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[89]Die
Jungfrau vom See.


Dritter Gesang.
[90] [91]Das Aufgebot.


H in rollt die Zeit. – Die ihr einst vor uns wart,
Und uns als Kinder wiegtet auf dem Schooß,
Uns gern erzähltet manche Wunderfahrt,
Und aus der Vorwelt kühner Helden Loos –
Ach, wie verdrängte euch die Gegenwart!
Wie klein ist eure Zahl, die schwach am Bord
Der düstern Ewigkeiten stehend harrt,
Schiffstrümmern gleich, daß sie die Fluth von dort
Wegspühl' aus unserm Blick. Die Zeit rollt fort und fort!

Doch lebt noch Mancher, der der Zeit gedenkt,
Wo in sein Horn ein Hochlandshäuptling stieß,
Und Feld und Waldung das Signal empfängt,
Die öde Haide und im Thal das Fließ;
[92]Er sieht um ihn stürmisch den Clan gedrängt,
Hört noch des Nothrufs helle Töne schallen,
Schaut der Blutsfreunde Banner hoch geschwenkt,
Horcht, wie die Pfeifen rufen die Vasallen,
Und sieht das Feuerkreuz wie 'n Meteor umwallen.

Und sieht das Feuerkreuz wie 'n Meteor umwallen.

Wenn ein Häuptling bei plötzlichem und dringendem Ereigniß seinen Stamm aufbieten wollte, so schlachtete er eine Ziege, machte ein Kreuz von irgend einer leichten Holzart, und tauchte, nachdem die äußersten Spitzen desselben im Feuer angebrannt waren, diese in das Blut des Thieres. Dies wurde genannt: das feurige Kreuz (Fiery Cross), auch Crean Tarigh, oder das Kreuz der Schaam, weil jeder Ungehorsam gegen Alles, was dies Zeichen befahl, die Ehrlosigkeit zur Folge hatte. Es wurde einem schnellen und treuen Boten übergeben, welcher damit in größter Eil bis zum nächsten Dörfchen lief, wo er es dem Ersten in demselben reichte nur mit der mündlichen Hinzufügung des Ortes der Zusammenkunft. – Der jedesmalige Empfänger war nun verpflichtet, es mit gleicher Schnelligkeit zum nächsten Dorfe und so fort zu senden.

Man sehe im Macpherson'schen Ossian die 2te Note zum Gesange Cathlin of Clutha über diese Hochschottische [278]Sitte nach. Diese Art der Zusammenberufung eines Stamms soll übrigens noch bis auf die letzten Zeiten gebräuchlich gewesen sein.

      Des Sommermorgens Purpur fiel
Auf Katrines blaues Wogenspiel;
Es regt den Busch, es küßt die Seeen
Aus Westen her ein leises Wehen,
Und freudig bebt, der Jungfrau gleich,
Doch nicht getrübt, das Wasserreich.
Wohl schaukeln, doch verschwimmen nicht
Bergschatten in dem Morgenlicht,
So ungewiß und hell bestrahlt,
Wie Phantasie die Zukunft mahlt.
Der Kelch der Wasserlilie bricht
In Silberglanz vorm Sonnenlicht.
Das Reh, vom Lager aufgesprungen,
Führt zur bethauten Au die Jungen.
Der Nebel weicht vom Berge fort,
Und funkelnd schießt der Waldstrom dort,
[93]Und unsichtbar im Luftgebiet
Singt uns die Lerch ihr Morgenlied.
Die Amsel und die Drossel mischen
Den Morgengruß aus Gras und Büschen,
Die Taube zwitschert Antwort zu,
Ihr Laut ist Friede, Liebe, Ruh.

      Kein Wunsch nach Ruh und Frieden dämpft,
Was wild in Rodrichs Busen kämpft.
Das blanke Schlachtschwert in der Hand,
Geht er in Sturmesschritt am Strand,
Blickt nach der Morgensonn und fährt
Dann plötzlich mit der Hand zum Schwert.
Es schafft am Fels der Diener Schaar,
Was Sitte bei dem Zauber war,
Die Zeichen, welche Grauses deuten,
(So lehrt der Brauch aus alten Zeiten)
Damit das Feuerkreuz darauf
Beginnen könne seinen Lauf.
Oft schrickt voll Scheu die Schaar zurück
Vor Rodrichs ungeduldigem Blick.
So schießt des Adlers Augenblitz,
[94]Wenn er von Benv'nues Felsensitz
Im Wind die dunkeln Schwingen hebend,
Und hoch in Himmelsräumen schwebend,
Verstummt durch seinen mächtigen Schatten
Im See, die Sänger auf den Matten.

      Es lag ein Haufe aufgebaut,
Wachholder, Reisig, Stoppelkraut,
Und drin gemengt sind Eichensplitter,
Jüngst abgeschlagen vom Gewitter,
Wobei der Klausner Brian stand
Barfuß mit Kapp und Mönchsgewand.
Der dunkle Bart, das Haar so dicht,
Verbirgt ein graunvoll Angesicht.
Es zeigt der nackte Arm, das Bein,
Narben von wüthendem Kastein.
Und diesen Mönch ruft nur die Noth,
Die jetzo seinem Stamme droht,
Aus dem verborgnen Aufenthalt
Fern von Benharrows rauhem Wald.
Er gleicht dem Christenpriester nicht,
Nein, dem Druiden, der, ans Licht
[95]Des Tags zurückgekehrt, kann schauen
Auf Menschenopfer sonder Grauen.
In seinen Zaubersprüchen wäre
(Sagt man) gar viel aus Heidenlehre;
Die heilige Bibel dien allein,
Um wildre Flüche ihm zu leihn.
Kein Bauer fleht um seine Bitte,
Der Pilgrim flieht von seiner Hütte;
Der Jäger kennt genau den Schlund,
Und ruft im Lauf zurück den Hund.
Sollt ihn in ferner Kluft und Gründen
Verirrt ein Waldbewohner finden,
Schlägt er ein Kreuz dir auf dem Fleck,
Und Andacht wird dann aus dem Schreck.

      Seltsam soll er geboren sein.
Die Mutter wachte Nachts allein
Bei einer Hürd in düsterm Schlunde.
Menschlich Gebein liegt auf dem Grunde
Aus einer längst verjährten Schlacht,
Durch Sturm und Regen bleich gemacht.
Ach! säh der Krieger so verscherzen
[96]Den Kriegsstand, müßt's ihn selber schmerzen.
Hier fesselt Riedgras eine Hand,
Die einst durchbrach ein eisern Band.
Dort unter jener mächtigen Brust,
Wo nie das Herz von Furcht gewußt,
Duckt jetzt, der schwächste aller Gäste,
Die Drossel sich im kleinen Neste.
Die Blindschleich, langsam widrig, kreucht
Um Glieder, einst so schnell und leicht.
Und dort, ach! liegt des Führers Schädel,
Noch immer ziert ein Busch ihn edel,
Denn Mütz und Feder werden jetzt
Von rother Haideblüth ersetzt. –
Hier saß, im Mantel fest gehüllt,
Nachtlang die Maid im Schreckgefild:
– Kein Hirte, sagt sie, kam herbei,
Kein Jäger ließ die Binde frei,
Doch nie mehr trug, – für immerdar, –
Alice die Jungfraunbind im Haar.
Des Mädchens Fröhlichkeit verschwand,
Zu kurz ward bald ihr Gürtelband;
[97]Und seit der Nacht in jener Schlucht
Hat sie die Kirche nie besucht,
Sie barg's im Busen, und in Wehen
Verschied sie, ohne zu gestehen.

Kein Jäger ließ die Binde frei.

Die Flechte, oder das Band (snood), mit der sich das Schottische Mädchen das Haar umwand, bezeichnete, daß sie noch Jungfrau sei. Wenn sie durch Heirath in den Frauenstand überging, ward es mit der Haube vertauscht. Hatte sie aber das Unglück, den Anspruch auf den Namen einer Jungfrau zu verlieren, ohne das Recht auf den einer Frau zu gewinnen, so wurde ihr weder Band noch Haube zu tragen vergönnt.

      Schon früh war Brian stets verschlossen
Und fern von allen Spielgenossen.
Ein Knabe mit verstockter Brust,
Fremd jedes Mitgefühles Lust,
Ertrug er, was nur schmähungsvoll
Von seiner dunkeln Abkunft scholl.
Oft klagt er Nachts sein Loos, und weint
Am Waldstrom, den der Mond bescheint,
Bis er im wahnverrückten Haupt
Des Pöbels Wort als Wahrheit glaubt,
Und will in Dunst und Meteoren
Aufsuchen den, der ihn geboren.
Das Kloster öffnet sich vergebens,
Zu stillen ihm die Qual des Lebens,
Vergebens lernet er als Mann,
Was Bücherschrift verkünden kann.
[98]Er fand in ihrem Schatz, statt Wahrung,
Für seines Geistes Fieber Nahrung.
Mit Eifer las er, was er sah,
Von Magik, Zauber, Cabala,
Und was nur Finstres je die Macht
Neugierigen Uebermuths erdacht,
Bis ihn sein heißentflammtes Hirn,
Sein Herz, das mystische Schrecken irrn,
Verzweifelnd nach Benharrow trieb,
Und fern er jedem Menschen blieb.

      Dort schaut er gräßliche Gesichter,
Wie sie nur sieht das Geistgelichter,
Wo an dem Fels der Strom gebrochen,
Sieht er im Sturz den Strudel kochen,
Bis in der trüben Augen Traum
Des Stromes Geist entsteigt dem Schaum;
Der Nebel, der am Berge wallt,
Wird Hex und Kobolds Graungestalt.
Aus Mitternacht heult Sturm mit Grimme,
Ihn schwillt der Todten Grabesstimme;
Er sieht auf künftigen Schlachtgefilden
[99]Die Todten mit gebrochnen Schilden:
So formt, von Menschen fern, der Meister
Der Seher sich ein Reich der Geister.

Dort schaut er gräßliche Gesichter,
Wie sie nur sieht das Geistgelichter &c.

Indem der Dichter die Legende von der Geburt des Gründers der Kirche von Kilmallie hier eingeflochten, hat er versucht, die Wirkungen zu schildern, welche in einem finstern Jahrhundert ein solcher Wahn in dem, der von seiner Wirklichkeit überzeugt war, hervorbringen mochte. Er konnte nur ein Phantast oder Betrüger, oder beides [279]zugleich, ein Charakter, der sich in dieser Verbindung weit häufiger als gesondert vorfindet, werden.

      Ein dauernd Mitgefühl nur hält
Ihn zum Geschlechte dieser Welt.
Die Mutter, die er nur gekannt,
War Alpines altem Stamm verwandt.
Jüngst hörte er im Traume dräun
Der Ben-Shies unheilkündend Schrein.
Auch klang um Mitternacht im Wind
Hufschlag von Rossen, die geschwind
Fortstürzen an Benharrows Seiten,
Wo niemals irdische Reiter reiten.
Vom Blitze sank die Fichte nieder, –
Wohl böse Mähr für Alpines Glieder.
Er gürtet sich und kam erzählend,
Wie ihm verkündet nahes Elend,
War jetzt zum Segen – Fluch bereit,
Wie ihm sein Häuptling es gebeut.

Jüngst hörte er im Traume dräun
Der Ben-Shies unheilkündend Schrein.

Man glaubte, daß die meisten großen Hochländischen Familien einen Schutz-, oder lieber einen Hausgeist hatten, der so mit ihnen verbunden war, daß er an ihrem Glücke Theil nahm, und durch seine Klagen jedes nahende Unglück anzeigte. Die Ben-Shie sind weibliche Geister, deren Wehklagen oftmals dem Tode der Häuptlinge aus bestimmten Familien vorhergehen sollen. – Entsprechend den Erscheinungen der weißen Frau.

Macpherson erzählt: »Es war der Glaube der alten Schotten, daß man einen Geist auf dem Platze schreien höre, wo sich bald nachher ein Todesfall zutragen werde. Die Berichte, welche bis auf den heutigen Tag unter dem Volke, über diese außerordentlichen Erscheinungen, geglaubt werden, sind sehr dichterisch. Der Geist steigt herab auf einem Meteor, und umsaust zwei- oder dreimal den Ort, wo der Geweihete sterben soll, und dann geht er den Weg entlang, auf welchem die Leiche ziehen wird, und stößt zuweilen Klagetöne aus. Endlich verschwinden Meteor und Geist über dem Begräbnißplatze.«

      Bereit war Alles, – und man raubt
Vom Fels die Geis, der Heerde Haupt.
[100]Man legt sie vor den Feuerheerd,
Und hier durchbohrt sie Rodrichs Schwert.
Das Opfer blickt sein Lebensblut
Geduldig, wies in rother Fluth
Längs Bart und rauhen Gliedern quillt,
Bis Finsterniß das Aug umhüllt.
Gebete vor sich murmelnd düster,
Schnitzt sich indeß ein Kreuz der Priester.
Kaum faßt es einer Elle Raum,
Doch ist das Holz vom Eibenbaum,
Der, – sprießend in Inch-Caillachs Luft, –
Beschattet alt Stamm Alpines Gruft,
Umfächelnd, – wenn der Hauch ihn traf
Aus Lomond, – manches Häuptlings Schlaf.
Mit welker Hand, im Blicke Weh,
Hielt jetzt das Kreuz er in die Höh,
Und seltsam 's jeden überlief,
Als jener gräßlich bannend rief:

Der, – sprießend in Inch-Caillachs Luft, –
Beschattet alt Stamm Alpines Gruft.

Inch-Caillach, die Insel der Nonnen, oder der alten Weiber, ist ein reizendes Eiland am äußersten Ende vom Loch Lomond. Die Kirche, welche dem ehemaligen Nonnenkloster gehörte, war lange Zeit der Andachtsort für das Kirchspiel von Buchnnan, aber kaum findet man jetzt noch einige Spuren von ihr. Der Kirchhof wird noch immer gebraucht, und enthält die Stamm-Begräbnißplätze verschiedner benachbarter Stämme. Die Hochländer sind so neidisch auf ihre Begräbnißrechte, wie man nur immer erwarten mag von einem Volke, dessen ganze Gesetze und Verfassung sich um die gemeinschaftliche Abkunft allein wenden. »Möge seine Asche auf das Wasser geschüttet werden,« war eine der höchsten und feierlichsten Verwünschungen, von denen man gegen einen Feind Gebrauch machte.

      »Fluch! wenn ein Stammgenoß vergißt,
Wenn er dies Todeszeichen küßt,
Daß er vom Baum, der dort entsprießt,
[101]Wo heiliger Thau des Himmels fließt
            Auf Alpines tiefes Haus!

      Weil nicht am Häuptling hing sein Glaub',
Ruh nie sein Staub mit Alpines Staub,
Nie schatte ihm des Stammes Laub,
            Ihm folge Noth und Graus!«

      Er schwieg. Ihm nachzusprechen wallen
Hervor, stolzblickend die Vasallen,
Die Klingen sind gezückt von Allen,
Indeß die Tartschen furchtbar schallen.

      Zuerst ging murmelnd aus,
Dann, wie im Laufe eine Welle,
Die fern im Meer hat ihre Quelle,
Und bricht an eines Felsens Schwelle –
Bricht vor die Antwort dumpf und schnelle:
            »Verräthern Weh und Graus!«
Bis Benans Scheitel schallt der Chor,
Der Wolf kroch aus dem Dickicht vor,
[102]Der Adler jauchzt in freudigem Grimme, –
Sie kennen Alpines Kriegesstimme.

      Als still es ward um See und Bord,
Begann der Mönch sein Zauberwort.
Die Töne schallen dumpf gedrängt,
Als er das Kreuz am Feuer sengt,
Und alle Worte, die entflohn,
Obgleich sie nennen Gottes Sohn,
Sind nur ein lästerliches Drohn.
Laut aber rief er, als er schwang
Das glimmende Kreuz ob dem Gedrang:

      »Dem Feigen wehe, der nicht wagte
Den Speer, wenn ihm dies Kreuz es sagte!
Denn wie die Flamme daran nagte,
Treff seine Heimath, wo er zagte,
            Ein Schicksal ebenso!

      Die Flamme über seinem Dache
Verkünde weit Stamm Alpines Rache,
Die Mutter und die Maid verlache
[103]Ihn, der verließ des Stammes Sache,
            Der seinem Glück entfloh!« –

Dann tönt der Frauen Ruf. Er schallt
Wie Falken kreischend schrein im Wald,
Verkündend Elend und Gewalt,
Und selbst der Mund des Kindes lallt
            Verwünschend ebenso;
Sie wiederholen Jener Bitte:
»Daß rothe Gluth sein Haus verschütte,
Verfluchet sei die schlechtste Hütte,
Die schirmte dieses Irren Tritte,
Den wir verdammten so!« –
Laut Antwort gibt des Echos Mund
Coir-Uriskin, der Koboldsschlund,
Und wo die Birken wehn im Grund
            Auf Be-ala-nambo.

      Der Priester schwieg von neuem dann
Und zog erschöpft den Athem an,
Weil, knirschend und geballt die Hand,
Die Augen glühend wie ein Brand,
[104]Er sinnt auf einen grausern Bann,
Verderblicher dem Stammesmann,
Der, wenn der Häuptling ruft zur Pflicht,
Das Zeichen sieht und folget nicht.
Er taucht der Kreuzes-Spitzen Gluth
Tief in das quellend rothe Blut,
Und ruft, erhebend das Symbol,
Mit seiner Stimme, dumpf und hohl:
»Geht dieses Kreuz von Hand in Hand,
Vich Alpines Ruf für Stamm und Land,
Ertaube Ohr, das taub dem Wort,
Erlahme Fuß, der zaudert dort!
Reißt aus die schnöden Augen, Raben!
Das feige Herz solln Wölfe haben!
Sein Blut, wie dieses rinnt zur Erde,
Lösch aus die Flamm auf seinem Heerde!
Wie in dem Blut die Gluth muß sterben,
Verlösche du sein Licht, Verderben!
Und auch die Gunst sei ihm verdorben,
Die Allen dieses Kreuz erworben!«
Er schwieg; von keinem Echo kamen
Zurück die Töne seines »Amen!« – [105]

      Dann nahm, von Ungeduld gespannt,
Rodrich das Kreuz aus Brians Hand:
»Schnell, Malise, schnell!« – Sprichts und bereits
Hält schon der treue Knapp das Kreuz.
»Der Musterplatz ist Lanrick; stell
Sich jeder gleich; – schnell, Malise, schnell!«
Wie wenn ein Falk dem Vogel droht,
Flog über Loch-Katrine ein Boot;
Hoch stand vornan der Waffenträger;
Die Rudrer steuern reg und reger,
So schnell, daß, wo die Fluth durchstochen,
Die Wasserblase ungebrochen
Noch stets in Schaum und Kräuseln prangt,
Als schon das Boot zum Strand gelangt.
Noch war von jener Buchenseit'
Der Kahn drei volle Klafter weit,
Als schon mit leichtem Satz ans Land
Der Bote sprang – von Blut und Brand.

      »Schnell, Malise, schnell!« Des Hirsches Fell
Umgab nie einen Fuß so schnell.
»Schnell, Malise, schnell!« Noch kein Geschäfte
[106]Erheischte also deine Kräfte!
Klimm auf, – den steilen Pfad gewinne,
Stürz wie ein Strom von seiner Zinne;
In kurzen Sprüngen, doch voll Hast
Setz über Bruchland und Morast.
Dort übern Bach, wie Rehe frisch!
Schieß wie ein Spürhund durchs Gebüsch;
Hoch ist der Fels und tief der Platz,
Doch schrick nicht vor dem kühnen Satz;
Die Gluth hat Lipp und Stirn verletzt,
Doch ruh nicht bei der Quelle jetzt;
Herold von Kampf, Geschick und Zagen,
Du mußt ohn Aufhalt weiter jagen!
Suchst nicht der wunden Hindin Raub,
Verfolgst kein Mädchen durch das Laub,
Rennst auch nicht mit den Landsgenossen
Im Wettlauf kühn und unverdrossen.
Von Kriegsthat, Tod, Gefahr ist Quell
Dein kühner Lauf. – Schnell, Malise, schnell!

Des Hirsches Fell
Umgab nie einen Fuß so schnell.

Die Schuhe der jetzigen Hochländer sind von halb trockenem Leder bereitet, mit Höhlungen, um das Wasser ein- und auszulassen; denn trockenen Fußes durch die Moore zu gehen, davon kann nicht die Rede sein. Die alten Halb [281]stiefeln waren noch weit roher, indem sie aus ungegerbten Hirschfellen mit der rauhen Seite nach außen verfertigt waren. Von diesem Umstande erhielten die Hochländer den wohlbekannten Beinamen der Roth-Schenkel.

      Schnell wie des Kündezeichens Lauf
Steht Hütt und Dorf in Waffen auf;
[107]Der Bauer stürzt in wildem Schwung
Aus Felsenschlucht und Niederung,
Doch eilt der Bote fort und fort,
Er zeigt das Kreuz, er nennt den Ort,
Und läßt, dem Winde gleich an Schnelle,
Aufruhr und Lärm an jeder Stelle.
Vom Strande flieht des Fischers Schritt,
Zu Dolch und Schwerte greift der Schmidt.
Der Schnitter wirft, vom Schreck nicht frei,
Die Sens ins halb gemähte Heu.
Ohn einen Hirten steht die Heerde,
Der Pflug in halb gefurchter Erde;
Den Falken verstößt der Falkenier,
Der Jäger flieht das Hirschrevier;
Wohl horchend auf des Kriegsrufs Töne,
Sind schnell gewaffnet Alpines Söhne.
So störet Kriegsruf auf und Rüsten, –
Entlang den Loch-Achray – die Küsten.
O schöner See! Ach, weshalb drang
Jemals zu dir des Schreckens Klang?
Fels und Gebüsch so still, als schliefen
Sie ruhig auf des Wassers Tiefen,
[108]Es scheint der Lerche lautes Lied
Zu froh für das, was hier geschieht.

      »Schnell, Malise, schnell!« Der See ist fort,
Duncraggans Hütten kommen dort,
Halb siehst du sie schon, moosbedeckt,
Halb sind sie noch im Busch versteckt;
Dort ruhe aus! Duncraggans Lord
Trägt dann das Zeichen weiter fort.
So wie der Habicht auf den Fang,
So stürzt der Knapp in eiligem Drang.
– Was bringt der Wind für Trauerklänge?
Der Weiber Klagen, Grabgesänge!
Vorbei ist eines Jägers Spiel,
Ein tapfrer Krieger fand sein Ziel.
Wer soll fortan zu Rodrichs Seiten
Im Treffen und beim Jagen reiten? –
Dort, wo der Fackeln trüber Strahl
Erhellt den dicht verhangnen Saal,
Liegt Duncan auf dem Schaugerüst,
Und seiner Wittib Thräne fließt.
Ein rüstiger Sohn steht traurig stumm,
[109]Sein jüngster weint, weiß nicht warum
Des Dorfes Frauen um die Trage
Beginnen diese Todtenklage.

Coronach.

      Nach dem Berg ist gezogen,
            Nach dem Wald er gegangen,
      Wie die Quelle verflogen,
            Da so groß unser Bangen; –
      Die Quelle kommt wieder,
            Die Wolken sorgen,
      Nicht Freude uns nieder,
            Für Duncan kein Morgen!

Nach dem Berg ist gezogen &c.

Diese Klagelieder (coronach) der Hochländer, gleich dem Ululatus der Römer und dem Ululoo der Irländer, waren ein wilder Erguß von Wehklagen der Trauernden über den Leichnam des entseelten Freundes. Waren es articulirte Worte, drückten sie das Lob des Verstorbnen und den Verlust des Stammes durch seinen Tod aus.

      Die reifenden Aehren
            Nur rauben die Schnitter,
      Doch Mannkraft mit Zähren
            Beweinen wir bitter.
      Die Herbstwinde wüthen
            Gegen Blätter, die sterben.
      Unsre Blum war in Blüthen,
            Da ihr kam das Verderben. [110]

      Bei der Jagd so geschäftig,
            So rathend im Kummer,
      In der Fehde so kräftig,
            Wie tief ist dein Schlummer!
      Wie der Thau auf den Höhen,
            Wie im Flusse der Schimmer,
      Wie der Schaum im Entstehen
            Bist du fort, – und für immer!

      Sieh! Stuhmah, der, wie trüb im Sinn,
Blickt auf des Herren Leichnam hin,
Stuhmah, den jeder Laut des Herrn
Blitzschnell wohl sandte noch so fern,
Spitzt jetzt die Ohren aufgestört,
Als ob er fremde Tritte hört.
Kein düster Trauernder kommt an
Zur Klag um den verblichnen Mann,
Nur höchste Eil, nur Todesscheu
Treibt diesen Stürmenden herbei,
Man harrt erstaunt: – Mit einemmal
Bricht Rodrichs Knappe in den Saal,
Steht vor der Bahre dort des Leids,
[111]Und hält empor das blutige Kreuz:
»Bei Lanrick ist die Sammelstell,
Das Kreuz, Clansleute, weiter schnell!« –

      Angus, der Erb von Duncans Land,
Riß schnell das Kreuz aus Malise Hand;
Schnell band der Jüngling um die Seite
Des Vaters Dolch, sein Schwert, das breite;
Doch als er auf die Mutter achtet,
Die sprachlos bangend ihn betrachtet,
Flog er in ihre offnen Arme,
Küßt innig sie im Abschiedsharme, –
»Ach!« – seufzte sie, – »doch fort geschwind!
Und eile, du bist Duncans Kind!« –
Er blickt nochmal zum Sarg mit Sehnen,
Wischt von dem Auge fort die Thränen,
Schöpft Athem für des Busens Last,
Rückt hoch die Mütz in stolzer Hast,
Dann, wie ein feurig junger Hengst,
Wenn du zuerst ihn nicht mehr lenkst,
Verschwand er, und bringt weiter vor
Das Feuerkreuz durch Moos und Moor.
[112]Die Wittib hemmt der Thränen Macht,
So lang sie seinen Tritt bewacht,
Doch als das Mitgefühl wird reger
Im festen Aug dem Waffenträger,
Rief sie: – »O Freund! du siehst den Boten,
Der weiter trüg' dein Kreuz, als Todten.
Die Eiche fiel. – Ein Sproß allein
Muß jetzt Duncraggans Obdach sein.
Doch trau ich, übt nur seine Pflicht
Mein Sohn, verläßt auch Gott ihn nicht.
Und euch, die ihr, schon oft erprobt,
Auf Duncans Wort das Schwert erhobt,
Sei dieser Waise Schutz geboten,
Und Weib und Kind beklag' den Todten!« –
Von Waffenklang und Kriegesschalle
Erklangs dann durch die Leichenhalle,
Da alle hier mit rüstiger Hand
Schwert, Tartsche schnallten von der Wand,
Und von der Wittwe Trauerblick
Strahlt neuer Muth im Wahn zurück:
Als könnte bei dem Klang der Waffen
Sich Duncan auf vom Sarge raffen.
[113]Doch schwand geborgte Kraft geschwind,
Es siegt der Gram, die Thräne rinnt.

      Benledi sah das Kreuz von Feuer,
Wie Blitze glänzt es auf Strath-Ire.
Die Kunde flog ob Berg und Wald,
Denn nirgends machte Angus Halt,
(Sein Auge trocknet von den Lüften,
Die wehen aus der Berge Klüften,)
Bis, – wo ihn trennt in wildem Schuß
Der Teith noch jugendlicher Fluß
Von einem Waldkopf, dunkelgrün, –
Vor ihm Sankt Brides Kapell erschien.
Der Strom geschwollen, fern die Brücke,
Doch Angus schauet nicht zurücke.
Wie wirbelnd auch die schwarzen Wogen,
Wie schwindelnd auch sein Aug gezogen,
Er stürzt kühn in die Fluthen vor,
Die Rechte hält das Kreuz empor,
Die Streitaxt faßt er mit der Linken,
Um nicht im Strome umzusinken.
Er strauchelt zweimal. – Hoch der Schaum!
[114]Und wilder füllt die Fluth den Raum. –
Wärst du gefallen, – dann wärs aus –
Ohn Erben dann Duncraggans Haus!
Doch stets, als wie bei Lebens Weichen,
Faßt fester er des Kreuzes Zeichen,
Bis er den andern Strand betrat,
Und zur Kapelle schritt den Pfad.

Benledi sah das Kreuz von Feuer,
Sein Strahl erglänzet auf Strath-Ire.

Ein Blick auf die Specialcarte von Perthshire, oder schon jede größere von Schottland, wird das Fortrücken des Kreuzes durch das enge See- und Berggebiet deutlich machen. Die dichterische Freiheit hat dem Autor erlaubt, diesen Distrikt seinem selbst geschaffnen Häuptling zu unterwerfen, der übrigens in Wahrheit zur Zeit dieses Romans von einem Stamme bewohnt wurde, der sich für einen [282]Abkömmling von Alpine ausgab, einem der unglücklichsten, verfolgtesten, zugleich aber der berühmtesten, mächtigsten und tapfersten der Gaelischen Stämme.

      'S war grad ein lustiger Zug Gesellen
Den Morgen bei Sankt Brides Kapellen.
Ihr Jawort gab Maria gern
An Norman, Armandavens Herrn,
Und wallend aus dem Gothischen Bogen
Kam stolz der Brautzug angezogen.
Stolziernde Väter, würdige Frauen
Sind bunt und lustig dort zu schauen,
Und Burschen, deren Spaß und Lachen
Die Jungfraun hoch erröthen machen.
Und Kinder, unbewußt warum,
Schrein jubelnd um den Zug herum;
Und Spieler singen froh und laut
Von ihrer jungen, schönen Braut,
[115]Die mit jungfräulich zartem Bangen
Zur Erde senket Aug und Wangen.
Sie geht mit Zittern, und die Hand
Faßt ihres Schleiers weißes Band.
Der edle Bräutigam an der Seite
Blickt, kriegerstolz, auf seine Beute.
Die Mutter, der so wohl es thut,
Raunt in das Ohr ihr Trost und Muth.

      Wer trifft sie an des Kirchhofs Mauer? –
Der Bote ists von Furcht und Trauer! –
Sein Sturmeswort zeigt seine Hast,
Sein thränend Aug des Kummers Last,
Noch träufend steht er, und doch heiß,
Noch bebend und bedeckt mit Schweiß.
Er hält das Mal von Brand und Graus
Hochauf, und ruft die Worte aus:
»Bei Lanrick ist die Sammelstell,
Das Zeichen weiter, Norman schnell!« –
Und muß er tauschen schon die Hand,
Kaum seine durch ein heilig Band,
Mit diesem Kreuz voll Blut und Brand?
[116]Und muß der Tag im Rosenkleide,
Verheißend süß geheime Freude,
Vor seinem Abend noch der Braut
Den Bräutigam rauben, kaum getraut?
O böses Loos! – Er muß noch heut,
Da Alpines Häuptling ihm gebeut.
Sein Aufruf duldet kein Verweilen,
Hinweg, hinweg – er muß enteilen.

      Doch langsam legt er das Gewand,
Den Blick zur schönen Braut gewandt,
Bis ihre Thräne zu ihm spricht,
Er solle länger zögern nicht. –
Da blickt er nicht noch eins hinauf,
Springt übern Bach in hastigem Lauf,
Und blickt zurück erst, als vereint
Der Teith und Lubnaig vor ihm scheint.
Was regt sich in des Läufers Brust?
Das Schmerzgefühl verschobner Lust,
Und daß der Traum so schnell verging,
Der ihn am Morgen erst umfing.
Zugleich mit Sehnen und mit Lieben
[117]Ward er vom Durst zur That getrieben,
Von Sturm und Drang der Bergesmannen,
Eh sie zum Streit die Bogen spannen,
Von Eifer für den Stamm erglommen,
Von Hoffnung, aus dem Sieg zu kommen,
Und, wenn ihn Kriegstrophäen schmücken,
Marien an seine Brust zu drücken.
Er fliegt, von dem Gedanken trunken,
Durch Busch und Fels wie Kieselfunken,
Indem sein Vorsatz, seine Kraft
Ausbrechend diesen Sang erschafft.

Gesang.

      Heut schlaf ich wohl auf Feldes Mitte,
Das Farrenkraut wird meine Hütte,
Mein Wiegenlied sind Wächters Tritte,
      Fern ist die Lieb, und sie – Marie!

      Ach, morgen Abend mag ich liegen
Auf blutigem Kleid mit kalten Zügen,
Dein Leid als Abendlied mich wiegen,
      Süß Kind, – mich wecken nie – Marie! [118]

      Ich will nicht sehen klar und licht
Den Gram auf deinem Angesicht,
Ich denk an dein Gelübde nicht,
      Und was es mir verlieh – Marie!

      Verscheuche, Norman, süßen Gram.
Wenn feindlich auszieht Alpines Stamm,
Muß sein dein Herz wie Bogen stramm,
      Pfeilschnell der Fuß entflieh; – Marie!

      Doch mag die Zeit der Schmerzen nahn;
Dann, fall ich auf des Kampfes Bahn,
Denkt der Geliebt' im Todeswahn
      Zuletzt doch noch an sie – Marie!

      Und kehr ich aus dem Schlachtgefild,
Wie labend ist des Abends Bild,
Wie singt zur Ruh der Hänfling mild
      Die junge Braut, und mich – Marie!

Nicht schneller fährt durch Haid und Strauch
Balquidders, Nachts des Windes Hauch,
[119]Und rauscht, auf was er stößt, versengend,
Durch Abgrund und durch Thäler drängend,
In Purpur hüllend alle Höhen,
Und röthend tief hinab die Seeen,
Nicht schneller eilt er, nicht so weit
Als Kriegsruf über deine Haid.
Das Kreuz erweckt, und läßt sich rüsten
Zum Kampf Loch Voils so düstre Küsten,
Es weckt Loch Doine, und stürmt im Lauf
Bis zu dem Quell des Balcaig auf.
Dann südlich eilts mit einemmal
Hinab Strath Gartneys breites Thal,
Bis Jeder sich in Waffen rührt,
Wer nur Stamm Alpines Namen führt;
Von alten, zitternd schwachen Greisen,
Die kaum noch schwingen ihre Eisen,
Bis auf Knäblein, vor deren Bogen
Kaum scheu im Feld die Krähen flogen.
Jedwede Schlucht, ein jeder Grund
Stellt seiner Krieger kleinen Bund,
Die, Strömen gleich, vom Berge schießen,
In Hochlands Thal zusammenfließen,
[120]Vermehrend in des Sturzes Drang
Der Fluth Gewalt, des Rufes Klang,
Bis sie am Sammelplatze standen,
In Kampf und Blut erprüfte Banden.
Sie sind kriegskundig seit sie leben,
Sind pflichtig nur dem Stamm ergeben.
»Bei unserm Häuptling!« heißt ihr Eid,
Gesetz, was Roderich gebeut.

Nicht schneller fährt durch Haid und Strauch
Balquidders, Nachts des Windes Hauch.

Die Haiden des Schottischen Moorlandes werden oft in Flammen gesetzt, damit die Schafheerden, statt der alten, vertrockneten Haidepflanzen, bald frisches Grün zur Weide erhalten.

»Bei unserm Häuptling!« heißt ihr Eid.

Die tiefe Ehrfurcht der Hochländischen Stammgenossen gegen ihren Häuptling ließ dies einen gewöhnlichen und feierlichen Eid sein. In andrer Hinsicht waren sie, wie die meisten wilden Völkerschaften, ganz eigen in ihren Ideen über die verbindende Macht der Eide. Eine feierliche Art des Schwurs war, indem man den Dolch küßte, und den Tod durch diesen verlangte, im Fall des gebrochnen Gelübdes. Doch für Eide in gewöhnlicher Form sollen sie nicht viel Achtung gehabt haben.

      Früh hatte heute Rodrich Dhu
Umspäht den ganzen Benvenue,
Und Forscher ausgesandt, zu schauen
Von allen Seiten Menteith Auen.
Sie kehrten heim mit Friedensgruß:
Still liegt der Stamm der Gräme und Bruce,
Kein Ritter trabt aus Rednock vor,
Kein Banner weht auf Cardroß Thor,
Auf Duchrays Thürmen strahlt kein Feuer,
Und scheuchet vom Loch Con die Reiher.
In Frieden Alles. – Doch warum
Sieht hier sich scheu der Häuptling um,
Bevor er eilt zu Mustrungsfesten,
[121]In diesem Gränzgebiet im Westen? –
An Benv'nues dunkler Felsenwand
Ließ er ein schön, doch grausam Pfand;
Denn Douglas war, wie er versprochen,
Heut früh vom Eiland aufgebrochen,
In tief verschloßnen, fernen Gründen
Ein einsam Obdach aufzufinden.

      Wohl mancher Bard in Celtischen Zungen
Hat Coir-nan-Uriskin besungen;
Doch sanfter taufts der Sachsen Mund,
Und hieß die Höhle Koboldsschlund.
Es war die seltsam wildste Bucht,
Die je ein Flüchtling aufgesucht.
Es gähnt die Höhle aus dem Schlunde
Wie in des Kriegers Brust die Wunde.
Zur Urzeit fiel einst mit Gewalt
Felsblock auf Block in diesen Spalt,
Von Benv'nues Höh herabgestürmt,
Und schuf, durch Zufall kraus gethürmt,
In wunderbarem Schichtenwerk
Die Höhle hier im Waldesberg.
[122]Der Birk und Eiche Laub, verbunden,
Macht Zwielicht aus den Mittagsstunden,
Wenn nicht ein plötzlich kurzes Licht
Hindurch auf Stein und Klippen bricht,
Ein Glanz, wie Seher voll Entzücken
Auf deine Tiefen, Zukunft, blicken.
Kein Murmeln stört die Ruh der Stelle,
Nur leise rieselt fort die Quelle.
Doch wenn der Sturmwind tobt im See,
So klingt es gräßlich wild zur Höh,
Ein hohler Laut, der rasselnd redet:
Wie Fels und Wog sich stets befehdet.
Felsstücke, die die Höhl' umschließen,
Sie scheinen winkend sich zu grüßen.
Es laurt der Wolf auf solchem Platze,
Hier läßt die Brut die wilde Katze –
Doch Douglas sucht für kurze Zeit
Mit seinem Kind hier Sicherheit.
Der Aberglaube bannt die Menge
Von Alters her aus dieser Enge;
Dort, heißt es, sollen Nixen wohnen,
Und Geister aus dem Walde thronen,
[123]Bei Mondenschein im Nebel schweben,
Behexend kühner Lauscher Streben.

Hat Coir-nan-Uriskin besungen.

Coir-nan-Uriskin ist eine sehr steile und äußerst romantische Höhle im Berge Benvenue, hoch über dem südöstlichen Ende des Loch Katrine. Sie ist umschlossen von ungeheuren Felsen und überschattet von Birken und Eichbäumen, welche der Berg selbst dort, wo seine Felsen von aller Erde entblößt scheinen, üppig hervorschießen läßt. Eine Kluft, in so wilder Lage und bei einem Volke, dessen Geist so nah ans Romantische gränzte, blieb nicht ohne eigne Gottheiten. Der Name bedeutet: die Höhle der wilden oder zottigen Menschen. Vielleicht mag, nach Alexander Campbells Vermuthung, dies ursprünglich nur angezeigt haben, daß es der Schlupfwinkel einer wilden Räuberbande sei. Doch die Sage gibt dem Urisk, dessen Namen die Höhle trägt, eine Gestalt halb von der Ziege, halb von einem Manne entlehnt, also gleich der des Griechischen Satyr.

      Schon ruhn des Abends lange Schatten
Auf Katrines Fluth, der spiegelglatten,
Als Rodrich mit nur kleiner Schaar
Im Rückweg auf dem Benv'nue war.
Sie gehn vorbei am Koboldsschlund
Durch Be-al-nam-bos wilden Grund.
Es eilen, die sich bei ihm finden,
Das Boot vom Strande los zu binden,
Denn er muß grad durch Katrines Seeen
Zum Hohlweg von Achray zu gehen,
Und seine Schaaren dort zu sehen.
Doch bleibt (so ungewohnt dem Blick!)
Sinnend der Häuptling weit zurück.
Ein Page nur mit seinem Degen
Begleitet ihn auf diesen Wegen;
Der Rest geht durch den wilden Garten,
Um auf ihn gleich am See zu warten.
Es war ein Anblick, herrlich schön,
Sie von den nachbarlichen Höhn
[124]Beim sanften Abendstrahl zu sehn;
Daß Jeder schön, stark, muthbeseelt,
Deshalb vom Stamm ist auserwählt,
Das kann am Gang und am Vertrauen
Des Blicks man selbst von Ferne schauen.
Der Tartan wallt, es tanzt die Feder,
Die Tartsche glänzt, ein Held ist Jeder,
Der bei der Kriegesrotte stand,
Die herrlich ziert den Felsenstrand.

Durch Be-al-nam-bos wilden Grund.

Bealachnambo, oder der Paß des Hornviehes, ist eine prachtvolle Bergschlucht, überhangen von alten Birkenbäumen, ein wenig höher auf dem Berge als Coir-nan-Uriskin. Das Ganze bildet die erhabensten Scenen, welche sich die Phantasie erschaffen kann.

      Ihr Häuptling lauscht, mit Widerstreiten,
Noch immer an des Felsen Seiten,
Hartbei, wo sich die enge Fährte
Nach Douglas dunkler Höhle kehrte.
Es war den Morgen erst zuvor,
Daß Rodrich Dhu so ernstlich schwor:
Die Lieb in Kriegswuth zu versenken,
Und nicht an Ellen mehr zu denken;
Doch, wer den Strom mit Sande dämmt,
Mit Flachs die Flamme fesselnd hemmt,
Hat einen härtern Streit zu kämpfen,
Wenn er die Liebe will bekämpfen.
[125]Wie Geister beim gebannten Schatz
Weilt bis zur Nacht der Held am Platz.
Denn, ob sein Herz, von Stolz empört,
Dem Auge gleich den Abschied wehrt,
Strengt er sein Ohr doch, ängstlich bange,
Daß ihrer Stimme Laut er fange,
Und flucht im Innern jedem Hauche,
Der weckend rauscht in Laub und Strauche.
Doch horch, was mischt sich in den Sang?
Des alten Minstrels Harfe klang.
Es tönet feierlich und leise
Herüber eine heilige Weise.
Doch welche Himmelsstimme klingt?
Ein Engel oder Ellen singt.
Lobgesang auf die Jungfrau.
Ave Maria! Jungfrau milde!
      Hör auf einer Jungfrau Flehn,
Hörst ja Bitten aus der Wilde,
      Rettest, wenn wir schon vergehn.
Sicher, (ob verbannt wir stehn)
      Sind wir unter deinem Schilde.
[126]Jungfrau, hör der Jungfrau Flehn,
      Mutter, hör dein Kind mit Milde! – Ave Maria!

Ave Maria! Reine, milde!
      Wenn wir gleich nur Steine sehn,
Unter deinem Schutz und Schilde
      Werdens Kissen, weich und schön,
Und die Höhlenlüfte wehn,
      Als ob Balsam sie erfüllte;
Jungfrau, höre denn mein Flehn,
      Mutter, hör dein Kind mit Milde! – Ave Maria!

Ave Maria! Rein Gebilde!
      Böse Erdengeister gehen
Hier aus ihrem Treibgefilde,
      Wenn du nahst so herrlich schön;
Unserm Loose folgend stehn
      Froh wir unter deinem Schilde;
Hör für sich der Jungfrau Flehn,
      Hör mich für den Vater milde! – Ave Maria!

      Die Harfe schwieg, es starb das Lied. –
Ganz unbeweglich jedes Glied,
[127]Als hört' er noch, fest hingekehrt,
Stand Alpines Herr, gelehnt aufs Schwert,
Bis ihm der Sonne Scheidestrahl
Der Page zeigt zum zweitenmal.
Er schlang den Mantel um die Brust:
»Zum letzten, letztenmal, o Lust!«
Er ruft es dreimal – »hörte dann
Die Engelstimme Rodrich an!« –
Ein spornender Gedank! – Er schritt
Den Berg hinab in Sturmes-Tritt.
Geschwinde sprang er in den Kahn,
Der schnell durchschnitt die Fluthenbahn.
Dort landen sie am Silberbord,
Und eilen östlich weiter fort,
Bis, bei der Sonne letztem Leuchten,
Sie Alle Lanricks Höhn erreichten,
Wo unten in dem Thal vor ihnen
Die Krieger, Alpines Stamm, erschienen.

      Sie bieten ein Gemälde bunt;
Der saß, der stand, der lag am Grund;
Die Meisten aber, fest verhüllt
[128]Im Mantel, schliefen im Gefild,
Dem Auge kaum vom Kraut der Haiden,
In dem sie ruhn, zu unterscheiden,
So wohl barg sich die Schürze zwischen
Dem Haidekraut und grünen Büschen;
Auch flimmert hie und dort ein Strahl
Von eines Schwerts geschliffnem Stahl,
Wie ein Glühwurm im dunklen Thal.
Doch als sie durch das Dunkel sahn
Des Häuptlings Adlerfeder nahn,
Schallt ihr Willkommen! gellend weit,
Erschütternd selbst die Bergesseit.
Dreimal brachs aus, und dreimal hallt
Der Kriegsruf her von See und Wald.
Er starb erst in Bochastles Thal
Und Stille herrscht dann überall.



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