier nach Basel. Länger dürfte ich auch nicht bleiben. Adressire deine weiteren Briefe unter Couvert an Herrn Johann Merian Foscart zu Basel. Der König von Preußen ist gestern hier angekommen. – Noch immer marschiren täglich viele tausende der schönsten Truppen: Oestreicher, Russen, Preußen, Würtemberger etc. hier durch; es ist eine wahre Freude sie zu sehen. Menschlichem Ansehen nach muß es mit Napoleon in diesem Jahre aus sein. In Genf hat man 117 Kanonen erbeutet. Es geht allenthalben vorwärts.

Der alte 76 jährige Dichter, Johann Georg Jacobi, ein Bruder des Verfassers des »Woldemar«, ist hier dieser Tage gestorben. Wenige Tage zuvor habe ich noch einen sehr frohen Abend vor seinem Bette zugebracht; ich las ihm die Schenkendorfschen Gedichte vor, die ihm große Freude machten. Von Stoltz habe ich mehrere Briefe. Er freut sich sehr über unsre Auferstehung von dem Tode und meint, es herrsche so etwas vom Geiste der ersten Christen bei uns. Bei Leben und Gesundheit denke ich von Basel die Rückreise über Zürich zu machen. – Dies für dich.

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12) Freyburg, 5. Januar 1814.

Ich suchte des Nachts in meinem Bette, die meine Seele liebet, und fand sie nicht. – So heißts im Hohenliede Salomonis, meine süße, liebste, einzigste Frau; so ging es auch mir. Mit dem Gedanken an deinen heutigen Geburtstag schlief ich gestern Abend ein, wachte ich diesen Morgen wieder auf. Nun, der Himmel erhalte dich mir und unsern süßen Kindern, du Licht meines Lebens, du Sonne meiner Tage! Es ist nicht möglich mit Feder, Dinte und Papier auszudrücken, wie lieb ich dich habe, und ich mag's ihm auch nicht anvertrauen; aber du weißt's ja, du himmlische, einzige Mine!

Wills Gott, geht dieser Monat nicht zu Ende, bis ich dich wieder in meine Arme geschlossen habe; wie herrlich wollen wir dann leben im freien Bremen, im freien Deutschland! Gelüstete mich jetzt nach Namen und Ehre, ich sähe wohl wie's zu beginnen wäre; aber ein Jahr meines Lebens mit dir und den lieblichen Kindern ginge darüber verloren, und das wäre viel zu theuer erkauft. Der Strom der Zeit geht ohnedas seinen Gang, und vorübergehend sind die Gestalten, die auf seiner Oberfläche erscheinen. Eines überglücklichen Looses kann sich der schon rühmen, der im Herzen eines der Edlern und Bessern gelebt hat, und mir genügt das Deine ...

Die großen Angelegenheiten gehen vortrefflich, Napoleon fühlt sich noch in der Klemme. Ich fürchte nur immer, man macht, in der Freude ihn gedehmüthigt zu sehen, schneller Friede, als es Zeit ist.

13) Freyburg, den 10. Januar 1814.

Deinen Brief vom 31. habe ich heute richtig erhalten, süße liebste Mine, sonst nichts aus Bremen; seit mehreren Tagen nicht. Meinen Brief vom 8. wirst du auch bekommen haben. Des Abends haben wir noch deinen Geburtstag gefeiert; ich hatte Herrn von Pilat, Geheim-Secretair des Fürsten Metternich, einen sehr verständigen und in jeder Hinsicht schätzenswerthen Mann, der auch Frau und Kinder in Wien hat und ihrer gern und mit Freude gedenkt, dazu eingeladen. Er und Gildemeister und ich haben Punsch mit einander getrunken und recht wacker und fröhlich gezecht. Es ist uns sehr gut bekommen, obgleich es sich bei der Untersuchung fand, daß wir eine ganze Bouteille Rum dazu gebraucht hatten.

Wenn der Postmeister nicht wieder wortlos wird, so bekommen wir diesen Abend um 9 Uhr Pferde nach Basel; es ist Mondlicht und heitres Frostwetter, die Straßen allenthalben beschneit, es wird also ganz still sein. Du wirst, der weiteren Entfernung halber, nun wohl einige Tage länger auf einen Brief warten müssen. Alles, was hier für mich vorkommt, wird mir nachgeschickt! –

Das Schicksal der Hamburger geht mir sehr nahe. Um für sie zu thun, was ich kann, habe ich gestern deshalb eine Note an die österreichischen, russischen und preußischen Minister übergeben, worin ich darauf angetragen habe, man möge sich mit Napoleon auf keinen Waffenstillstand oder Friedensunterhandlungen einlassen, bis er zuvor Hamburg geräumt habe. Ich schicke heute Abschrift davon an Duntze, damit er sie an Perthes schicke. Ich möchte, daß du sie läsest, du kannst nur Duntze, Nonnen oder Horn geradezu sagen, ich hätte dir geschrieben, man möge sie dir doch zeigen, denn es ist nichts Geheimes darin. Gentz Friedr. v. Gentz, hervorragender Publicist, jenerzeit Anhänger und Helfer der Metternichschen Kabinetspolitik., dem ich sie gestern Abend vorlas, bezeugte große Zufriedenheit damit, was viel sagen will, denn er schreibt ausgezeichnet schön, und ist ein arger Kritikaster. Leb herzlich wohl und küß die süßen Kinder. – Laß dir auch einmal den Brief des Kaisers von Oesterreich zeigen.

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14) Basel, den 13. Januar 1814.

Ich grüße dich herzlich aus Basel in der Schweiz, süße beste Frau, wo ich vorgestern Morgen mit Gildemeister glücklich angekommen bin und mich gesund und wohl befinde. Mein Bedienter Schömberg ist indeß krank und liegt seit gestern größtentheils zu Bette, ich denke indeß, daß es blos Erkältung ist; er fürchtet ein kaltes Fieber, ich habe heute zum Arzt geschickt, der aber noch nicht da gewesen ist.

Ich bin recht sehr vergnügt unter den Schweizern, die mich allenthalben aufs freundlichste aufnehmen, besonders der alte Bürgermeister Buxtorf, den ich schon 1797 kennen lernte. Es ist hier eine Anstalt wie unser Museum und Erhohlung, wo ich gewöhnlich des Abends von 5-9 zu bringe und täglich neue, interessante Bekanntschaften mache.

Die gute Sache geht noch immer vorwärts. Das Hauptquartier des Fürsten Schwarzenberg ist in Vesoul. Die Vorposten in Langres. Kosaken streifen eine Tagesreise vor Paris. Der Kaiser von Oesterreich kam hier gestern an, der Russische Kaiser heute, der König von Preußen wird auch heute oder morgen kommen. In Frankreich scheint Schrecken und Bestürzung zu herrschen.

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15) Basel, den 17. Januar 1814. Abends 10 Uhr.

Durch den Herrn Rittmeister von Bismarck vom Lützowschen Corps, der jetzt Adjudant des Generals Tettenborn ist, schicke ich dir diese Zeilen, süße Mine. Ich traf ihn gestern Abend von ungefähr im Steinschen Bureau, und bat ihn auf diesen Mittag zum Essen. Morgen früh um 7 Uhr will er über Bremen zur Armee zurückreisen. Er wird dir sagen, daß er Gildemeister und mich vollkommen gesund gefunden hat. Mit Schömberg wird es nicht besser, der Arzt sagt, noch sei es kein Nervenfieber, aber es könne in wenig Tagen eines daraus werden. Für seine gute Verpflegung geschieht alles Mögliche, und obschon der Arzt mich noch heute versichert hat, es habe durchaus noch keinen ansteckenden Charakter, nehme ich mich doch in Acht, als ob es der Fall wäre. Auch bin ich nicht besorgt, daß es bei Schömberg Gefahr habe; bei guter Wartung und Pflege und wenn frühzeitig gehörige Arzneimittel gebraucht werden, kommen von 10 Nervenfieber-Kranken 9 durch. –

So eben verläßt uns eine interessante Gesellschaft, die seit 6 Uhr bei uns Thee getrunken hat. Pestalozzi, Niederer, der Preußische Kammergerichtsrath Eichhorn, der Präsident Albertini, und Herr von Tschorner, beide letzteren aus Graubünden, alles treffliche Leute. Man wollte militairischer Seits das Local, worin Pestalozzi zu Iverdun sein Institut hat, zu einem Militairhospital benutzen, er hat dagegen bei den Monarchen Vorstellungen gemacht und auch sofort Zusicherung erhalten, daß er ungestört bleiben soll. Welche Menge interessanter Menschen aus allen Gegenden der Welt dies große Hauptquartier dreier ersten Monarchen versammelt, und wie viel ich davon schon in Frankfurt, Carlsruh, Freyburg und hier kennen gelernt habe, das läßt sich nur mündlich erzählen, da ich keine Zeit habe, ein Buch zu schreiben. Und das vollends in einer Zeit, wie die gegenwärtige, wo selbst aus dem gewöhnlichen Menschen geistige Funken hervorzusprühen scheinen. Was gäbe ich darum, daß du die Reise hättest mitmachen können, süße Mine. Wie will ich mich bei meiner Rückkehr erlaben an Frauenliebe und in Verkehr mit unsern herrlichen Weibern. Das ist's, was mir seit der ganzen Reise vorzüglich gebricht, nirgends habe ich mit Frauenzimmern Umgang gehabt. Hier in Basel verkriechen sie sich nun gar wie Ameisen in ihre Löcher. Gestern Abend war ich in einem Concert, wo auch nicht eine Einzige zu sehen war. Der Kaiser Alexander ist gestern Abend nach Vesoul abgereist. Sein unkluger Schwager, der abgesetzte König von Schweden, ist mehrere Stunden auf der Straße herumgelaufen, um ihn wegfahren zu sehen. Er ist durch seine gemeine Aufführung hier ein Gegenstand allgemeiner Verachtung geworden, und selbst ein Wäschemädchen, das er heirathen wollte, hat ihm sehr schnöde einen Korb gegeben.

Ob ich diese Woche hier fertig werde und dann nach Hause reisen kann, oder ob ich noch mit nach Vesoul in Frankreich hinein muß, wird sich in wenig Tagen zeigen; ich fürchte beinahe das letztere; es kann indessen auch das erstere zutreffen.

Die alliirten Armeen rücken immer vorwärts, man erwartet indeß doch, daß es in der Gegend von Langres zu einer Schlacht kommen könne, weil Mortier sich mit 40,000 Mann dorthin ziehen soll. Uebrigens sieht alles darnach aus, daß die Alliirten noch vor Ostern in Paris sein werden, wo dann der Friede abgeschlossen werden dürfte. Die Nachricht von dem Abschlusse des Friedens mit Dänemark ist hier heute angekommen. Nun wird doch hoffentlich endlich mit Hamburg Ernst gemacht werden. Herr Chapeaurouge Ch. war im Auftrage des sog. Hanseatischen Directoriums (Fr. Perthes u. A.) ebenfalls dem Hauptquartiere nachgereist, um seiner Vaterstadt zu nützen, die sich noch in Davousts Gewalt befand. aus Hamburg, vormaliger Maire adjoint, hat mich hier heute besucht.

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16) Basel, den 22. Januar 1814.

... Ich muß in 3-4 Tagen mit nach Vesoul in Frankreich hinein; dies ist aber schon die Rückreise; wenn du nun deine Karte ansehen willst, so wirst du's finden. Denn ich denke, wenn ich in Basel meine Sachen abmache, wie zu erwarten, über Nancy nach Frankfurt zu gehen, und so weiter nach Hause. Weil keine Pferde nach Vesoul zu haben sind, muß ich noch so lange hierbleiben, wahrscheinlich mache ich indeß in diesen Tagen auf einen Tag einen Besuch bei Stoltz in Zürich. Pferde dahin kann man nicht bekommen, aber es hat sich in diesem Augenblick ein Miethkutscher gezeigt, der dahin retour fahren will, und mit dem werde ich wohl Handels einig. Du wirst dann in mehreren Tagen keinen Brief von mir erhalten. Der kleine Gustav ist ja hoffentlich wieder besser, das ist der einzige trübe Gedanke, den ich habe in dieser herrlichen Zeit. O süße Frau, wärst du doch bei mir, du und die Kinder. Die verbündeten Mächte sind mir jetzt die Wittheit, und Deutschland ist mir Bremen. Es geht jetzt nicht anders, man wird mit fortgerissen, und reißt mit fort. Uebrigens sei nicht besorgt, ich vergesse darum weder Vaterstadt noch Haus, wenn mir gleich alles, was dort passirt, wenn es nicht auf das große Ganze Bezug hat, so erbärmlich vorkommt, daß ich nichts davon hören mag, was sie in der Wittheit treiben. Mit Schömberg bessert es sich sehr, sag das seiner Frau. Wenn Dr. Heineken mich begleitet hätte, er sollte jetzt Präfect werden in einem eroberten Departement. Meine Tour nach Zürich ist nicht allein zum Vergnügen, ich habe dort auch zu thun, rede indeß in einem Briefe nicht davon. Wenn Schenkendorf dir seine Gedichte schickt, so laß sie gleich bei Schünemann oder Heyse drucken. 1000 Exemplare. Es darf nichts gestrichen oder geändert werden.

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17) Basel, 26. Januar 1814.

Herr Eichhorn, von dem du mir neulich schriebst, sah ich schon in Frankfurt, lernte ihn in Freyburg näher kennen, und hier sind wir vollends so vertraut geworden, daß er mir angeboten hat, Logis und Bette mit mir zu theilen, wenn es in Frankreich je Noth mit dem Unterkommen haben sollte. Wir werden nun freilich einquartiert werden. Der Eichhorn ist wirklich einer der trefflichsten Menschen, die ich auf dieser Reise kennen gelernt habe. Er hat manchmal des Nachts bis 1 Uhr bei mir gesessen.

Den 27ten Morgens. Gleich geht es fort nach Frankreich hinein, süße Mine! ich sage dir noch lebewohl aus Basel, und hoffe, daß ich die Rückreise jetzt wirklich antrete. Wahrscheinlich geht es direct fort nach Langres. Man sagt viel, die Monarchen hätten es in Vesoul so angefunden, daß sie dort nicht bleiben können. –

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18) Langres, den 30. Januar 1814.

Ist heute nicht unsers süßen Heinrichs Geburtstag, oder war es am 28ten, ich weiß es wahrlich nicht recht, habe indeß vorgestern daran gedacht, und denke heute daran. Küß den süßen, lieben Jungen ... Wir befinden uns trotz aller Mühseligkeiten der Reise, wovon dir die andern erzählen können, sehr wohl und sind hier bei einem Apotheker Petitot einquartiert, sehr freundlich aufgenommen und behandelt, wogegen auch wir uns musterhaft benehmen, so daß die Leute uns nicht genug zu rühmen wissen. Auf der Reise mußten wir dagegen, um Pferde zu bekommen, oft das Rauhe nach Außen kehren, und doch haben mir die Leute mehrmals gesagt: je le vois bien, vous n'etes pas si méchant comme les autres. Tagelang könnte ich dir von dieser Reise erzählen. Napoleon wird in Frankreich verwünscht wohin man kommt. – Wahrscheinlich muß ich noch weiter mit nach Chaumont oder Troyes. 3 bis 4 Tage bleiben wir wohl hier.

Langres liegt in der alten Champagne im Depart. de la haute Marne. Ein Pfund Zucker kostet hier 21 Franken. Wir haben 2 Pfund aus Basel mitgenommen, sind die auf, so brechen wir die Zuckerzähne aus. Zwei bairische Officiere, die ich gestern sprach, wollten 2 Tage früher in Dijon 30 desertirte Ehrengardisten, meistens Hanseaten gesehen haben, die nach der Schweiz gegangen sind.

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19) 30. Januar 1814.

... Ich bin fortdauernd wohl, Gildemeister desgleichen. Meine Geschäfte sind noch nicht beendigt, und bei der Möglichkeit, daß in einigen Wochen Frieden geschlossen werden könnte, wäre es Tollheit, das Hauptquartier zu verlassen, wenn auch die Geschäfte, um derentwillen ich zuerst hinreiste, in diesen Tagen beendigt werden. Wäre ich jetzt dort (in Bremen), ich würde ja nicht eher ruhen und rasten, bis man jemand hinschickte. Dies sagt mir hier auch jedermann, und ich darf daher, ohne mich und den Senat aufs ärgste zu blamieren, vor der Hand nicht abreisen. Ob wir am Ende über Paris zurückkehren? In 14 Tagen kann ich dir dies vielleicht sagen.

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20) den 31. Januar 1814.

... Ich vermuthe, daß du Hamburger in unserm Garten aufgenommen, auch Hamburger Kinder im Hause hast, wer sie sind sehe ich aber nicht. Wiederhole jetzt doch oft, was du schreibst, denn die Communication wird sehr erschwert.

Wir sind fortdauernd bei dem Apotheker Petitot einquartiert, essen des Mittags aber außer Hause. Unser Bedienter Jacob Bühler aus Basel, ein guter Kerl, ißt mit dem Apotheker und seiner Frau. Abends schickt man uns Käse, Brot und Wein herauf. Butter giebts hier nicht. Leb herzlich wohl, süße Frau, küß die lieben Kinder.

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21) d. 3. Februar 1814.

Seit drei Tagen haben wir hier in bang freudiger Erwartung der Dinge gelebt, die da kommen sollten. Wir wußten, daß die Alliirten am 1ten einen allgemeinen Angriff machen würden, du hast keinen Begriff, welchen Eindruck das macht, wenn man der Scene so nahe ist. Man hat keinen andern Gedanken. Bekannte und Unbekannte bleiben bei einander stehen auf der Straße, unterreden sich, die geringste neue Kunde geht wie ein Lauffeuer herum. Die Schlacht ist gewonnen, indeß wie es scheint, durch frühzeitigen Rückzug Napoleons nicht so total verderblich geworden, als sie es hätte werden können, wenn er Stand gehalten hätte. 56 Kanonen sind genommen, nachher noch 17, wie es heißt. Alexander und Friedrich Wilhelm sind im Verfolgen des Feindes begriffen. Blücher scheint das beste dabei gethan zu haben. – Gestern Morgen, mitten in dieser Erwartung, wie man eben gehört hatte, daß es gut gehe, und daß schon 40 Kanonen genommen seien, trat der herrliche Schenkendorf mit Ladomus Karlsruher Professor. zu mir in's Zimmer. Schenkendorf war als Courier von Carlsruh abgeschickt und L. hatte ihn begleitet. Sie gehen mit nach Chaumont, auch wir gehen wahrscheinlich morgen oder übermorgen hin. Schenkendorfs Gedichte erhältst du ehsten Tages. Sie müssen schön, correct und ohne Abänderung gedruckt werden. Schenkendorf will 100 Exemplare davon haben, um sie zu verschenken, den übrigen Profit mag der Buchhändler nehmen, oder noch besser, er werde für die gute Sache verwandt. 400 Exemplare sind gleich an den Oberst Rühle von Lilienstern nach Frankfurt zu schicken, sie sollen bezahlt werden. Leb herzlich wohl.

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22) Chaumont, den 7. Februar 1814.

... Hoffentlich wird Troyes heute oder morgen genommen, dann geht alles bald dahin. Ich hab in Langres und hier, wo wir am Freitag ankamen, mit Schenkendorf und Ladomus, die dich herzlich grüßen lassen, herrliche Stunden verlebt, diesen Abend reisen sie zurück, und werden diesen Brief in Basel auf die Post geben. Jacob Grimm, der Legationssecretair des Grafen Keller, die mit uns in einem Hause logiren, ist auch ein excellenter Mann, er hat über altdeutsche Gedichte vieles herausgegeben. Wir logiren hier bei einer Madame Donis, rue de l'Arme No. 396, bei der ihr Schwiegersohn und seine Frau im Hause sind. Wir haben ein gutes Zimmer, ein kleines Schlafzimmer und Bedientenzimmer, vortreffliches Essen, beinah ein Dutzend Schüsseln jeden Mittag, 3-4lei Weine und überhaupt die gefälligsten Wirthe. Die Leute scheinen sehr reich zu sein, welches doppelt angenehm ist. In 14 Tagen denke ich sind wir in Paris, obgleich es vorher wahrscheinlich in der Nähe von Paris noch wohl eine Schlacht geben dürfte. Wie man Talleyrand bei der Nachricht von der Schlacht bei Leipzig fragte, wie das werden würde, antwortete er: »Je pense que c'est le commencement de la fin.«

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23) Chaumont, den 8. Februar 1814.

... Es geht gleich wieder ein preußischer Courier ab, dem ich dieses mitgebe. Troyes ist gestern genommen. Können wir Pferde bekommen, so reisen wir noch heute nach Bar sur Aube und morgen nach Troyes, wo ich endlich Briefe von zu Hause bei Pilat zu finden hoffe.

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24) An Trinchen Castendyk

Troyes, den 12. Februar 1814.

... Der jetzige Aufschwung des deutschen Volkes bildet ein neues Geschlecht. Geist und Kraft und Gemüth werden in den nächsten Jahren sich in vielen jungen Männern auf eine ganz andere Weise prononciren wie bisher ...

Ich bin am Ende dazu gekommen, den großen Völkerzug nach Paris mitzumachen, ohne bei meiner Abreise nur von ferne daran gedacht zu haben. Ich weiß, daß ich unter der Zeit dort vieles hätte thun können, aber die Nothwendigkeit, daß jemand von den Hansestädten hier allenthalben gegenwärtig sei, sehe und höre, hat sich mir in jeder Weise soviel deutlicher und dringender gezeigt, daß das, was ich dort versäume, darüber garnicht in Frage kommen kann. Ich bin in eine Schule der Erfahrungen sondergleichen gekommen, die vielleicht in Jahrhunderten nicht wiederkommen wird. Durch ein nun schon halbjähriges Zusammenleben der drei ersten europäischen Monarchen und der einflußreichsten Männer aus allen europäischen Staaten, bildet sich eine ganz neue politische Welt, die künftig von der größesten Bedeutung für uns sein dürfte, und die nur der ganz begreifen wird, der sie unter seinen Augen werden sah. –

Leb herzlich wohl, süße liebste Schwester.

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25) Troyes, den 13. Februar 1814.

... Schreibe mir doch in jedem Briefe, welche Nachrichten man dort von Hamburg hat. Alles fragt mich und meint, ich müßte immer die besten Nachrichten haben. Jede kleine Anecdote, die ein ausgewanderter Hamburger erzählt und die die Lage der Sachen daselbst lebendig schildert, ist mir werth. Du hast ja wenig zu thun, liebste Hanne, schreib mir doch alle Tage.

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26) Troyes, den 14. Februar 1814.

... Diesen Morgen trat unvermuthet auch Schomberg gesund und wohl wieder zu mir in die Stube. Er ist völlig genesen, sag dies seiner Frau. Von dort habe ich in einigen Tagen nichts erhalten. In 8 Tagen muß es sich, denke ich entscheiden, ob es Friede ist, und ob es nach Paris geht. Hoffentlich bleiben wir so lange hier, bis eine Schlacht geliefert ist, die Präliminarien unterzeichnet sind, ich hoffe indeß, wir kommen in beiden Fällen nach Paris. Ich bin fortdauernd wohl, Gildemeister auch, Hach nicht weniger. Letzterer hat Ochsenzunge, Wurst etc., freilich ein wenig, aber doch etwas. Wenn Nonnen oder sonst jemand herreiset, so schicke doch vielen und guten Taback mit.

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27) Troyes, den 16. Februar 1814.

... Wie ich diesen Morgen schrieb, war mir ein wenig schwül. Es verbreiteten sich allerhand nachtheilige Gerüchte von Unfällen der Alliirten. Es hat aber nichts zu sagen, im Gegentheil hoffe ich, wir werden in zweimal 24 Stunden wichtige Dinge hören. Eine große Schlacht ist zu erwarten. Fürst Schwarzenbergs Hauptquartier ist zu Bray, die unsrigen stehen in Provins und Nargis. Ein diesen Morgen von Schwarzenberg angekommener Courier bringt diese Nachrichten. Kommt dieser Brief über Frankfurt geradezu dort an, so hat diese Nachrichten schwerlich jemand so früh, wie du, und du mußt sie gleich an Nonnen mittheilen. Noch immer fürchte ich halb und halb einen schnellen Frieden, hoffe indeß, daß es nicht dazu kommen und daß Bonaparte abgesetzt werde. Diesen Morgen habe ich eine merkwürdige Rede von ihm gelesen, die er bei Auflösung des gesetzgebenden Corps an einige Deputierte desselben, die sich heftig gegen ihn geäußert hatten, gehalten hat. Er sagt darin unter anderm: »Ich bin Kaiser von Frankreich, weil die jetzige Constitution mir convenirt, wollt ihr eine andere Constitution, so mögt ihr euch einen König suchen, wo ihr Lust habt, mir gefällt sie dann nicht. Frankreich hat in diesem Augenblick mich nöthiger, wie ich Frankreich.« Er schließt damit: »Und gesetzt, ich hätte Unrecht, so habt ihr doch Unrecht, wenn ihr euch das öffentlich merken laßt. Wenn man schmutzige Wäsche reinigen will, so ruft man nicht alle Welt herbei, um zuzuschauen.« Was sagst du dazu. Diese Rede ist ächt und wird nächstens gedruckt werden. So weit ist es mit ihm gekommen.

Senator Hach Abgeordneter für Lübeck. ist seit vorgestern glücklich hier angekommen. Wir wohnen jetzt zusammen in einem neuen Quartier, und haben unsre eigene Menage, wir lassen Fleisch und Gemüse einkaufen, kochen und sind sehr vergnügt. Eben besuchte mich Herr Mülhens, ein Frankfurter Kaufmann, den ich in Frankfurt kennen lernte, der mir auch sagt, daß der junge Kießelbach, der durch Stein in irgend einem Bureau angestellt werden dürfte, schon hier sei, oder morgen ankommen werde, er hat ihn unterwegs gesprochen. Laß das Dr. Kießelbach mit meinen Grüßen vermelden, und biete ihm an, einen Brief für seinen Sohn beischließen zu wollen. Vergiß das nicht.

Der Kaiser von Oesterreich ist noch hier, die beiden andern Monarchen sind in Port sur Seine oder in Nogent sur Seine. Wir haben jetzt sehr elegantes Logis, wohnen mit dem Fürsten Esterhazy in einem Hause, und haben bessere Zimmer wie er.

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28) Troyes, den 18. Februar 1814.

... Wir sind noch immer in Troyes, und dürften hier auch wohl bleiben, bis die Friedenspräliminarien abgeschlossen werden, oder bis eine neue Schlacht uns den Weg nach Paris öffnet. Das Wahrscheinlichste ist mir, daß der Friede in einigen Tagen zu Stande kommen wird. Unsere Hanseaten dürften also schwerlich viel Blut vergießen.

Es ist hier grimmig kalt und sollen viele Wölfe in der Gegend sein, die indeß jetzt bei den vielen Cadavern von todten Pferden und Ochsen, die man an der Landstraße findet (Schomberg will davon über 200 zwischen Langres und hier gezählt haben), hinreichende Nahrung haben, so daß sie keine Menschen anfallen. Nachdem wir hier die ersten drei Tage beinahe Hunger gelitten, haben wir es jetzt doch dahin gebracht, daß wir, freilich für schweres Geld, einen guten Tisch haben. –

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29) Troyes, den 19. Februar 1814.

... Der Kaiser von Rußland und der König von Preußen sind wieder hier. Es munkelt heute, daß die Präliminarien des Friedens bereits von den Friedensunterhändlern zu Chatillon unterzeichnet werden, und daß es jetzt darauf ankomme, ob Napoleon und die Souverains ratificiren werden. Sollte es zum Frieden kommen, so wird die Nachricht dort von Seiten der Blücherschen Armee viel früher eintreffen können, als durch meine Briefe, die in der Regel über Basel gehen.

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30) Troyes, den 20. Februar 1814.

... Der junge Schubert schreibt mir heute aus Stuttgart vom 5. Februar, daß Theodor Willmans mit einem gewissen Lahusen, die der Ehrengarde glücklich entwischt sind, dort angekommen seien. Die noch in Frankreich zurückgebliebenen und nicht entwischten werden hoffentlich auch früher oder später dem Minotaurus entrinnen. –

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31) Troyes, 21. Febr. 1814.

... Da Napoleon auf die ihm gemachten Friedensvorschläge nur mit den Kanonen antworten zu wollen scheint, so soll ihm unsrerseits auch damit gedient werden. Kommt nicht schnell noch ein Friedensbote an, so dürfte morgen Nachmittag oder übermorgen eine große Schlacht geliefert werden. Schon fängt heute an sich alles zusammenzuziehen und ein paar Stunden von hier aufzumarschiren. Schwarzenberg, Blücher etc. etc., alles vereinigt sich in hiesiger Gegend. Welch ein Gewühl von Menschen, Wagen, Rossen und Reutern es hier heute gegeben hat, davon kannst du dir keinen Begriff machen. Diesen Morgen zog der Kronprinz von Würtemberg mit seinem Corps hier durch, das sich vorgestern bei Montereau mit einer Tapferkeit benommen hat, die an die Heldenthaten der Spartaner erinnert. 8000 Würtemberger haben 50-60 000 Franzosen, von Napoleon selbst angeführt, über 12 Stunden aufgehalten, und sich dann in Ordnung zurückgezogen, um den ihnen angewiesenen Standpunkt in der neuen Schlachtlinie einzunehmen, und haben 3 den Franzosen abgenommene Kanonen mit fortgebracht. Ihnen sind von den Franzosen nur 2 Kanonen abgenommen. Das ganze Corps diplomatique ist aufgefordert worden, sich 9 Meilen von hier nach Chaumont zu begeben, wohin wir morgen früh unter einer österreichischen Husarenescorte abgehen werden. Ich will es dir nicht leugnen, daß es mich große Ueberwindung kostet, nicht hierzubleiben und die Schlacht mitzumachen. Wäre ich ohne diplomatischen Charakter hier, so könnte ich nicht widerstehen; so aber darf ich meinem Berufe nicht untreu werden und gehe morgen mit fort.

... Schömberg ist von seinem Nervenfieber gänzlich geheilt und auch sonst vollkommen wohl; denn daß er nur halbwege die Krätze erwischt zu haben scheint, zählt man im Felde garnicht. – Nun wird es wieder lange anhalten, bis ich Briefe von dir erhalte ...

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32) Chaumont, d. 25. Febr.

... Aus dem Frieden scheint gottlob für's erste nichts zu werden. Der Graf von Artois ist in Vesoul, und seine Proclamation von dort rührt die Franzosen zu Thränen. Leb herzlich wohl!

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33) Vesoul, den 28ten Februar 1814.

Jetzt, wo alles wieder sehr gut steht, kann ich dir mit Ruhe erzählen, welche Abenteuer ich seit meiner Abreise von Troyes erlebt habe. Den Tag meiner Abreise von dort, ich meine es war Mittwoch den 22ten, werde ich nie vergessen. Tags zuvor hatten wir ein Circular von allen Höfen erhalten, in Gemäßheit dessen der Aufenthalt des Corps diplomatique nach Chaumont verlegt worden, weil die Armee sich in und um Troyes concentriren und am Tage unserer Abreise noch 30,000 Mann Baiern und andere Truppen in und um Troyes aufgestellt werden sollten. Napoleon drängte hart auf Troyes; – der Kaiser von Oesterreich hatte dem Corps diplomatique eine Escorte von 25 Husaren angeboten, in deren Begleitung sie am Mittwoch Morgen in einer Linie um 7 Uhr abreisen wollten. Eines meiner Pferde war auf dem Wege nach Troyes zwei Meilen von dort in Mortierami Krankheits halber zurückgeblieben, und wie ich den Kutscher mit einem anderen Pferde von Troyes dahingeschickt hatte, um es wieder abzuholen, war er mit sammt dem Pferde in die Hände der Kosaken gefallen, und weder eines noch das andere kamen zurück. Ich kaufte daher am 21ten für wenige Ducaten geschwind zwei Hengste und hoffte mit diesen und den beiden übrigen Pferden gut wegzukommen. Senator Hach, der keine eigene Pferde hatte, hatte Tags zuvor Gelegenheit gefunden, seine Chaise nach Chaumont zu schaffen, und ich hatte versprochen ihn mitzunehmen. Wir fanden uns auch wirklich am 22ten Morgens zu rechter Zeit ein; wie es aber fortgehen sollte, zeigte sich einer der Hengste so wild und unbändig, daß meine beiden Bedienten, der Baseler und Schömberg, beide nur halb und halb des Fahrens kundig, es nicht wagen wollten, sich damit einzulassen. Alles war aufs höchste pressirt, – die Truppen rückten in die Stadt. – Ich fragte den Kutscher des holländischen Gesandten, der im Begriff war wegzufahren, ob er mir nicht einen Kutscher zu schaffen wisse, (Postillone, worauf ich gerechnet hatte, waren durchaus nicht zu haben), der Kutscher wußte keinen, aber indem ich mit ihm darüber sprach, hörte das ein auf der Straße stehender Mensch, der herzutrat und sich erbot mein Kutscher zu sein; – ich fragte ihn, wer er sei. Antwort: »Joseph, bisher im Dienste eines russischen Officiers, der mich aber verabschiedet hat, weil er mich, da es zur Bataille geht, nicht länger mitnehmen kann.« – Ich fragte ihn, ob er fahren könne. – Antwort: »Ja!« – Ob er treu und ehrlich sei. – Antwort: »Wenn ich das nicht wäre, so hätte ich etwas, aber ich habe nichts in der Welt, als was ich am Leibe trage.« – Woher des Landes? – »Aus Böhmen.« – »Wohlan,« sagte ich, »ich verlasse mich auf dein ehrliches Gesicht, sei mein Kutscher und geh mit mir!« – Er folgte. – Unter der Zeit fuhren die anderen Gesandten, die nicht länger warten konnten, fort – und wir in einer halben Stunde nach. – Da die Position verändert wurde, so wurde die Bagage zurückgeschickt, und da man zugleich am nämlichen Tage in der Gegend von Troyes ein Treffen anbieten wollte, so wurden bei Troyes vor dem Thore, wo wir hinausfuhren, auf den Anhöhen einige hundert Kanonen aufgestellt, und die Artillerie der Reserve ging zurück. – Das verursachte nun vor dem Thore von Troyes, wo wir hinausfuhren, und auf den beiden nächsten Meilen von Troyes bis Mortierami ein Gedränge von ein paar tausend Wagen, die die Chaussee passiren mußten, wo mehrere Wege zusammenkamen und auch die aufzustellende Artillerie angeführt wurde. – Truppen, Bagage, Artillerie, Pulverwagen, Reisende, alles in ungeheurer Zahl. – Alle Augenblick mußten wir still halten – dann schlug der unbändige Hengst hinten und vorn aus – alles Geschirr entzwei. Wir wollten es nicht wagen im Wagen zu sitzen – denn die Chaussee ist besonders während der ersten Meilen so hoch wie der Eisenradsdeich und von beiden Seiten steile Abhänge – wir resolvirten also, bis die Pferde eingefahren seien, zu Fuße zu gehen. Von dem Lärmen, von dem Geschrei der Kosaken, der Bagagewagenführer, die bei jedem Aufenthalt, den unser Hengst verursachte, toll wurden, von der grimmigen Kälte, von dem fürchterlichen Winde, dem Staube, der alles einhüllte, dem Anblick Kranker und Verwundeter, die transportirt wurden, den würtembergischen Truppen, die, da sie etwas gelitten hatten, zurückverlegt wurden etc. etc., hast du gar keinen Begriff – man muß so etwas durchaus erlebt haben, um es sich denken zu können. Unser Wagen fuhr langsam, wegen des beständigen Aufenthalts, und weil die beiden Bedienten beständig zu Fuß gehen und den sich immer bäumenden Hengst halten mußten. Wir kamen also zu Fuße weit voraus, und da der fürchterliche Staub und die Furcht, in jedem Augenblick übergeritten zu werden, jeden nur auf seine eigene Sicherheit denken ließ, so waren wir bald gänzlich von einander getrennt. Da man des Windes und Getümmels halber auf der Chaussee nirgends Halt machte, so hoffte ich die anderen, welche, da ich etwas länger beim Wagen geblieben, voraus waren, im nächsten Dorfe auf mich und den Wagen wartend vorzufinden, traf sie aber nicht – ich erwärmte mich eine Zeitlang mit Kosaken an einem Bivouacfeuer, bis endlich der Wagen kam, in Ansehung dessen noch alles in denselben Nöthen war und den ich nun begleitete. Das Gedränge, der Lärm und die Unbändigkeit des Hengstes wurde immer ärger, todte Pferde am und im Wege – Wind, Staub, die schneidendste Kälte – jeden Augenblick Gefahr, von der Chaussee in den Abgrund gestürzt zu werden – den Wagen umzuwerfen oder zu zerbrechen und ihn dann mit der ganzen Bagage im Stich lassen zu müssen, bewogen mich endlich zu dem Entschlusse, den Hengst ausspannen und ihn laufen zu lassen, wohin er wollte. – Nun setzte ich mich ein, und es ging mit den drei übrigen Pferden recht gut. In Mortierami traf ich in dem vormaligen Posthause, wo alles verlassen und ausgeplündert war, mit mehren andern, worunter auch Herr Mülhens aus Frankfurt, zusammen – ich gab ihm einen Schluck Cognac, den ich im Wagen hatte, er mir ein wenig Brod und Käse, wir labten uns in der grimmigen Kälte daran wie an einem Göttermahl. Ich suchte im Dorfe eine verlassene Scheune auf, worin ich noch etwas Haberstroh fand, um die Pferde zu erquicken; dann ging's weiter, nicht ohne vielfache Unfälle, die ich nicht einzeln aufzählen mag. Denke dir eine Chaussee, wo drei Wagen im Nothfalle nebeneinander fahren können, alle drei Reihen voll von vielleicht dreitausend Wagen, meistens Russen, mit denen sich gar nicht zu verständigen ist – dabei das Ineinanderfahren von Kanonen und Pulverwagen, die an das Schicksal von Eisenach erinnerten, das würtembergische Corps, das zurückverlegt wurde, Kranke, Blessirte, Marode von allen Armeen und Waffen, todte Pferde, Ochsen und Kühe in und neben dem Wege, Geschirre, die kaum halten wollten, alle Augenblicke anders gebunden werden mußten, das Geschrei der dadurch Aufgehaltenen etc. Mehrmals erkaufte ich mir durch ein Trinkgeld den dadurch verlornen Platz in der Linie wieder. – In den verlassenen Dörfern, wo alles noch enger war, war es besonders fürchterlich. In Vandoeuvres fragte und suchte ich vergebens nach den Anderen. Irgendwo zu füttern oder anzuhalten war nicht möglich – es mußte fort, wie es gehen wollte, und ich kam endlich um Mitternacht nach Bar sur Aube. Ich lief auf die Mairie – das für mich durch den Hofrath Diller Von der österreichischen Staatskanzlei. bestellte Billet war nicht mehr da. An Anschreiben der Quartiere denken die Franzosen, deren Quartierungswesen allenthalben in der furchtbarsten Unordnung ist, garnicht. Mit Mühe erzwang ich ein anderes Billet – begab mich hin, fand aber das ganze Haus voller Soldaten, so ging es mehrerwärts – endlich begab ich mich nach dem Posthause, wo auch alles voll war, indeß noch ein spärliches Kaminfeuer brannte. Hier traf ich einen Bekannten, den preußischen Grafen Haak; wir legten uns zusammen auf den Boden beim Feuer nieder, ich zog meinen Fußsack über die Füße, bedeckte mich mit meinem Mantel und schlief ermüdet von aller Anstrengung bis 6 Uhr, als hätte ich im Bette gelegen. Morgens ging ich auf die Straße und trieb noch etwas Futter für die Pferde zusammen. Mehrere Bekannte begegneten mir, alle waren in der Nacht angekommen und hatten mehr oder minder ein Gleiches erlebt; der eine suchte diesen, der andere Jenen. Graf Münster, den ich auf der Straße traf, fragte mich, ob ich Quartier gefunden –«ich habe so gut wie bivouacquiren müssen«, war meine Antwort. – »Mir ist's nicht besser gegangen« – seine Erwiderung. – Weder in einem der Quartiere, noch auf der Municipalität, noch sonst irgendwo war von Gildemeister und Hach eine Spur zu finden. Endlich begegnete mir Letzterer auf der Straße – zu unserer beiden großen Freude. Er war eine lange Zeit allein gewandert, – endlich begegnet ihm jemand zu Pferde, der noch ein lediges Pferd an der Hand hat. Es war der Graf Lottum, ein preußischer General; er bittet ihn, ein wenig auf dem ledigen Pferde sitzen zu dürfen, dieser erlaubt ihm das; nachdem sie eine Weile geritten, kommt auch Gildemeister zum Vorschein – und Lottum's lediger Wagen kommt nach, – er erlaubt, daß Gildemeister und Hach sich eine Zeitlang einsetzen dürfen, – der Wagen fährt indeß nur nach einem Dorfe, wo gefüttert wird; hier steigen sie aus und gehen weiter. In Vandoeuvres wittern sie irgendwo Bratengeruch, gehen hinzu und Hach bittet einen dabei stehenden Mann um ein Stück Fleisch und Brod. Er erwidert: »Wie kommen Sie dazu, ich kenne Sie nicht.« Hach antwortet: »Sie sehen mir so aus, als würden Sie es mir wohl geben.« »Nun da haben Sie Recht,« erwidert er, »ich bin der Haushofmeister des Kronprinzen von Preußen, dessen Mittagsmahl ich hier fertig mache,« – schneidet ihm ein Stück Braten ab, giebt ihm Brod und Wein, wodurch sie dann besser gestärkt wie ich, der den ganzen Tag nur ein kleines Stück Brod und Käse hatte, ihren Weg fortsetzten und bald auf zwei verschiedenen Wagen Bekannte fanden, so daß jeder in einem besonderen Wagen einen Platz bekam und nach Bar sur Aube fuhr, wo sie sich indeß, da alles voll war, nicht wieder fanden. Beide hatten geglaubt, der Wagen sei voraus – Hach wollte überdem Kanonenschüsse und Kleingewehrfeuer gehört haben, und so liefen sie in einem fort und kamen viel eher wie ich nach Bar sur Aube, wo Gildemeister mein Billet holte und sich in's Quartier legte, auch Hach gutes Abendessen und ein anderes Quartier fand. – Von Bar sur Aube fuhr ich nun mit Hach Morgens nach Chaumont weiter, wo wir um 3 Uhr ankamen – auch Gildemeister kam bald glücklich nach und hatte meistens zu Fuße gehen müssen. – In Chaumont fand ich unser altes schönes Quartier leider besetzt. Mit vieler Mühe trafen wir indeß ein anderes Quartier, was auch sehr gut war, worüber einandermal. – Vorgestern fuhren wir von Chaumont nach Langres und gestern von Langres hierher. – Auf beiden Reisen habe ich Escorte von ungarischen Husaren gehabt, die die Hindernisse, welche unterwegs aufstießen, schnell zu beseitigen wußten, so daß alles excellent ging. Hier haben wir jetzt ein vortreffliches Quartier und zum erstenmal wieder einen warmen Ofen, so daß man auch wieder schreiben kann, wozu in den letzten Wochen bei dem Kaminfeuer fast nirgends zu kommen war. – Die heute eingegangenen trefflichen Nachrichten haben mich vollends ganz wieder belebt und ich bin vergnügt und gesund.

Die Armee rückt wieder vor. Troyes ist wieder besetzt. Napoleon flieht.

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34) Vesoul, den 1. März 1814.

Senator Vollmers wird dir einen ausführlichen Brief von mir an dich unter dem gestrigen Dato mitgetheilt haben, worin ich dir eine kurze Schilderung unserer Abenteuer auf dem Wege von Troyes nach Bar sur Aube zu machen suchte. Ich will dir heute noch ein und anderes erzählen, da ich hier Zeit genug übrig habe und endlich einmal wieder in einem ofengeheizten Zimmer sitze und Schömberg im Vorzimmer habe, der auf die Thüre passen muß, wenn der französische Bediente des Hauswirths aus- und eingegangen ist, denn:

Alles lernt ein Franzos,
Jedoch die Thüren zu schließen
Wind und Wetter zum Schirm,
Nimmer begreift es die bête.

Dazu habe ich auch seit fünf Wochen zum erstenmal wieder eine lange weiße Pfeife in der Hand und sehe hier in Vesoul doch einmal wieder Leute, die kaufen und verkaufen und einen friedlichen Verkehr mit einander treiben. – Du hast keinen Begriff davon, wie es in der Nähe des eigentlichen Krieges hergeht, wie man die allergemeinsten und gewöhnlichsten Bedürfnisse oft unbefriedigt lassen muß. – Ein Stück Zeug gewaschen zu bekommen, kostet dort die größte Mühe von der Welt. Eines Schneiders habhaft zu werden, es ist nicht daran zu denken. Eines Sattlers noch viel weniger. Wie wir auf der Hinreise nach Bar sur Aube kamen, hatten die Kosaken des Nachts von meinem auf der Straße stehenden Wagen das Seitenleder abgeschnitten, obgleich ich zwei Leute darin schlafen ließ. Glaubst du, daß ich dies während der elf Tage, die ich in Troyes zubrachte, dort wieder gemacht bekommen konnte? Alle Schneider, Schuster, Sattler etc. waren für die Armee in Requisition, und ich war daher auf der Rückreise garnicht im Stande, den Wagen ordentlich zu verschließen, was bei der Kälte auf dem Wege von Troyes nach Chaumont um so viel peinlicher war. – Strümpfe zu stopfen – es ist nicht daran zu denken – du glaubst nicht, wie wir abgerissen sind. – In Hinsicht der Etiquette ist man dagegen im Hauptquartier sehr tolerant. Mit einem Flicken von anderm Tuch auf meinem Pelz, wie ich endlich dazu gelangte, so wie vorher mit einem großen Loche darin, geht man ziemlich unbekümmert, da die vornehmsten Personen zum Theil ebenso aussehen. – Milch bekommt man hier auch wieder zu sehen – und wenn man einen Bon schreibt, so erhält man Fourage für die Pferde ohne Bedenken. Die Noth dieser armen Thiere hat mich manche Tage mehr gedrückt wie meine eigene; – am Ende habe ich immer selbst Rath schaffen müssen, da die Bedienten immer mit leeren Händen zurückkehrten. Ich will dir zum Beispiel erzählen, wie ich es die beiden Tage, die ich auf der Rückreise in Chaumont zubrachte, gemacht habe. Gleich bei unserer dortigen Ankunft hieß es von allen Seiten, es sei gar keine Fourage zu haben, nirgends werde etwas ausgetheilt. Kam ein Bauer mit etwas Hafer oder Heu an, so war es im nächsten Augenblicke vergriffen, und nur durch einen Zufall konnte man etwas erhaschen. Ich ging gleich des andern Morgens deshalb auf Beute aus und bemerkte glücklich, daß einige Russen aus einem Hause einen Sack heraustrugen, – ich lief hinein und fand in einem leeren Zimmer noch einige Scheffel Hafer liegen, mit deren Ausmessen einige Municipalbeamte beschäftigt waren, ein Franzose saß dabei und schrieb an; ich wendete mich an diesen mit einigen Redensarten über das Unglück des Krieges etc. und brachte dann meinen Wunsch vor, etwas mitgetheilt zu erhalten. Er schien sich für einen französisch sprechenden Menschen zu interessieren und erwiderte, es sei im Augenblick weg; ehe ich einen Bon ausfertigen, ihn vom Platzcommandanten unterschreiben und durch meinen Bedienten einen Sack herschicken lasse, sei es längst weggegeben, da jeder sich zudränge. Ich lief spornstreichs wieder hinaus und in das nebenstehende Haus hinein, bat mir einen Sack zu leihen oder zu verkaufen, oder einen Korb oder welches Geschirr es sei. Man wollte nicht: Halb durch gute Worte, halb durch Drohungen brachte ich es am Ende doch dahin, daß man in allen Winkeln nachsuchte, bis sich ein alter Sack fand. Mit diesem lief ich dann wieder in das andere Haus und suchte den schreibenden Franzosen bestens zu bereden, daß man mir etwas einmesse, wobei ich versprach, ihm den Hafer zu lassen, bis der Bon in Ordnung sei. Mit größter Noth kam ich so dahin, die letzten vier Rationen von dem Haufen zu erhalten, lief dann schnell zum Platzcommandanten, erhielt die Unterschrift eines dort schnell verfaßten Bons, nahm den ersten besten Kerl von der Straße für ein Trinkgeld mit und kam noch eben zu rechter Zeit, um den Sack, auf den schon mehrere Anspruch machen wollten, zu reclamiren und im Triumph nach Hause tragen zu lassen – ich war vom ganzen Corps diplomatique der einzige, der an diesem Tage Hafer bekommen hatte. – Des andern Tages war es noch schlimmer, weder Hafer noch Heu war zu sehen. Gegen Nachmittag sah ich einen Baschkiren etwas Hafergarben tragen, die unausgedroschen waren. Nachdem ein durch Zeichen gemachter Versuch, ihn zum Verkauf des Hafers zu bewegen, vergeblich war, indem er mir zu verstehen gab, er habe ihn weit weg von einem Dorfe geholt und brauche ihn für sein Pferd, ging ich ihm nach, bis er das Futter in sein Quartier getragen hatte, zeigte ihm dann ein Stück Geld und winkte ihm, mir nach meiner Wohnung zu folgen. Hier gab ich ihm ein halbes Glas Cognac, schenkte dann ein anderes Glas ganz voll, legte zwei Franken dabei und suchte ihm dann durch Zeichen begreiflich zu machen: wenn er noch einmal dahin reite, wo er die Hafergarben geholt und mir noch mal so viel hieher bringe, so solle er den Branntwein und das Geld haben. Der Kerl verstand mich augenblicklich und machte ein Zeichen, als ob er etwas binden wollte, ich gab ihm zwei Stricke, – er lief fort, brachte in ein paar Stunden ein gutes Futter für meine Pferde und empfing den versprochenen Lohn. – Du wirst vielleicht darüber lachen, daß ich dir dergleichen Details erzähle, aber wenn man Hunger In Troyes trieben meine Bedienten einmal, wie wir bis Abends 5 Uhr noch nichts gegessen hatten, einen Schinken auf, für den ich 30 Franken bezahlen mußte. und Kummer leidet, so werden solche Kleinigkeiten einem eben so wichtig wie die Austern, die Robinson am Strande seiner Insel fand. – Das Beste ist, daß meine Gesundheit bei allen Strapatzen und Mühseligkeiten im Durchschnitt mit meiner beständig heiteren Laune gleich guten Schritt hält. Von Husten und Schnupfen weiß ich fast gar nichts und die Abhärtungen scheinen mir trefflich zu bekommen.

Meine Quartierbillets lauten gewöhnlich: un Envoyé avec sa suite. Diese Suite war nun in der letzten Zeit ziemlich angewachsen. Bis heute, wo ich den Jacob Bühler, meinen Baseler Bedienten (den ich ungern misse, da er der beste unter den Bedienten war) mit einer guten Gelegenheit wieder zu Frau und Kindern nach Hause spedirt habe – bestand sie 1. aus meiner hohen Person, 2. aus dem Secrétaire de la légation Dr. Gildemeister; 3. aus dem valet de chambre Schömberg (diesen Titel bekam Schömberg bereits in Karlsruhe, wo man ihn so nannte und wo ich auch Ablehnens ungeachtet allenthalben Excellenz hieß), 4. dem Domestique qui parle françois, vorgedachter Jacob, 5. dem Kutscher, Joseph der Böhme, 6. dem Leibhusaren Stephan, einem Ungarn vom österreichischen Husarenregiment Erzherzog Palatinus, endlich den Pferden. – Mit dem Leibhusaren ist es so zugegangen. Wie wir von Troyes schleunig abreisen mußten, und auf dem Rückwege es etwas bunt aussah, da theils von Franzosen, theils von Kosaken einzelne Reisende, selbst Couriere geplündert und erschlagen waren, erhielt das Corps diplomatique von dem Fürsten Metternich, der uns überhaupt mit ausgezeichneter Artigkeit behandelt, 25 Mann Husaren und einen Officier von dem vorgedachten Regiment (es ist hellblau gekleidet und hat treffliche braune Pferde) zur Escorte. Es war dabei die Meinung, daß wir sämmtlich en cortège reisen sollten. Dieses wurde aber, wie ich dir gestern erzählt, bald gesprengt. In Chaumont verabredeten wir daher, die Escorte unter uns zu vertheilen. – Ich blieb mit dem holländischen Gesandten, Baron v. Spaen, und dem hessischen, Graf Keller Bei diesem befand sich damals auch Jacob Grimm als Secretär., zusammen und wir drei erhielten zu unserm Antheil vier Husaren, – davon hat nun der Holländer zwei behalten, der Hesse einen und ich einen. Der Husar bleibt nun, so lange wir die Escorte haben, immer bei mir, reitet vor dem Wagen an und wird mit mir einquartiert; ich requirire Fourage, Essen und Trinken für ihn mit etc. Er ist von sehr großem Nutzen und man reiset bei der Ueberfüllung der Chausseen mit Bagagewagen, Kosaken etc. mit noch einmal so viel Sicherheit und Geschwindigkeit; denn sobald dergleichen vorkommt, sprengt er voraus und nöthigt sie allenthalben Platz zu machen, so daß ich den Weg von Chaumont nach Langres und von Langres hieher mit der größten Geschwindigkeit zurückgelegt. Es ist sonst wirklich arg mit diesem Fuhrwesen, die Russen besonders haben eine ungeheure Menge kleiner Bagagewagen, die mit drei oder vier Pferden in einer Reihe gehend bespannt sind. Rußky fährt immer mitten auf der Chaussee, und will man bei so einer Reihe von 2-300 Wagen vorbei, so muß man zur Seite fahren, kommt oft auf den Chausseestein zu reiten und geräth in Gefahr umzuschlagen. Sprechen läßt sich mit den Leuten nicht ordentlich, aber ein Husarensäbel verschafft sogleich Respect. Am ängstlichsten ist es, wenn man in einen Transport von Artillerie und Pulverwagen geräth; dies war besonders auf der Tour von Troyes nach Bar sur Aube der Fall, fast in jeder halben Stunde, und bei dem Gedränge und Ineinanderfahren der Wagen befürchtete ich alle Augenblicke wider Willen in höhere Sphären erhoben zu werden ad modum von Leyden oder Eisenach; einzelne brennende Häuser gaben links und rechts warnende Beispiele.

In Chaumont fand ich mein altes freundliches Quartier nicht wieder, der preußische Hofrath Heun, der etwas früher gekommen war, hatte es angewiesen erhalten und war ohne Zweifel darauf ausgegangen, um es zu bekommen; denn er hatte mich einmal besucht, und die schöne Adelaide, eine Kammerjungfer, die uns in allen Züchten und Ehren auf's trefflichste versorgte, sich wohl bemerkt. Ich zürnte anfangs mit ihm darüber; wie er mir aber erzählte, daß er die vorhergehende Nacht der Trübsal nur mit etwas Heu bedeckt mitten unter Kosaken bei einem Bivouac auf der offenen Landstraße hatte zubringen müssen, gönnte ich's dem braven Manne doch gern. – Ich erhielt dann Quartier bei einem 78jährigen vormaligen Marechal de Camp Desmilly, der unter Ludwig dem 15ten und 16ten gedient hatte und im siebenjährigen Kriege auch in Bremen gewesen war, dann die Leiden der Revolution in vollem Maße zu erdulden gehabt. Er und seine etwa 20 Jahre jüngere Frau nahmen uns auch sehr freundlich auf. Ich mußte indeß das ganze Ansehen eines Gesandten geltend machen, um mich und meine Suite dort einige Tage zu behaupten, da russische Officiere in jedem Augenblick das Quartier zu nehmen drohten. – In der letzten Nacht waren über 60 Pferde auf dem Hofraum, und die ganze Nacht wurde am Hause geklopft, gelärmt etc.; dabei hatte ich denn immer meine Noth, durch den Jacob, der als Schweizer von Natur etwas raufsüchtig ist, nicht in allerhand böse Händel verwickelt zu werden. – Auf der fürchterlichen Tour von Troyes nach Bar sur Aube zankte er sich immer mit dem Kutscher Joseph über die Behandlung der Pferde, indem er behauptete, es seien französische Pferde und sie gingen nicht anders, als wenn man in einem fort jak, hot und hui schriee, wovon denn Joseph nichts wissen wollte; Jacob ließ sich aber nicht irre machen, sondern schrie vom Bock herab immer fort. – Jetzt ist er fort, ich hätte ihn gern behalten und seine kräftige Natur gegen Schömbergs verzagte ausgetauscht; es macht mich heute halb traurig, daß er fort ist, aber er sehnte sich nach Frau und Kind zurück und erklärte diesen Morgen ganz freimüthig gegen mich, auf die Länge werde man doch des Zigeunerlebens müde. – Ich muß dergleichen Heimwehanwandlungen mit Gewalt von mir verscheuchen; denn wenn ich mir nur einen Augenblick merken ließe, daß ich ihnen Raum gäbe, so liefe gleich alles von mir fort.

Den Weg von Chaumont nach Langres und den von Langres nach Vesoul habe ich ohne sonderliche Abenteuer zurückgelegt. Auf dem Wege war noch viel Bagage. An den Anblick todter und sterbender Pferde habe ich mich beinahe schon gewöhnt – leere Häuser, ganz und gar verlassene Dörfer trifft man hier doch nur ausnahmsweise an, während sie jenseits Chaumont gewöhnlich sind. – In Langres wurden wir in ein Quartier gelegt, worin wir sieben spanische Priester vorfanden; sie waren in Navarra von den Franzosen gefangen genommen und hatten 30 Monate in Troyes gefangen gesessen, wo sie jetzt durch die Alliirten befreit worden waren und über Holland in ihr Vaterland zurückkehren wollten. Sie hatten sich dazu einen kleinen Karren gekauft mit zwei Pferden; drei saßen abwechselnd darin, während die übrigen die Pferde führten und nebenan gingen. – Wir unterhielten uns bei Tische sehr angenehm mit ihnen in lateinischer Sprache; einer nannte den Napoleon monstrum horrendum ingens (ein fürchterlich schreckliches Ungeheuer), ich fuhr in diesen bekannten Versen eines römischen Dichters weiter fort, welches ihnen große Freude machte. – Das »á la guerra, á la guerra Españoles« Ein damals auch nach Bremen gelangtes und viel gesungenes Volkslied der aufgestandenen Spanier. kannten sie auch und wir stimmten es gemeinschaftlich an, tranken dann dem Napoleon ein kräftiges »muera!« zu, worauf sie uns Lebewohl sagten und mit ihrem Karren fortzogen. – Am andern Tage traf ich sie zwischen Langres und Vesoul wieder und hatte noch Gelegenheit, ihnen einen Dienst zu erweisen. – Einer von ihnen, der dem Karren etwas vorausgegangen war, wurde von zwei Kosaken angehalten, die ihn plündern zu wollen Anstalt machten. Unser Husar stürzte indeß darauf los und Joseph, der ein paar Worte russisch versteht, drohte ihnen auf russisch die Augen dergestalt einzuschlagen, daß das Gehirn herausfließen sollte, worauf sie denn ihre Beute fahren ließen. Der Spanier dankte freundlich und begab sich zu seinem Karren zurück.

Hier logiren wir bei Herrn Renaud, Inspecteur des Domaines, sehr gut. Gildemeister und ich haben endlich jeder ein verschiedenes Zimmer. Die Einsamkeit wird mir nachgerade ein großes Bedürfnis, so sehr ich sonst die Geselligkeit liebe. – Den ersten Abend konnte ich kein Quartier finden, eine Colonne der Reservearmee passirte durch, und wir mußten die Nacht in einem interimistischen Quartier in einem Zimmer mit anderen Officieren hinbringen. Auf der Mairie fand ich bei meiner Ankunft auf der Liste des Fürsten Metternich »le Ministre de Hambourg« aufgeführt und von dem Maire hinzugesetzt; ich dachte, Syndicus Gries sei angekommen, lief eiligst in das Quartier und konnte mich kaum des Lachens erwehren, wie ich Herrn Chapeaurouge (der auch gelernt zu haben scheint, wo Barthel den Most holt) in einem vortrefflichen Quartier mit seinen Wirthsleuten an wohlbesetzter Tafel sitzen sah. Ich habe Chapeaurouge heute die Hölle darüber heiß gemacht und endlich die Sache dadurch wieder in's Feine gebracht, daß ich ihn bei dem Hofrath Diller als »Attaché à la légation anséatique« eingeführt habe.

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35) Chaumont, den 17. März 1814.

... Dem Anschein nach stehen unsre Affairen jetzt wieder sehr gut. Von Blüchers großem Siege vom 9ten habt ihr längst ausführliche Nachrichten. Bianchi soll in Lyon sein, doch muß sich dieses noch näher bestätigen. Von hier bis Troyes und weiter soll es fürchterlich aussehen. Es sind ein Dutzend Meilen, wo man gar nichts findet. Hier hat sichs auch seit den 3 Wochen, wo ich nicht hier war, sehr zum Vortheil verändert, und zwischen Langres und hier habe ich auch kein bewohntes Dorf mehr angetroffen. Alle Häuser stehen offen, Fenster, Thüren, Latten von den Dächern; kurz alles brennbare Material ist zum Bedürfniß der Bivouacsfeuer herausgebrochen. Das Vieh ist verzehrt, und die Menschen sind davon gelaufen. Todte und von Wölfen halb verzehrte Pferde, mitunter auch ungarische Ochsen, Esel etc. liegen allenthalben an der Landstraße und mitten auf der Chaussee. Lazareths bleicher Gesichter, halb genesener Soldaten, oder solcher, die noch eben zu Fuß gehen können, um das nächste Hospital zu erreichen, wanken vorüber. Militairtransporte und einzelne Reisende, ist alles Lebendige, was man auf den Straßen antrifft. Wie wird es in Bar sur Aube erst aussehen!

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36) Chaumont, den 19. März 1814.

... Wellington hat Soult bei St. Sever am 28ten Februar geschlagen und 40 Kanonen genommen und mehrere tausend Gefangene gemacht, worunter mehrere Generale. Soult ist auf Agen retirirt. Die Vendée soll im Aufstande sein. Bianchi hat Angereau 18 Stunden weit zurückgedrängt. Der Congreß von Chatillon ist aufgelöst. Nun wird hoffentlich bald alles eine raschere, entscheidende Wendung nehmen. Wellington soll im Anfang dieses Monats nur noch wenige Meilen von Bordeaux entfernt gewesen sein.

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37) den 22. März 1814.

... Chapeaurouge hatte gestern schon Briefe vom 6ten aus Flottbeck bei Hamburg, demzufolge zur Einnahme von Hamburg noch gar keine Aussicht ist. Die Belagerungsarmee ist nicht stark genug, und man erwartet erst schweres Geschütz aus England. – Die armen Hamburger! –

Wie die Sachen jetzt stehen, ich kann es dir in der That nicht sagen. Seit drei Tagen hört man hier, bald leiser, bald stärker, Kanonendonner von der Gegend von Brienne her, weiß aber nicht, was vorgefallen ist, ebensolange ist für die beiden Kaiser hier Quartier bestellt; aber bis jetzt ist noch keiner gekommen. Je näher man beim Kriegsschauplatze ist, je ungewisser sind die Gerüchte. Gestern hieß es, die abgebrochenen Friedensunterhandlungen seien wieder angeknüpft; heute ist wieder für die Herren aus Chatillon hieselbst Quartier bestellt, also müssen die Unterhandlungen doch wohl beendigt sein.

Vorgestern traf hier der Großherzog von Baden ein, Ladomus ist in seinem Gefolge, ich habe gestern mehre vergnügte Stunden mit ihm zugebracht. Heute ist er weiter gereist mit einem Staatsrath des Großherzogs. Der Großherzog ist noch hier. Ladomus meinte, Schenkendorf habe seine Gedichte schon an dich abgeschickt. Mache doch, daß es mit dem Drucke vorwärts geht.

Meine Wirthsleute sind fortdauernd freundlich und gefällig, und wenn gleich die Tafel nicht halb so gut ist, wie das erstemal, so bin ich doch sehr zufrieden, und viel besser daran, wie Hach, der fast alle Tage Frösche zu essen bekommt.

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38) Dijon, den 26. März 1814.

Ich habe diesen Morgen schon ein paar Zeilen geschrieben, liebste Mine, um dir meine hiesige Ankunft und daß ich gesund und wohl sei, zu melden. Seitdem habe ich durch Herrn von Pilat deinen Brief vom 9. und Hannens Brief vom 11. erhalten, und benutze eine sich mir darbietende Gelegenheit, dir über Basel darauf zu antworten. Dein letzter Brief, den ich vorher von dir erhielt, war vom 4. März, der letzte von meinem Collegen einer von Horn vom 2ten März, es muß also viel fehlen. Der Minister von Stein wird diesen Monat hier erwartet, und so hoffe ich mehreres zu erhalten. Ich will dir jetzt erzählen, wie es mir bis dahin gegangen ist. Meine letzten Briefe an dich waren vom 19. und 22. aus Chaumont und am 24. ein paar Zeilen aus Langres. Die vier letzten Tage in Chaumont waren nicht sehr angenehm; man hörte täglich kanoniren und bekam fast garkeine Nachrichten. Die Aufzehrung fast aller Lebensmittel, das Verlassen fast aller Dörfer in der dortigen Gegend hatte ein Zusammenrotten von Bauern in den Wäldern veranlaßt, die die Wege unsicher machten, Couriere und einzelne Reisende todtschlugen etc. Dazu hatten die Gefechte von Arcis, Vitry etc. eine Verringerung der Schwarzenbergschen und Blücherschen Armee, die jetzt à cheval sur Marne 200 000 Mann stark stehen, während Bonaparte sich à cheval sur l'Aube befindet und eine solche militairische Wendung veranlaßt, daß wir in Chaumont jeden Augenblick überfallen werden konnten, und doch nicht recht wußten, wohin zu gehen sei. Am Mittwoch Morgen kam die Nachricht, ein französisches Corps von 500 Mann sei zu Joinville 3-4 Meilen von Chaumont. An einer andern Seite standen rebellische Bauern in einem Walde. Man berieth hin und her. Es wurden Courire abgeschickt, einige kamen wieder, andre nicht. Gegen Abend bestätigte es sich, daß von Joinville beträchtliche feindliche Cavallerie vorrücke. Der Weg nach Bar sur Aube wurde als unsicher beschrieben; wegen des Weges nach Langres war man auch in Unsicherheit. Es war auffallend, daß am Mittwoch den 23. fast alle französischen Bauern mit den Blaukitteln, wovon sonst der Markt in Chaumont wimmelte, verschwunden waren. Gegen Abend kam jetzt in Chaumont Feuer aus, und die Sturmglocken wurden geläutet. (Feueranlegen ist das gewöhnliche Signal der insurgirten französischen Bauern, um aufzufordern, gegen einen Ort vorzurücken.) Eine Partey des Corps diplomatique hielt es für das Beste, noch am Abend nach Langres abzureisen, die kleinern glaubten, es sei besser, um der Bauern willen, nicht in der Nacht zu reisen. Postpferde waren nicht zu bekommen, ich hatte von meinen Pferden nur noch 2, womit mein schwerer Wagen nicht gut fortzubringen, ich lief herum, um noch ein Pferd zu kaufen, welches mir, gegen Jedermanns Erwarten, in einer halben Stunde gelang. Gegen 8 Uhr fuhren die meisten fort.

Da indeß das Getümmel der Wegfahrenden groß war, die Nacht finster, bei dem bergigten Wege im Gedränge leicht umzuwerfen; – und da ich, nach eingezogener Erkundigung bei dem Großherzog von Baden, (der auch da war und 100 Cavalleristen zur Eskorte bei sich hatte), hörte, daß dieser den Morgen erwarten wolle, so beschloß ich, mich an ihn anzuschließen; ging ruhig zu Bett, ließ indeß Schömberg wachen. Um 5 Uhr stand ich auf, hörte, daß der Großherzog reisen wolle, und fuhr dann nebst Gildemeister und Gries, (der indeß Wagen und Koffer im Stich lassen mußte) mit nach Langres. Wir hörten viel kanoniren unterwegs. Die Franzosen waren uns bei weitem näher, wie beim Abzug von Troyes. Man gewöhnt sich aber daran. – Zwischen Chaumont und Langres fanden wir die ganze Caravane, die Abends zuvor weggezogen, auf der Landstraße, wo sie die Nacht zugebracht hatte; wohl 50 Wagen. In Langres hörten wir, der Kaiser von Oesterreich gehe nach Dijon, auch Fürst Metternich, Herr von Stein, Staatskanzler Hardenberg etc., und von Bar sur Aube oder (?) Chatillon dahingegangen, deshalb fuhren wir auch dahin und kamen gestern Nachmittag glücklich hier an. Der Kaiser von Oesterreich war schon gestern früh angekommen. Die Hauptsachen stehen vortrefflich. Napoleon muß sich entweder auf den ausgehungerten Straßen nach Paris zurückziehen, oder er kommt garnicht mehr dahin. Der Kaiser von Rußland und der König von Preußen sind bei der Armee bei Chalons. Der Prinz von Hessen-Homburg ist in Lyon, Angereau, der nicht 20,000 Mann mehr hat, hat sich nach Valence zurückgezogen. Wellington ist am 19. in Bordeaux eingerückt.

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39) Dijon, den 29. März 1814.

... Gestern traf hier die Nachricht ein, daß Wellington schon am 11ten durch Beresford Bordeaux habe besetzen lassen, und daß dort die weiße Kokarde aufgesteckt und alle Adler zertrümmert seien. Dies ist äußerst wichtig und bedeutend, und ich wiederhole seit gestern im freudigen Sinne, wie ich es in Vesoul niederschrieb:

Blick auf und sieh den Tag der Rache nahen,
Des dunklen Schicksals Mächte dich umfahen,
Dein heller Stern, er wird so bleich – u. s. w.

Du wirst das französische Gedicht und die Uebersetzung doch erhalten haben, sie ist, ohne daß es von mir beabsichtigt war, im Hauptquartier bekannt, und in dem ersten Zirkel gelesen worden; ihr könnt sie daher, wenn ihr wollt, ohne Bedenken drucken lassen. Heute ist wieder eine herrliche Nachricht bekannt geworden: Schwarzenberg hat die Franzosen unweit Champenoisse am 25ten total geschlagen, 8000 Gefangene gemacht, worunter 6 Generale, und über 60 Kanonen gewonnen. Man glaubte, er werde gleich darauf in Meaux eingerückt sein. Es ist immer möglich, daß die unsrigen schon in Paris sind. Das ist fast zuviel in zwei Tagen, und ich mache mich schon gefaßt darauf, daß irgend ein hinkender Bote nachkomme, damit wir nicht übermüthig werden. In den nächsten vierzehn Tagen muß sich viel entscheiden. Wenn ich lebe und Gesundheit behalte, woran es bis jetzt, gottlob, nicht fehlt, so bin ich im April-Monat entweder in Paris oder wieder zu Hause. Vorgestern war mir noch das letzte wahrscheinlicher, heute das erste.

Es ist wahrlich jetzt aller Anschein vorhanden, daß alles gut gehen, und das, was der gemeine und gesunde Verstand als recht und billig und nothwendig anerkannt, alles Wiederstrebens ungeachtet dennoch ein paar Monate später in die Wirklichkeit übergeht, – so wie man einem guten Trauerspiel schon beim ersten Act ansehen muß, wie der 5te enden wird. Hier in Dijon ist einmal wieder alles vollauf und für Geld zu haben, was man wünscht. Wir haben auch ein sehr gutes Quartier. Mein Freund Perret, aus Dijon gebürtig, mit dem ich in Jena ein Jahr lang täglich bei Fichte speiste, lebt auf einem Landgute, 4 Meilen von hier. Wenn wir hier noch einige Zeit bleiben, denke ich ihn zu besuchen. Von Bremer Ehrengardisten ist hier nichts mehr anzutreffen.

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40) Dijon, 1. April.

... Du glaubst nicht, wie mir zu Sinne ist, wenn ich, einzig in dem großen historischen Momente der Gegenwart verloren, auf die dortigen kleinlichen Zänkereien blicke, von allen Seiten wird dummes Zeug gemacht. Mir ist dabei zu Sinne, als ob ich allenthalben von Läusen gebissen würde, indem ich mich eben einer poetischen Begeisterung hingeben wollte, oder, um mich eines edleren Bildes zu bedienen, wie wenn ich mit Männern die ernstesten und wichtigsten Sachen zu berathen habe, und die Kinder dazwischen lärmen, daß man kein vernünftiges Wort wechseln kann. Man möchte ihnen sofort die Ruthe geben, oder sie in den Keller sperren.

Ich bin fortdauernd gesund und wohl und habe hier mit Sinclair Wie Perret ein Freund Smidts. und Perret drei herrliche Tage verlebt. Hier ist der Frühling nun wirklich eingetreten; Pfirsiche und Aprikosen blühen. Zieh doch ja mit den Kindern nach dem Garten, die dortige reinere Luft wird den bösen Nervenfieberdünsten nicht so leicht Eingang verschaffen, und laß sie allenfalls aus der Schule weg; es verschlägt nichts für einige Zeit, wenn du sie nur vornimmst und Hermann besonders scharf zur Selbstthätigkeit anhältst. Heinrich treibt sich von selbst.

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41) Dijon, den 7. April 1814.

Seit deinem Briefe vom 19ten habe ich noch immer nichts von dir erhalten, süße Mine, obgleich Herr von Pilat schon eine Bremer Zeitung vom 26ten erhalten hat, ich begreife nicht, wie das zugeht. Ich vergesse nicht, daß heute unsres lieben Hermanns Geburtstag ist, sag ihm, er solle ein braver Junge werden, ich zähle darauf, und küß ihn dreimal recht herzlich von mir.

Morgen früh reise ich nach Paris ab. Schicke nun deine Briefe direct nach Paris unter Adresse von Herrn von Pilat, Geheimsecretair des Fürsten Metternich im großen Hauptquartier in Paris ... Die großen Neuigkeiten aus Paris werdet ihr nun auf direktem Wege längst haben.

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42) Paris, den 12. April 1814.

... Ich kann dir heute, süße Mine, nichts als meine gestern glücklich erfolgte Ankunft in Paris, und mein Wohlsein anzeigen, wenn ich von dem sofort stattfindenden solennen Einzuge des Grafen Artois noch etwas sehen will. Wie mir zu Sinne ist, so in Paris zu sein, kann ich dir nicht beschreiben.

Napoleon hat abdicirt und geht heute unter Begleitung von 1500 Mann alliirter Truppen nach der Insel Elba ab, wo er seinen Aufenthalt erhält. Die Gazette de France erzählt das heutige Abgehen. Im heutigen Moniteur findet sich folgendes: »Die Kaiserin geht mit nach der Insel Elba«. »Les puissances alliés ayant proclamé que l'Empéreur Napoléon était le seul obstacle au rétablissement de la paix en Europe, l'Empéreur Napoléon, fidèle a son serment, déclare; qu'il renonce pour lui et ses héritiers aux trônes de France et de l'Italie, et qu'il n'est aucun sacrifice personnel, même celui de ça vie, qu'il ne soit prêt à faire à l'intérêt de la France.

Fait au palais de Fontainebleau, le 11 avril 1814.
Napoleon. Nachdem die verbündeten Mächte erklärt haben, daß der Kaiser Napoleon das einzige Hinderniß für die Wiederherstellung des europäischen Friedens sei, erklärt der Kaiser Napoleon, seinem Gelübde treu, daß er für sich und seine Erben den Thronen Frankreichs und Italiens entsagt, und daß er kein persönliches Opfer – selbst nicht das seines Lebens – scheuen wird, wenn es zum Wohle Frankreichs gebracht werden müßte.
Gegeben im Schlosse zu Fontainebleau, am 11. April 1814.
Napoleon.
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43) Paris, den 13. April 1814.

... Hamburgs Befreiungsstunde wird bereits geschlagen haben, oder doch in 14 Tagen schlagen. Dein Brief vom 19ten ist der letzte, den ich von dir erhalten habe. Wiederhole doch alles, denn es sind gewiß viele Briefe verloren gegangen und sag dies auch andern. Heute habe ich beim Dejeuner des Staatskanzlers bei dem herrlichen, alten Blücher gesessen, auch Gneisenau gesprochen. Varenhagen geht eben von mir und läßt dich grüßen.

Bonaparte wird heute oder morgen nach der Insel Elba abgehen. Die Kaiserin will mit, man hofft noch, sie davon abzuhalten. Sag Nonnen: Tettenborn Smidt begab sich, nachdem er von dieser Absicht Tettenborns erfahren, sogleich von der Gesellschaft in seine Wohnung zurück, setzte rasch eine kurze Schrift auf, in welcher er knapp und logisch Bremens Vorrecht an dies von den Franzosen im Stich gelassene Haus darlegte. In der gleichen Stunde überbrachte er seine Schrift Stein und bat ihn dringend, noch heute dem Kaiser von Rußland die Sache mitzuteilen und damit dem Wohle Bremens einen Dienst zu erweisen, bevor Tettenborn am nächsten Morgen in Audienz vom Kaiser empfangen werde. Stein erfüllte Smidts Bitte, und Kaiser Alexander hatte – als Tettenborn seinen Wunsch aussprach –, der Stadt Bremen schon ihr altes Eigentum von neuem zuerkannt. – lege es jetzt darauf an, Delius' Haus auf St. Stephanikirchhof vom Kaiser von Rußland geschenkt zu erhalten. Der Consul Delius hat vorgestellt, daß es dessen rechtmäßige Eroberung sei. Sprich davon sonst mit niemand. Man muß jetzt aus meinen Briefen nichts in die Zeitung setzen, als wenn ich es ausdrücklich schreibe.

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44) Paris, den 19. April 1814.

... Wie es mit dem Wiederkommen gehen dürfte, will ich dir ungefähr vorher sagen, du sollst aber noch nicht davon reden. In etwa vier Wochen gehen alle drei Monarchen von hier nach London. Wahrscheinlich geht alles mit und dann darf ich nicht wegbleiben. In London bleiben wir etwa 14 Tage, dann gehts wieder nach dem Continent und zwar nach Wien. Ob von England wieder über Frankreich oder über Holland, ist noch nicht ausgemacht. Nach Wien muß ich auf jedenfall, mit nach London weiß ich noch nicht ganz gewiß. Nun denke ich, falls ich nicht mit nach London gehe, dann (wenn die andern dahin abgehen) einmal zu dir zu kommen, oder, gehe ich mit nach London, von da nach der Weser abzufahren und bei dir einzusprechen; auf jeden Fall also erst nach Bremen zu kommen, ehe es nach Wien geht.

Nach Wien denke ich Gildemeister nicht mitzunehmen. Ueberlege es einmal im Stillen, ob du mitwillst, und ob und welche Kinder wir mitnehmen wollen. Reise, Zimmer, Aufwartung und dergleichen haben wir immer umsonst, und was ihr sonst mehr verzehrt, würde ich gerne aus dem meinigen bezahlen. Ein paar Monate, leicht ein Vierteljahr, wird der Aufenthalt in Wien immer dauern. Grüß und küß die süßen Kinder. – –

Am 20. April. Guten Morgen liebste Mine. Ich stehe eben auf, um dieses zuzusiegeln. Soll ich dir auch etwas von hier mitbringen? Der preußische Staatsrath Jordan hat mir versprochen, die eiserne Kette, die Hanne gerne haben will, mit dem nächsten Courier aus Berlin kommen zu lassen.

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45) Paris, den 24. April 1814.

Heute war unsrer lieben Mutter Geburtstag, süße Mine. Ihr habt dort auch wohl daran gedacht und ihr ein wehmüthig freundliches Andenken geweiht. Viel gäbe ich darum, daß sie die Freude dieser Tage noch erlebt hätte, daß ich ihr noch einmal hätte erzählen können von diesem Völkerzuge, von seinen Freuden, Leiden und Gefahren; von diesem Triumph über den Feind der Menschheit, von seiner Abführung nach der Insel Elba, wo er noch, wie im Schattenreich, über 12 000 Seelen herrscht, so daß, wenn es Noth thut, unsre 4 Gogräfen Krieg mit ihm führen könnten, und kein Bürger der Stadt dabei das Schwert zu ziehen brauchte. – O es ist eine einzige Zeit, süße Mine, und wie selig würde ich in ihr sein, wenn nicht die Ungewißheit, in der ich in Anschein dessen bin, was in Bremen vorgeht, mir alle Freude trübte. Aus Horns fragmentarisch mir zugekommenen fragmentarischen Briefen muß ich schließen, daß dort auf der einen Seite Furchtsamkeit und ungelenkes Benehmen und von der andern Seite theils Herrschsucht ohne Genie und Ueberblick bei den Elterleuten, theils unüberlegte Neuerungssucht bei jungen Gelehrten, theils ehrgeizige Malitiosität bei einigen andern nicht ruhen werden, bis sie soviel Unheils zusammengebrockt haben, daß Fremde sich in's Spiel mischen, und die schönste Blüthezeit unsrer Freiheit, deren Keime ich nun seit beinahe einem halben Jahre mit der ängstlichsten Sorgfalt zu hegen und zu pflegen bemüht bin, zu verderben, während sie eben auf das herrlichste sich zu entfalten im Begriff war. Wir könnten alles auf das herrlichste bei uns einrichten, wie wir wollten, daß es Jedermann eine Freude wäre, unser kleines Wesen mit anzusehen, und wir Ehre und Ruhm bei Welt und Nachwelt davon hätten, und nun will man mit Wuth eine neue Constitution innerhalb wenig Wochen aus dem Ermel schütteln. Jeder will regieren und meint seine Einfälle sofort in der Welt einführen zu können. Es wäre diesen unruhigen Köpfen, wie es mir scheint, sehr leicht ein niederschlagendes Pulver einzugeben, was sie bald zur Besinnung brächte. Man brauchte ihnen nur zu sagen: »Wir kennen euch und jeden einzelnen unter euch. Die letzten Ueberreste des Bonapartischen Giftes gähren noch in euren Köpfen. Ihr Exmunicipalräthe unter den Elterleuten und andern; ihr habt so lange dem bösen Feinde dienen müssen, daß ihr noch immer an seine Macht glaubt, während er schon gerichtet ist. Euer Geschrei, unsre Verfassung sei durch Bonapartes Raub nicht blos unterdrückt, sondern ganz vernichtet worden, darum müsse ganz etwas Neues geschaffen werden, ist ja grade sein Evangelium. Das wird jetzt nur auf der Insel Elba verkündigt, dahin gehört ihr! Meint ihr, wir hätten es schon vergessen, daß es unter euch Lumpenhunde gab, die bei Gelegenheit der Cavalleristenlieferung einmal eine Adresse nach Paris schicken wollten, worin von der »fameuse Trahison« des General York die Rede war? – Wir wissen recht gut, wer sie aufsetzte und wer dafür stimmte, so wie wir auch die braven Leute kennen, die es am Ende hintertrieben. Du ...: du Schreihals, erinnerst du dich noch daran, wie der verruchte Van Damme dir einmal einige flatteries und Redensarten vorsagte, wo du da laut sein Lob verkündigtest, und laut auf der Obernstraße erklärtest: (Schreiber dieses hat es mit eigenen Ohren gehört) du habest in vielen Jahren keine so ausgemachte Wahrheit gehört, als Vandammes Behauptung: – Die Hamburger seien unsinnig geworden. Du ...: hast du nicht laut deine Freude über Hamburgs Unglück bezeugt und dich nicht entblödet hinzuzufügen, das werde einen herrlichen Verdienst geben, wenn darüber die Cour imperiale zu uns käme? – Du ...: wie hast du dich aufgeführt als Bureauchef des Präfecten, warst du nicht sein großer Junge an allen Ecken und Enden? schrien die armen Matrosenfrauen nicht Ach und Wehe über dein hoffärtiges übermüthiges Benehmen? Du ...: warst du nicht ein solcher Franzosenfreund, wie du dein Haus verkaufen und Regiebeamter werden wolltest, daß einer den andern heimlich warnte, nicht freimüthig zu sprechen in deiner Gegenwart? Und ihr, mit einigen wenigen eures Gelichters, seid es, die, aus Verdruß über euer verlornes Regiment, jetzt die Lärmtrommel rühren und eine Verfassung, bei der wir Jahrhunderte glücklich gewesen, umstürzen und, zum Verderben unseres Staats, fremden Einfluß herbeirufen wollt.« So sollte man mit ihnen reden, und sie würden bald stille sein. Patriotische Männer, ohne Makel und Franzosenflecke, würden dann ihre Stimmen erheben, und alles würde in Ruhe und Ordnung ausgebaut und aufgebaut zwischen den schützenden Wänden des ehrwürdigen Hauses unsrer Väter. Laß sie nur hieher kommen, wenn der Kitzel sie treibt; ich habe nicht übel Lust, ihnen eins aufzuspielen aus Oberons Horn.

Du solltest hier einmal durch die Thüre gucken können, um die umgekehrte Welt zu sehen. Mein Zimmer wird des Morgens fast von Besuchenden nicht leer, die auf hohe Protection ausgehen. Reinhard bittet mich, ihn bei Stein einzuführen; Eichhorn, Vermier, Rathgen suchen günstige Zeugnisse und ein Fürwort nach; der hannoversche Graf Grote ist so flei wie ein Ohrwurm, daß ich bei Graf Münster Gutes von ihm reden soll, und so andre mehr.

Die letzten glücklich entwischten Ehrengardisten sind hier. Einer, Hagedorn, ist durch die Schweiz gereist.

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46) Paris, den 29. April 1814.

Ich lebe hier in Paris, den Juden ein Aergerniß und den Griechen eine Thorheit, alle meine Freunde gehen vorüber und schütteln den Kopf. Ich riskire, daß der Apoll von Belvedere, der Laokoon und die Mediceische Venus jeden Tag eingepackt und weggeschickt werden, ohne daß ich sie wiedergesehen. Essen, Trinken und Schlafen ist mir ein peinlicher Hofdienst der Natur. Da Deutschland befreit ist, will ich nichts als Befestigung seiner Herrlichkeit, und Freiheit der Hansestädte unter dem Schatten seiner Flügel; Freiheit Bremens im Aeußern und im Innern. Weder ich noch meine Mitbürger, noch unsre Kinder sollen künftig Buben unverachtet lassen dürfen, die sich für Hofschranzenbücklinge die Frechheit zu erkaufen rühmen, Republiken lästern und in Furcht setzen zu mögen. Ich will zeigen, daß ein rechtlicher Mann größerer Energie fähig ist, als hundert Schurken. Das ist meine Gloria, und darum ist mir das, was andere Resignation nennen, ein leichtes Spiel, wie l'hombre und Whist. Du sollst dich meiner nicht schämen dürfen, herrliche Frau! Andern Ruhm bedarf ich nicht. Küß unsre süßen Kinder.

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47) Paris, den 6. Mai 1814.

Das Nachfolgende sollst du niemand sagen, wenn es dir nicht schon jemand vertraulich gesagt hat. Gildemeister reist morgen nach Bremen, gewisser Geschäfte halber, die er gern übernimmt, und wodurch uns großer Vortheil geschieht. Ich schreibe es dir nur, damit du dich nicht erschrickst, wenn du ihn siehst und ich nicht mitkomme. Um Pfingsten komme ich höchst wahrscheinlich auch. Da ich dir und Hanne doch gern ein Andenken von Paris mitbringen wollte, so habe ich beschlossen, es dir gleich mit G. zu schicken, und zwar aus folgenden Ursachen: 1) Weil es zwar sehr unwahrscheinlich, aber doch nicht ganz unmöglich ist, daß ich noch mit nach England gehe, und ich mich dann nicht mit Bagage schleppen mag. 2) Weil ich das überhaupt nicht gern mag, und Gild., da ich ihn mitgenommen, mir zur Gefälligkeit diese kleine Unbequemlichkeit gern übernehmen kann. 3) Weil ich nicht haben mag, daß Hanne daran denkt, was ich mitbringe, wenn ich selbst komme. Ich bin also mit Reinholds Frau und Schwester zu Rathe gegangen, und die haben mir heute von den ersten Modehändlern folgende Sachen von der allerneuesten Mode gekauft, die ich selbst nicht gesehen habe, weil sie gleich eingepackt sind, und die ich gleich beschreiben will, weil ich sonst wieder vergesse, was sie mir darüber gesagt haben. Für dich einen weißen, seidenen Hut mit Tülle, oder wie das Ding heißt, mit lila Blumen. Für Hanne einen feinen Basthut mit Rosen. Es soll ganz etwas Exquisites sein. Dann für dich ein Paar blauseidne Schuhe, das blau ist zwischen hell und dunkelblau und heißt bleu de Marie-Louise, weil diese immer diese Farbe getragen hat; für Hanne ein paar rosenfarben seidne Schuhe. Noch für dich und Hanne für jede ein Paar Schuhe, die »demi Brodequins« heißen und neueste Mode sind des Sommers damit im Staube zu gehen, sie sind von grauem Zeug und gehen ganz bis ans Bein, sind mit drei Schleifen zugemacht. Die für dich sind mit blauer, die für Hanne mit rosenfarbnen Schleifen. Die Schuhe habe ich gesehen; sie sind sehr hübsch, ich habe dabei gesagt, ihr hättet beide große Füße, sie sollten die größten aussuchen. Ich will dir auch gleich sagen, was alles kostet; du fragst mich doch und dann möchte ich es nicht mehr wissen. Dein Hut kostet 33 Franken. Hannens Hut 30 Franken. Das Paar von den seidnen Schuhen kostet 6 Franken und das von dem demi Brodequins 8 Franken. Die Hüte sind jeder in einem großen hölzernen Kasten; ich danke Gott, daß ich sie nicht im Wagen haben und hüten soll. Leb herzlich wohl, beste Mine ...

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48) Paris, den 13. Mai 1814.

... Ich hoffe nicht, daß man auf den Gedanken kommen wird, zwei Deputirte nach Wien zu schicken, sei es noch ein anderer aus dem Senat, der eine aus der Bürgerschaft. Solltest du dann irgend etwas hören, so kannst du mir ganz dreist erklären, du wüßtest, daß ich in einem solchen Falle garnicht ginge, man möchte dann schicken, wen man wollte. Das habe ich mir einmal fest vorgenommen. Wenn ich nicht das Regier ganz allein haben kann, so danke ich für jede Mission ...

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49) Paris, 14. Mai 1814.

Wenn ich dich nur bei mir hätte, du englische Frau, und die süßen Kinder, ich wäre vergnügt wie ein Gott. Sieh, darum wollte ich euch so gerne mit nach Wien haben, weil ich voraussehe, daß es doch wieder bis in den August hineinwährt! Schreib mir doch ein Wort darüber, damit ich weiß, wie du darüber denkst. Sieh, du und ich säßen rechts im Wagen, Hanne, Hermann und Heinrich zurück; unterwegs erzähle ich euch Und zeige euch die Welt, und die Jungens sollen gewiß mehr lernen, wenn sie bei mir sind, als in der Schule. In Wien will ich dich nicht in der großen Welt aufführen; das schickt sich eines Theils nicht, weil die andern Gesandten ihre Frauen nicht bei sich haben, theils weil es zu kostbar, da ich, Reise und Logis abgerechnet, was ihr verzehrt, selbst zu bezahlen denke. –

Dabei wird es nicht fehlen, daß ich dich nicht allenthalben hinführen kann, um alles zu sehen, und daß nicht Abends, wenn wir zu Hause sind, ein kleiner Zirkel von gebildeten Leuten und interessanten Männern sich zum Thee bei dir versammelt, die dich als Frau vom Hause respectiren. Ich habe dem Herrn von Pilat schon gesagt, er möge seiner Frau im Voraus schreiben, daß sie uns einige Zimmer in seiner Nähe miethe, ehe die Logis zu theuer werden.

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50) An Hermann und Heinrich Smidt.

Paris, 14. Mai 1814.

Ich habe euch lange einmal schreiben wollen, Ihr lieben Kinder, aber ich habe die Zeit nicht dazu gehabt. Mutter wird euch erzählt haben, was ich alles gesehen und gehört habe, und wo ich allerwärts gewesen bin, und wenn ich nach Hause komme, will ich euch noch viel mehr erzählen. Die tapferen Deutschen und die andern Völker, die mit geholfen haben, haben den bösen Napoleon nun überwunden; sie haben ihn und die häßlichen Franzosen, die uns regieren wollten, allenthalben geschlagen; sie sind in die große und gottlose Stadt Paris eingerückt, haben den Bonaparte abgesetzt und ihn auf einer kleinen Insel im Mittelländischen Meere, die Elba heißt, eingesperrt, wo er nun bleiben soll, so lange er lebt und nicht wieder fort darf. Ich habe an Mutter ein kleines französisches Buch geschickt, worin die Insel Elba beschrieben ist, es ist auch eine kleine Karte dabei, welche die Insel vorstellt. Hanne kann es wohl verstehen, und euch daraus erzählen. Alle Völker, die gegen die Franzosen ausgezogen sind, haben tapfer gefochten, die Engländer, die Spanier, die Russen und andere; aber die Deutschen sind doch die tapfersten gewesen, besonders die Preußen, die Würtemberger und die Bayern, die alle auch zu den Deutschen gehören, und die es nicht mehr mit den Franzosen gehalten haben, wie früherhin einmal. Es sind aber auch viele brave Deutsche dabei von den bösen Franzosen todt geschlagen, aber sie haben alle gesagt, wenn auch die Hälfte von uns todt geschossen oder gehauen wird, so sind dann doch die übrigen frei, und unsre Frauen und Kinder sind auch freie Leute. Wir wollen es nicht, daß der Franzose in Deutschland regieren soll. Die Oesterreicher haben auch tapfer gefochten, das sind auch Deutsche. Die Franzosen fielen einmal mit großen Haufen über einen kleinen Haufen Oesterreicher her; es waren wohl 50,000 Franzosen, und nicht 10,000 Oesterreicher, so daß die Oesterreicher sie nicht bezwingen konnten, und daß die Franzosen sie beinahe alle gefangen hätten. Da waren 1000 österreichische Uhlanen, das sind Lanzenreuter zu Pferde, die sagten zu den andern: »Geht ihr zurück zu den übrigen, damit ihr nicht gefangen werdet, und damit unsere ganze Armee stark genug bleibe gegen die Franzosen; wir wollen so lange fechten, bis wir alle todt sind, und die Franzosen so lange aufhalten, und das haben sie gethan und sind fast alle todt geschlagen von den Franzosen. Und so haben es die Preußen bei andrer Gelegenheit auch gemacht, und die Würtemberger und Bayern und die andern Deutschen. Ich will euch das alles erzählen, wenn ich nach Hause komme. Eure Briefe habe ich bekommen, und es hat mir viel Freude gemacht, daß ihr mir Briefe geschrieben habt. Ich hatte mir vorgenommen, euch auch etwas mitzubringen, aber weil ich es nicht gern haben mag, daß ihr daran denkt, was ich wohl mitbringe, und weil ich mich freue euch wiederzusehen, so will ich es euch lieber vorher schicken und habe es darum einem Courier mitgegeben, der es mit nach Bremen gebracht hat. Mutter wird es euch geben. – Für dich lieber Hermann: 1) Ein Buch mit Vorschriften; sie sind wohl französisch, aber du kannst sie darum doch gut nachschreiben. Du wirst so viel besser Achtung geben, weil du jeden Buchstaben ansehen mußt. Bitte Mutter, daß sie dir gleich ein Schreibbuch dazu mache, und fange an zu schreiben. 2) Ein Federmesser, ein außerordentlich schönes Federmesser, ich habe niemals ein so gutes gehabt. Wie ich so alt war wie du, konnte ich schon selbst Federn schneiden, darum denke ich, du kannst es jetzt auch wohl schon, oder lernst es bald; schneide dich aber nicht damit, und sei vorsichtig, denn das Messer ist sehr spitz und scharf ... 3) Eine kleine schöne Bürste, womit du dich alle Morgen abbürsten mußt. Bitte Mutter, daß sie dir gleich einen Ort anzeigt, wo die Bürste hingelegt, oder hingehangen werden soll, daß du sie immer finden kannst.

Für dich, lieber Heinrich, schicke ich: 1) fünf schöne Bleifedern zum Zeichnen. 2) eine Schraube, die auf den Bleistift geschroben wird, da wo er zugeschnitten ist, damit die Spitze sich nicht abstoße. 3) schwarze und rothe Kreide zum Zeichnen. 4) ein paar Wischer, die auch bei dem Zeichnen mit Kreide gebraucht werden. Ich wollte dir auch noch ein paar Kupferstiche schicken, die du nachzeichnen könntest, aber ich konnte sie so geschwind nicht kaufen, wie der Courier wegfahren wollte ...

Nun lebt herzlich wohl ihr lieben Knaben. Wenn ihr diesen Brief erhaltet, und dann noch vier Sonntage zählt, so denke ich, sehen wir uns wieder. Ihr glaubt es nicht, wie ich mich darauf freue, und wie lieb ich euch habe.

Herzlich euer Vater.
Johann Smidt.

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51) Paris, d. 31. Mai 1814, Abends.

... Der Friede ist in verwichener Nacht unterzeichnet. Am Sonnabend wird er publicirt werden. Die Gränzen Frankreichs sind die vor der Revolution; nur Kleinigkeiten erhält es außerdem noch zu einer besseren Berichtigung der Gränzen in Belgien, Savoyen und an einigen andern Orten, alles höchst unbedeutend. – Cayenne, Domingo, Martinique und Guadeloupe erhält es zurück; Isle de France, Tabago, St. Luce und Malta werden an England abgetreten; es verspricht aber, in 8 Jahren den Sclavenhandel abzuschaffen ...

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52) den 9. Juni 1814.

... Ich kann es wahrlich begreifen, daß man vor Heimweh ernstlich krank werden kann, noch bin ich auf den Beinen, aber ich halte es nicht acht Tage mehr aus. Gestern Abend habe ich mich ein paar Stunden der furchtbaren Langeweile durch einen Besuch bei Madame Jardis entzogen. Dies ist eine herrliche Frau; eine geborene Brentano aus Frankfurt; ich habe sie bei Reinholds kennen gelernt. Sie erinnert mich immer an Sophie Horn Wohl die Frau von Smidts Studienfreund, Senator Horn in Bremen., deren Sprache, Phantasie, Empfindung und Herzlichkeit; nur ihr Aeußeres ist noch viel anziehender und liebenswürdiger. Unglückliche Schicksale machen sie vollends interessant. Wenn du nicht schreibst, so werde ich alle Abende hingehen, und mich am Ende aus Desperation in sie verlieben, um mir das Leben hier einigermaßen erträglich zu machen!

d. 10. Juni. ... Nach achttägigen Bemühungen, die mehrmals vergeblich zu sein schienen, habe ich endlich doch die grüne Chaise, die der Präfect Der Graf d'Arberg, Präfekt von Bremen. uns wegnahm, wieder herausgepreßt, und denke mit dieser Trophäe im Triumph in Bremen einzufahren, damit ich doch nicht ohne Beute aus dem Feldzuge zurückkomme!

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53) den 10. Juni 1814.

... Morgen Mittag sollen wir eine Audienz bei dem Könige von Frankreich haben. Wenn nichts dazwischen kommt, denken wir aber doch noch morgen Abend abzureisen. Schreibe doch noch einen Brief an mich und schicke ihn zu Gerd Meyer am Buntenthorssteinweg, damit ich ohne Aengsten in die Stadt fahren könne. Wenn du diesen Brief erhältst, denke ich, wills Gott, spätestens in 2 Tagen bei dir zu sein. In Wien muß ich spätestens den 1. August sein. Einige glauben, die Verhandlungen könnten dort schon Mitte Julius angehen; ich aber, daß es bis zum 1. August Zeit hat. Aber auch in diesem Falle muß ich Mitte Julius abreisen. Höchstens werde ich also 3 Wochen in Bremen sein können. Der Einfall mit Elard Elard Meyer, der Vater von Professor Elard Hugo Meyer in Bremen, später in Freiburg. Es scheint, daß er damals noch sehr jung, vielleicht noch in seinen Studienjahren gewesen ist und daß Smidt ihn, besonders auf Frau Minens Rat, zum Begleiter und Hauslehrer seiner Söhne gemacht hatte. ist sehr gut, wir wollen das zu Hause näher überlegen.

Die Staël habe ich gestern gesehen, aber nicht gesprochen. Ich kann nicht sagen, daß ich große Neigung habe, sie zu sprechen. Sie kann doch die Französin auch in ihrem Werke nicht verleugnen. Du glaubst nicht, wie ich mich sehne nach Hause zu kommen; ich habe es hier so über und über satt, daß ich nicht einmal Lust habe, etwas zu besehen.

Den 11ten Morgens.

Leb herzlich wohl; grüß und küß die lieben Kinder und was sich sonst meiner mit Liebe erinnert. Unterwegs werde ich dir schwerlich schreiben können.

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Mitte Juni kehrte Smidt zum zweitenmale von Paris zu seinen Lieben heim, aber nur für kurze Frist. Sein Entschluß, Frau und Kinder mit zum Wiener Kongreß zu nehmen, hatte sich befestigt in ihm, und mit wahrer Wonne sah er der Zeit entgegen, da er, mitten im rollenden Weltgetriebe, seine einfache Häuslichkeit haben würde und es seinen Lieben schaffen konnte, daß sie ein solches Kapitel Zeitgeschichte an Ort und Stelle mit erleben durften, wie es jetzt eben im Buch des jungen Jahrhunderts aufgeschlagen ward. – – Die zwei kleinsten Söhne, Gustav und Johann, wußten die Eltern bei ihren Schwestern (Trinchen Castendyk und Friederike Noltenius) wohlbewahrt und so begab sich am 24sten August 1814 die kleine Karavane in der großen Reisekutsche auf die Fahrt nach Oesterreich.

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