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Fünftes Kapitel.

Es wächst der Sturm – das ist kein sonn'ger Regen,
Wie ihn der Frühling an dem Busen nährt,
Noch wie der Sommer ihn zur Kühlung trinkt:
Weit fliegen auf des Himmels Fenster und
Vom tiefsten Abgrund schallt ein schrecklich Heulen:
Es stürzt heran die Fluth und braus't und schäumt;
Und welcher Damm könnt's meistern?

Die Sündfluth, ein Gedicht.

Die hohe Person, welche hereinkam, war ein edler Grieche von stattlichem Ansehen, deren Kleidung mit jedem Würdezeichen geschmückt war, diejenigen ausgenommen, welche Alexius des Kaisers eigener Person und der des Sebastokrators, der dem Kaiser am Rang der nächste war, vorbehalten hatte. Nicephorus Briennius, der in der Blüthe der Jugend stand, besaß alle Merkmale männlicher Schönheit, welche die Heirath mit ihm der Anna Comnena annehmbar gemacht hatten, während politische Rücksichten und der Wunsch, seinem Throne eine mächtige Familie zu verbinden, diese Ehe dem Kaiser empfohlen hatten.

Wir haben bereits angedeutet, daß die fürstliche Gemahlin, wiewohl nicht in hohem Grade, den nicht sehr großen Vortheil an Jahren hatte. Von ihren literarischen Talenten haben wir Proben gesehen. Aber daß Anna Comnena mit diesen Achtungsansprüchen sich in den ausschließlichen Besitz ihres schönen Gemahls gesetzt habe, ward von denen, die am besten um die Sache wissen konnten, bezweifelt. Ihre Verwandtschaft mit der Krone machte es unmöglich, daß sie eine offenbar vernachlässigende Behandlung hätte erdulden müssen; auf der andern Seite aber war die Familie des Nicephorus zu mächtig, als daß ihn der Kaiser hätte hofmeistern dürfen. Er besaß, wie man glaubte, Geschick für Kriegs- und Friedensgeschäfte. Darum hörte man auf seinen Rath und forderte seinen Beistand, so daß er vollkommen Herr über seine Zeit zu sein verlangte, die er oft weniger regelmäßig auf den Besuch des Musentempels verwandte, als die Göttin dieses Orts fordern zu dürfen glaubte oder als die Kaiserin Irene für ihre Tochter zu verlangen geneigt war. Der gutmüthige Alexius hielt sich in dieser Sache neutral und verheimlichte sie so viel als möglich vor den Augen der Welt: denn er wußte, daß er nur durch die vereinten Kräfte seiner ganzen Familie in dem so bewegten Staate seine Stelle behaupten könne.

Er drückte die Hand seines Schwiegersohnes, als derselbe zum Zeichen der Huldigung ein Knie beugend, an seinem Sitze vorbeiging. Das gezwungene Betragen der Kaiserin erwies dem Schwiegersohn eine kältere Aufnahme, während die schöne Muse selbst seine Ankunft kaum ihrer Aufmerksamkeit würdigte, als der schöne Gemahl den leeren Nebensitz, den wir erwähnt haben, einnahm.

Es entstand eine verlegene Pause, während welcher der kaiserliche Schwiegersohn, der statt des gehofften Willkomms so kalte Aufnahme fand, ein leichtes Gespräch mit der schönen Sclavin Astarte, die hinter ihrer Herrin kniete, anzuknüpfen versuchte. Dies wurde von der Prinzessin gestört, die ihrer Dienerin befahl, das Manuscript in sein Gefach zu verschließen und nach dem Apollosaal zu bringen, dem Studienzimmer der Prinzessin, wie der Musentempel ihr Lehrsaal war.

Der Kaiser brach zuerst das drückende Schweigen: »Theuerster Schwiegersohn,« sagte er, »obgleich es etwas spät am Abend ist, so werdet Ihr Euch selbst Schaden thun, wenn Ihr zugebt, daß unsere Anna dies Werk forttragen läßt, das uns alle so gut unterhalten hat, daß man wohl sagen mag, die Wüste habe Rosen getragen und die dürren Felsen Milch und Honig ausgeströmt, so angenehm wird ein beschwerlicher und gefährlicher Feldzug durch die Erzählung unserer Tochter.«

»Der Cäsar,« sagte die Kaiserin, »scheint wenig Geschmack an den Leckereien zu finden, wie sie in unserer Familie bereitet werden. Er war in der letzten Zeit wiederholt von diesem Musentempel abwesend, und er findet wohl anderswo bessere Unterhaltung und Erholung.«

»Ich glaube, Madame,« sagte Nicephorus, »daß mich mein Geschmack gegen die gemachte Beschuldigung vertheidigt. Jedoch ist es natürlich, daß sich unser allergnädigster Vater am meisten der Milch und des Honigs erfreue, da sie zu seinem besondern Genuß bestimmt sind.«

Die Prinzessin sprach nun im Tone einer Schönen, die von ihrem Liebhaber beleidigt worden aber nicht abgeneigt ist, sich mit ihm zu versöhnen.

»Wenn,« sagte sie, »die Thaten des Nicephorus Briennius in dieser bescheidenen Pergamentrolle weniger gerühmt werden als die meines glorreichen Vaters, so muß er mir zugestehen, daß solches sein ausdrückliches Begehren gewesen ist, mag es nun aus der ihm natürlichen Bescheidenheit, die seine anderen Eigenschaften mildert und verschönt, geschehen sein, oder weil er mit Recht seinem Weibe die Fähigkeit nicht zutraute, sein Lob zu verkünden.«

»Rufen wir also Astarte zurück,« sagte die Kaiserin, »die noch nicht ihre Opfergabe im Appollotempel niedergelegt haben wird.«

»Erlaube Eure Majestät,« sagte Nicephorus, »der pythische Gott möchte wegen der Zurücknahme eines Opfers zürnen, dessen Werth er allein vollkommen zu würdigen vermag. Ich bin gekommen, den Kaiser in dringenden Staatsgeschäften zu sprechen, und nicht, eine gelehrte Unterhaltung in einer Gesellschaft zu haben, die mir nothwendig etwas gemischt vorkommen muß, da ich einen gewöhnlichen Leibwächter darunter erblicke.«

»Beim heiligen Kreuz, Schwiegersohn,« sagte Alexius, »Ihr thut diesem Tapferen Unrecht. Er ist der Bruder des wackeren Angeldänen, der uns durch seinen Heldenmuth und seinen Tod bei Laodicäa den Sieg verschaffte; er selbst ist jener Edmund – oder Edward – oder Hereward – dem wir dafür verbunden sind, uns die Folgen dieses Siegs gesichert zu haben. Er wurde hierher beschieden – daß Ihr's nur wisset – das Gedächtniß meines Akoluthos Achilles Tatius wie mein eigenes zu unterstützen, insofern wir manche Vorkommnisse dieses Tages vergessen haben sollten.«

»Wahrhaftig, mein kaiserlicher Herr,« versetzte Briennius, »es thut mir leid, eine so wichtige Untersuchung gestört und dadurch die Zukunft vielleicht um einen Theil des Lichtes gebracht zu haben, das sie erhalten sollte. In einer Schlacht wird unter Eurer kaiserlichen Leitung und der Eurer großen Feldhauptleute gefochten: Eure Ansicht sollte also das Zeugniß eines Mannes der Art ungültig machen. – Sage mir,« fuhr er fort, indem er sich hochmüthig gegen den Waräger kehrte, »welchen Umstand kannst du angeben, der in der Erzählung der Prinzessin vergessen wäre?«

Der Waräger versetzte schnell: »Weiter nichts, als daß die Musik, die, als wir an der Quelle rasteten, von den Damen des kaiserlichen Pallastes und namentlich von denen, die ich hier vor mir sehe, gemacht wurde, die schönste war, die ich je gehört habe.«

»Ha! wagst du es, so zu reden?« rief Nicephorus aus; »kannst du dir einen Augenblick einbilden, daß die Musik, welche die Gemahlin und die Tochter des Kaisers zu machen beliebten, jedem schlechtgeborenen Barbaren, der zufällig zugegen war, ein Gegenstand des Genusses und der Kritik sein könnte? Hinweg von hier! unter keinem Vorwand wage es wieder vor meinen Augen zu erscheinen – vorausgesetzt jedoch, daß es dem Willen unseres kaiserlichen Vaters genehm ist.«

Der Waräger heftete den Blick auf Achilles Tatius, um von ihm den Befehl zum Bleiben oder Gehen zu erhalten. Aber der Kaiser selbst nahm mit vieler Würde das Wort.

»Sohn,« sagte er, »wir können das nicht billigen. Wegen eines Liebeszanks, wie es scheint, zwischen Euch und unserer Tochter, wollt Ihr seltsam unseres kaiserlichen Ranges vergessen und Leute hier wegweisen, die es uns hierherzurufen beliebte. Es ist weder recht, noch geziemend, auch ist es nicht unser Wille, daß dieser Hereward oder Edward – oder wie er heißen mag – uns gegenwärtig verlasse oder sich künftig nach anderen Befehlen als unseren eigenen und denen unseres Akoluthos, Achilles Tatius, richte. Und indem wir nun diese dumme Geschichte, die, wie ich glaube, der Wind hierher geweht hat, fahren lassen, wie sie gekommen ist, wollen wir die wichtigen Staatsangelegenheiten kennen lernen, die Euch so spät noch hierher geführt haben. – Ihr blickt wieder auf den Waräger. – Haltet Eure Rede, ich bitte Euch, nicht wegen seiner Anwesenheit zurück: denn er besitzt unser Vertrauen und das mit so großem Recht als irgend ein Rath, der unser geschworner Diener ist.«

»Es hören ist gehorchen,« versetzte des Kaisers Schwiegersohn, der den Alexius etwas in Eifer sah und wußte, daß es in solchem Falle nicht gerathen war, ihn auf's Aeußerste zu treiben. »Was ich zu sagen habe,« fuhr er fort, »wird so bald allgemein bekannt werden, daß nichts daran liegt, wer es hört: denn nie hat der Westen, der so reich an Veränderungen ist, dem Osten halb so beunruhigende Nachrichten zugesandt, als die sind, die ich Eurer kaiserlichen Hoheit nun bringe. Europa, um mich des Ausdrucks dieser Dame zu bedienen, die mich mit dem Namen ihres Gemahls beehrt, scheint von seinen Grundfesten abgelös't, im Begriff sich über Asien zu stürzen –«

»So hab' ich mich ausgedrückt,« sagte die Prinzessin Anna Comnena, »und, wie ich glaube, nicht unpassend, als wir zuerst hörten, daß der wilde Aufstand der unruhigen Barbaren in Europa einen Sturm von tausenderlei Nationen gegen unsere Westgränze getrieben habe unter dem schwärmerischen Vorwand, Syrien und die heiligen Orte in Besitz zu nehmen, die durch die Gräber der Propheten, den Martertod der Heiligen und die im heiligen Evangelium erzählten Ereignisse berühmt sind. Aber dieser Sturm hat sich entladen und gänzlich verzogen, und wir hofften, daß alle Gefahr mit ihm verschwunden sei. Es würde uns innig betrüben, wenn es anders wäre.«

»Und darauf müssen wir uns gefaßt machen,« sagte ihr Gemahl. »Es ist vollkommen wahr, wie uns berichtet worden, daß eine ungeheure Menschenmenge von niederem Stand und geringer Bildung auf den Ruf eines verrückten Einsiedlers die Waffen ergriff und den Weg aus Deutschland nach Ungarn nahm, indem sie hofften, daß für sie Wunder geschehen würden wie damals, als Israel von einer Feuer- und Rauchsäule durch die Wüste geführt wurde. Aber kein Manna- und Wachtelregen nährte sie und bezeichnete sie als das erwählte Volk Gottes. Auch sprang kein Wasser aus dem Felsen zu ihrer Erfrischung. Der Mangel machte sie rasend, und sie suchten sich durch Plündern zu helfen. Die Ungarn und andern Nationen an unserer Westgränze, Christen gleich jenen, verfehlten nicht, über das ausschweifende Gesindel herzufallen, und in wilden Schluchten und öden Wüsteneien bezeugen ungeheure Beinhaufen die gänzliche Niederlage dieser unheiligen Pilger.«

»Das Alles,« sagte der Kaiser, »wußten wir schon; aber welch ein neues Unglück bedroht uns, nachdem wir bereits einem so großen entgangen sind?«

»Wußten wir schon?« sagte der Prinz Nicephorus. »Wir wußten nichts von unserer wahren Gefahr, außer daß eine Heerde wilder Thiere gleich wüthenden Bullochsen ihren Lauf nach einem Weideplatz, für den sie eine Vorliebe hatte, zu nehmen gedroht, daß sie das griechische Reich und dessen Nachbarländer überschwemmt hatte, um Palästina zu erreichen, wo Ströme von Milch und Honig noch einmal das Volk Gottes empfangen sollten. Doch ein so wilder und ungezügelter Angriff konnte eine civilisirte Nation wie die römische nicht schrecken. Die dumme Heerde wurde durch das griechische Feuer geschreckt; sie wurde verstrickt und niedergeschossen von den wilden Völkerschaften, die, indem sie ihre Unabhängigkeit behaupten, unsere Gränze wie mit einer Schutzwehr decken. Das Gesindel wurde aufgerieben selbst durch die Beschaffenheit der Lebensmittel, die man ihnen in den Weg legte; – diese klugen Vertheidigungsanstalten verdankte man der väterlichen Fürsorge des Kaisers und seiner trefflichen Politik. So spielte die Klugheit ihre Rolle, und das Schiff, über dem des Sturmes Donner rollte, entging der großen Gefahr. Aber der zweite Sturm, der so schnell auf den ersten folgt, ist von einer anderen Art und schrecklicher als irgend einer, wie wir oder unsere Väter ihn erlebt haben. Er besteht nicht aus Unwissenden und Schwärmern, auch nicht aus Gesindel, Hungerleidern und Tollkühnen. Alles, was das weite Europa an weisen und würdigen, tapferen und edlen Streitern hat, das ist nun unter dem heiligsten Gelübde zu demselben Vorhaben verbündet.«

»Und welches ist dies Vorhaben? Sprich offen,« sagte Alexius. »Die Zerstörung des ganzen römischen Reichs und die Austilgung des Namens seines Beherrschers aus der Reihe der Erdenfürsten, über die er lange erhaben war, kann allein ein würdiges Ziel für eine solche Verbindung sein.«

»Von einer solchen Absicht ist keine Rede,« sagte Nicephorus; »und alle diese Fürsten, Weisen und großen Staatsmänner zielen, wie man behauptet, nach demselben Gegenstande, den die dumme Menge, die hier zuerst erschien, im Auge hatte. Hier, allergnädigster Kaiser, dies Pergament enthält das Verzeichniß der verschiedenen Heere, die sich auf verschiedenen Wegen dem Kaiserreiche nähern. Hugo von Vermandois, wegen seiner Würde der Große genannt, hat sich an der italischen Küste eingeschifft. Bereits haben zwanzig Ritter, in mit Gold ausgelegten Rüstungen von Stahl gekleidet, sein Kommen verkündet mit diesem stolzen Gruß: »Der Kaiser von Griechenland und seine Statthalter sollen wissen, daß Hugo, Graf von Vermandois, diesem Lande sich nähert. Er ist der Bruder des Königs der Könige, nämlich des Königs von Frankreich, und ihm folgt die Blüthe des französischen Adels. Er trägt das gesegnete Panier des heiligen Petrus, das der heilige Nachfolger dieses Apostels seinen siegreichen Händen vertraute, und er mahnet dich darum, ihm einen seinem Rang angemessenen Empfang zu bereiten.«

»Das sind tönende Worte,« sagte der Kaiser; »aber der Wind, der am lautesten heult, ist nicht immer der gefährlichste für das Schiff. Wir kennen die Franzosen ein wenig und haben noch mehr von ihnen gehört. Sie sind wenigstens eben so leichtsinnig als tapfer; wir wollen ihrer Eitelkeit schmeicheln, bis Zeit und Gelegenheit andere Vertheidigungsmittel gewähren. Ha! wenn man mit Worten Schulden bezahlen kann, so soll unser Schatzmeister nicht bankerott werden. – Was folgt hier, Nicephorus? Vermuthlich das Verzeichniß der Begleiter des großen Grafen?«

»Nein, Herr!« antwortete Nicephorus Briennius; »so viele unabhängige Heerführer Ew. kaiserliche Hoheit auf dieser Liste sieht, so viele unabhängige europäische Heere ziehen auf verschiedenen Wegen dem Osten zu, indem sie den Zweck angeben, Palästina den Ungläubigen entreißen zu wollen.«

»Eine schreckliche Anzahl,« sagte der Kaiser, die Liste überschauend; »zum Glück jedoch verbürgt uns gerade dieser Umstand die Unmöglichkeit, daß sich eine so schwärmerische Verbindung lange erhalte. Da sehe ich schon den bekannten Namen eines alten Freundes, unseres Feindes – ein solcher Unterschied ist zwischen Krieg und Frieden – Bohemund von Antiochien. Ist er nicht der Sohn des berühmten Roberts von Apulien, der sich von einem einfachen Ritter zu dem Rang eines Großherzogs aufschwang und über seine kriegerischen Landsleute in Sicilien und Italien die Oberherrschaft errang? Sind nicht die Fahnen des deutschen Kaisers, des römischen Papstes, ja unsere eigenen kaiserlichen Feldzeichen vor ihm gewichen, bis er aus einem normännischen Ritter, dessen Schloß mit sechs Bogenschützen und eben so vielen Lanzknechten hätte vertheidigt werden können, als verschmitzter Staatsmann und tapferer Streiter der Schrecken Europa's wurde? Das ist eine furchtbare Familie, ein Geschlecht voll Geschick und Stärke. Doch Bohemund, der Sohn des alten Roberts, wird der Politik seines Vaters folgen. Er mag von Palästina und dem Interesse der Christenheit schwatzen; aber wenn ich sein Interesse mit dem meinigen in Uebereinstimmung bringen kann, so wird er sich durch keine andere Rücksicht bestimmen lassen. So weit mir seine Wünsche und Absichten bereits bekannt sind, läßt sich hoffen, daß uns der Himmel einen Freund in der Gestalt eines Feindes sendet. – Wer folgt auf ihn? Gottfried, Herzog von Bouillon – der, wie ich sehe, von den Ufern eines großen Flusses, der Rhein genannt, ein furchtbares Heer führt. Was ist das für ein Mann?«

»Wie wir hören,« versetzte Nicephorus, »ist dieser Gottfried der weiseste, edelste und tapferste der Anführer, die also aufgebrochen sind, und in dem Verzeichniß der Fürsten, die so zahlreich sind wie die bei der Belagerung von Troja, aber eine zehnmal stärkere Begleitung haben, mag dieser Gottfried als Agamemnon betrachtet werden. Die Fürsten und Grafen ehren ihn, weil er unter denen, die man Ritter nennt, als der erste gilt und weil er in allen seinen Handlungen Treue und Edelmuth zeigt. Die Geistlichkeit schreibt ihm den höchsten Glaubenseifer und Ehrfurcht vor der Kirche und ihren Dienern zu. Gerechtigkeit, Freigebigkeit und Offenheit haben auch das gemeine Volk für Gottfried gewonnen. Die Strenge, womit er seine sittlichen Verpflichtungen erfüllt, bürgt aller Welt für seine ächte Frömmigkeit; und mit so hohen Vorzügen geschmückt, wird er, wiewohl er anderen Führern des Kreuzzugs an Rang, Geburt und Macht nachsteht, mit Recht als einer der Hauptführer betrachtet.«

»Schade,« sagte der Kaiser, »daß ein Fürst von einem solchen Charakter sich von einem Fanatismus leiten läßt, der weder des Einsiedlers Peters noch des Gesindels, das er anführte, oder selbst des Esels würdig war, auf dem er ritt. Diesen Esel halte ich fast für den gescheitesten des ersten Haufens, den wir sahen: denn als Wasser und Gerste seltener wurden, lief er nach Europa zurück.«

»Darf ich es wagen zu sprechen und doch leben?« sagte Agelastes, »ich wollte bemerken, daß der Patriarch selbst einen ähnlichen Rückzug nahm, als Schläge gemein und Essen selten wurden.«

»Du hast's getroffen, Agelastes,« sagte der Kaiser; »aber es fragt sich nun, ob sich nicht aus einem Theil der Provinzen Kleinasiens, das die Türken jetzt verwüsten, ein großes und ansehnliches Fürstenthum bilden lasse. Ein solches Fürstenthum mit seinen verschiedenen Vorzügen an Boden, Clima, gewerbfleißigen Bewohnern und gesunder Luft wäre der Moräste von Bouillon wohl werth. Es müßte als abhängig vom heiligen römischen Reich betrachtet werden, und würde im Besitz von Gottfried und seiner siegreichen Franken ein Bollwerk für unsere gerechte und geheiligte Person von dieser Seite sein. Ha! heiligster Patriarch, würde nicht eine solche Aussicht dem eifrigsten Kreuzfahrer die Lust nach dem brennenden Sand von Palästina benehmen?«

»Zumal,« antwortete der Patriarch, »wenn der Fürst, für den eine so reiche Provinz in ein Lehen umgewandelt worden ist, zuvor zu dem allein wahren Glauben bekehrt worden, wie es Ew. kaiserliche Hoheit gewiß meint.«

»Freilich – das ist keine Frage –« antwortete der Kaiser mit gezwungenem Ernst, obwohl er sich erinnerte, wie oft er durch politische Rücksichten genöthigt gewesen war, nicht nur lateinische Christen sondern auch Manichäer und andere Häretiker, ja selbst mahomedanische Barbaren als Unterthanen anzunehmen, ohne von Seiten des Patriarchen Einreden dagegen zu erfahren. »Ich finde hier,« fuhr der Kaiser fort, »ein so zahlreiches Verzeichniß von Fürsten und Fürstenthümern, die sich unseren Gränzen nähern, daß sie den alten Heeren gleichkommen mögen, von denen man sagt, daß sie auf ihrem Zuge Flüsse ausgetrunken, Königreiche rein geleert und Wälder niedergetreten hätten.« Als er diese Worte sprach, überzog eine flüchtige Blässe die kaiserliche Stirne ähnlich derjenigen, die bereits die Züge seiner meisten Rathgeber mit Ernst bekleidete.

»Dieser Völkerkrieg,« sagte Nicephorus, »hat Eigenthümlichkeiten, die ihn von jedem anderen Kriege unterscheiden, der ausgenommen, den Se. kaiserliche Hoheit in früheren Zeiten gegen die von uns sogenannten Franken geführt hat. Wir müssen gegen ein Volk stehen, dem Kampf der wahre Lebensathem ist, das, wenn es keinen Krieg hat, seine nächsten Nachbarn befehdet oder sich unter einander zum Zweikampf fordert, gerade wie man bei uns einen Freund zu einem Wagenrennen auffordert. Sie sind in eine undurchdringliche Stahlrüstung gekleidet, die sie gegen Lanzen und Schwerter schützt; ihre ungewöhnlich starken Pferde vermögen allein, dies Gewicht zu tragen, die unsrigen würden eben so gut den Olymp auf den Rücken nehmen. Das Fußvolk führt eine uns unbekannte Wurfwaffe, Armbrust genannt. Man spannt sie nicht mit der rechten Hand, wie den Bogen anderer Nationen, sondern indem man den Fuß auf die Waffe setzt und sie mit der ganzen Kraft des Körpers anzieht; auf diese Weise sendet man Pfeile ab, Bolzen genannt, die von hartem Holz gemacht sind und eine eiserne Spitze haben, und die durch den stärksten Harnisch, ja durch eine Steinmauer dringen, wo dieselbe nicht von ungemeiner Dicke ist.«

»Genug,« sagte der Kaiser, »wir haben mit eigenen Augen die Lanzen der fränkischen Ritter gesehen und die Armbrüste ihres Fußvolks. Wenn ihnen der Himmel Tapferkeit in einem Grade verliehen hat, die anderen Völkern fast übernatürlich erscheint, so hat er den Griechen die Weisheit im Rathe gegeben, die er den Barbaren verweigert hat – nämlich die Kunst, eher durch Klugheit als durch Gewalt zu siegen und durch Unterhandlungen Vortheile zu gewinnen, die uns der Sieg selbst nicht verschafft haben würde. Wenn wir uns der furchtbaren Waffe, die unser Schwiegersohn Armbrust nennt, nicht bedienen, so hat der Himmel zu unsern Gunsten diesen Barbaren des Westens die Zubereitung und den Gebrauch des griechischen Feuers verheimlicht, das diesen Namen wohl verdient, da es nur von griechischen Händen bereitet und seine Blitze nur durch sie auf den bestürzten Feind geschleudert werden können.« Der Kaiser hielt inne und blickte sich um, und wiewohl die Gesichter seiner Räthe noch blaß aussahen, fuhr er zuversichtlich fort: »Doch auf diese schwarze Liste zurückzukommen, welche die Namen der andringenden Völker enthält, so erblicken wir hier mehr als einen, der uns durch alte Bekanntschaft dunkel vertraut scheint. Hier ist z. B. ein Robert, Herzog von der Normandie genannt, der eine hübsche Schaar von Grafen befehligt, welcher Titel uns nur zu wohl bekannt ist, von Earls, ein uns völlig unbekanntes Wort, aber vermuthlich ein barbarischer Ehrentitel, und von Rittern, deren Namen, wie uns däucht, hauptsächlich aus dem Französischen, aber auch noch aus einem andern Kauderwälsch gemacht sind, das wir nicht verstehen können. Ihr, ehrwürdigster und gelahrtester Patriarch, könnt uns wohl hierüber die beste Auskunft geben.«

»Die Pflichten meines Standes,« versetzte der Patriarch Zosimus, »haben mich in reiferen Jahren von dem Studium der Geschichte entfernter Reiche abgehalten; aber der weise Agelastes, der so viele Bücher gelesen hat, als die berühmte Bibliothek von Alexandrien enthielt, kann gewiß auf die Fragen Ew. kaiserlichen Majestät antworten.«

Agelastes stellte sich auf die unermüdlichen Beine, die ihm den Spitznamen Elephant verschafft hatten, und gab auf die Erkundigungen des Kaisers eine Auskunft, die sich mehr durch Bereitwilligkeit als durch Richtigkeit auszeichnete. »Ich habe,« sagte er, »in den Werken des gelehrten Procopius, diesem hellen Spiegel, der die Zeiten unserer Väter wiederstrahlt, gelesen, daß das Volk, welches man durch die Namen Normannen und Angeln unterscheidet, in der Wirklichkeit ein und dasselbe Volk ist, und daß die Normandie, wie sie oft genannt wird, ein Stück von Gallien ausmacht. Jenseits derselben und ihr fast gegenüber, aber durch eine Meerenge getrennt, liegt ein schauerliches Land, immer von Wolken und Stürmen belastet, das bei den Nachbarn auf dem Festlande als der Aufenthalt der abgeschiedenen Geister bekannt ist. Auf der einen Seite der Meerenge wohnen wenige Fischer, Leute, die seltsame Vorrechte genießen, angesehen weil sie als lebendige Fährleute das Geschäft des heidnischen Charons verrichten und die abgeschiedenen Seelen nach der Insel übersetzen, wo dieselben nach dem Tode wohnen. Um Mitternacht werden diese Fischer, wenn die Reihe an ihnen ist, gemahnt, ihren Dienst zu thun, für den es ihnen erlaubt zu sein scheint, an dieser unheimlichen Küste zu wohnen. Man hört ein Klopfen an der Hütte desjenigen, an den die Reihe gekommen, das von keiner Menschenhand kommt. Ein Flüstern, wie das eines sterbenden Lüftchens, mahnt den Fährmann, seine Schuldigkeit zu thun. Er eilt an's Ufer, und kaum hat er das Schiff losgebunden, so sieht er es so tief ins Wasser sinken, als es das Gewicht der überfahrenden Todten erheischt. Keine Gestalt wird gesehen, und wiewohl man Stimmen vernimmt, so sind die Töne doch unverständlich wie die von Träumenden. Voll geheimen Schauers, der die Lebendigen in der Nähe der Todten ergreift, setzt der Fährmann über die Meerenge zwischen dem Festland und der Insel. Sie erreichen die Küste, deren weiße Kalkfelsen einen seltsamen Gegensatz zu dem schwarzen Wolkenhimmel bilden. Sie halten, aber fahren nicht an: denn das Ufer ist völlig unwegsam. Das Schiff wird nach und nach von den unheimlichen Reisenden geräumt, die nun zu Fuß weiter reisen, während der Fischer zu dem andern Ufer der Meerenge zurückkehrt, nachdem er den seltsamen Dienst geleistet hat, für den er Hütte und Besitzthum an dieser unheimlichen Küste empfängt.« Hier endigte er und der Kaiser versetzte:

»Wenn Procopius wirklich dies Mährchen erzählt, gelehrter Agelastes, so beweis't dies, daß der berühmte Geschichtschreiber dem heidnischen Glauben über das zukünftige Schicksal näher stand, als dem christlichen. Es ist wirklich nicht viel mehr, als die alte Fabel von dem Höllenfluß Styx. Procopius, meinen wir, lebte vor dem Verfall des Heidenthums, und gleichwie wir ihm vieles, was er von unserem Vorgänger Justinian erzählt hat, nicht glauben möchten, so können wir ihm künftighin in geographischer Hinsicht kein großes Vertrauen schenken. – Doch was fehlt dir, Achilles Tatius, und was flüsterst du diesem Kriegsmanne zu?«

»Mein Kopf,« antwortete Achilles Tatius, »steht zu Eurem kaiserlichen Befehl, bereit, für das freche Vergehen meiner Zunge zu büßen. Ich fragte nur diesen Hereward, was er von dieser Sache wüßte: denn ich hörte oft meine Waräger sich Angeldänen, Normannen, Britten oder mit anderen barbarischen Namen nennen, und ich bin überzeugt, daß der eine oder der andere dieser barbarischen Namen oder alle zugleich die Heimath dieser Verbannten bezeichnet, die nur zu glücklich sind, aus der Finsterniß der Barbarei in die Sonnennähe Eurer kaiserlichen Gegenwart verbannt worden zu sein.«

»Sprich denn, Waräger, in Gottes Namen,« sagte der Kaiser, »und laß uns wissen, ob wir die Männer aus der Normandie, die sich unsern Gränzen nähern, als Freunde oder Feinde betrachten dürfen. Sprich frisch von der Leber, Mann; und wenn dir Gefahr droht, so bedenke, daß du einem Fürsten dienst, der dich schützen kann.«

»Weil ich denn sprechen darf,« antwortete der Leibwächter, »so erlaube ich mir, wiewohl ich vom Griechischen, das man das Römische nennt, nicht viel verstehe, Ew. kaiserliche Hoheit zu bitten, daß es Euch gefallen möge, mich damit zu belohnen, zu besolden und zu beschenken (weil's Euch doch gefallen hat, mich zu belohnen), daß Ihr mich gegen diese Normannen und ihren Herzog Robert in die vorderste Schlachtreihe stellt, und wenn es Euch gefiele, mir die Waräger zum Beistande zu geben, die aus Liebe zu mir oder aus Haß gegen ihren alten Unterdrücker gemeine Sache mit mir machen möchten, so zweifle ich nicht, daß wir unsere alte Rechnung mit diesen Männern so abmachen werden, daß die griechischen Adler und Wölfe ihnen die letzte Ehre erzeigen sollen, indem sie ihre Knochen vom Fleische entblößen.«

»Was für ein fürchterlicher Groll ist das, Mann,« sagte der Kaiser, »der dich nach so manchem Jahre immer noch in die Hitze bringt, wenn nur der Name der Normandie genannt wird?«

»Ew. kaiserliche Hoheit soll's beurtheilen,« sagte der Waräger. »Meine Väter und die der Mehrzahl unserer Schaar stammen von den tapferen Angelsachsen im nördlichen Germanien ab. Kein Mensch, außer einem Priester, der alte Chroniken zu befragen versteht, kann's wissen, wie lang es her ist, daß sie nach der Insel Britannien kamen, die damals durch Bürgerkriege zerrissen war. Sie kamen aber auf die Einladung der eingebornen Insulaner: denn die südlichen Bewohner hatten die Angeln um Hülfe angerufen. Für die gern gewährte Hülfe wurden Provinzen zur Belohnung abgetreten, und der größte Theil der Insel wurde nach und nach Eigenthum der Angelsachsen, die anfangs mehrere Fürstenthümer und zuletzt ein einziges Königreich errichteten: diese redeten die Sprache und befolgten die Gesetze der Mehrzahl derer, die nun Eure kaiserliche Leibwache der Waräger oder Verbannten bilden. Im Verlauf der Zeit wurden die Normannen dem Volke der südlicheren Gegenden bekannt. Sie wurden so genannt, weil sie von den fernen Küsten des baltischen Meeres kamen, das zuweilen von einem Eis, das so hart ist, wie die Felsen des Kaukasus, bedeckt wird. Sie suchten einen milderen Himmel als der ist, den sie in der Heimath zurückließen; und da Frankreichs Klima angenehm schien und die Bewohner unkriegerisch waren, so erpreßten sie von denselben die Abtretung einer großen Provinz, die nach den neuen Siedlern Normandie genannt wurde, wiewohl dies, wie ich von meinem Vater gehört habe, nicht ihr wahrer Name war. Hier ließen sie sich unter einem Herzog nieder, der die Oberherrlichkeit des Königs von Frankreich anerkannte, d. h. ihm gehorchte, wenn es ihm beliebte.

»Nach vielen Jahren, seit die beiden Völker der Normannen und Angelsachsen ruhig an den beiden Ufern des Salzwasser-Kanals saßen, der Frankreich und England scheidet, begab es sich, daß Wilhelm, Herzog von der Normandie, plötzlich ein großes Heer sammelte, nach Kent übersetzte, das auf der andern Seite des Kanals liegt, und in einer großen Schlacht den Harold besiegte, der damals König der Angelsachsen war. Es macht mir nur Schmerz, das, was folgt, zu sagen. In alten Zeiten wurden Schlachten geschlagen, deren fürchterliche Folgen mit den Jahren ausgetilgt wurden; aber bei Hastings – wehe mir! – fiel das Panier meines Landes, um nie mehr aufzustehen. Die Unterdrückung hat uns unter den Rädern ihres Wagens zermalmt. Alle Streitbaren haben das Land verlassen; und von Engländern – denn dies ist unser Name – ist keiner mehr in England zurück, außer als Knecht der Eindringlinge. Viele Männer von dänischer Abkunft, die bei verschiedenen Gelegenheiten ihren Weg nach England gefunden hatten, wurden in's allgemeine Verderben gezogen. Alles wurde auf Befehl der Sieger verwüstet. Meines Vaters Wohnung liegt nun in unkenntlichen Trümmern mitten in einer Wildniß, die sich da ausbreitet, wo sonst schöne Felder und Weideplätze waren, von denen ein kräftiges Geschlecht seinen Unterhalt zog. Das Feuer hat die Kirche zerstört, wo meine Ahnen ruhen, und ich, der letzte ihres Stammes, irre unter fremdem Himmel – kämpfe in fremden Schlachten – als Diener eines fremden, obwohl gütigen Herrn, mit einem Wort, als ein Verbannter – ein Waräger.«

»Glücklicher in dieser Lage,« sagte Achilles Tatius, »als in der barbarischen Einfalt, die deine Vorfahren so hoch anschlugen, weil du nun unter dem hohen Einfluß des Lächelns stehst, das die Welt beglücket.«

»Lassen wir das unbesprochen,« sagte der Waräger kalt.

»Diese Normannen,« sagte der Kaiser, »sind also das Volk, welches die berühmte Insel Britannien erobert hat und nun beherrscht?«

»Das ist nur zu wahr,« antwortete der Waräger.

»Sie sind also ein tapferes, kriegerisches Volk?« sagte Alexius.

»Es wäre falsch und schlecht, anders von einem Feinde zu reden,« sagte Hereward. »Böses haben sie mir gethan, Böses, das nie gut zu machen ist; doch Lügen von ihnen zu sagen, wäre eine unmännliche Rache. Ich betrachte sie als meine Todfeinde und gedenke ihrer nur mit Haß und Rache; doch würden alle Truppen von Europa versammelt, wie es wirklich der Fall zu sein scheint, keine Nation und keine Völkerschaft würde es wagen, den stolzen Normannen den Preis der Tapferkeit streitig zu machen.«

»Und dieser Herzog Robert, wer ist er?«

»Das,« antwortete der Waräger, »kann ich nicht wohl sagen. Er ist der Sohn – der älteste Sohn, wie man sagt, des Tyrannen Wilhelm, der England unterjochte, als ich noch nicht geboren oder ein Kind in der Wiege war. Dieser Wilhelm, der Sieger von Hastings, ist jetzt todt, wie wir aus vielen Berichten wissen; da es nun scheint, daß sein ältester Sohn, Herzog Robert, die Normandie geerbt hat, so hat wohl ein anderer seiner Söhne das Glück gehabt, den englischen Thron zu erwerben – es müßte denn dies schöne Königreich gleich dem kleinen Gute eines niedrigen Sassen unter die Kinder des Tyrannen vertheilt worden sein.«

»Was das betrifft,« sagte der Kaiser, »so haben wir etwas davon vernommen, was wir bei Muße mit dem Bericht des Soldaten, dessen Worte wir in allen Dingen, die er durch eigene Erfahrung kennt, für positive Beweise gelten lassen, zu vereinigen trachten werden. – Und nun, meine ernsten und würdigen Räthe, müssen wir diese Abendandacht im Tempel der Musen beschließen; die schlimmen Nachrichten, die uns unser theuerster Schwiegersohn, der Cäsar, gebracht hat, haben uns veranlaßt, die Verehrung dieser gelehrten Göttinnen tiefer in die Nacht hinein zu verlängern, als es sich mit der Gesundheit unserer lieben Gemahlin und Tochter verträgt, während diese Nachrichten uns selbst zu ernstem Nachdenken stimmen.«

Die Höflinge erschöpften ihr Talent in ausgesuchten Wünschen, daß alle bösen Folgen, welche dies übertriebene Nachtwachen haben könnte, abgewendet werden möchten.

Nicephorus und seine schöne Gemahlin sprachen mit einander, wie ein Paar, das sich nach einem kleinen Zwiste zu versöhnen wünscht. »Du hast Einiges gesagt, mein Cäsar,« bemerkte die Dame, »als du uns deine Nachrichten darlegtest, das so elegant ausgedrückt war, als wenn die neun Göttinnen, denen dieser Tempel geheiligt ist, dir den Sinn und die Form eingegeben hätten.«

»Ich bedarf ihres Beistandes nicht,« antwortete Nicephorus, »da ich eine eigene Muse besitze, deren Genie all' die Eigenschaften vereinigt, welche die Heiden fälschlich den neun Gottheiten des Parnassus zuschreiben.«

»Gut gesagt,« versetzte die schöne Geschichtschreiberin, indem sie sich beim Weggehen des Arms ihres Gemahls bediente; »doch wenn du dein Weib über ihr Verdienst mit Lob beladest, so leihe ihr deinen Arm, damit sie die schwere Last, die du ihr auferlegst, tragen möge.«

Als sich die kaiserlichen Personen entfernt hatten, trennte sich die Versammlung; und die Meisten suchten in einem freieren und weniger vornehmen Kreise Entschädigung für den Zwang, den sie sich im Tempel der Musen angethan hatten.



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