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Zweites Kapitel

Das Dummerchen, und warum Fräulein Gotthelf fürs Auswendiglernen von Sprüchen ist. – Von einer weiß-goldenen Kinderstube, einer Mutter in indischer Seide und einer gräflichen Einladung. – »Was anziehen?« – Die namenlosen Fräulein, und warum Dummerchen »Frau Johanna« sagt.

Dummerchen saß bei Fräulein Gotthelf und lernte. Es gab sich redlich Mühe, um es täglich dahin zu bringen, daß Fräulein Gotthelf lächelte und sagte: »So ist's recht, heut' kann ich mich freuen!«

Aber Fräulein Gotthelf lächelte recht selten, und so ein wirkliches Freuen kam fast nie über sie, denn sie hatte zu viele Sorgen. Dummerchen wußte das allein, denn mit den andern sprach das Fräulein nie davon. Aber Anni hatte es ihr zuerst abgeschaut und dann abgefühlt und dann leise abgefragt, und schließlich wußte das Kind Bescheid im Leben und im Herzen der Lehrerin.

»Das muß doch sein, wenn man beisammen ist!« Anni dachte so, und weil Fräulein Gotthelfs Vater gestorben war und ihre Mutter krank in einem Spital lag, so war es kein Wunder, wenn die Lehrerin nicht lustig sein konnte und auch keine schönen Kleider trug, was Mama sehr unangenehm war. Kleider kosteten Geld, das wußte Anni schon, und was Fräulein Gotthelf an Geld bekam, das mußte sie der Mutter schicken, die keines besaß. Anni hatte dies einmal bekümmert und ganz im Vertrauen der Mama und Eva erzählt. Als aber erstere nicht viel daraus machte, sondern nur sagte: »Das kommt, glaube ich, recht oft vor, daß Töchter für leidende Mütter zu sorgen haben,« und Eva beifügte: »Ein bißchen munterer könnte Fräulein Gotthelf trotzdem sein. Für uns ist's auch nicht leicht, immer jemand, der so gedrückt ist, um sich zu haben!« da schwieg das Dummerchen fortan, aber selber tat es wenigstens, was es konnte, um die Lehrerin etwas zu ermuntern.

Der Schluß der Stunde fiel Anni immer am schwersten. Da kam das Auswendiglernen. Die französische Sprachlehre und dann die Sprüche und Lieder wollten so gar nicht in ihren Kopf hinein.

»Warum m... muß ich das lernen, und ich k... kann's doch jederzeit in meiner Bibel lesen?« fragte die Kleine, aber Fräulein Gotthelf setzte ihr auseinander, daß man das gar nicht immer könne. »Nimm jetzt nur meine arme Mutter an!« sagte sie. »Die liegt gelähmt in ihrem Bett und kann kein Buch mehr halten.«

»Aber dann k... könnte man ihr ja vorlesen!«

»Das ist nicht möglich, wo so viele beisammen sind.« Fräulein Gotthelfs Stimme klang sehr wehmütig. »Weißt du,« fuhr sie fort, »bis da alle verbunden und gefüttert und sonst noch verpflegt sind, da bleibt keine Zeit mehr zum Vorlesen.«

»Wären wir dort, k... könnten wir's tun.«

»Ach ja, ach ja, Annichen!« Das Fräulein seufzte tief auf. »Aber so ist's Mutters einziger Halt, daß sie sich, besonders in den langen Nächten, in denen sie nicht schlafen kann, ihre Liederverse und Trostsprüche vorsagt.«

»Ich mag aber nicht wieder krank werden und in einem Krankenhaus liegen und nicht schlafen können,« wendete Anni nochmals ein, um dem Auswendiglernen zu entgehen.

»Gott behüte dich davor, liebes Kind, doch wissen kann das niemand vorher. Aber ein gutes Gotteswort, zur richtigen Zeit gesagt, kann auch wohltuend für andere sein.«

»Also, dann w... will ich eben!« sagte Anni und lernte, aber eine große Überwindung kostete es sie trotz allem. –

Die Kleine wurde gebadet und strampelte und pantschte in der schönen weißen Badewanne mit den goldenen Griffen. Es war alles weiß mit Gold in dem Kinderzimmer: die Wickelkommode, der Schrank mit den Kleidchen, die Fächer für die Spielsachen, das feine Gedeck auf dem Tisch in der Mitte. Das Kind selber paßte vollständig in das Ganze, als es nachher, noch duftend von Seife und Rosenwasser, zum Mittagsschlaf in seinem schneeweißen Bette lag, um den kleinen Hals die feine goldene Kette mit einem Medaillon, das sich halb in den Falbeln des langen Nachthemdes verbarg. Das einzig Farbige in dem Zimmer war des Kindes rosiges Gesicht und seine Locken und ein grünseidener Vorhang, den die Kinderfrau eben sorgsam zusammenzog.

»Nun schlaf, Liebling!« sagte sie zu der Kleinen und räumte möglichst leise die umherliegenden Sachen zusammen. Das Kind zahnte und sollte Ruhe haben. Die letzten Nächte mit ihm waren recht mühselig gewesen.

Da kamen lebhafte Stimmen den Gang herab, und die Türe wurde so rasch geöffnet, daß die Wärterin unwillkürlich schützend die Hand aufhob und »Pst, pst!« machte.

»Schläft denn die Kleine schon? O wie ungeschickt!« sagte Frau Lindt, die in vornehmem Morgenkleide mit einer Dame trotz den flehenden Blicken der Kinderfrau schon ans Bettchen getreten war. »Ach nein, noch nicht ganz, und ich kann sie Ihnen doch noch zeigen,« rief die Mutter, fröhlich wie ein Kind. Indem sie die Vorhänge auseinanderschob, nahm sie die Kleine auf den Arm. Sie war hübsch anzusehen, die zarte, südländische Frau in dem schleppenden Gewand von gelblicher indischer Seide, wie sie das Kind mit dem goldbraunen Lockenkopf an sich drückte, auf dem Arm wiegte und zu Späßen zu ermuntern suchte. Die Dame lächelte, meinte aber dann, ob die Kleine nicht aus dem Schlafe komme, den dürfe man doch nicht stören.

Die Wärterin nickte dankbar und sagte: »Ja, gnädige Frau, das Kind bekommt Zähne.«

Da sah plötzlich Frau Lindts Gesicht recht erzürnt aus, und nachdem sie die Kleine, die nun heftig zu weinen anfing, rasch der Wärterin auf den Arm gegeben hatte, verließ sie mit dem Besuch das Zimmer und sagte draußen halb ärgerlich, halb entschuldigend: »Alle Kinderfrauen sind doch sehr schwierig und sofort eifersüchtig, wenn die Mütter sich an ihren Kindern freuen wollen!«

Die Gräfin Waldernberg, eine Frau, die selber Kinder hatte, sie aber soviel wie möglich selber besorgte, hätte manches sagen können, aber sie schwieg lieber, denn diese kleine, an ganz andere Verhältnisse gewöhnte Frau hätte sie ja doch nicht verstanden.

Als die Gräfin sich verabschiedete, kamen eben die beiden Mädchen mit Fräulein Gotthelf nach Hause. Diese hatte Eva mit Anni in der Privatschule, die sie besuchte, abgeholt, und die Gräfin meinte, es wäre hübsch, wenn die zwei Schwestern heute nachmittag zu ihrer Ruth kämen. Auch Fritz würde sich gewiß sehr freuen, seine Altersgenossin Anni zu sehen.

Eva war sehr beglückt über diese Einladung, denn das Waldernbergsche Haus war sehr fein und vornehm, und die Einladungen dorthin erfolgten nicht oft. Sie flog deshalb den andern voran hinauf in ihr Zimmer, und der erste Gedanke war: »Was werde ich da anziehen?«

»Kathi, – Kathi!« erscholl es, als diese nicht augenblicklich nach dem Klingeln dastand, und es begann ein Beraten und Wählen, als ob die Frage: Hell oder dunkel, Seide oder Wolle? die wichtigste auf dieser Welt wäre.

Einige Zeit nachher trat Lisette in das Kinderzimmer, leise, wie's ihr angelernt worden war, um das Bad der Kleinen hinauszutragen. Es war der Kinderfrau nicht gelungen, die Kleine zum zweitenmal in Schlaf zu bringen, und sie trug das Kind, das sichtlich Zahnweh hatte und mit den Fingerchen im Munde bohrte, herum.

»Hat man's wieder einmal aufgewirbelt?« fragte Lisette nicht eben sehr achtungsvoll und leerte dabei Waschbecken und Kannen aus. »Ihnen und dem armen kleinen Ding da läßt man auch keine Ruhe, und drüben im Zimmer des gnädigen Fräuleins da geht's einmal wieder zu wie im Türkenkrieg. Sämtliche Kleider hat die Kathi herbringen müssen, auch die von Tuch, mit Pelz und die eingepfefferten, wo wir doch noch halb im Herbste sind. Alle hat das Fräulein herausgerissen und anprobiert, und schließlich hat sie ihr hellrosa Spitzenkleid gewählt, das zunächst im Schranke gehangen hatte. Nun muß das Zeug wieder zusammengelegt und aufgehoben werden, und wenn ich die Kathi wäre, ich tät' aus der Haut fahren bei dem Ton von oben herab, den die Fräul'n Eva gegen sie anschlägt.«

Lisette polterte diesmal mit den Kannen und machte viel Geräusch. Das Kind wachte ja! »Pst, Pst!« machte die Wartfrau, aber es war mehr wegen dessen, was Lisette und wie sie es gesagt hatte.

»Man darf, bitte, nicht so sprechen über seine Herrschaft; Fräulein Eva ist eben noch sehr jung,« sagte sie.

»Ja, jünger als wir und viel unvernünftiger trotz der Feinheit,« brummte Lisette, aber sie polterte doch etwas weniger als zuvor. Jedermann im Hause hatte Achtung vor der Kinderfrau.

Es war halb zwei Uhr und das Frühstück vorüber. Mama, die Eva noch nachträglich wegen des Anzugs gefragt hatte, stimmte auch für das rosa Kleid. Als Südländerin war sie immer für hell, und dann konnte man ja auch nicht wissen, wer noch geladen war. Bis vor kurzem waren die Schwestern gleich gekleidet, nun aber Eva halblange Kleider trug, ging das nicht mehr.

Merkwürdig, daß über Dummerchens Anzug weit weniger gesprochen wurde! Es war meistens Fräulein Gotthelf, die ihn bestimmte.

»Die Frau Gräfin hat ja gar nichts g... ge... gesagt von andern K... Kindern, da zieh' ich doch am besten mein gewöhnliches S... Sonntagskleid an,« sagte Anni, und Fräulein Gotthelf nickte dazu. Sie war ärgerlich über Eva, die auf ihrem Liegstuhl ausgestreckt in einer Zeitschrift las. Die Einladung war auf vier Uhr. Das Fräulein hatte ihr vorgeschlagen, vorher noch die Arbeiten für morgen zu machen, aber Eva mochte jetzt nicht. Nach dem Abendessen, sagte sie, sei noch genug Zeit dazu.

Vor vier fuhr der vornehme Wagen des Lindtschen Hauses vor. Der Diener erwartete mit abgezogenem Hut die jungen Damen, und Fräulein Gotthelf brachte sie an Ort und Stelle. Dummerchen saß bei solchen Gelegenheiten mit Vorliebe auf dem aufgeschlagenen kleinen Rücksitz.

Eva sah sehr hübsch aus, als der Diener ihr oben den Mantel abgenommen hatte, aber sie hatte sofort ein unangenehmes Gefühl, als Ruth ihr im einfachen Matrosenanzug, den sie immer trug, entgegenkam.

»Oh,« sagte diese bedauernd beim Händeschütteln, »du hast dich so schön gemacht, und ich fürchte, du bist enttäuscht, nur uns allein zu finden!«

Anni, die ein einfaches, weißwollenes Kleid trug, forderte keine Bemerkung heraus. Eva dachte etwas verächtlich, man ziehe sich doch auch für einen kleinen Kreis hübsch an, aber sie sagte das nicht. Die einfache, aber doch sehr feine Art Ruths machte Eindruck auf sie, obgleich diese ein Jahr jünger war, und Ruths Mutter flößte nicht nur Eva, sondern jedermann, der mit ihr in Berührung kam, große Hochachtung ein. Ob das wohl die Gräfin ausmachte oder ein gewisses Etwas, das Eva sich nicht zu erklären vermochte? Daß hier noch gespielt und nicht wie bei andern Freundinnen Evas nur geplaudert wurde, wie die Großen es taten, das wußte diese, aber daß dabei das ganz einfache Kinderfräulein – es war keine richtige Erzieherin wie Fräulein Gotthelf, sondern ein junges Mädchen, das auch im Haushalte half, – mittat, das erschien Eva gar nicht vornehm. Sie war deshalb auch sehr zurückhaltend und in ihren Reden kurz, während das Dummerchen sofort die nette, bescheidene und freundliche Art des Fräuleins empfand und sich sehr behaglich bei ihr fühlte. Fritz, ein lebhafter, zwölfjähriger Junge, hatte einige Würfelspiele zu Weihnachten bekommen. Er erklärte sie eifrig und war selig, als die andern sie auch hübsch fanden. Dann kam die Gräfin dazu und wußte reizende Schreibspiele anzugeben, wobei sie Anni so zu helfen wußte, daß diese im Glauben blieb, wirklich gewandt mitzutun, und nachher wurde an dem gedeckten Eßtisch behaglich Tee getrunken und Kuchen gegessen. Wie merkwürdig, an all diesem nahm das Kinderfräulein teil und wurde mit derselben Freundlichkeit wie jeder behandelt, obgleich sie dazwischenhinein auch einmal aufstand und etwas holte, was gerade fehlte.

»Habt ihr das Fräulein schon länger?« konnte Eva sich nicht enthalten zu fragen.

Da antwortete Ruth lebhaft, aber gedämpft: »Nein, erst ein halbes Jahr. Sie ist die Tochter einer Lehrerswitwe auf unserem Gut, die Älteste von vielen Geschwistern, und Mutter bot ihr an, zu uns zu kommen und den Haushalt zu lernen. Sie hilft nun bei allem und ist so rührend dankbar!«

»Das darf das Fräulein aber auch sein!« sagte Eva etwas altklug und überlegen.

»Vielleicht, ich weiß das nicht so recht.« Dann aber fügte sie nach einigem Zögern errötend noch hinzu: »Ich hab' eine Bitte, Eva: Nicht wahr, du sagst nicht nur so trocken weg ›das Fräulein‹? Seit einmal ein Kinderfräulein uns offen erklärte, wie wehmütig und wehtuend es sei, jahrelang gar keinen Namen mehr zu haben, selbst den Kindern gegenüber, seither setzen wir diesen immer dazu. Mutter tut's auch bei Stützen und Wirtschaftsfräulein. Sie sagt oft, sie sei dankbar für diesen Wink, denn sie finde, daß diese kleine Mühe einem die Leute viel näher bringe.«

Franz hatte inzwischen Anni seine Spielsachen gezeigt und seine einfache, bescheidene Eisenbahn laufen lassen, und dann wurde das Kasperltheater zwischen zwei Türen hergerichtet, wobei Fräulein Klara, wie sie hieß, eifrig half, und die Frau Gräfin selber heftete das Tuch, das den Vorhang bildete, in die richtige Höhe, steckte kleine Lichter an und setzte sich dann hinter die Türe zum Einblasen, obgleich eine bekannte jüngere Dame auf Besuch gekommen war. Auch diese sah sehr fein aus, aber sie setzte sich, statt im Salon zu bleiben, mitten unter die Kinder, lachte mit und freute sich des lustigen Spiels. Nachher bat sie um die Erlaubnis, auch mit am runden Tisch vespern zu dürfen. Es wurden Apfelsinen und Musbrötchen herumgereicht, Scherzspiele gemacht und Rätsel aufgegeben, und es herrschte große Heiterkeit, der auch Eva sich nicht entziehen konnte. Anfangs kam ihr doch alles sehr kindisch vor, aber als der Diener den Wagen meldete und Fräulein Gotthelf zum Abholen kam, da tat's ihr fast leid, um so mehr, als sie erfahren hatte, daß die junge, einfache Dame eine der vornehmsten und gefeiertsten in der Gesellschaft war. Von dem Augenblick an hatte Eva sich auch viel mehr Mühe gegeben, und wenn sie wollte, konnte sie außerordentlich liebenswürdig sein.

Das Dummerchen war ganz glückselig nach Hause gekommen, und es hätte am liebsten all seine Erlebnisse ganz frisch der Mama erzählt; die aber war heute abend in einem Konzert. Beim Frühstück am nächsten Morgen waren Gäste da, – Anni aß dann mit Fräulein Gotthelf im Schulzimmer – und abends wieder waren die Eltern nach auswärts geladen. Um so mehr erzählte sie Fräulein Gotthelf, wie furchtbar behaglich es gewesen sei, und daß Ruth und ihre Mutter so schrecklich lieb seien und Fritz so lustig, und das Ganze eben so ... so ..., Anni wollte sagen »so ganz anders als bei uns«, aber sie besann sich und sagte dann eines jener Worte, die bei dem Kinde oft auffielen: »So anders, – so einm... m... mütig!«

Eva lächelte ein wenig spöttisch. Aber ein klein wenig von dem andern dort mußte auch auf sie Eindruck gemacht haben, denn sie erzählte ganz ohne Spott das, was Ruth von dem Eigennamen gesagt hatte, und Dummerchen hörte mit geöffneten Augen zu.

»Glauben Sie wirklich, Fräulein Gotthelf, daß es die M... Menschen mehr freut, wenn man sie bei ihrem Namen nennt?«

»Ich glaube, ja.« Fräulein Gotthelf war schon so viele Jahre Erzieherin, daß sie sich nicht mehr so genau erinnerte, was sie in ihrer Jugend empfunden hatte.

Das Dummerchen aber lief gleich am andern Morgen nach dem Frühstück ins Kinderzimmer. Das Schwesterchen kam ihr im weißen Flanellmorgenkleid mit Jauchzen und ausgebreiteten Ärmchen entgegen. Die Wärterin saß am Tisch und zog durch ein mit Seide unterfüttertes Spitzenjäckchen weiße Bänder.

Anni machte es diesmal kurz mit der Begrüßung der Kleinen, worauf diese sich höchst ungnädig einem großen Wollschaf und einem hübschen Foxterrier aus weißem Tuch zuwandte.

»Bäh, bäh ... wauwau!« sagte sie und drückte jedem auf den Kopf, damit die Tiere diese Worte nachsprächen.

Anni hatte kurz darauf Stunde, darum ging sie gleich auf ihr Ziel los. »B... bitte,« sagte sie und stellte sich, immerhin in einer kleinen Verlegenheit, vor die Wartefrau hin. »B... bitte, sagen Sie mir, wie Sie eigentlich mit ihrem V... V... Vornamen heißen!«

Diese hielt erstaunt in der Arbeit inne und wußte nicht recht, was Anni wollte.

»Wie meinen Fräulein Anni?« fragte sie und knüpfte dabei eine hübsche kleine Schleife mit langen Enden.

»Ich meine, wie Ihr Name ist, ... so wie der meinige Anni,« versuchte diese die Sache klarzumachen.

»O, ich verstehe,« sagte die Wärterin nun lächelnd. »Johanna heiße ich, Johanna Marie Schmidt.«

»Das l... l... etztere brauche ich nicht.«

Anni war nun befriedigt. Und von diesem Tage an sagte sie nie anders als Frau Johanna. Auf Dummerchen hatte die Geschichte von dem namenlosen »Fräulein« einen großen Eindruck gemacht.


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