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[45]Die
Jungfrau vom See.


Zweiter Gesang.
[46] [47]Das Eiland.


A m Morgen schmückt der Hahn die dunkeln Schwingen,
Der Hänfling singt, und in der Lust Erheben
Fühlt jed Geschöpf: die Morgenstunden bringen
Den Frühlingsmorgen für ein neues Leben.
Als nun der Gast in leiser Fluthen Ringen
Zum andern Ufer steuert mit dem Kahn,
Hört überm See man einen Barden singen,
Und mit dem Sang stimmt er die Harfe an.
Auch dich, o Greis, rief auf der Morgen, Allan-bane!

Nicht schneller rauschen dort die Wellen
      Vom Ruderschlage auf,
[48]Nicht schneller aus der Tiefe quellen
Die Wogen allwärts, anzuschwellen
      Des Kahns gefurchten Lauf,
Als das Gedächtniß aus dem Sinn
An frühre Wohlthat schwindet hin.
Geh Fremder dann und eile fort,
Denk nicht mehr an der Insel Bord.

Steh hoch an Höfen deine Macht,
      Und hoch im Schlachtgedrang;
Wo um dich Damen-Schönheit lacht,
Als Ehrenpreis fürs Glück der Jagd
      Den Falk und Hund empfang;
Gut sei dein Schwert, dein Freund sei rein,
Treu, lieblich soll dein Mädchen sein,
Verschwunden in der Freude, fort
Sei dieser Insel ferner Bord!

Doch blickst du irrend einen bangen
      Fremdling im Süden gehn,
Deß Federn traurig niederhangen,
Deß düster Aug und bleiche Wangen
      Nach Hochlands Bergen sehn,
[49]Dann zeige, Krieger, du bereit
Die Sorge für des Wandrers Leid,
Gedenk: Auch ich war Fremder dort
Am fernen stillen Inselbord!

Doch wenn das schwanke Schiff des Lebens
      Das Mißgeschick regiert,
Wenn du treu, tapfer, gut vergebens,
Verbannung, Leid, als Ziel des Strebens,
      Dich aus dem Lande führt,
Seufz' nicht, daß sich das Glück gewandelt,
Treulos der Fürst und Freund gehandelt,
Komm zu dem treu verwandten Ort,
Zur stillen Insel fernem Bord!

      Als hin die letzten Töne schwanden
Sieht man das Boot am Ufer landen.
Doch schickt, bevor er geht, den Blick
Der Fremde zaudernd dort zurück,
Wo bald sein forschend Auge fand
Den Harfner an dem Inselstrand.
Gelehnt am Baum, der dürr, verdorben,
[50]Schien er, gleich diesem, abgestorben.
Indem sein Innres schweigend dichtet,
Ist himmelwärts der Blick gerichtet,
Als brächt ihm der Begeistrung Wonne
Ein jeder Strahl der Morgensonne.
Die Hand, die auf den Saiten ruht,
Harrt, bis erwacht des Dichters Gluth.
So still, als horch er auf der Schwelle,
Daß seinen Spruch der Richter fälle.
So still, daß selbst der Lüfte Regen
Das greise Haar nicht kann bewegen.
So still, als war, mit letztem Ton
Der Harf, das Leben selbst entflohn.

      Auf einem moosbedeckten Stein
Saß bei ihm Ellen, lächelnd fein.
Ihr Lächeln, obs dem Schwane gilt,
Der hinfliegt übers Seegefild,
Indeß nach der entgangnen Beute
Ihr Schooßhund zornig bellt – ins Weite?
Doch sag mir, wer das Mädchen kennt,
Weshalb hochroth die Wange brennt?
[51]Wohl scheints (vergib, o heilige Treue!)
Daß sich das Mädchen lächelnd freue,
Zu sehn den Gast noch immer stehend,
Und immer neue Grüße wehend.
Und, schöne Fraun, eh ihr nach Recht
Erzürnt der Heldin Urtheil sprecht,
Zeigt eine mir, die solcher Beute
Und der Erobrung sich nicht freute!

      Als er noch zögert in der Nähe,
Schiens, als ob Ellen ihn nicht sähe,
Doch als er umbiegt in ein Thal,
Winkt sie ihm höflich noch einmal.
Oft hörte man den Ritter sagen:
Kein Preis an festlich freudigen Tagen,
Den ihm ertheilt die schönste Schöne,
Die je ein stolzer Demant kröne,
Hab' so erhoben voller Lust,
Als dieser stumme Gruß, die Brust.
Mit einem Schotten zum Geleite,
Die schwarzen Rüden ihm zur Seite,
Entweicht er. – Selber kaum bewußt,
[52]Blickt sie ihm nach mit stiller Lust;
Erst da verschwunden die Gestalt,
Wars, daß ihr innrer Wächter schalt:
»Dein Malcolm, eitel Mädchen du!«
Und das Gewissen rief ihr zu:
»Hing so wohl deines Malcolms Sinn
Am Laut der schönen Südländrin?
So ängstlich würde er nicht spähn,
Wenn fremde Mädchen von ihm gehn. –
Wach, Allan-bane!« rief laut sie dann
Den alten Minnesänger an:
»Reiß dich aus deinem Traumgesicht,
Stimm eilig an ein Preisgedicht,
Von dem auch dir die Freude käme,
Besing den Ruhm des Stamms der Gräme.«
Kaum ist ihr dieses Wort entflohn,
Als sie beschämt erröthet schon;
Denn von des ganzen Stammes Ruhme
War Malcolm Gräme gewiß die Blume.

Besing den Ruhm des Stamms der Gräme.

Die alte und mächtige Familie der Graham (Gräme Schottische Aussprache) hatte ausgebreitete Besitzungen in der Grafschaft Dumbarton und Stirling. Wohl wenige Familien können sich eines größern Ansehns in der Geschichte rühmen, indem zu dieser drei der ausgezeichnetsten Männer Schottlands gehören: Sir John von Gräme, der in der Schlacht bei Falkirk 1298 fiel, der Marquis von Montrose und John Grahame von Claverhouse, Viscount von Dundee.

      Der Sänger prüfte. Dreimal leise
Erhob er die bekannte Weise,
[53]Doch dreimal auch sank, trüb und trüber,
Der Stolz in dumpfe Töne über.
»Du bitt'st umsonst,« sprach er am Ende,
»O edel Kind,« und rang die Hände;
»Traf nie dein Flehn umsonst mein Ohr,
Heut lock ich nicht die Töne vor.
Der Harfe Saiten sind gespannt,
O weh, von einer mächtgern Hand.
Will ich zur Freud die Saiten regen,
Kommt düstre Klage mir entgegen;
Des Siegers Marsch, sein Jubelklang
Verwandelt sich in GrabGesang.
Wohl mir, wenn dieses ernste Läuten
Nur meine Zukunft mag bedeuten.
Wenn, wie die Väter mir vertraut,
Sankt Modans Harf durch ihren Laut
Ansagt den Tod des eignen Herrn,
Dann hört dich, Ton, der Sänger gern!

Wenn, wie die Väter mir vertraut,
Sankt Modans Harf, durch ihren Laut
Ansagt den Tod des eignen Herrn,

Obgleich grade kein augenscheinlicher Beweis dafür spricht, daß St. Modan in der Kunst, die Harfe zu spielen, erfah [271]ren gewesen, so war dieselbe doch wenigstens nicht unziemend für einen Heiligen, denn St. Dunstan spielte in Wahrheit dieses Instrument, welches, wie natürlich, einen Theil von der Heiligkeit seines Herrn an sich behielt, und zukünftige Begebenheiten durch plötzliche Töne ankündigte.

      Doch seufzt' es, Jungfrau, ebenso,
Als deiner Mutter Leben floh.
So störte einst ein solcher Klang, –
[54]Als ich von Krieg und Liebe sang, –
Des ganzen Festes Freudigkeit
Erfüllte mich mit Sorg und Leid,
Und, ungehorsam meiner Wahl,
Klagts laut durch Bothwells Fahnensaal,
Zur Zeit, eh Douglas Stamm gefallen,
Verbannt aus seiner Väter Hallen. –
Wenn größer Unglück ohn Verschulden
Soll meines Herren Haus erdulden,
Der schönen Ellen eine Noth
Von diesen wilden Tönen droht,
Kein Barde, Unglücksharfe, soll
Dich rühren dann entzückungsvoll;
Dann soll zuletzt ein Klang noch schallen,
Und wehmuthsschwer, gemach verhallen,
Dann du zerstückt am Boden blinken,
Und still zur Gruft dein Barde sinken.« –

Eh Douglas Stamm gefallen.

Der Fall der Douglas, aus dem Hause Angus, während der Regierung Jacob V. (James), ist die Begebenheit, auf welche hier angespielt wird. Der Graf von Angus hatte die verwittwete Königin geheirathet, und dies selbst erworbne Recht und seine ausgebreitete Macht auf die Weise benutzt, daß er den König fast mehr als Gefangnen, denn als Pflegling bewachte. Zuletzt entkam der König, und der Graf ward mit seinem ganzen Anhange verbannt.

      »Verscheuch,« sprach sie besänftigend, »Freund,
Was deinem Alter Schrecknis; scheint;
Du kennst die Weisen ja von allen:
Wie Harf und Kriegespfeifen schallen
[55]Vom Thalland bis zu uns hinan,
Vom Tweed zum Spey – was Wunder dann,
Wenn nicht verlangte Tön erstanden,
Verwirrt in des Gedächtniß Banden,
Verwechselnd, schnell dahin getragen,
Den Kriegsmarsch mit den Todtenklagen? –
Nicht Grund zum Fürchten haben wir,
Gesichert in dem Dunkel hier.
Mein Vater, seinen Ahnen gleichend,
Von Schloß und Land und Leuten weichend,
Gibt nach dem Schicksal nicht so viel
Als jene Eich dem Windesspiel.
»Der Sturm kann toben in dem Laub,
»Nie wird der edle Stamm sein Raub.
Für mich,« sie schweigt, und, blickend rund,
Pflückt sie ein Veilchen von dem Grund, –
»Für mich, die kaum im Sinn ich trage
Ein Bild nur jener schönern Tage,
Mag dieses Blümchen in dem Grün
Zur Zier, ein ländlich Kleinod, blühn,
'S trinkt Himmelsthau, der Rose gleich,
Die sprießt in Königs Gartenreich.
[56]Und Hab ich mirs ins Haar gewunden,
Ist jeder Bard zum Schwur gebunden:
Nie Hab er schönern Schmuck gefunden.« –
Dann wand sie scherzend in die Locken
Den Kranz von blauen Haideglocken.

      Die anmuthvolle Freundlichkeit
Verscheucht des Minstrels Düsterheit,
So wie ein trauriger Klausner blickt,
Wenn ihn des Engels Nahn entzückt,
Schaut auf er – rief dann, als ihm Stolz
Und Wehmuth sanft zu Thränen schmolz:
»O Kind! nicht weißt du, was verloren,
Zu welchen Ehren du geboren!
Möcht ichs noch sehn – wies dir gebührt –
Daß Schottlands Hof durch dich geziert,
Sehn meines Lieblings zarte Schritte,
Die leichtsten in des Hofes Mitte,
Den Grund des Seufzers jedes Herrn,
Und jedes Auges Leiterstern,
Und jedes Sängers Ziel und Schmerzen,
Die Jungfrau von dem blutigen Herzen.« – [57]

Die Jungfrau von dem blutigen Herzen.

Das Wappen der Familie Douglas, seit ein Douglas das Herz seines Königs Robert Bruce zur Sühne eines Todtschlags nach Palästina bringen wollte, aber unterwegs im Kampfe gegen die Moren umkam.

      Sie seufzt und scherzt: »Was gibst du Raum
»Im Busen solchem schönen Traum?
Mir gleich ist dieser Fels voll Moos
Mit Prachtbett, Sessel, schön und groß;
Beim Hofbanket würd ich mich zeigen
Nicht lustiger als beim Bauernreigen,
Noch lauschte halb so froh wohl ich
Auf Königsfänger als auf dich;
Dann soll ich edle Herrn umstricken
Mit meiner Augen Siegerblicken!
O Schmeichler! – es gehört ihr Schein,
So will Sir Rodrich, ihm allein.
Der Sachsen Geißel, Alpines Zier,
Loch Lomonds Schrecken für und für,
Verschöb er mir zu Lieb nicht, – sag –
Den Lennox Zug – um einen Tag?« –

      Der Barde dämpft die Lust im Herzen:
»Nicht ziemt es hier für dich zu scherzen,
Denn wer hat, lächelnd, wohl im Land
Den finstern Rodrich je genannt?
'Nen Ritter schlug in Holy-Rood
[58]Er todt. Ich sah des Mordschlags Wuth,
Und vor des argen Meuchlers Streichen
Das Hofgesinde selber weichen.
Seitdem beschirmt, obgleich verbannt,
Er männlich fest sein Bergesland.
Wer hätte sonst wohl (weh dem Tage,
Wo ich die traurige Wahrheit sage!)
Dem Douglas, der dem Jagdziel gleicht,
Dem jeder Reichsherr sich entzeucht,
Auch diese Zuflucht nur gereicht?
Der Rauberhäuptling wagt allein
Des Douglas Schirm und Schild zu sein.
Jetzt, da ihn deine Schönheit bannt,
Will er zum Lohne deine Hand;
Dispensation auf sein Begehr
Gelangt aus Rom nur zu schnell her.
Dann wird, nur Flüchtling auf den Höhn,
Dein Vater, als der Douglas stehn
Vor allen groß in Furcht und Ehr.
Doch, liebt dich Rodrich gleich so sehr,
Daß du als willigen Sclaven, Mädchen,
Den Furchtbarn führst an seidnem Fädchen,
[59]Bedenk, wohin du scherzhaft zielest,
Da du in Löwenmähnen spielest!« –

'Nen Ritter schlug in Holy-Rood
Er todt.

Dies war keinesweges ein ungewöhnliches Ereigniß am Schottischen Hofe. Des Königs eigne Gegenwart legte kaum dem wilden und eingewurzelten Hasse, welcher die beständige Quelle von Blutvergießen unter dem Schottischen Adel war, Fesseln an.

Dem Douglas, der dem Jagdziel gleicht,
Dem jeder Reichsherr sich entzeucht,

Die Beschreibung des Zustandes dieses mächtigen Geschlechtes während seiner Verbannung ist weder in dieser noch in den folgenden Stellen übertrieben. Jacobs Haß gegen dieses Haus war so stark, daß, wie zahlreich auch die Verbündeten desselben waren, und wie wenig auch sonst in ähnlichen Fallen der königliche Wille beachtet wurde, selbst die nächsten Freunde auch in den entferntesten Theilen Schottlands nur unter der allertiefsten Verkleidung die Glieder desselben aufzunehmen wagten.

      »Minstrel!« – rief Ellen, und ihr Blick
Strahlt ihrer Väter Stolz zurück: –
»Ich kenne unsre ganze Schuld,
Weiß, wie als Mutter mit Geduld
Mich pflegt' und liebte Margrets Huld,
Seit sie, da ich hier angekommen,
Des Schwesterkinds sich angenommen.
Doch ihm, der uns allein verblieb,
Als Douglas Schottlands Herr vertrieb,
Mehr sind wir schuldig Margrets Sohn,
Und, – wär mein Blut für ihn ein Lohn, –
Herr meines Lebens sollt er sein,
Doch niemals, Allan, – nie mich frein.
Eh will Hellene Douglas trauern
Als Nonn in Marnochs Klostermauern,
In Ländern, jenseits unsrer Seeen,
Um Andrer kalt Erbarmen flehen,
Wo nie ein Schottisch Wort man nennt,
Wo keiner Douglas Namen kennt,
[60]Als Flüchtling irrn, als frein den Mann,
Den Ellen nimmer lieben kann.

Als Nonn in Marnochs Klostermauern,

Das Kirchspiel von Kilmaronock, am äußersten östlichen Ende von Loch-Lomond, leitet seinen Namen von einer Kap [273]pelle her, welche dem heiligen Maronoch, Marnoch oder Maronan, über dessen Heiligkeit nur sehr wenig Nachricht vorhanden, geweihet ist.

      Du schüttelst, Freund, dein graues Haupt –
Bezeugt nicht auch, was ich geglaubt,
Dein ernster Blick? – Er ist voll Muth,
Doch wild wie Bracklinns Wasserbrut;
Großmüthig, – wenn nicht Rachelust
Und Eifersucht entflammt die Brust.
Treu hangt er an der Freundschaft Band,
So wie sein Schwert an seiner Hand,
Doch wollte auch dies Schwert von Eisen
Mehr Mitleid gegen Feinde weisen!
Freigebig ist er, um den Mannen
Zu schenken, was sie ihm gewannen,
Wenn sie zurück durch Klüfte schleichen,
Und in dem Thalland, als ihr Zeichen,
Blutigen Schutt und Aschenmassen,
Wo Dörfer friedlich blühten, lassen.
Die Hand, die für den Vater ficht,
Ehr ich, wie dies der Tochter Pflicht,
Doch kann ich drücken sie, die roth
[61]Von armer Bauern Meucheltod?
Wie hell auch seiner Tugend Schimmer,
Sie zeigt nur seine Wuth noch grimmer,
Die in dem hohen Geiste funkelt,
Wie Blitze, wenn es nächtlich dunkelt.
Noch Kind, schreckt' ich, – und Kinder können
Selbst unbewußt den Feind erkennen, –
Mußt ich die finstern Augenbrauen,
Den schwarzen Busch und Mantel schauen;
Ich konnte nicht, – (ein Mädchenzagen!) –
Die herrisch stolze Mien ertragen;
Doch sollte gar, nach deinem Wahn,
Rodrich als Bräutigam mir nahn,
So zittre ich vor Angst! – ja nennte
Es – Furcht, wenn sie ein Douglas kennte.
Doch still von dem, was uns verhaßt;
Was denkst du wohl vom fremden Gast?«

Doch wild wie Bracklinns Wasserbrut.

Ein schöner Wasserfall, welcher an der sogenannten Bridge of Brackline, von dem Bergstrom Keltie, ungefähr eine Meile vom Dorfe Callender, gebildet wird.

      »Von ihm? – Weh rufe ich den Stunden,
Wo unsre Insel er gefunden!
Des Vaters Schlachtschwert, – einst gemacht
Für Tinemann durch Zaubermacht,
[62]Als er verband, beim Friedenschließen,
Des Hotspur Pfeil mit seinen Spießen, –
Hat, – selbst gezückt, – voraus verkündet:
Daß bei uns sich ein Feind befindet.
Wenn ein Spion vom Hofe hier,
Was fürchten für den Douglas wir?
Was für dies Eiland, das, du weißt,
Stamm-Alpines letzte Zuflucht heißt!
Doch, sei mein Argwohn unbegründet,
Wenns Rodrichs Eifersucht entzündet!
– Wirfs Köpfchen nicht verachtungsvoll,
Denk nur, wie damals stieg sein Groll,
Als du bei Beltans Reigenkranz
Begannst mit Malcolm Gräme den Tanz.
Obgleich dein Vater ihn gestillt,
Noch gährts in Rodrichs Busen wild,
Drum hüte dich! – Doch welches Tönen?
Mein Ohr vernimmt nicht Windes Stöhnen,
Nicht, wies in Birk und Espe säuselt,
Kein Hauch des Seees Spiegel kräuselt,
Still beugt das Schilf die Blüthen nieder,
Und doch! – Mein Wort! – ich höre wieder. –
[63]– Nochmals! – die Kriegespfeife schrillt,
Und fernher tönt der Pibroch wild.«

Für Tinemann durch Zaubermacht.

Archimbald, der dritte Graf von Douglas, war in allen seinen Unternehmungen so unglücklich, daß man ihm den Beinamen Tinemann gab, weil er tined, oder verlor, in jedem Treffen seine Leute.

Des Hotspur Pfeil –

Hotspur-Percy, Graf von Northumberland. Der Name (Heißsporn) ist dem Deutschen Leser aus Shakspeare's Heinrich IV. bekannt.

Still beugt das Schilf die Blüthen nieder.

Eigentlich still is the canna's hoary beard. Ueber dies canna gibt Macpherson folgende Nachricht: »canna ist eine gewisse Art von Gras, welche häufig in den haidigen Morasten des Nordens wächst. Sein Stengel ist rohrartig und hat einen Büschel von weichen Federn, die sehr ähnlich der Baumwolle sind. Sie haben eine außerordentlich weiße Farbe, und werden deshalb oft von den Barden als Gleichnisse der weiblichen Schönheit gebraucht.«

      Wo weithin sich die Fluthen strecken,
Sieht man im See vier dunkle Flecken,
Die, als sie nähern sich der Erden,
Mit Mast und Mann vier Barken werden,
Die, gradwegs kommend von Glengyle,
Zum Eiland steuern sonder Weil.
Als sie um Brianchoil schon sind,
Und in die Segel bläst der Wind,
Sieht man im hellen Sonnenlichte
Sir Rodrichs Wappen, eine Fichte.
Je näher sie zum Ufer eilen,
Erglänzt die Luft von Spieß und Beilen.
Schon kannst du sehn die Hochlands-Schürzen,
Wie sich die Federn heben, – stürzen,
Jetzt wie die Mütze steht und sinkt,
Sobald die Fluth das Ruder trinkt,
Sehn, wie, wenns mächtig räumend greift,
Hochschäumend auf die Welle schweift.
O sieh die stolzen Pfeifer stehn,
[64]Und wie die bunten Bänder wehn
So lang herab von ihren Pfeifen,
Daß sie des Seees Spiegel streifen,
Wenn, da sie durch die Finthen dringen,
Sie alte Hochlands-Weisen singen. –

      Je mehr sie sich dem Ufer nahn,
Je lauter stimmt der Pibroch an.
Von Ferne tönt zuerst nur leise,
Und von dem See gedämpft, die Weise,
Indem, gefesselt von den Schlünden
Am Strand, die rauhen Töne schwinden.
Dann lauter schallend, tönt dem Ohr
Das Aufgebot des Stammes vor,
Die Töne, die als Aufruf allen
Von Alt-Alpine zum Kampfe schallen.
Gewaltig tönts, wie wenn zumal
Von Mustrung Vieler dröhnt das Thal,
Und von der Erde wiederhallt
Der Tritte schütternde Gewalt.
Lebendiger Spielen deutet dann
Ihr lustig Vorwärtsrücken an,
[65]Eh noch der Donnerruf der Schlacht
Mit Speerklang und Geschrei erwacht.
Des Hiebes Klang, der schirmt und schwirrt,
Wenns Schlachtschwert auf der Tartsche klirrt;
Die dumpfe Stille eh erneuen
Mit Muth den Streit die Kämpferreihen,
Des Angriffs Wuth, der Ruf zum Halt,
Der Rückzug, welcher rund um schallt,
Des Jauchzens Ausbruch, zu verkünden
Stamm-Alpines Sieg – war hier zu finden.
So endet nicht das Lied, – denn trüber
Gings in ein leises Trauern über,
Es schweigt von hohen Siegsgefühlen,
Und laut beklagt es die da fielen.

      Die Pfeif verstummt, – doch lebt der Schall
Noch in des Ufers Wiederhall;
Als der auch schwieg, erweckten wieder
Den heisern Chor Gesang und Lieder,
Indem laut singend hundert Kehlen
Des Häuptlings Ruhm und Preis erzählen.
Es rudern, fest an ihrem Bord,
[66]In sicherm Takt die Schiffer fort,
So brausend, wie die Winde räumen
In des Decembers kahlen Bäumen.
Den Chor kennt Allan erst vom See:
»Roderich Vich Alpine Dhu, juchhe!«
Je näher sie dem Strandgebiet,
Je deutlicher das Kriegerlied.

Boots-Gesang.

»Heil unserm Herren, der siegend dort schreitet!
      Segen begleite die grünende Fichte!
Blühe der Baum, der im Banner sich breitet,
      Lange dem Hause zum Schutz und zum Lichte.
            Frischen Thau der Himmel schafft,
            Erde sendet neuen Saft,
      Daß er weit knospe und schieße zur Höh,
            Während von jeder Felsenspalt
            Wieder unser Grüßen schallt:
      »Roderich Vich Alpine Dhu, juchhe!«

Roderich Vich Alpine Dhu, juchhe.

Außer seinem gewöhnlichen Namen und Zunamen, welche vorzüglich bei Unterhandlungen mit den Thalländern gebraucht wurden, hatte jeder Hochländische Häuptling einen besondern Beinamen, der seine patriarchalische Würde als Haupt eines Stammes ausdrückte, und welchen alle seine Vorgänger und Nachfolger mit ihm theilten, so wie alle Könige von Aegypten Pharao, und alle von Parthien Arsaces hießen. Der Vers hier bedeutet: »der schwarze Rodrich, der Abkömmling von Alpine.« – Der Gesang selbst soll eine Nachahmung der jorram's oder Bootgesänge der Hochländer sein, welche gewöhnlich zu Ehren eines beliebten Häuptlings gedichtet waren.

'S ist nicht ein Sprößling, am Bache gesäet,
      Blühend zu Beltane, im Winter vergehend;
[67]Wenn der Sturmwind das Laub von den Bergen verwehet,
      Jauchzt Alpine unter den Aesten stehend.
            Ankernd in des Felsen Spalten,
            Fest gegen Sturms Gewalten,
      Wurzelt, getroffen, er fester denn je.
            Preisend von Breadalbane schallt,
            Preisend von Menteith hallt:
      »Roderich Vich Alpine Dhu, juchhe!«

Herrlich in Glen Fruin der Pibroch erklang,
      Unser Jauchzen begegnete Bannochors Klagen,
Glen-Luß und Roß-Dhu in Asche versank,
      Und von Lomond die Besten, sie liegen erschlagen.
            Lange beklagen ihr Leid
            Sächsische Wittib und Maid,
      Denken Stamm-Alpines mit Furcht und mit Weh!
            Lennox und Leven-glen bald
            Zittern, wenns wieder erschallt:
      »Roderich Vich Alpine Dhu, juchhe!«

Und von Lomond die Besten, sie liegen erschlagen.

Lennox, wie der Distrikt, welcher die äußersten Kränzen von Loch Lomond umgibt, genannt wird, war vorzüglich den Einfällen der Gebirgsbewohner ausgesetzt, welche die unersteigbaren Höhen des benachbarten Distriktes von Loch Katrine inne hatten. Diese Einfälle waren häufig von Ausbrüchen der größten Wildheit begleitet, und der erwähnte Brand von Glenfruin gibt dazu einen merkwürdigen Beleg.

Auf für die Zierde des Hochlands, Vasallen!
      Rudert die Fichte, nie welkend und grün;
Möcht es der Rose des Eilands gefallen,
[68]      Für ihn zum duftenden Kranze zu blühn!
            O daß ein Sprößling dann,
            Würdig für Frau und Mann,
      Segenbegleitet im Schatten entsteh.
            Laut dann von Berg und Wald
            Stamm-Alpines Ruf erschallt:
      »Roderich Vich Alpine Dhu, juchhe!«

      Mit ihren Frauen zum Geleite
Naht jetzt auch Margret dieser Seite.
Im Winde flattert Aller Haar,
Es winkt ihr Schnee-Arm immerdar,
So oft mit Jubelchors Gewalt
Des Häuptlings Nam herüber schallt.
Indessen ruft, nach Mutter Art,
– Die nichts zur Lust des Lieblings spart –
Margret ihr Mühmchen schnell zum Strande,
Zum Gruß des Vetters, eh er lande:
»Komm, Zaudrin, willst ein Douglas sein,
Und Siegers Stirn zu kränzen scheun?« –
Mit Widerstreben in der Seele
Folgt sie dem traurigen Befehle,
[69]Doch als ein fernes Horn erschallt,
Sprang seitwärts sie behend alsbald:
»Still – Allan – hast du nicht erkannt
Des Vaters Zeichen her vom Land?
Wir wolln im Kahn ihn hergeleiten,«
Rief sie – »dort von des Berges Seiten.« –
Gleich Sonnenstrahlen, schnell und schön,
Sieht man im leichten Kahn sie stehn,
Und während Rodrichs Blicke schauen,
Sie suchend bei der Mutter Frauen,
War weit die Insel ihr entflohn,
Und sie gelandet drüben schon.

      Gefühle gibts in unsrer Brust
Geläutert reiner Himmelslust;
Und gibt es auch auf Erden Thränen,
Geläutert von dem irdischen Sehnen,
Ja Thränen, welche, licht und rein,
Selbst Engel zierend würden seyn, –
Sinds, die ein Vater still vergießt,
Wenn er sein theures Kind umschließt! –
Und als an seine Brust entzückt
[70]Der Douglas seine Ellen drückt,
Netzt solche Thräne ihre Locken –
Ein Held, und doch sein Aug nicht trocken! –
Nicht merkte Ellen, lustbeklommen,
Als sie den Vater heißt willkommen,
Daß hier aus Furcht (Zeugniß der Lieb,)
Zurück ein edler Jüngling blieb,
Nicht ehr, bis Douglas selbst ihn nennt,
Wie gut sie Malcolm Gräme auch kennt. –

      Ernsthaft ist Allans Blick gewandt
Auf Rodrich, wie er steigt ans Land;
Den Herren sieht er traurig an,
Blickt auf den Prunk des Häuptlings dann,
Und wischt die feuchten Spuren schnell
Hinweg vom Aug, so thränenhell.
Die Hand auf Malcolms Arm gelegt,
Sprach Douglas freundlich, doch bewegt:
»Kannst du mir sagen, junger Freund,
Was Allans thränend Auge meint?
– Er sieht den Tag, wo laut erklang
Zu meinem Preis einst sein Gesang
[71]Auf Bothwells hoch gewölbtem Thor,
Und mit ihm pries der Sänger Chor,
Wo vor mir mußten als Trophäen
Des Percy Norman-Fahnen wehen,
Und hinter mir, – daß ich fürwahr
Gleich mächtig jenem Häuptling war, –
Der zwanzig Ritter stolze Schaar.
Doch mocht ich, Freund, du kannst mir trauen,
Auf all den Troß nicht stolzer schauen, –
Obgleich die Moslem vor mir zittern,
Hell leuchtete mein Zug von Rittern,
Und Blantyr's heilige Lieder klangen,
Und preisend Bothwells Barden sangen, –
Als auf des Greises stille Thränen
Und dieses Mädchens liebend Sehnen,
Wenn froher sie: Willkommen! sagen,
Als einst in meines Glückes Tagen.
Vergib des Vaters Stolz, o Freund,
Der hier kein Bettler mehr erscheint!«

      O köstlich Lob! – Wie schöner glänzt
Die Rose, wenn sie Thau umkränzt,
[72]Glüht Ellens Wange aufgestört,
Denn Douglas spricht, und Malcolm hört.
Damit die freudige Gluth verborgen,
Trägt sie für Falk und Hunde Sorgen;
Dicht schmiegt sich bei dem sanften Streicheln
Der Doggen Paar an sie mit Schmeicheln,
Und wie sie traulich lockte, stand
Der Falke bald auf ihrer Hand,
Weit auf das Aug, die Schwingen nieder,
Denkt, frei, er nicht ans Fliehen wieder.
Und, glaubt mir, – (seht sie so vor euch,
Waldgöttern früher Mährchen gleich) –
Daß, wenn ein Vater ihren Werth
Und Schönheit überschätzend ehrt,
Des Liebenden beglückten Seele
Wohl ehr das rechte Urtheil fehle;
Denn, ach, so oft er auf sie blickt,
Fühlt sich der Selige entrückt.

      Schön war und schlank, doch voll Gewalt
Und Kraft des Malcolm Gräme Gestalt.
Die Hochlands-Kleidung zeigt genau
[73]Der allerschönsten Glieder Bau.
Aus seiner blauen Mütze quoll
Das blonde Haar so lockenvoll.
Im Jagen kann sein Auge sehn
Das Schneehuhn auf dem Schneee stehn.
Er kann die Wege in den Gründen
Durch ganz Lennox und Menteith finden.
Hin sind die braunen Rehe, spannt
Den strammen Bogen Malcolms Hand,
Und kaum entfliehn, von Furcht getragen,
Sie, wenn er sie verfolgt im Jagen.
Er steigt Ben-Lomond grad hinauf,
Ohn nur zu athmen in dem Lauf.
Dem Aeußern gleich ein Sinn, so gut,
Lebendig, frei, voll Feuermuth,
Ein Herz, bis Ellens Zauber kam,
Der Liebe fremd und fremd dem Gram;
So leicht wirds in der Brust bewegt,
Als oben sich die Feder regt.
Doch Freunde, die ihn näher kennen,
Und sein für Recht und Wahrheit Brennen,
Und Barden, die bei alten Sagen
[74]Sein Antlitz sahn voll Muth und Wagen,
Die sagen: Wenn er Mann erst wäre,
Würd Rodrich Dhu in Ruhm und Ehre
Nicht mehr voran im Hochland funkeln,
Denn Malcolm Gräme werd ihn verdunkeln.

      Jetzt tragen sie zurück die Wellen.
»Weshalb, o Vater,« fragte Ellen,
»Mußt du so fern die Jagd anstellen,
Weshalb so spät heimkehren – und?« –
Ihr Auge that die Frage kund.
»Mein Kind, mir ist die ferne Jagd
Ein Abbild von der edlen Schlacht,
Und wenn die Lust geraubt mir wär,
Dann wär auch ich nicht Douglas mehr.
Malcolm traf mich, als östlich ich
Fern durch Glenfinlas Dunkel strich.
Nicht streift ich sicher, – denn der Grund
Erscholl von Roß und Jagd im Rund.
Der Jüngling, aus des Königs Leuten,
Land, Leben wagend, mich zu leiten,
Hat mich durchs Dickicht, außer Acht,
[76]Daß wir verfolget, hergebracht;
Und Rodrich selber soll ihn mir,
Trotz altem Groll, begrüßen hier.
Dann nach Stroth-Endrik schnell zurück,
Und nichts gewagt mehr für mein Glück!« –

      Rodrich, der jetzt zum grüßen nah,
Erröthet, da er Malcolm sah,
Doch Handlung, Wort und Auge lehrt,
Wie hoch die Gastfreundschaft er ehrt.
In Heiterkeit und ohne Sorgen
Verstrich des Sommertages Morgen,
Doch Mittags kam, und sprach voll Eifer,
In Rodrichs Ohr ein schneller Läufer,
Und jenes Miene, trüb verstimmt,
Zeugt, welche Botschaft er vernimmt.
Man sieht, wies ihm im Busen gährt,
Doch war ein nächtlich Mahl verzehrt,
Bevor er zu des Heerdes Rauch
Die Mutter, Douglas, Gräme – und auch –
Hellenen rief; dann warf er rund
Um seine Blicke, – dann zum Grund,
[76]Als sucht er Worte sich zu wählen,
Um Unwillkommnes zu erzählen.
Lang spielt er mit dem Dolche, dann
Blickt stolz er aufwärts – und begann:

      »Kurz muß ich sein; denn mir verbeut
Kunstvoll zu reden Sinn und Zeit.
Mein Vetter, – Vater (– wenn ich werth,
Daß so mein Bitten Douglas ehrt, –)
O Mutter, Ellen, deren Blick
(Weshalb?) sich wendet scheu zurück. –
Und Gräme, in dem ich bald erkenne,
Ob ich ihn Freund, ob Feind ihn nenne,
Wenn du, volljährig, wirst erhalten
Als Herr in deinem Land zu walten: –
Rachsüchtig prahlt der König, – hört, –
Daß er das Gränzland hat bethört,
Wo Herrn, die sich mit Falk und Hunden
Zur Jagd des Fürsten eingefunden,
Sich selber fingen in den Netzen;
Und, als zu gastlichem Ergötzen,
Sie weit der Väter Thor aufsprengen,
[77]Am eignen Thorweg müssen hängen! –
Laut schreit ihr Blut von Meggats Matten,
Vom Strand der Tweed, von Yarrows Schatten,
Wo langsam Ettriks Ströme gleiten,
Sich Teviots Silberwellen breiten;
Wo Stämme tobten einst in Fehde,
Sind Waiden jetzo, wüst und öde.
Der Wüthrich, der in Schottland thront,
Der treulos, grausam niemals schont,
Naht jetzt. Sein Zweck gleich dort wie hier,
Vorwand ist Jagd im Waldrevier.
Hat Gränzlands Herren dies getroffen,
Was mag wohl Hochlands Häuptling hoffen?
Doch mehr noch; Douglas, die Gestalt
Verrieth dich in Glenfinlas Wald.
Mir hinterbracht es ein Spion.
Jetzt rathet ihr bei diesem Drohn.«

Wo Herrn, die sich mit Falk und Hunden
Zur Jagd des Fürsten eingefunden.

Im Jahre 1529 hielt Jacob V. eine Versammlung zu Edinburg, um dort zu berathen über die beste Weise, wie man die Gränzräuber unterdrücken könne, welche während seiner Minderjährigkeit und den Verwirrungen, welche ihr folgten, ungezügelt ihr Wesen getrieben hatten. Dem gemäß sammelte er ein fliegend Heer von zehntausend Mann, und durchstreifte den Ettrick-Wald, wo er über das Thor seines eignen Schlosses den Piers Cockburn von Henderland hängen und den Adam Scott von Tushielaw hinrichten ließ, welcher letztere den Titel eines Königs der Gränze führte. Aber das bekannteste Schlachtopfer seiner Gerechtigkeit auf diesem Zuge war John Armstrong von Gilnockie, [276]der hoch gefeiert in Schottischen Liedern wird. Dieser, auf seine Unschuld vertrauend, kam mit einem Gefolge von sechs und dreißig Personen zum Könige, welche sämmtlich zu Carlenrig, dicht an der Quelle der Teviot, aufgeknüpft wurden.

      Margret und Ellen sehn betrübt,
Ob Trost der Andern Auge gibt,
Dann kehrt sich geistergleich ihr Blick
Zum Vater und zum Sohn zurück.
[78]Des Malcolm Wangen überzieht
Ein wechselnd Feuer, und verglüht,
Jedoch sein funkelnd Auge sagte:
Nur Ellen wärs, für die er zagte.
Betroffen zwar, doch fest zur That,
Gibt also Douglas seinen Rath:
»Rodrich, obgleich die Stürme heulen,
Mags – donnern und vorüber eilen;
Doch werd ich gleich von hier entfliehn,
Um nicht den Blitz auf dich zu ziehn,
Denn wohl weißt du, der König schickt
Den Pfeil auf mich allein gezückt.
Dir, der du stellst bei Kriegsgefahr
Dem König eine tapfre Schaar,
Kann unterwürfiger Demuth Zeichen
Des Fürsten strengen Zorn erweichen,
Wir, – blutigen Herzens letzte Sprossen!
Wir suchen uns, wo abgeschlossen
Ein Obdach birgt das Waldrevier,
Dort hausen, gleich gejagtem Thier,
Wir, bis einst über Berg und Moor
Die wilde Treibjagd sich verlor.« – [79]

      »Nein, so nicht!« – rief Rodrich dagegen,
»Hilf Gott mir und mein guter Degen!
Nie! Fluch sei dieser Fichte hier,
Die meine und der Väter Zier,
Wenn unbeschirmt von ihr, in Schmerzen
Entflieht das Haus vom blutigen Herzen!
Grad red ich: – Gib zum Weib mir, Vater,
Dies Mädchen, und sei du mein Rather;
Denn, steht vereint mit Rodrich Dhu
Der Douglas, strömt uns Alles zu.
Uns wird aus gleichen Argwohnsgründen
Des Westens Häuptling sich verbünden.
Wenn meine Hochzeitspfeifen schüttern,
So soll zu Forth die Brücke zittern,
Die Wachen starrn in Stirlings-Thor;
Heb ich die Hochzeits-Leucht empor,
Solls, wenn in tausend Dörfern lecken
Die Flammen, König James erwecken!
– Du brauchst nicht, Ellen, so zu schrecken,
Seufz' nicht mehr, Mutter, – nur zu weit
Trieb mich der feurige Eifer heut. –
Nicht brauchts des Einfalls, nicht der Schlacht,
[80]Wenn Douglas weiser Name macht,
Daß alle Stämme zu uns kehren
Und Hochlands Pässe ihm verwehren,
Bis fruchtlos muß – von Felsenwänden
Der König sich zur Heimath wenden.« –

      Wohl Mancher klimmte unerwacht
Auf steilen Thurm um Mitternacht,
Und träumte auf der Zinnen Randung,
Wo unten tobt des Meeres Brandung,
Den bösen Traum unaufgeschreckt,
Bis ihn der Morgenstrahl erweckt;
Wenn durch die rothe Gluth geblendet,
Er seinen Blick nach unten sendet,
Sieht unermeßnen Grundes Grausen,
Hört nie gebrochner Töne Brausen,
Und glaubt so schwach die Gitterzinnen,
Wie in der Luft das Netz der Spinnen –
Sollt', wenn die Sinne kreisend spielen,
Er nicht den bösen Antrieb fühlen:
Verzweifelnd seine Angst zu kürzen,
Und sich ins tiefe Meer zu stürzen? –
[81]So Ellen, schwindelnd und verwirrt,
Da alles rund um Unglück wird,
Und Schrecken kreuzen gräßlich wild, –
Und mehr die Angst dem Douglas gilt,
Kaum dem Gedanken widerstand:
Zu sichern ihn mit ihrer Hand.

      In ihres Auges Fieberzücken
Kann Malcolm Ellens Vorsatz blicken.
Zorneifrig sprang er auf, doch schon,
Eh ein besorgtes Wort entflohn,
Bemerkt Douglas das Wechselroth,
Wo Leben kämpfte mit dem Tod;
Denn ihre Wang, in Fiebergluth,
Erröthet jetzt ein strömend Blut,
Das schneller wieder jetzt entweicht,
Und alle Farbe dort verbleicht.
»Genug, o Rodrich,« rief er dann,
»Du kannst nicht werden Ellens Mann!
Dies Roth ist nicht der Liebe Zeichen,
Nicht Schüchternheit ist dies Erbleichen.
Es kann nicht sein! – Verzeihe ihr,
[82]Wag nichts mehr, uns zu retten hier.
Nie, um mit seinem Herrn zu ringen,
Wird Douglas seine Lanze schwingen.
Ich hab den Jüngling einst gelehrt
Das Roß zu führen und sein Schwert.
Noch steht der junge Prinz vor mir,
Wie Ellen, meine Freud und Zier!
Ich lieb ihn, wie auch irrgeleitet,
Sein Jähzorn Leiden mir bereitet.
Such seine Gunst, die leicht gefunden,
Sobald du nicht mit mir verbunden.« –

      Zweimal schritt Rodrich durch die Hallen.
Er glich – sieh seinen Tartan wallen,
Die finstre Stirn, auf welcher hängt
Unmuth und Stolz, der tief gekränkt,
Vom Fackellicht roth angefacht –
Er glich dem bösen Geist der Nacht,
Wenn er die Schattenschwingen breitet,
Wo nächtlich spät ein Pilgrim schreitet.
Doch unvergoltne Lieb, es trifft
So tief dein Dolch mit Todes-Gift!
[83]Rodrich, von seiner Angst gebannt,
Hielt krampfhaft fest des Douglas Hand,
Sein Aug, dem thöricht sonst erscheinen
Die Thränen, mußte bitter weinen.
Es fand im weiten Busen kaum
Der Tod so langen Hoffens Raum,
Das Blut, mit seinem Geist im Streit,
Hebt fiebrisch selbst empor sein Kleid,
Indeß man laut – so stumm sind Alle –
Hört jeden Seufzer durch die Halle.
Der Mutter Blick, des Sohns Vergehn
Kann Ellens Auge nicht mehr sehn.
Schnell stand sie auf, und ihr zur Seite
Sprang Gräme, daß er die Schwache leite.

      Da bleibt beim Douglas Rodrich nicht. –
Wie durch den Rauch die Flamme bricht,
Entzündend langgedämpfte Wuth
Zu einer lodernd rothen Gluth,
So bricht der stummen Qualen Graus
In wilder Eifersucht heraus.
Wie stählern legt er seine Hand
[84]Auf Malcolms Brust und sein Gewand:
»Weg, Milchbart, Schwächling!« – also nannt'
Er rauh ihn, – »willst du so die Lehren,
Die ich dir jüngst gegeben, ehren?
Danks, daß du ungestraft für heut,
Dem Haus, dem Douglas und der Maid.« –
Wie Hunde gierig auf den Fang,
Malcolm auf Rodrich, und man rang.
»Vergeh mein Nam, wenn mich zu schützen
Mir sonst was, als mein Schwert soll nützen!«
Jetzt griff im Streite, wuthentbrannt,
Nach Dolch und Schwerte ihre Hand.
Es kam zum Mord, hätt' Douglas nicht
Geworfen seiner Kraft Gewicht
Dazwischen: – »Fort – Häuptlinge kehrt!
Mein Feind der erste mit dem Schwert!
Rast ihr? – Zähmt eures Zornes Wallen. –
Ist so tief Douglas schon gefallen,
Daß seiner Tochter Hand die Beute
In solch ehrlos gemeinem Streite!« –
Sogleich, von Scham getroffen, lassen
Sie langsam los von dem Umfassen.
[85]Und jeder auf den Gegner blickt,
Fuß vor und halb das Schwert gezückt.

      Eh noch die blanken Klingen drohn,
Hing Margret sich an ihren Sohn,
Und Malcolm hörte Ellen schreien,
Wie bei des Traumgesichtes Dräuen.
Da steckte Rodrich ein den Degen
Und rief verhöhnend ihm entgegen:
»Bleib heil bis morgen, – daß die Kühle
Der Nacht nicht deine Wange fühle,
Dann magst du an James Stuart sagen:
›Rodrich wird an dem See sich schlagen,
Und nie der Menschen stolzen Thronen
Mit seinem freien Stamme frohnen.‹
Sollst du von Alpine mehr bekennen,
Magst unsre Kraft und Stand ihm nennen. –
Malise!« – Sein Waffenträger naht.
»Geleite Gräme auf sichern» Pfad.« –
Malcolm entgegnet kühn und kalt:
»Fürcht nichts für diesen Aufenthalt!
Denn heilig sind der Engel Klausen,
[86]Selbst wenn in ihnen Räuber hausen.
Bewahr die schnöde Gütigkeit
Für die, so deine Freundschaft freut.
Offen ist mir der Bergweg immer,
Bei Nacht, wie bei des Tages Schimmer.
Und wollte mit den kühnsten Degen
Selbst Rodrich Dhu den Paß verlegen.
O Douglas, – schöne Ellen, – trennen!
Nein, Trennen will ich dies nicht nennen.
Kein Thal ist so geheim auf Erden,
Daß wir nicht dort vereint noch werden. –
Häuptling! dereinst red ich mit dir.« –
Er sprachs, und eilte aus der Thür.

Malise.

Jeder Häuptling hatte eine gewisse Anzahl von besondern, seine Person umgebenden Dienern, abgesehen von seiner eigentlichen Leibwache. Der hier erwähnte Malise ist der henshman, ein Diener, der beständig hinter dem Stuhle seines Herrn stehen und für seine Sicherheit wachen muß. Nächst diesem kommt der Barde. Dann der bladier, oder Sprecher. Der gillie-more, oder Schwertträger. Der gillie-casflue, der seinen Herrn, wenn er zu Fuß war, über die Flüsse trug. Der gillie-comstraine, der des Häuptlings Pferd führte. Der gillie-trushanarinsh, der Troßbube. Der Pfeifer. Des Pfeifers Bube, der ihm den Dudelsack nachtrug.

      Ihm folgte Allan zu dem Bord,
(Denn so gebots ihm Douglas Wort,)
Und dort erzählt er voller Sorgen,
Wie Rodrich fest gelobt am Morgen:
Das Feuerkreuz sollt wandern rund
Durch Thal und Kluft und Moor und Grund
Viel Grund zum Fürchten wär für Grämen
Von denen, die aufs Zeichen kämen,
[87]Gut wärs, wenn drüben fern er lande,
Er selbst woll' rudern ihn zum Strande.
Er gab den Rath nur in den Wind,'
Denn Malcolm hört ihn nicht; geschwind
Um Tasche, Dolch und Schlachtschwert band
Er fest geschnürt sein weit Gewand,
Und ordnet alles dann, was gut
Zum Schwimmen durch die Wasserfluth.

      Dann sprach er schnell: »Leb wohl für heut,
Du Bild der Treu aus alter Zeit!« –
Er drückt gerührt des Sängers Hand, –
»Wär mir ein sichrer Ort bekannt!
Mein Fürst verwaltet meine Güter,
Mein Ohm ist der Vasalln Gebieter,
Um Feind dem Feind, Freund Freund zu sein,
Hat Malcolm Herz und Schwert allein.
Doch sollt ein treuer Gräme noch leben,
Des Häuptlings Namen treu ergeben,
Soll Douglas nicht zur Wohnung wählen,
Dem Jagdziel gleich, des Berges Höhlen;
Nicht soll der stolze Räuber wagen, –
[88]Ich mags auch nicht den Lüften sagen! –
Sag Rodrich Dhu, ich dankt' ihm auch
Nicht jenes kleinen Boots Gebrauch,
Um mich zu schiffen nach der Höh.« –
Dann sprang er rauschend in den See.
Sein Haupt erhielt er auf der Fluth,
Und steuert von dem Strand mit Muth.
Schon strengt sein Auge Allan an.
Daß er ihn noch entdecken kann.
Verschwindend hinter jeder Welle,
Die von des Mondes Silber helle,
Weit, wie ein Wasserrabe immer,
Schwimmt rüstig fort der kühne Schwimmer,
Dann landend auf mondhellem Felde,
Ruft er, daß er sein Glück ihm melde.
Der Sänger hört das ferne Wort,
Und geht vergnügt vom Ufer fort.



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