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Zweites Kapitel.

Wild war die Zeit – der unsern Gegentheil:
Da waren Frauen, die sich öfter sah'n
In eines Feindes blankem breitem Schild,
Als in dem Spiegel, und die öfter sich
Im Kampf zu messen suchten, als im Scherz
Des Buhlen Angriff zu begegnen. Doch
Natur, verhöhnt, war überwunden nicht.

Die Ritterzeiten.

Brenhilda, Gräfin von Paris, war eine der handfesten Damen, welche sich gerne der Gefahr aussetzten in der ersten Schlachtreihe. Dies kam während des ersten Kreuzzugs so häufig vor, wie eine unnatürliche Erscheinung eben vorkommen kann, und hat die Originale zu den Marphisen und Bradamanten geliefert, welchen die Romanschreiber oft den Besitz undurchdringlicher Rüstungen oder unwiderstehlich scharfer Speere zugeschrieben haben, um die Unwahrscheinlichkeit des häufigen Siegs des schwächeren Geschlechts über das männliche zu mildern.

Brenhildens Zauber war einfacher und beruhte hauptsächlich auf ihrer großen Schönheit. Von Kind auf hatte sie die Beschäftigungen ihres Geschlechts verschmäht. Die Bewerber um die Hand des Erbfräuleins von Aspramonte erhielten zur Antwort, sie müßten dieselbe durch ihr Verhalten in den Schranken des Turniers verdienen. Ihr Vater war todt; ihre Mutter, eine sanfte Frau, ward von ihr beherrscht.

Brenhildens zahlreiche Bewerber ließen sich bereitwillig Bedingungen gefallen, welche so sehr den Sitten der Zeit entsprachen. Auf der Burg Aspramonte ward ein Turnier gehalten, in welchem die Hälfte der stattlichen Besucher vor ihren glücklichen Nebenbuhlern in den Sand rollten und beschämt aus den Schranken schlichen. Man war darauf gefaßt, daß nun der glücklichere Theil der Bewerber aufgefordert würde, unter sich zu rennen. Aber zu ihrer Ueberraschung erfuhren sie den weiteren Willen des Fräuleins, selber in der Rüstung ein Roß zu besteigen, eine Lanze zu führen und mit Erlaubniß der Ritter, welche sie so hoher Ehrerbietung versicherten, an ihren kriegerischen Spielen Theil zu nehmen. Die jungen Ritter empfingen das Fräulein höflich in den Schranken und schmeichelten sich mit der Erwartung, daß sie ihnen den Sieg über so vielen wackeren Kämpen vom andern Geschlecht bewahren würde. Aber die Vasallen und alten Diener des Grafen, ihres Vaters, lächelten einander zu und gaben zu verstehen, daß der Erfolg ein anderer sein würde. Die Ritter, welche mit der schönen Brenhilde rannten, wurden Einer nach dem Andern in den Sand geworfen. Unläugbar war es äußerst mißlich, mit einer der schönsten Frauen ihrer Zeit einen Kampf zu bestehen. Jeder junge Mann war geneigt, seinen Stoß zurückzuhalten, sein Roß im vollen Lauf seitwärts gehen und sonst ungethan zu lassen, was nöthig war, um den Sieg zu gewinnen, damit er nicht durch Aufbietung aller Mittel der schönen Gegnerin einen unersetzlichen Schaden zufügte. Und doch konnte nur durch Aufbietung aller Kraft und Gewandtheit das Fräulein von Aspramonte besiegt werden. Die besiegten Bewerber verließen um so beschämter die Schranken, als gegen Sonnenuntergang Robert von Paris erschien und, von dem, was vorging, benachrichtigt, sich anmeldete als einen Ritter, der gern auf den Kampfpreis verzichtete, wofern er das Glück hätte, den Sieg zu gewinnen, da weder Land noch Frauen es seien, was er hier suche. Brenhilde fühlte sich verletzt, nahm eine neue Lanze, bestieg ihr bestes Roß und ritt in die Schranken, entschlossen, an dem neuen Gegner Rache zu nehmen für die scheinbare Geringschätzung ihrer Reize. Sei es aber, daß ihr Unwille einigermaßen störend auf ihre gewohnte Geschicklichkeit wirkte, oder sei es, daß sie gleich Andern ihres Geschlechts sich gerade zu demjenigen hingezogen fühlte, der sich nicht besonders eifrig zeigte, ihr Herz zu gewinnen, oder sei es endlich, daß ihre Stunde geschlagen hatte – genug, Graf Robert rannte gegen sie mit der Geschicklichkeit und dem Glück, die man an ihm gewohnt war. Brenhilde von Aspramonte ward vom Pferd geworfen und verlor den Helm. Ihr schönes Gesicht, welches seine Röthe vor den Augen des Siegers mit Leichenblässe vertauschte, erhöhte natürlich den Werth des Siegs. Nach Demüthigung der Eitelkeit des Fräuleins wollte Robert seinem erklärten Entschlusse gemäß die Burg verlassen. Aber ihre Mutter redete ihm zu rechter Zeit zu, und als sie sich überzeugt hatte, daß die junge Erbin nicht bedeutend verletzt war, dankte sie dem fremden Ritter, daß er ihrer Tochter eine Lection gegeben, welche sie hoffentlich so bald nicht vergessen würde. So veranlaßt, zu thun, was er insgeheim wünschte, lieh Graf Robert Gefühlen ein Ohr, welche ihm zuflüsterten, mit der Abreise nicht zu eilen.

Er stammte von Karl dem Großen ab, und was noch bedeutender war in den Augen des Fräuleins, er gehörte zu den berühmtesten nordfranzösischen Rittern jener Zeit. Nach einem zehntägigen Aufenthalt auf Schloß Aspramonte brach Robert als Bräutigam auf mit seiner Braut Brenhilde und anständigem Gefolge zu U. L. F. von den gebrochenen Lanzen, wo er getraut werden wollte. Zwei Ritter, welche nach der Ortsgewohnheit auf Kampf warteten, waren fast verdrießlich, als sie erfuhren, daß der nahende Trupp zu einer Hochzeit käme. Zu ihrer großen Ueberraschung aber empfingen sie von dem Brautpaar eine Herausforderung oder vielmehr das Anerbieten, an die Stelle anderer Gegner zu treten, weil die Brautleute es als ein Glück betrachteten, ihren Ehestand in einer ihrem bisherigen Leben so entsprechenden Weise anzutreten. Sie siegten wie gewöhnlich, und Niemand hatte sich über ihre Gefälligkeit zu beschweren, als die beiden Ritter, von denen der Eine beim Rennen einen Arm brach, der Andere ein Schlüsselbein verrenkte.

Man sah nicht, daß die Heirath Graf Roberts Treiben als irrender Ritter im Geringsten beeinträchtigte. Im Gegentheil, wenn er der Aufforderung, seinen Kriegsruhm zu behaupten, folgte, zeichnete sich öfters auch seine Frau in Heldentaten aus, und bewies eine nicht geringere Ruhmbegierde als er. Beide nahmen mit einander das Kreuz, als diese Narrheit in Europa vorherrschend ward. Damals war Brenhilde sechsundzwanzig Jahr alt und so schön, wie eine Amazone sein kann. Ueber einer Gestalt vom größten weiblichen Maaß thronte ein edles Gesicht, welches in manchem Feldzug von der Sonne nur vorn leicht gebräunt war, während die mehr verhüllten Theile desselben ihr blendendes Weiß behalten hatten.

Nachdem Alexius den Befehl gegeben hatte, daß sein Gefolge nach Constantinopel zurückkehren sollte, sprach er insgeheim mit dem Akoluthen Achilles Tatius. Dieser antwortete mit einer unterwürfigen Neigung des Hauptes und ritt mit wenigen Begleitern von dem Gefolge des Kaisers weg. Die Hauptstraße nach der Stadt war angefüllt von Truppen und von Neugierigen, welche beiderseits den Unannehmlichkeiten des Staubs und der Hitze ausgesetzt waren.

Graf Robert von Paris hatte seine Pferde und sein ganzes Gefolge eingeschifft, mit Ausnahme eines alten Edelknechts und einer Dienerin seiner Frau. Er fühlte sich unbehaglich in diesem Gedränge, um so mehr, da seine Frau die Unannehmlichkeit mit ihm theilen mußte. Er sah nach den vereinzelten Bäumen hin, mit welchen das Ufer fast bis zu dem Rand, den das Meer bei der Fluth erreichte, besetzt war, um einen Nebenweg zu erspähen, welcher, wenn auch länger, doch angenehmer zur Stadt führte, und welcher ihnen zugleich das bieten könnte, was sie hauptsächlich im Morgenland suchten: merkwürdige Aussichten oder ritterliche Abenteuer. Ein breiter gebahnter Weg schien ihnen die Annehmlichkeit des Schattens in der Hitze zu versprechen. Der Boden, über welchen derselbe hinzog, zeigte eine hübsche Abwechslung von Aussichten auf Tempel, Kirchen und Kioske. Hie und da sprudelte eine Quelle freigebig ihr Silber aus. Der ferne Klang der Kriegsmusik erheiterte fortwährend ihren Marsch und bewahrte sie zugleich vor unangenehmer Gesellschaft, indem er den gemeinen Haufen auf der Heerstraße zurückhielt. Diesen Weg schlug der Graf mit seiner Gemahlin ein.

Der Milderung der Tageshitze froh, richteten sie ihre Aufmerksamkeit theils auf die verschiednerlei Arten von Bauwerken, theils auf die eigenthümliche Gestaltung der Landschaft, hie und da auch auf die Manieren der Begegnenden, und zogen langsam ihres Wegs. Die Aufmerksamkeit der Gräfin ward besonders gefesselt durch einen Greis von hohem Wuchs, welcher eine Pergamentrolle in der Hand hielt und so sehr in dieselbe vertieft zu sein schien, daß er auf das, was um ihn her vorging, nicht achtete. Auf seiner Stirn lag tiefes Nachdenken und sein undurchdringlicher Blick war der eines Menschen, welcher die Spreu aus dem Waizen menschlicher Erörterungen heraussichtet und seine Forschung auf den letzteren beschränkt. Dies war der weise Agelastes. Langsam den Blick von seinem Pergament erhebend, begegnete er den Blicken des Grafen und der Gräfin. Er redete sie freundlich an: »Meine Kinder« und fragte sie ob sie ihren Weg verfehlt hätten, ob er sie zurechtweisen oder ihnen sonst etwas zu Gefallen thun könnte.

»Vater,« antwortete Robert, »wir sind Fremdlinge aus fernem Land. Wir stehen in dem Heer, welches auf seiner Pilgerschaft hierher gekommen ist, und haben denselben Zweck wie hoffentlich das ganze Heer. Wir wünschen, unsere Andacht zu verrichten an der Stelle, wo unsere Erlösung bewirkt worden ist, und mit unserm guten Schwert das gelobte Land aus den Banden der Knechtschaft der Ungläubigen zu befreien. Das ist unser hauptsächlichster Beweggrund. Doch mochten Robert von Paris und seine Gemahlin nicht gern ihren Fuß in ein Land setzen, welches nicht von ihren Tritten widerhallte. Sie sind nicht gewohnt, schweigsam über die Erde hinzugehen, und sie möchten ein ewiges Leben von Ruhm selbst um den Preis des irdischen Daseins erkaufen.«

»Also,« sagte Agelastes, »sucht Ihr, Sicherheit für Ruhm hinzugeben, solltet Ihr auch das Leben in die Wagschale werfen, um ihn zu gewinnen?«

»Ganz gewiß,« antwortete Robert. »Und Keinem, der solch' ein Wehrgehäng trägt, ist dieser Gedanke fremd.«

»Und wie ich vernehme, theilt Eure Frau diese mannhafte Entschließung. Ist das möglich?«

»Vater,« nahm die Gräfin das Wort, »Ihr mögt meinen weiblichen Muth gering schätzen. Aber ich spreche in Gegenwart eines Zeugen, welcher Euch versichern kann, daß es kein Scherz ist, wenn ich sage: ein Mann von der Hälfte Eurer Jahre würde ihn nicht ungestraft in Zweifel gezogen haben.«

»Nein,« sagte Agelastes, »der Himmel bewahr mich vor dem Blitz Eurer Augen, sei es, daß sie Zorn oder daß sie Verachtung sprühen. Ich trage eine Aegis bei mir gegen das, was ich ohne sie fürchten müßte. Aber das Alter mit seinen Schwächen verdient auch Entschuldigung. Vielleicht sucht Ihr gerade einen Mann wie ich, und in diesem Fall würd' ich mich glücklich schätzen, Euch solchen Dienst zu leisten, wie ich ihn allen wackern Rittern schuldig bin.«

»Ich habe schon gesagt,« nahm Robert wieder das Wort, »daß nächst der Erfüllung meines Gelübdes« (er sah gen Himmel und schlug das Kreuz) »nichts auf der Welt ist, woran ich mehr hänge, als die Verherrlichung meines Namens durch Ritterthaten. Wenn ein Mensch ruhmlos stirbt, so stirbt er für immer. Hätte mein Ahn Karl nie die armseligen Ufer der Saale verlassen, so würde er jetzt nicht bekannter sein, als irgend ein Winzer, der in seinem Land die Hippe führte. Aber er benahm sich als ein wackerer Mann und sein Name stirbt nicht im Gedächtniß der Wackern.«

»Junger Mann,« sagte der alte Grieche, »obwohl selten Leute wie Ihr, denen zu dienen und die zu schätzen meine Sache ist, dies Land besuchen, so bin ich doch ganz der Mann dazu, Euch in dem Stück zu dienen, was Euch so sehr am Herzen liegt. Meine Bekanntschaft mit der Natur ist mit der Länge der Zeit so vollständig geworden, daß ich meinen Blicken eine andere Welt eröffnet habe, die außer der Natur liegt. Die merkwürdigen Schätze, welche ich gesammelt habe, sind nicht für Jedermann und werden nicht Denjenigen eröffnet, deren Thaten die Wahrscheinlichkeit des Alltäglichen haben. Kein Dichter Eures romantischen Landes hat je so ungewöhnliche Abenteuer zur Unterhaltung müßiger Zuhörer erfunden, wie die, welche ich kenne als wirklich gegeben. Und dabei weiß ich die Mittel, jedes solche Abenteuer zu bestehen.«

»Wenn das Euer Geschäft ist,« erwiderte der französische Graf, »so habt Ihr Einen gefunden, wie Ihr ihn vornehmlich sucht. Ich und meine Gemahlin wollen nicht eher unseren Weg fortsetzen, bis Ihr uns einige der Abenteuer bezeichnet habt, die aufzusuchen das Geschäft der irrenden Ritter ist.«

So sprechend, setzte sich Robert neben dem Alten nieder. Seine Gemahlin folgte seinem Beispiel mit einer Ehrerbietung, welche fast etwas Komisches hatte. Robert sagte zu ihr: »Unser Schutzengel hat uns den rechten Weg geführt. Wir sind unter ein unwissendes, kleinliches Geschlecht gerathen, welches, eine unwissende Sprache schnatternd, den geringsten Blick eines freiherzigen Kaisers für wichtiger hält, als den besten Schwertstreich eines guten Ritters. Wahrhaftig, fast war ich geneigt, zu glauben, wir hätten Unrecht gethan das Kreuz zu nehmen – Gott verzeihe mir einen so sündlichen Gedanken! – Aber eben hier, wo wir verzweifelten, den Weg zum Ruhm zu finden, sind wir einem der trefflichen Männer begegnet, wie sie die Ritter der Vorzeit bei Quellen, bei Kreuzen und bei Altären zu finden pflegten, bereit, den irrenden Ritter dahin zu weisen, wo Ruhm zu finden war. Störe ihn nicht, Brenhilde, laß ihn vielmehr sich auf seine Geschichten der Vorzeit besinnen, und du wirst sehen, wie er uns mit dem Schatz seiner Belehrung bereichert.«

Einige Augenblicke herrschte Schweigen. Dann nahm Agelastes das Wort und sagte: »Wenn ich länger als die den meisten Menschen gewährte Lebenszeit hienieden geweilt habe, so muß ich mich überreich dafür entschädigt finden durch die Möglichkeit, den Rest meines Daseins einem Paar zu widmen, welches so sehr ritterlichem Thun ergeben ist. Die erste Geschichte, welche mir in den Sinn kommt, ist eine aus meiner an Abenteuern so reichen Heimat und wäre kürzlich folgende:

»Weit von hier, in unserem berühmten Archipelagus, dort wo Stürme und Strudel toben, wo Felsen ihrer Natur zuwider sich gegen einander zu stürzen scheinen, umfluthet von niemals ruhigen Wogen, liegt das reiche und trotz seinem Reichthum nur von wenigen Menschen am Ufer bewohnte Eiland Zulichium. Der innere Theil dieses Eilands ist ein einziger ungeheurer Berg oder vielmehr eine Masse auf einander gehäufter Berge, zwischen welchen die, so sich nahe genug hinzu wagen, die mit Moos überwachsenen alten Thürme und Zinnen eines stattlichen verfallenen Schlosses erkennen. In diesem Schloß weilt die Beherrscherin des Eilands verzaubert seit vielen langen Jahren.

»Ein kühner Ritter, der nach Jerusalem pilgerte, that ein Gelübde, dies Opfer der Zauberei zu befreien. Er fühlte sich mit Recht empört, daß in der Nähe des heiligen Landes, der Quelle des Lichtes, die Geister der Finsterniß irgend ihre Macht üben sollten. Zwei der ältesten Einwohner der Insel unternahmen es, ihn so nahe als sie konnten, zum Hauptthor zu führen. Näher als eine Bogenschußweite wagten sie sich nicht heran. Hier blieb der wackere Franke sich selber überlassen und begann getrosten Muthes mit dem Himmel allein zum Freund sein Werk. Der Bau, dem er sich näherte, offenbarte durch seine Riesengröße und seine prächtigen Umrisse die Macht und den Reichthum des Herrschers, welcher ihn errichtet hatte. Die ehernen Thore flogen wie voll Freude und Hoffnung auf, und Stimmen in der Luft schwebten um die Thürme, dem Geist des Ortes Glück wünschend zur Annäherung seines Befreiers.

»Der Ritter ging vorwärts nicht ohne Verwunderung, aber ohne Furcht. Die altertümliche Pracht, welche er sah, war geeignet, ihm einen hohen Begriff von der Schönheit der Herrin zu geben, für welche ein Gefängniß so reich ausgeschmückt war. Auf Wall und Mauer standen Wächter in morgenländischer Tracht und Rüstung, scheinbar bereit, ihre Bogen zu spannen. Aber diese Krieger waren stumm und starr und achteten nicht mehr auf die klirrenden Tritte des Ritters als auf die eines Mönchs oder Einsiedlers, der etwa an seiner Statt sich ihrem Posten genähert hatte. Sie lebten, aber sie waren jeder Lebensäußerung unfähig. Die Sage ging, daß über vierhundert Jahre die Sonne sie beschienen und der Regen sie benetzt habe, ohne daß sie die belebende Wärme der ersteren, noch die Kälte des letzteren gespürt hätten. Wie bei den Kindern Israel in der Wüste wurden ihre Schuhe nicht schadhaft und ihre Kleider nicht alt. Wie eine Jahreszeit sie verlassen hatte, so fand sie dieselben unverändert wieder.

»Der Weise, dem diese Verzauberung beigemessen wird, war einer der Magier, welche den Lehren Zoroasters folgen. Er war an den Hof der jugendlichen Fürstin gekommen und war von ihr mit all' der Aufmerksamkeit empfangen worden, welche schwer zu befriedigende Eitelkeit erlangen konnte. Bald verlor sich die Ehrfurcht der Herrscherin vor dem Alten in dem Bewußtsein des Einflusses, den ihre Schönheit ihr über ihn gab. Dem schönen Weib fiel es nicht schwer (man sieht dergleichen täglich), den Weisen in ein Schlaraffenleben einzulullen. Er ließ sich verleiten, das Thun der Jugend zu versuchen, welches bei seinen Jahren lächerlich erschien. Den Elementen konnte er gebieten; aber wider den gewöhnlichen Lauf der Natur vermochte er nichts. Vor seiner Zaubermacht beugten sich Berge und wich die See zurück, aber wenn der Philosoph es unternahm, die junge Fürstin von Zulichium zum Tanz zu führen, dann wandten Jünglinge und Jungfrauen das Antlitz ab, um nicht den lächerlichen Eindruck, den dies auf sie machte, sehen zu lassen.

»Wie selbst die Weisesten unter den Alten sich vergessen können, so vereinigen die Jungen sich leicht, um die Alten auszuspähen und über ihre Schwächen sich lustig zu machen. Die Fürstin warf manchen Blick auf ihre Leute, um anzudeuten, welche Art von Vergnügen ihr die Aufmerksamkeiten ihres furchtbaren Liebhabers machten. Mit der Zeit ward sie immer weniger behutsam. Der Greis gewahrte einen Blick, welcher ihm verrieth, wie er bisher vom Gegenstand seiner Zuneigung zum Besten gehalten worden war. Es gibt auf Erden keine so grimmige Leidenschaft wie Liebe, verwandelt in Haß. Der Weise bereute bitter sein Thun und sein Herz war unheilbar verletzt durch den thörichten Leichtsinn der Fürstin, die ihn betrogen. Dabei besaß er die Kunst, seinen Zorn zu verbergen. Kein Wort, kein Blick verrieth, wie bitter er die Täuschung empfand. Nur ein Schatten von Schwermuth auf seiner Stirn verkündete den nahenden Sturm. Die Fürstin gerieth in einige Besorgniß. Sie war im Grund äußerst gutmüthig, und wenn sie den alten Mann zu Lächerlichkeiten verlockt hatte, so war dieß mehr aus Leichtsinn als aus vorbedachter Bosheit geschehen. Sie sah die Pein, welche er litt und suchte sie zu lindern, indem sie, im Begriff zu Bett zu gehen, zu ihm trat und ihm freundlich gute Nacht wünschte. »Gute Nacht,« erwiderte der Weise, »das ist wohl gesprochen, meine Tochter. Aber wer von den Vielen, die mich hören, wird Guten Morgen sagen?«

»Diese Bemerkung ward wenig beachtet. Nur zwei oder drei Personen, welche die Gemüthsart des Magiers kannten, entflohen noch in derselben Nacht von der Tafel, und konnten melden, was der Verzauberung der im Schloß Gebliebenen vorausgegangen war. Ein Schlaf gleich dem des Todes fiel auf sie und wich nicht von ihnen. Die Tafel ward von der Mehrzahl ihrer Bewohner verlassen, und die Wenigen, welche zurückblieben, nahten sich nur vorsichtig dem Schloß. Sie warteten darauf, daß ein kühner Abenteurer das glückliche Erwachen herbeiführte, welches nach den Worten des Zauberers vielleicht zu hoffen war.

»Eine bessere Gelegenheit, dies Erwachen herbeizuführen, schien sich nicht bieten zu können, als damals, wo Artavan von Hautlieu stolz seinen Fuß in den verzauberten Hof setzte. Links lag der Pallast mit dem Wartthurm; rechts zeigte sich einladender das Frauenhaus. An einer Seitenthür lehnten auf einer Lagerstätte zwei Haremwächter, mit bloßen Schwertern in den Händen und mit verzerrten Gesichtern, die ungewiß ließen, ob sie schliefen oder todt wären. Ihre drohende Haltung schreckte Artavan von Hautlieu nicht zurück. Er nahte sich dem Eingang. Die Flügelthüren öffneten sich vor ihm, wie die des Burgthors. Er trat in eine Wachtstube, in welcher sich ähnliche halb weibische Krieger wie vor der Thür befanden. Er vermochte nicht zu unterscheiden, ob Schlaf oder Tod aus ihren Augen starrte. Unbekümmert um diese gespenstigen Wächter ging Artavan weiter in ein innres Gemach. Sclavinnen von ausgezeichneter Schönheit waren hier zu sehen in ihren Nachtgewändern. Dieser Anblick wäre wohl geeignet gewesen, einen so jungen Pilger, wie Artavan, zu fesseln. Aber sein Sinn war fest darauf gerichtet, die Befreiung der Fürstin zu bewerkstelligen, und er ließ sich nicht durch geringere Rücksichten davon abwendig machen. Er ging also weiter an eine kleine Thür von Elfenbein. Diese blieb einen Augenblick wie in jungfräulicher Zögerung unbeweglich, öffnete sich aber dann gleich den übrigen vor ihm, so daß er in das Schlafgemach der Fürstin selber treten konnte. Ein sanftes Licht, wie das des Abends, drang in dies Gemach, wo Alles darauf eingerichtet schien, den Genuß des Schlafs zu erhöhen. Die Haufen von Kissen, welche ein ansehnliches Bett bildeten, schienen mehr berührt als gedrückt zu sein, durch die Gestalt einer fünfzehnjährigen Nymphe, der berühmten Fürstin von Zulichium.«

»Guter Vater,« unterbrach die Gräfin Brenhilda den Erzähler, »ich denke, wir können ohne weitläufige Beschreibung uns eine Vorstellung von einem schlafenden Weib machen. Eine solche Beschreibung möchte weder für unser noch für Euer Alter passen.«

»Verzeiht, edle Frau,« erwiderte Agelastes. »Gerade diese Stelle in meiner Erzählung hat stets den meisten Beifall gefunden. Wenn ich sie jetzt, Eurem Befehl gehorsam, unterdrücke, so bemerkt, daß ich den schönsten Theil meiner Geschichte aufopfere.«

»Brenhilda,« sagte der Graf, »ich wundere mich, wie du eine Geschichte unterbrechen magst, welche bis jetzt in so schönem Fluß gewesen ist. Ein paar Worte mehr oder weniger werden sicherlich mehr Wirkung auf den Zusammenhang haben, als auf unsere Empfindungen.«

»Wie du willst,« erwiderte die Gräfin, sich nachlässig zurücklehnend. »Aber mich dünkt, der Vater dehnt seine Erzählung so, daß sie mehr kleinlich als anziehend wird.«

»Brenhilda,« sagte der Graf, »dies ist das erste Mal, daß ich eine weibliche Schwäche an dir bemerke.«

»Ich könnte eben so gut sagen, das ist das erste Mal, daß Graf Robert mich die Unbeständigkeit seines Geschlechts an ihm bemerken läßt,« versetzte die Gräfin.

»Götter und Göttinnen!« rief der Philosoph, »hat man je einen so grundlosen Streit gesehen! Die Gräfin ist eifersüchtig auf eine Person, die ihr Gemahl vermuthlich nie sehen wird. Denn es ist keine Aussicht, daß die Fürstin von Zulichium hinfort der Jetztwelt besser bekannt sein wird, als ob ein Vorhang ihr Grab bedeckte.«

»Fahrt fort,« sprach Robert. »Wenn Herr Artavan von Hautlieu die Befreiung der Fürstin von Zulichium nicht bewirkt hat, so gelobe ich Unserer Lieben Frau von den gebrochenen Lanzen –«

»Bedenke,« unterbrach die Gräfin, »daß du bereits das Gelübde auf dir hast, das Grab Gottes zu befreien. Und ich denke, vor dieser Verpflichtung müssen alle geringeren zurückstehen.«

»Gut, Frau, gut,« sagte Graf Robert, nur halb zufrieden mit diesem Einspruch. »Ich will mich in kein Abenteuer einlassen, welches der von uns Allen übernommenen Verpflichtung gegen das heilige Grab vorgehen könnte.«

»Ach,« sagte Agelastes, »die Entfernung Zulichiums von dem kürzesten Weg nach dem heiligen Grab ist so gering daß –«

»Würdiger Vater,« unterbrach abermals die Gräfin, »wir wollen Eure Erzählung bis zu Ende hören, und dann unsern Entschluß fassen. Wir nordische Frauen, Nachkommen der alten Deutschen, machen Anspruch auf eine Stimme im Rath unserer Männer vor der Schlacht, und unser Beistand im Kampf gilt nicht für ganz nutzlos.«

Der Ton, in welchem dies gesprochen wurde, gab dem Philosophen eine Andeutung, daß die Lenkung des nordischen Ritters schwieriger sein würde, als er gedacht hatte, so lange seine Gattin an seiner Seite bliebe. Er stimmte also den Ton seiner Rede etwas herab, und vermied die lebendigen Schilderungen, welche der Gräfin Brenhilda Anstoß gegeben hatten. Er fuhr fort: »Herr Artavan von Hautlieu erwog, in welcher Weise er sich der schlafenden, jungen Dame nähern sollte. Da fiel ihm ein, in welcher Weise der Zauber gelöst werden könnte. Schöne Frau, ich bin Ihrer Ansicht, daß er irrte, in der Meinung, er müsse ihr einen Kuß auf die Lippen geben.«

Die Wangen der Gräfin rötheten sich etwas mehr, aber sie sagte nichts. Agelastes fuhr fort: »Nie hat eine so unschuldige Handlung eine schauderhaftere Wirkung hervorgebracht. Die liebliche Beleuchtung eines Sommerabends verwandelte sich augenblicklich in eine seltsame grünliche Färbung, und ein erstickender Schwefelgeruch erfüllte das Gemach. Die reichen Behänge und die kostbaren Geräthe sammt den Wänden verwandelten sich in unförmliche Steinmassen gleich dem Inneren der Höhle eines wilden Thieres. Die schönen Lippen, auf welche Artavan die seinigen gedrückt hatte, nahmen eine scheußliche Gestalt an. Aus dem Fräulein ward ein feuriger Drache, der sich aufschwang. Hätte Herr Artavan den Muth gehabt, seinen Kuß drei Mal zu wiederholen, so würde er Herr der Schätze und der entzauberten Fürstin gewesen sein. Aber die günstige Gelegenheit war verloren. Der Drache oder das Geschöpf, welches wie ein Drache aussah, flog auf seinen breiten Schwingen zu einem Seitenfenster hinaus unter lauten Wehklagen getäuschter Hoffnungen.«

Hier endete die Erzählung von Agelastes. Er fügte noch hinzu: »Man nimmt an, die Fürstin erdulde noch immer ihr Schicksal auf der Insel Zulichium. Noch mancher Ritter hat das Abenteuer gewagt. Aber mochte es Furcht sein, die schlafende Jungfrau zu begrüßen oder den Drachen, in den sie verwandelt wurde – genug, der Zauber ist noch nicht gelöst. Ich weiß den Weg, und Ihr dürft ein Wort sagen, so seid Ihr morgen auf der Reise nach dem verzauberten Schloß.«

Die Gräfin vernahm diesen Vorschlag mit wahrer Herzensangst. Sie wußte, daß sie gerade durch Widerspruch den Grafen bestimmen konnte, sich auf die Unternehmung einzulassen. Ihr Blick war scheu und verschämt – seltsam genug bei einer Person, deren Verhalten in der Regel so furchtlos war. Klüglich überließ sie es ihrem Gemahl, ganz für sich seinen Entschluß zu fassen. Robert faßte ihre Hand und sagte: »Brenhilda, Ruhm und Ehre sind deinem Gatten so theuer, wie irgend einem Ritter, der je das Schwert um seine Lenden geschnallt hat. Ich kann sagen, du hast für mich gethan, was ich vergebens von andern Frauen deines Standes erwartet hätte. Darum darfst du wohl auf eine entscheidende Stimme bei einer solchen Berathung Anspruch machen. Warum wanderst du an einem fremden, ungesunden Strand statt an den Ufern der lieblichen Seine? Warum trägst du ein Gewand, welches bei deinem Geschlecht nicht gewöhnlich ist? Warum suchst du den Tod und achtest ihn gering im Vergleich zur Schande? Darum, daß der Graf von Paris eine Gattin haben möge, die seiner würdig sei. Meinst du, diese Zuneigung soll nutzlos verschwendet sein? Nein, bei allen Heiligen! Dein Ritter erwidert sie, wie er soll, und opfert dir jeden Gedanken, den deine Liebe nicht völlig billigt.«

Die arme Brenhilda bemühte sich in ihrer Verwirrung vergebens, die Haltung einer Heldin zu bewahren. Sie suchte ihren gewöhnlichen stolzen Blick anzunehmen, aber es gelang ihr nicht. Sie fiel dem Grafen um den Hals und weinte wie ein Dorfmädchen, dessen Liebster zum Kriegsdienst ausgehoben wird. Ihr Gemahl schämte sich ein wenig, war aber doch sehr gerührt durch diesen seltenen Ausruf von Zärtlichkeit, und empfand freudigen Stolz darüber, daß es ihm gelungen war, ein so sanftes, naturtreues Gefühl in einem so unbeugsamen Herzen zu wecken. »Nicht so, Brenhilda,« sagte er. »Ich will das nicht, um deinet-, wie um meinetwillen. Laß nicht diesen weisen, alten Mann glauben, daß dein Herz aus dem biegsamen Stoff geformt sei, wie das Herz anderer Weiber. Entschuldige dich bei ihm, daß du mich verhindert hast, das von ihm empfohlene Abenteuer von Zulichium zu unternehmen.«

Es war kein Leichtes für Brenhilda, sich wieder zu fassen, nachdem sie ein so merkwürdiges Beispiel geliefert, wie die Natur ihre Rechte behaupten kann, mag sie auch noch so gewaltsam niedergehalten sein. Mit einem Blick unaussprechlicher Liebe ließ sie die um ihren Gatten geschlungenen Arme los, behielt jedoch seine Hand in der ihrigen, und wandte sich mit einem Antlitz, in welchem den halbverwischten Thränen ein bescheidenes Lächeln der Zufriedenheit gefolgt war, zu Agelastes, wie zu Einem, den sie achtete, und gegen den sie ein Unrecht gut machen wollte. »Vater,« sagte sie, »zürnt mir nicht, daß ich einen der besten Ritter verhindert habe, das Abenteuer Eurer bezauberten Fürstin zu unternehmen. In unserem Land, wo Rittersitte und Gottesglaube nur eine Geliebte und ein Weib verstatten, sehen wir nicht gern unsere Gatten sich in Gefahren stürzen – zumal von der Art, wo einsame Frauen zu erlösen und Küsse das Lösegeld sind. Ich habe so viel Vertrauen auf meines Roberts Treue, als irgend eine Frau auf einen liebenden Ritter haben kann; indeß –«

»Liebliche Frau,« unterbrach Agelastes, der trotz seiner Durchtriebenheit sich der Rührung beim Anblick der ungefälschten Liebe des hübschen Paares nicht erwehren konnte, »Ihr habt nichts Böses gethan. Der Zustand der Fürstin ist nicht schlimmer, als er gewesen, und es unterliegt keinem Zweifel, daß der zu ihrer Erlösung bestimmte Ritter in der bestimmten Zeit erscheinen wird.«

Die Gräfin schüttelte, schwermüthig lächelnd, den Kopf und erwiderte: »Ihr wißt nicht, wie mächtig die Hülfe ist, deren ich leider diese unglückliche Dame beraubt habe, durch eine Eifersucht, welche ich jetzt als kleinlich und unwürdig anerkenne. Ich bedauere dieselbe so sehr, daß ich nicht abgeneigt wäre, meinen Einspruch gegen Roberts Eingehen auf das Abenteuer zurückzunehmen.« Hier sah sie etwas ängstlich auf ihren Gemahl, wie wenn sie ein Erbieten gemacht hätte, welches sie nicht gern angenommen sähe. Sie gewann nicht eher ihren Muth wieder, als bis Robert entschieden sagte: »Brenhilda, das zieht nicht an.«

»Könnte denn nicht Brenhilda selber das Abenteuer bestehen?« fragte die Gräfin. »Sie brauchte weder die Reize der Fürstin noch den Schrecken des Drachen zu scheuen.«

»Edle Frau,« sprach Agelastes, »die Fürstin muß auferweckt werden durch den Kuß der Liebe, und nicht durch den Kuß der Freundschaft.«

»Grund genug für eine Dame, nicht gern zu sehen, daß ihr Herr in eine solche Unternehmung sich einlasse,« bemerkte die Gräfin lächelnd.

»Edler Sänger oder Herold, oder welchen Namen Ihr in diesem Lande führen mögt,« sagte Graf Robert, »empfangt einen geringen Lohn für eine angenehm verbrachte Stunde, die leider nicht zur That führen kann. Ich sollte mich entschuldigen wegen meiner geringen Gabe, aber Ihr wißt vielleicht, daß fränkische Ritter reicher an Ruhm sind, denn an Schätzen.«

»Ich möchte darum nicht Eure Freigebigkeit verschmähen,« erwiderte Agelastes. »Ein Byzantiner von Eurer oder Eurer Frauen Hand würde hundertfachen Werth erhalten, durch die Erhabenheit der Personen, von welchen er käme. Ich würde ihn an einer Perlenschnur um meinen Hals hängen, und wenn ich zu Rittern und Frauen käme, würde ich laut erklären, daß diese Vermehrung meines Wappenschmucks mir verliehen wäre, durch den berühmten Grafen Robert von Paris und seine unvergleichliche Gemahlin.«

Der Ritter und die Gräfin sahen sich einander an. Brenhilda zog einen Ring von lauterem Gold von ihrem Finger und bat den Alten, ihn als ein Zeichen von ihrer und ihres Gatten Freundschaft anzunehmen.

»Ich mache eine Bedingung,« erwiderte der Philosoph. »An dem schönsten Weg, der zur Stadt führt, habe ich ein kleines Kiosk, eine Einsiedelei, wo ich zuweilen meine Freunde empfange, welche, wie ich wohl sagen darf, zu den achtbarsten Personen des Reichs gehören. Zwei oder drei von ihnen werden mich heute wahrscheinlich mit ihrem Besuch beehren und mit meiner Bewirthung vorliebnehmen. Könnte ich diese Gesellschaft durch Zuziehung des edlen Grafen und der edlen Gräfin von Paris vermehren, so würd' ich meine ärmliche Wohnung als für immer geehrt betrachten.«

»Was meinst du, meine Hausfrau?« fragte der Graf. »Dem Höchstgeborenen paßt die Gesellschaft des Sängers, welche den höchsten Rang und die größten Thaten erhöht. Die Einladung ist zu ehrenvoll, als daß wir sie zurückweisen könnten.«

»Es wird etwas spät,« antwortete die Gräfin. »Aber wir sind nicht hierhergekommen, um uns vor der sinkenden Sonne oder einem düster werdenden Himmel zu fürchten. Ich halte es für eine angenehme Pflicht, zur Verfügung des guten Vaters jegliches Vergnügen zu stellen, welches ich ihm bieten kann, da ich schuld gewesen bin, daß sein Rath nicht befolgt worden ist.«

»Der Weg ist so kurz,« bemerkte Agelastes, »daß wir wohl thun, zu Fuß weiter zu gehen, wofern die Frau nicht Pferde bedarf.«

»Ich brauche keine Pferde,« erwiderte Brenhilda. »Meine Dienerin Agatha hat bei sich, was ich bedarf, und im Uebrigen reist kein Ritter mit so wenigem Gepäck, wie mein Gemahl.«

Agelastes ging nun durch das kühle Gehölz voran und seine Gäste folgten ihm.



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