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Zehntes Kapitel.

Sie wohnt' allein und unbemerkt,
    Dort wo der Waldbach tobt,
Die Jungfrau, wenig nur geliebt,
    Und wen'ger noch gelobt.

Wordsworth.

Während ihrer gemeinschaftlichen Wanderung sprachen die beiden Gefährten wenig miteinander. Magdalene Graeme sang von Zeit zu Zeit leise ein Stück aus einem der schönen alten lateinischen Lobgesänge, welche beim katholischen Gottesdienst gebräuchlich sind, murmelte ein Ave oder Credo und schritt so dahin in andächtige Betrachtungen versunken. Die Gedanken ihres Enkels waren mehr auf weltliche Dinge gerichtet. Oft, wenn ein Wasserhuhn aus dem Haidekraut aufflog und über das Moor dahinschwebend sein keckes, herausforderndes Krähen ertönen ließ, dachte er an den lustigen Adam Woodcock und an seinen zuverlässigen Stockaar, – oder wenn sie durch ein Dickicht kamen, wo zwischen den niedrigen Bäumen Farrenkraut, Stechginster und Pfriemenkraut den Boden bedeckte, dann dachte er an einen Rehbock und an eine Koppel Windhunde. Besonders häufig aber kehrten seine Gedanken zu der wohlwollenden und liebreichen Frau zurück, die er schwer gekränkt, und die er verlassen hatte, ohne einen Versuch zu machen, sie mit sich auszusöhnen.

»Mein Schritt würde leichter sein und gleicherweise mein Herz« dachte er, »hätte ich nur für einen Augenblick zu ihr zurückkehren und sagen können: Gnädige Frau, der Waisenknabe war wild aber nicht undankbar!«

In so verschiedener Stimmung fort wandernd erreichten Beide um Mittag ein kleines Dorf mit weit auseinander stehenden Häusern, unter welchen man etliche Thürme oder feste Häuser erblickte, wie sie sich zum Zweck der Vertheidigung in jedem schottischen Dorf des Grenzlandes fanden. An dem Dorf floß ein Bach vorbei, der das Thal bewässerte. Am Ende des Dorfes und etwas entfernt davon stand eine verfallene herrschaftliche Wohnung in einem durch den Bach gebildeten Winkel. Neben dem frischen Grün von drei Maulbeerfeigen bot das von dunkelrothem Stein aufgeführte Gebäude einen um so finsterern Anblick dar. Man sah, es war zu groß für die jetzigen Bewohner. Mehre Fenster waren vermauert, besonders im unteren Stockwerk; andere waren auf minder dauerhafte Weise verstopft. Der Hof, mit einer verfallenen Mauer umgeben, war geplattet, allein ganz mit langen, grauen Nesseln, Disteln und sonstigem Unkraut bedeckt, welches, zwischen den Platten hervorwachsend, mehre derselben aus ihrer Lage gehoben hatte. Selbst Gegenstände, welche dringende Aufmerksamkeit forderten, waren vernachlässigt, und zwar in einer Weise, welche auf die größte Liederlichkeit oder auf die tiefste Armuth schließen ließ. Der Bach hatte eine Stelle des Ufers nahe an einem Winkel der verfallenen Mauer unterhöhlt, so daß ein Eckthurm eingestürzt und in das Bett des Baches gefallen war. Die durch die Trümmer gehemmte Strömung hatte sich einen Weg nach dem ursprünglichen Platz des Thurmes gebahnt, vergrößerte fortwährend die gebrochene Lücke und drohte den Grund des Hauses selber zu untergraben, wofern dies nicht bald durch Damm oder Mauer geschützt würde.

Roland bemerkte alle diese Umstände, während sie sich der Wohnung auf einem geschlängelten Pfade näherten, welcher ihnen an verschiedenen Stellen verschiedene Ansichten des Gebäudes und seiner Umgebungen darbot.

»Wenn wir in jenes Haus gehen,« sprach er zu seiner Großmutter, »dann hoffe ich, es ist nur zu einem kurzen Besuche. Es sieht aus, als wenn zwei Tage mit Regen aus Nordwest die ganze Bescherung in den Bach spielen könnten.«

»Du siehst nur mit leiblichen Augen,« versetzte die Alte. »Gott wird sein Eigenthum vertheidigen, obwohl es von Menschen verachtet und verlassen ist. Besser auf dem Sand zu wohnen unter seinem Gesetz, als Zuflucht zu suchen auf dem Felsen menschlichen Vertrauens.«

Während sie so sprach, traten Beide in den Hof des alten Herrenhauses ein. Roland bemerkte, daß die Vorderseite des, Baues einst stark mit Bildhauerarbeit verziert gewesen war. Allein alle diese Verzierungen, ebenfalls aus dunkelrothen Quadern wie das ganze Gebäude, waren zerstört, und die Bruchstücke von Nischen und Simsen lagen auf dem Hof umher. Der Haupteingang war vermauert; ein schmaler, dem Ansehen nach wenig betretener Pfad führte zu einem mit starken eisernen Nägeln beschlagenen Thürchen. Hier klopfte Magdalene Graeme drei Mal an, indem sie nach jedem Klopfen wartete, bis es von Innen erwidert war. Nach dem dritten Mal ging die Thür auf, und ein blasses abgemagertes Weib erschien und sprach: »Benedicti, qui veniunt in nomine Domini Gesegnet seien die, welche im Namen des Herrn kommen..« Sie traten ein, und die Thürhüterin schloß hastig hinter ihnen zu.

Dieselbe führte die Ankömmlinge durch einen engen Eingang auf einen geräumigen geplatteten Vorplatz, welcher rings mit steinernen Bänken umgeben war. Am entgegengesetzten Ende befand sich ein großes Fenster mit mehren Abtheilungen, von denen einige vermauert waren, so daß dieser Raum sehr düster war.

Hier machten sie Halt, und die Frau vom Hause – dieselbe, welche die Thüre geöffnet hatte – umarmte Magdalene, begrüßte sie mit dem Namen Schwester und küßte sie feierlich auf beide Wangen.

»Der Segen Unserer Lieben Frauen über Euch, Schwester,« waren ihre nächsten Worte, welche Rolanden keinen Zweifel über ihren Glauben ließen, wenn er auch nicht schon ohne dem gewiß gewesen wäre, daß seine ehrwürdige und eifrige Führerin nirgends anders rasten würde, als in der Wohnung rechtgläubiger Katholiken. Die beiden Weiber sprachen einige Worte im Geheimen, so daß er Zeit hatte, die Freundin seiner Großmutter genauer zu betrachten.

Sie konnte zwischen fünfzig und sechzig Jahren alt sein. Ihr Blick hatte einen Ausdruck von Schwermuth, welcher, an Unzufriedenheit streifend, den Rest von Schönheit verdunkelte, welchen das Alter auf ihren Zügen gelassen hatte. Ihre Kleidung war schmucklos und gering, dunkelfarbig und, wie die Magdalenens, einer Ordenskleidung ähnlich. Strenge Säuberlichkeit derselben und Reinlichkeit ihrer Person schien anzudeuten, daß diese Frau, wenn gleich arm, doch nicht zu schmutziger, trostloser Dürftigkeit herabgesunken und noch immer insoweit an's Leben gefesselt war, daß sie den Sinn für Anstand, wenn auch nicht für Schmuck, nicht verloren hatte. Ihr Benehmen, wie ihre Züge und ihre Gestalt ließen auf eine Herkunft und Erziehung schließen, die mit ihrer jetzigen ärmlichen Lage nicht übereinstimmten. Kurz, ihr ganzes Aussehen erweckte den Gedanken: »Die Lebensgeschichte dieser Frau muß wissenswürdig sein.« Während Roland diese Bemerkung machte, hörte das Flüstern der beiden Weiber auf, die Herrin vom Hause näherte sich ihm und betrachtete ihn mit Aufmerksamkeit und, wie es schien, mit Theilnahme.

»Das ist also, Schwester Magdalene, der Sohn Eurer unglücklichen Tochter?« fragte sie. »Und ihn, den einzigen Sprößling von Eurem alten Stamm, wollt Ihr der guten Sache weihen?«

»So ist's, beim heiligen Kreuz!« antwortete Magdalene in ihrem gewohnten entschlossenen Ton. »Der guten Sache weihe ich ihn, wie er ist: Fleisch und Fell, Sehne und Knochen, Leib und Seele«

»Du bist ein glückliches Weib, Schwester,« erwiderte ihre Freundin, »daß du, erhaben über menschliche Neigung und menschliche Gefühle, ein solches Opfer an die Hörner des Altars binden kannst. Wäre ich dazu berufen worden, einen so zarten und schönen Jüngling in die Anschläge und in das blutdürstige Getreibe der Zeit zu stürzen, dann würde mir das Herz nicht minder schwer gewesen sein, als dem Patriarchen Abraham, da er seinen Isaak den Berg hinauf führte.«

Dabei sah sie den Jüngling mitleidig an und heftete, auch nachdem sie ausgeredet, schweigend den Blick auf ihn. Roland wurde verlegen, aber seine Großmutter ergriff ihn mit der einen Hand, strich ihm mit der andern das Haar von der Stirne, welche vor Verschämtheit roth war, und sprach mit einer Mischung von stolzer Mutterliebe und fester Entschlossenheit:

»Betrachte ihn nur genau, Schwester; auf einem schöneren Antlitz haben deine Augen nie geruht. Auch ich, als ich ihn nach langer Trennung zum ersten Mal wiedersah, auch ich fühlte wie Weltmenschen, und war halb und halb erschüttert in meinem Entschluß. Doch kein Mensch vermag ein Blatt von einem verdorrten Baum herabzuwehen, der längst sein Laub verloren hat, und so kann auch keine rein menschliche Zufälligkeit die irdischen Gefühle wieder völlig beleben, welche lange in der Ruhe der Andacht geschlummert haben.«

Während die Alte so sprach, strafte ihr Benehmen ihre Worte Lügen, denn die Thränen traten ihr in die Augen, als sie fortfuhr:

»Ist das Opfer nicht um so angenehmer, je schöner und fleckenloser es ist?«

Man sah, sie war froh, von den Empfindungen, welche ihre Seele bewegten, loszukommen, indem sie den Gedanken aussprach:

»Er wird davon kommen, Schwester. Ein Widder wird sich in dem Gebüsch finden, und die Hand unserer empörten Brüder wird nicht über unseren jungen Joseph kommen. Der Himmel kann seine Rechte vertheidigen selbst durch Unmündige und Säuglinge, durch Weiber und unbärtige Knaben.«

»Der Himmel hat uns verlassen um unserer und unserer Väter Sünden willen,« entgegnete die Frau vom Hause. »Die Hilfe der Heiligen ist diesem fluchbeladenen Lande entzogen. Wir können die Krone des Märtyrerthums gewinnen, aber nicht die irdischen Triumphes. Dabei ist Einer, dessen Klugheit in dem gegenwärtigen entscheidenden Augenblicke so hochnöthig war, in eine bessere Welt abgerufen worden. Der Abt Eustachius ist nicht mehr.«

»Gott sei seiner Seele gnädig!« sprach Magdalene Graeme; »und auch unserer möge er sich erbarmen, die wir in diesem blutgetränkten Lande zurückbleiben. Sein Verlust ist ein schwerer Schlag für unsere Sache. Denn wer ist noch da, der seine tiefe Erfahrung, seinen hingebenden Eifer, seine vollendete Weisheit und seinen unerschrockenen Muth besitzt. Er ist gefallen mit dem Banner der Kirche in seiner Hand, aber Gott wird einen Andern erwecken, der die heilige Fahne emporhebt. Wen hat das Kapitel an seine Stelle gewählt?«

»Das Gerücht geht, daß keiner der wenigen noch übrigen Brüder das Amt anzunehmen wagt,« antwortete die Frau vom Hause. »Die Ketzer haben geschworen, keine fernere Wahl mehr zu gestatten, und wollen jeden Versuch, einen neuen Abt von S. Marien zu ernennen, mit Härte bestrafen. Conjuraverunt inter se principes, dicentes: Projiciamus laqueos ejus.«

»Quousque Domine!« Die Herren rathschlagen mit einander und sprechen: Lasset uns von uns werfen ihre Seile. Psalm 2, 2. 3. – Wie lange, Herr! rief Magdalene. »Dies, Schwester, wäre allerdings ein gefährlicher Bruch in unserer Kette. Aber ich bleibe fest bei meinem Glauben, daß ein Anderer an die Stelle des zur Unzeit Entrückten treten wird! – Wo ist deine Tochter Katharine?«

»Im Sprechzimmer,« antwortete die Hausfrau. »Aber« – – Sie blickte den jungen Roland an und flüsterte ihrer Freundin Etwas ins Ohr.

»Sei unbesorgt,« erwiderte Magdalene. »Es ist nothwendig und erlaubt. Sei unbesorgt seinetwegen. Ich wollte, er wäre eben so fest in dem Glauben, in welchem allein Heil ist, wie er frei ist von niederträchtigen Gedanken, Reden und Thaten. Darin, Schwester, ist die Zucht der Ketzer zu loben, daß sie die Kinder in strenger Sittlichkeit erziehen und der jugendlichen Thorheit jeden Zugang wehren.«

»Es ist blos ein Reinigen der Außenseite des Bechers,« entgegnete ihre Freundin, »ein Uebertünchen des Grabes, – doch, da Ihr es für gefahrlos und passend haltet, so soll er unsere Katharine sehen. Kommt, junger Mensch!« fügte sie hinzu und führte langsamen Schrittes ihre Gäste aus der Vorhalle durch mehre winklige Gänge und öde Zimmer.

Während dieses Weges überlegte sich Roland seine Lage und fand dieselbe bei seiner feurigen Gemüthsart nichts weniger als angenehm. Es schien, als habe er jetzt zwei Gebieterinnen statt einer – Beide alte Weiber, Beide, wie es schien, in Uebereinstimmung, um seine Schritte nach ihrem Gutdünken zu lenken und ihn zur Ausführung von Planen zu gebrauchen, über die man ihm jede vorläufige Auskunft vorenthielt. Dies war seiner Meinung nach zu viel. Denn welchen Anspruch auch seine Großmutter immer haben mochte, seine Schritte zu leiten, so konnte er doch nicht absehen, mit welchem Recht sie ihre Gewalt auf eine andere Person übertragen oder mit dieser theilen konnte. Und diese Person schien schon ohne Umstände denselben Ton einer unumschränkten Gebieterin über ihn anzunehmen.

»Das darf nicht so fortgehen,« sprach er für sich. »Ich will nicht mein ganzes Leben lang nach der Weiber Pfeife tanzen, gehen, wenn Eine mich's heißt, kommen, wenn Eine mich ruft. Beim heiligen Andreas! die Hand, welche die Lanze führen kann, steht über der Gewalt der Kunkel. Ich will ihnen bei erster Gelegenheit die abgestreifte Halfter in den Händen lassen und es ihnen anheimgeben, ihre Pläne mit ihren eignen Kräften auszuführen. Ein solcher Schritt mag sie Beide vor Gefahr behüten; denn ich meine, was sie im Schild führen, ist kein Kinderspiel. Der Graf von Murray und seine Ketzerei sind zu fest gewurzelt, um durch zwei alte Weiber umgeworfen werden zu können.«

Indem er zu diesem Entschluß kam, traten sie in ein niedriges Gemach ein, in welchem eine dritte weibliche Person saß. Er bemerkte, daß dies das erste Gelaß im Hause war, worin sich bewegliche Sitze vorfanden. Ueberdem stand ein hölzerner, mit einem Stück gewirkter Tapete bedeckter Tisch darin, der Boden war mit einem Teppich belegt, das Kamin hatte einen Rost – kurz das Zimmer sah wohnlich aus.

Rolands Augen fanden indes bald bessere Beschäftigung, als die Musterung des Stubengeräthes. Die zweite Bewohnerin des Hauses schien ihm sehr verschieden von allem Anderen, was er darin gesehen hatte. Bei seinem Eintreten hatte sie die beiden alten Frauen mit einer stummen tiefen Verbeugung begrüßt, und dann mit einem Blick auf Roland bescheiden einen über ihren Rücken herabhängenden Schleier vor's Gesicht gezogen, ohne dabei weder eine erkünstelte Hast noch Verlegenheit und Aengstlichkeit blicken zu lassen. Während dieser Bewegung hatte Roland Zeit das Gesicht in soweit zu betrachten, daß er urtheilte, ein nicht viel über sechzehn Jahre altes Mädchen mit eben so sanften als strahlenden Augen vor sich zu haben. Zu diesen sehr günstigen Bemerkungen gesellte sich die Gewißheit, daß der schöne Gegenstand einen herrlichen, vielleicht an Wohlbeleibtheit streifenden Wuchs hatte, folglich eher einer Hebe als einer Sylphe glich. Diese schöne Gestalt war sehr gut hervorgehoben durch ein enges Mieder und einen Rock von ausländischem Schnitte. Der Rock war nicht so lang, daß er ganz ein nettes Füßchen bedeckt hätte, welches auf einer Sprosse zwischen den Tischbeinen ruhte. Ihre runden Arme und feinen Finger waren emsig beschäftigt, das auf dem Tisch liegende Stück Tapete zu flicken, in welchem entsetzliche Risse die ganze Geschicklichkeit einer geübten Nähterin in Anspruch zu nehmen schienen.

Alle diese Bemerkungen wurden von Roland mit verstohlenen Blicken gemacht, und ein oder zwei Mal kam es ihm vor, als ob die Jungfer durch ihren Schleier auch seine Person beäugelte. Die alten Weiber setzten unterdessen ihre geheime Unterredung fort und warfen dabei von Zeit zu Zeit einen Blick auf die jungen Leute, welcher Roland keinen Zweifel ließ, daß er und das Mädchen Gegenstand der Unterredung waren. Endlich hörte er deutlich seine Großmutter sagen:

»Nein, Schwester, wir müssen sie mit einander sprechen lassen; sie müssen sich einander persönlich kennen lernen, wie ist es sonst möglich, daß sie ausführen, was ihnen anvertraut wird?«

Es schien, als wäre die Hausfrau durch die Gründe ihrer Freundin nicht überzeugt, und als machte sie noch immer Einwendungen. Endlich aber, schien es, waren dieselben durch ihre herrische Freundin beseitigt.

»Es muß sein, theure Schwester,« sprach diese. »Laß uns darum auf den Austritt gehen und dort unser Gespräch beendigen. – Ihr Beide,« sprach sie zu Roland und dem Mädchen, »macht Euch mit einander bekannt.«

Mit diesen Worten trat sie zu dem Mädchen hin, hob ihren Schleier in die Höhe und enthüllte ein Gesicht, welches, über eine gewöhnliche Färbung in Ungewißheit lassend, mit allgemeiner Röthe übergossen war.

»Licitum sit« Es sei erlaubt. sprach Magdalene, zu ihrer Freundin sich wendend.

»Vix licitum« Kaum erlaubt. entgegnete diese, wider Willen und mit Zögern ihre Zustimmung ausdrückend, näherte sich ihrer Tochter und hing ihr den Schleier so, daß er das Gesicht beschattete, ohne es zu verhüllen. Dabei flüsterte sie ihr zu – nicht so leise, daß Roland es nicht hätte hören können –: »Katharine, vergiß nicht, wer du bist und wozu du bestimmt bist.«

Nach diesen Worten entfernte sich die Alte mit Magdalene durch eine der Glasthüren auf den Austritt, welcher breit und lang mit seinem schwerfälligen Geländer sich einst längs der ganzen Südseite des Hauses dem Bach gegenüber hingezogen und einen bequemen und angenehmen Gang im Freien gewährt hatte. Gegenwärtig war stellenweise das Geländer zerbrochen, an anderen Stellen waren Lücken im Fußboden, immerhin aber konnte man ihn noch zur Erholung benutzen. Hier also gingen die beiden alten Damen auf und ab, in ihr Gespräch vertieft, jedoch nicht so völlig, daß nicht Roland hätte bemerken können, wie sie beim Vorübergehen vor der Glasthüre wiederholt Blicke in das Zimmer warfen, um zu sehen was darin vorging.


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