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[219]Die
Jungfrau vom See.


Sechster Gesang.
[220] [221]Die Wachtstube.


D urch Nebeldampf der Stadt in neuem Glanze
Strahlt auf die Sonne für den frischen Lauf,
Sie weckt zu Müh und Arbeit für das Ganze,
(Uns sündiger Menschen Erb) den Schlucker auf;
Sie holt den Schwärmer von dem langen Tanze,
Sie schreckt den Räuber zur verborgnen Fährte,
Vergüldet auf dem Thurm des Wächters Lanze,
Mahnt, daß vom Schreibtisch weiche der Gelehrte,
Damit der süße Schlaf die matten Augen nährte.

      Welch mannigfaltig Bild, welch Bild zum Trauern
Erblickt als Zeuge jetzt ihr rothes Licht!
Der Sieche sieht in Hospitales Mauern
Wies mählig längs den Krankenbetten bricht,
[222]Und die Verführte faßts mit mächtigen Schauern,
Der Schuldner denkt an Kerkers Pein und zagt,
Die Liebeskranke starrt aus düsterm Lauern,
Die Mutter wiegt, schon wachend, als es tagt,
Das kranke Kind, und küßt und stillt es, wenn es klagt.

      Früh tönt von Stirlings Thürmen her
Soldatentritt und Klang der Wehr;
Es zeigt der Trommeln lang Getöse
Der Schildwach, daß man sie erlöse.
Durch enge Luken dringt der Schein
Der Sonne zu der Wache ein,
Und kämpfend mit dem Dunst im Zimmer,
Erstirbt der Fackel matter Schimmer.
In trauriger Verbindung zogen
Die Strahlen durch die schwarzen Bogen,
Und zeigen wilde Kriegsgefährten,
Entstellt mit Narben und mit Bärten,
Wüst von durchwachter Nacht und Lärmen,
Halb fieberkrank vom wilden Schwärmen.
Von Resten und vom Weine schwamm
Der Tisch, von festem Eichenstamm,
[223]Und umgeworfne leere Becher
Verrathen nächtige Lust der Zecher.
Die schnarchen müd auf Flur und Banken,
Der stillt den Durst noch in Getränken,
Der wärmt, vom Wachen starr, die Hand
An des Kamines Kohlenbrand,
Indem bei jedem Schritte schallt
Der Harnisch, den sie umgeschnallt.

      Dies Völkchen kriegt nicht wie Vasallen,
Nach ihres Lehnsherrn Wohlgefallen,
Auch hat der Schaaren Hauptmann nicht
Des Häuptlings väterliche Pflicht.
Es sind verlaufne Abentheuer,
Sie leben nur vom Kriegesfeuer.
Der Italiener blickt voll Hohn,
Dort Spaniens dunkelbrauner Sohn;
Der freie Bergmann aus der Schweiz
Sieht hier im Bergland neuen Reiz;
Flammländer fluchen dem Gefild,
Das nicht des Bauern Müh vergilt.
Franzosen, Deutsche gibts darunter,
[224]Engländsche Flüchtige kamen munter,
Um, wies den Stolz auch kränkt, den Sold
Zu nehmen, welchen Schottland zollt.
Ein jeder tapfer und bewährt
Im Kampf mit Hellebard und Schwert,
Verwegen, kühn im Schlachtgefild,
Im Plündern ausgelassen wild,
Und jetzt in Fest- und Feierzeit
Von jeder Kriegszucht Zwang befreit.

Dies Völkchen kriegt nicht wie Vasallen &c.

Die Schottischen Heere bestanden, wie Alle im Mittelalter, vorzüglich aus dem Adel und dessen Vasallen, welche für das zum Lehn empfangene Land Kriegsdienste thun mußten. Der patriarchalische Einfluß der Stammhäuptlinge im Hochlande und an den Gränzen auf ihre Stämme war verschiedener Art, doch oft mit dem des Lehnsherren auf seine Vasallen von gleicher Wirkung. James V. (Jakob) scheint zuerst eine kleine Anzahl besoldeter Truppen als Leibgarde, unter dem Namen der Fußleute, gehalten zu haben.

      Es war von jener blutigen Fehde
Bei Katrine und Achray die Rede.
Oft im Gespräche, muthentbrannt,
Griff nach dem Schwerte ihre Hand;
Auch sank ihr lauter Ton nicht wieder
Zur Schonung ihrer wunden Brüder,
Die nahbei liegen, tief im Blut,
Verstümmelt durch der Schotten Wuth.
Obgleich im Wachezimmer man
Ihr Schrein und Beten hören kann; –
Wohl schlecht verträgt Gebet bei Schmerzen
Mit solchen Flüchen sich und Scherzen.
[225]Zuletzt sprang auf Johann von Brent,
Ein Freisaß von dem Strand der Trent,
Fremd jeder Furcht schon von Natur,
Im Frieden stets auf Wildes Spur,
Im Heer ein Aufruhrstifter nur,
Doch stets der Kühnste von der Schaar
Bei allen Thaten, wo Gefahr.
Er klagt, daß nun der Lust ein Ziel
Gesetzt, und stört der Würfler Spiel,
Laut rief er: »Eine frische Bowl!
Ich sing ein lustig Lied euch wohl,
Und ihr stimmt ein dann unverdrossen,
Wies ziemt den Spieß- und Schwertgenossen.«


Soldatensang.

Der Pastor, der predigt, daß Paulus und Peter
      Geschrieen aufs Fläschchen ein schreckliches Zeter,
Daß drinnen Verzweiflung und Elend geheckt,
Und alle sieben Sünden im Fläschchen voll Sect;
Doch stürze nur, Barnabas, aus deinen Wein,
Und laß einen Narren den Pastor sein! [226]

Der Pastor, der meint: 'S wär Verdammung zu nippen
      Vom Kuß auf des Mädchens schön röthlichen Lippen,
Sagt, Belzebub laure im Tuche voll Tücke,
      Apollyon schieß Pfeile vom schwärzlichen Blicke.
Doch küß, Hans, dein röthendes Julchen nur fein,
Und laß einen Narren den Pastor sein!

Der Pastor, der predigts – warum sollt' ers auch nicht?
      Sich zu kümmern um Schürze und Topf ist ihm Pflicht,
Sein Amt ist: belauern die Layen, die Frechen,
      Auf daß nicht ins Gut sie der Kirche einbrechen.
Doch lustig, ihr Jungen, küßt, trinkt euren Wein,
Und laßt einen Narren den Pastor sein!


      Des Wächters Ruf von außen macht
Mit einmal stumm die ganze Wacht,
Ein Krieger trat herein zur Thür: –
»Bertram von Gent ist eben hier,
Und (schlagt vor Freude gleich ein Rädchen,)
[227]Mit ihm ein Minstrel und ein Mädchen!«
Bertram, ein Flaming, narbenreich,
Trat ein jetzt, und mit ihm zugleich
Ein Harfner, und tief eingehüllt
In ihrem Plaid, ein Frauenbild.
Doch flog das Mädchen, wie verrathen,
Zurück beim Anblick der Soldaten.
»Was Neues?« scholls. – »Nur dies weiß ich:
Man focht bis Abend mörderlich
Mit Feinden, die so wild und zäh
Als ihre väterliche Höh.
Es floß viel Blut von beider Heere,
Ohn daß der Sieg entschieden wäre.«
– »Doch die Gefangnen, woher die?
Ein Fang wie der, lohnt schon die Müh.
Du bist zu alt, der Krieg zu scharf,
Du hast jetzt Freudendirn und Harf,
Kauf einen Affen, und im Lande
Zieh 'rum mit einer Gauklerbande.«

Du hast jetzt Freudendirn und Harf &c.

Die Gaukler, oder Jongleurs, hatten alle nur mögliche Helfershelfer, um ihre Vorstellungen so anlockend wie mög [296]lich zu machen. Ein Freudenmädchen war unentbehrlich. Diese Mädchen mußten sich ringeln, drehn und tanzen. In Schottland scheinen die armen Wesen bis auf die letzte Zeit Leibeigne ihres Herrn gewesen zu sein. Auch die komischen Eigenschaften des Affen verschafften ihm einen angesehenen Stand unter solcher Gauklerbande.

      »Nein, Freund! – Ich habe dran kein Recht.
Es kam zu uns nach dem Gefecht
[228]Der Harfner und dies Mädchen dort;
Sie sprachen mit Graf Mar ein Wort,
Und der befahl mir, ohne Weilen
Zu Roß mit ihnen herzueilen.
Verbergt die rohe Lust und Lärmen,
Denn Keiner soll sie weiter härmen.«
– »Hört ihr den Prahlhans,« rief Johann,
Zum Zank ein stets bereiter Mann, –
»Er schießt das Reh an unserm Haus,
Und sieht doch scheel, der Knicker, aus,
Soll er Bußgeld dem Förster reichen!
Ich will mein Theil, und will nicht weichen
Dem Moray, Mar, noch deinesgleichen.« –
Bertram hält seinen Sturm zurück;
Und, glühend mit dem Racheblick,
Greift Allan selbst, so schwach und alt,
Nach seinem Messer mit Gewalt.
Doch Ellen trat dazwischen kühn,
Und warf den Mantel plötzlich hin.
So strahlt aus Frühgewölk die Sonne
Des Mais durch Thau in lichter Wonne.
[229]Die wilde Kriegsschaar selber blickt
Auf diesen Engel, still entzückt,
Und Brent sogar, still wie gelähmt,
Stand halb bewundernd, halb beschämt.

      Kühn sprach sie: »Krieger, laßt euch rathen,
Freund war mein Vater den Soldaten,
Feldherr im Marsche, Freund im Zelt,
Und ließ sein Blut in gleichem Feld.
Die Tochter des Verbannten kann
Nicht kränken je ein tapfrer Mann.« –
Brent, der auf bös und guten Wegen
Der Erste stets, spricht ihr entgegen:
»Scham dem, was ich that, leicht gesinnt!
Du Arme, 'nes Verbannten Kind?
Auch ich durch Forstgesetz verbannt;
Ach, Needwood ist der Grund bekannt;
Arm Röschen, wenn sie lebt noch mir,
(Er wischt die Eisenstirn,) muß schier
Von gleichem Alter sein mit dir. –
Habt, Brüder, wohl nun auf mich Acht,
[230]Ich ruf den Hauptmann in die Wacht:
Mein Speer liegt auf dem Boden jetzt,
Und wessen Fuß darüber setzt,
Um mit dem Mädchen frech zu scherzen,
Dem zückt der Schaft in seinem Herzen! –
Laßt auch der losen Reden Muth:
Ihr kennt den John von Brent. Nun gut.« –

      Der schöne junge Hauptmann kam,
(Er war aus Tullibardins Stamm,)
Er trug den Rittersporn noch nicht,
Leicht war und fröhlich sein Gesicht,
Und kühn die Rede, frei sein Wesen,
Wie lang er auch am Hof gewesen.
Das hochgeborne Mädchen schrickt,
Wie er so seltsam forschend blickt
Mit sicherm Aug; – und dennoch war
Ludwig ein edler Mann fürwahr;
Doch Ellens lieblich Angesicht,
Dem die Umgebung nicht entspricht,
Kann leicht Vermuthungen erregen,
Und wohl die Phantasie bewegen.
[231]– »Willkommen, Kind, in Stirlings Grün!
Suchst du dir einen Paladin,
Auf Zeltern und mit Harfnern heut,
Wie Frauen aus der Fabelzeit?
Heischt Ritter grade dein Vergnügen,
Kann auch vielleicht ein Knappe gnügen?« –
Ihr Auge glüht, sie seufzt und schweigt: –
»Ich stolz noch, kaum so tief gebeugt!
Durch Roth und Scham bin ich geschritten,
Um Vaters Leben zu erbitten,
Ich fleh den König um Gehör;
Nimm diesen Ring hier als Gewähr.
Einst hat als Pfand des Dankes ihn
Der König an Fitz-James verliehn.« –

      Mit tiefer Ehrfurcht Blick empfing
Der junge Ludwig diesen Ring.
Er sprach: »Der Ring führt mich zur Pflicht,
Vergib, wenn deinem Werth ich nicht,
Da er in Dunkel sich verhüllte,
Fräulein, was ihm gebührt, erfüllte.
Sobald sich öffnet seine Thür,
[232]Erfährt der König, daß du hier.
Ruh denn, bis er erwacht am Morgen,
An einem bessern Ort geborgen.
Dort sollen Weiber deinen Willen,
Wie du nur irgend wünschst, erfüllen.
Ich bin zu führen dich bereit.« –
Doch eh sie folgt, ganz Freundlichkeit,
Und mit der Douglas Offenheit,
Theilt sie die kleine Börse aus
Den Kriegern in dem Wachehaus.
Ein jeder nahm mit Dank den Lohn,
Nur Brent, erschreckt und fast mit Hohn,
Zwang, trotz des Mädchens Widerstand,
Das Gold zurück in ihre Hand: –
»Vergib dem Englisch trotzigen Herz,
Vergiß auch seinen rohen Scherz!
Die leere Börse sei mein Gut,
Ich trage sie auf meinem Hut,
Da, wo in Kriegsgefahr vielleicht
Ein höhrer Helmbusch rückwärts scheucht.« –
Es dankt – mehr kann sie nicht – die Maid
Des Kriegers roher Höflichkeit. [233]

      Als Ellen mit Sir Ludwig fort,
Sprach Allan zu Johann dies Wort: –
»O laßt mich, da mein Fräulein fern,
Jetzt wiedersehen meinen Herrn!
Der Sänger theilt des Herren Loos
Von früh bis in der Erde Schooß.
Von zehn, – seit meine Väter feiern
Dies edle Haus mit ihren Leiern, –
War keiner, der sein eigen Leben
Nicht gern für ihres hingegeben.
Mit der Geburt des Herrn beginnt
Die Sorg! Wir singen ihm als Kind,
Erzählen Schlachten, und besingen
In Feld und Jagd sein erst Vollbringen;
Geehrt sind wir in Krieg und Frieden,
Sind stets beim Lustigen und beim Müden,
Und scheiden erst, wenn unsre Sänge,
O Schmerz, ihm werden Todtenklänge.
Zu dem Gefangnen ruft die Pflicht,
Verweigre mir die Bitte nicht!« –
Im Süden,« sprach Johann, »macht wenig
Die Abstammung uns unterthänig.
[234]Wir wissen nicht, wie Nam und Schall
Den Stammgenoß macht zum Vasall.
Doch war mein Herr gut und gerecht –
Gott segne Beaudeserts Geschlecht! –
Und hätt ich statt des Waldes Thier
Mehr nur geliebt den fleißigen Stier,
Ich wäre nicht geächtet hier.
Komm, alter Sänger, wollen gehn,
Sollst deinen Häuptling wiedersehn.« –

      Dann nahm er von dem Eisenhalt
Ein Bund von Schlüsseln, schwer und alt,
Und führt bei einer Fackel Schein
Allan durch düstrer Gänge Reihn.
Gefangne seufzen, Ketten klirren,
In Hallen, die sie hier durchirren.
Durch feuchte Grüfte führt ihr Pfad,
Gefüllt mit Beil und Schwert und Rad,
Und manchem Werkzeug voller Schrecken,
Zum Gliederquetschen und verrecken,
Doch unbenannt von dem Erfinder,
Weil er sich schämte seiner Kinder.
[235]Als man ein niedrig Thor erreichte,
Gab Brent an Allan seine Leuchte,
Indeß er Kett und Riegel schob,
Und aus dem Griff die Stange hob.
Sie traten ein. – Ein dunkler Schimmer
Ist in dem fest verschloßnen Zimmer,
Doch ists kein Kerker, denn es bricht
Durch luftig Gitterwerk das Licht,
Und manches alten Schmuckes Spur
Verzieret Wald und eichnen Flur,
Grad so, wie sichs vor Alter schickte,
Daß man die Haft der Edlen schmückte.
»Du magst,« sprach Brent, »bei ihm verweilen,
Bis daß der Arzt kommt, ihn zu heilen.
›Er soll sich oft,‹ so sagt die Wache,
›Bemühn um des Gefangnen Sache.‹« –
Er ging und schob den Riegel wieder,
Und seine Schlösser klirrten nieder.
Schwach hebt, erweckt vom Schall der Kette,
Sich ein Gefangner auf im Bette.
Der Sänger blickt erstaunt herzu, –
Sieht nicht den Herrn, – sieht Rodrich Dhu!
[236]Da Allan kam von Alpine fern,
Hielt Rodrich man für seinen Herrn.

      So wie ein Schiff, deß mächtiger Kiel
Nicht mehr durchsticht der Fluthen Spiel,
Verlassen von der Schiffer Bande,
Gescheitert liegt am öden Strande –
So lag auch Rodrich krank darnieder,
Und warf nur fiebrisch oft die Glieder;
So abgebrochen wie ans Schiff,
Das halb im Wasser, halb am Riff,
Die Fluthen rastlos tobend schlagen,
Und doch es nicht vom Flecke tragen.
Wie stattlich schwamm das Schiff zur See,
Wie frei schritt er auf Thal und Höh! –
Sobald vors Aug ihm Allan kam: –
»Was macht dein Fräulein, was mein Stamm?
Die Mutter, Douglas? – Sag, ob Alle
Verdorben sind mit meinem Falle?
Ach, und weshalb bist du bei mir!
Sprich kühn und fürchte dich nicht hier.« –
(Denn Allan, dem sein Grimm bekannt,
[237]Hat sich erschrocken umgewandt.)
»Wer floh? – Kurz, Alter, wies geschah, –
Sie mochtens, da ihr Haupt nicht da. –
Wer starb, – lebt noch ein feig Gezücht?«
– »O sorge,« rief der Sänger, »nicht,
Noch wohl ist Ellen.« – »Dank dafür!«
– »Und Hoffnung ist für Douglas hier.
Auch Margaret ist wohl und heil,
Und, Herr, dein Stamm, – zu keiner Weil
Erzählte eines Harfners Sang
Von solchem kühnen Kampf und Drang.
Und, obgleich mancher Zweig durchstochen,
Dein Fichtenbaum ist ungebrochen.« –

      Der Häuptling streckt sich hoch hinüber,
In seinem Auge glüht das Fieber,
Doch werden Stirne ihm und Wangen
Von Geisterblässe bald umfangen:
»Halt, Sänger, einst hört ich voll Feuer
Dich spielen bei des Tages Feier
Am Eiland, (wo jetzt nie mehr rauscht
Die Harfe, noch der Krieger lauscht!) –
[238]Die hohe Weis', die preisend sang,
Wie ich des Dermid Stamm bezwang.
Die spiel – und male (wie dein Geist
Frei dichtend Alles mit sich reißt,)
Des großen Treffens Bildniß dann,
Das Alpine und der Sachs begann.
Ich lausche, bis des Geistes Kraft
Sich Speer und Schwerterklang erschafft;
Dann wird aus Mauern und aus Gittern
Das Schlachtfeld, wo die Lanzen splittern,
Mein freier Geist stürzt dann hinaus,
Als schwebt' er selbst im Kampfgebraus.« –
Der Barde leget auf die Saiten
Voll Scheu die Hand, sich zu bereiten.
Doch bald erweckt, was er gesehn
Als Zeuge von des Berges Höhn,
Mit dem, was Bertram als geschehn
Erzählte, seinen reichen Sang,
Der nun in Fülle stürzt entlang.
Gleich wie ein Kahn, vom Bord gelöst,
Erst langsam scheu vom Strande stößt,
[239]Doch dann, wenn er im Strome ist,
Mit Blitzesschnelle vorwärts schießt.


Kampf von Beal' an Duine.
      Noch einmal muß der Sänger blicken
Im Ost des Benv'nue Bergesrücken,
Um, eh er scheidet vom Achray,
Zu grüßen noch den theuren See. –
Wo findet er in fremdem Land
Solch stillen See, solch süßen Strand! –

Kampf von Beal' an Duine.

Ein merkwürdiges Gefecht hat wirklich in diesem, in den Trosachs belegenen Passe, jedoch in weit späterer Zeit, statt gefunden.

»In diesem rauhen, waldigen Eilande (dem im Gedichte vorkommenden) verbarg das Landvolk Weiber und Kinder und die besten Habseligkeiten vor der Raubgier der Cromwellschen Soldaten, während des Einbruchs in Schottland, zur Zeit der Republik. Diese Plünderer, indem sie nicht wagten, durch Leitern an der Seeseite hinaufzusteigen, nahmen einen größern Umweg mitten durch die Trosachs, einem zu jener Zeit sehr besuchten Wege &c.

In einem der Hohlwege dieser Nebenstraße lagen die Landleute auf den Felsenspitzen, welche den Weg beherrschen, und schossen einen von Cromwells Leuten nieder, dessen Grab noch jetzt den Ort, wo das Gefecht sich zutrug, bezeichnet, und den Namen jenem Passe gegeben hat. Um sich zu rächen, beschlossen die Soldaten, das Eiland zu [297]plündern, die Weiber zu schänden und die Kinder zu tödten. Zu diesem Vorhaben schwamm einer von ihnen nach dem Eiland zu, um seinen Cameraden das Boot zu holen, welches die Weiber nach ihrem Schutzort gebracht hatten, und jetzt im Schilf verborgen lag. Seine Genossen erwarteten vom festen Lande aus mit Angst seine Rückkehr. Aber grade als der Schwimmer dicht an das Eiland herangekommen war, und an einen schwarzen Felsen sich anklammerte, um sich hinaufzuschwingen, sprang eine Heldin, welche grade dort verborgen stand, hervor, riß einen Dolch heraus und schnitt mit einem Streiche den Kopf vom Rumpfe ab. Als die Soldaten dies Mißgeschick sahen, gaben sie alle Hoffnung auf, und eilten, was sie konnten, um aus dieser gefährlichen Lage herauszukommen. Der Großenkel dieser Amazone, Helene Stuart geheißen, lebt zu Bridge of Turk, und bezeugt nebst vielen Andern diesen Vorfall.«

Kein Säuseln in den Büschen war,
      Und auf dem See kein Hauch,
Auf seinem Neste nickt der Aar,
      Das Wild liegt tief im Strauch.
Die Vögel singen jetzt nicht mehr,
      Still lieget die Forelle –
Weil eine Donnerwolke naht
Hoch auf Benledis Felsenpfad;
      Ihr Saum ist purpurhelle. –
[240]Ist dies des Donners ernster Schall,
      Der tief und gräßlich tönt,
Ists aus dem Grund der Wiederhall,
      Wenn Kriegerschritt erdröhnt? –
Ist dies der Blitze schneller Glanz,
      Der schießet aus dem Dunkeln,
Ists, daß von Schild und Schwert und Lanz
      Der Sonne Strahlen funkeln? –
Ich seh den Federbusch von Mar,
Den Silberstern von Morays Schaar,
      Hoch ob der Wolke jener Sachsen,
      Die drüben fern am Seee wachsen!
Der Held, der nur dem Kampf ergeben,
      Der Kriegesbarde, traun!
Sie gäben zehn Jahr friedlich Leben,
      Einmal den Glanz zu schaun!


Die Schützen springen fern und nah
      Durch Grund und Hinterhalt,
Mit Speeren steht das Fußvolk da,
      Ein düstrer Lanzenwald.
[241]      Der Nachtrab dieses Treffens war
      Der alten Reiter bärtige Schaar.
Clarin und Cymbel still, es schwirren
      Nicht Pfeif und Trommelklänge,
Nur schwere Tritte, Waffen klirren,
      Sonst stumm ists im Gedränge.
In ihren Federn rauscht kein Wind,
      Die Fahnen regt kein Hauch.
Kaum über ihnen regts gelind
      Der Espe Laub und Strauch.
Der Vortrab bringet keine Kunde,
      Späht nicht verborgnen Feind,
Noch sonst ein Wesen wo im Grunde,
      Wenn nicht ein Reh erscheint.
Das Heer wälzt sich, wie Meereswellen,
Die keine Felsen mehr zerschellen,
      Langsam und dicht vereint.
Nachdem der See umgangen, nahn
Sie jener engen Thalesbahn,
Die sich vor Trosachs Gründen schloß,
Und hier hält Lanzenknecht und Roß,
[242]Damit, die Wildniß zu erspähn,
Voran die Bogenschützen gehn.

      Geschrei hob sich mit einemmal,
So wild im finster engen Thal,
Als ob das Feldgeschrei der Hölle
Aus aller Teufel Mund erschölle.
Es fliehn zurück in wilder Scheu,
Wie vor des Himmels Sturm die Spreu,
      Die Bogenschützen drauf:
»Flieht, flieht! das Leben Leben gilt.« –
Angstschrei und Schlachtruf mischt sich wild.
Hoch wehen Mützen und Gewänder,
Es flammen breiter Schwerter Ränder,
      Und Wahnsinn herrscht im Lauf.
Man stürmt heran in wilder Wuth,
      Bedrängte und Bedränger;
Wie hält vor dieser Treibjagd Fluth,
Im festen Platze voller Muth,
      Der Lanzenwald sich länger?
– »Speer nieder,« hört Graf Mar man schrein,
      »Treibt Freund und Feind zurück!«
[243]Wie vor dem Sturm des Schilfes Reihn,
So stürzt der dichte Lanzen-Hain
      Hinab im Augenblick.
Und Mann an Mann, dicht angeschlossen,
Starrn mit den Speeren die Genossen. –
– »Dies wilde Bergvolk treiben wir,
      Wie sie das Forstwild jagen!
Sie kommen wild, wies Waldes Thier,
Und sollen zurück mit Zagen.« –

      Indem im Lauf er vor sich trieb
Wer von den Schützen übrig blieb,
Gleich bunt mit Schaum bedeckter Welle,
Stürzt vorwärts Alpines Stamm mit Schnelle;
Und aus der Fluth zückt hell der Stahl
Des Breitschwerts, wie des Lichtes Strahl,
      Tief unten bleibt der Schild.
Sie stürmen wie des Weltmeers Fluth,
Getrieben von der Stürme Wuth,
      Auf ihren Feind so wild.
Ich hörte wohl der Lanzen Splittern,
Wie, sturmgebrochen, Eschen zittern,
[244]Ich hörte, wie das Breitschwert tönte,
Als ob ein Amboß graus erdröhnte.
Doch Moray hieß den Nachtrab reiten,
Die Ritter, in Stamm Alpines Seiten: –
      »Jetzt, Ritter, dringet ein!
Schon seh ich wanken einen Theil,
Vorwärts für eurer Schönen Heil,
      Mit euren Lanzen drein!« –
Man sah ins Volk die Reiter springen,
      Wies Wild durch Dickicht bricht,
Die Rosse bäumen, Schwerter klingen,
      Bald wird es um sie Licht.
Stamm Alpines Beste weichen schon;
      Wo, wo ist Rodrichs Schwert?
Von Rodrichs Horn ein einziger Ton
      Ist tausend Männer werth.
Jetzt stürzt der Kampfstrom umgekehrt
      Zurück zur hohlen Felsenwand;
Der Sachsen Lanzenwald verschwand,
      Es schwand das Bergesschwert.
Wie Bracklines steiler, schwarzer Grund
Empfängt die Fluth von oben,
[245]Und wie der Erde tiefer Schlund
      Einsaugt des Strudels Toben –
So ward vom tiefen, schwarzen Passe
Verschlungen diese Kampfes-Masse.
Im Thale bleibt von Freund und Feind
Nur wer im Kampf nie mehr erscheint.

      Jetzt wälzet westwärts sich die Schlacht
Nach Katrines tiefer Berges-Schacht.
– Fort Sänger, denn das Schicksal schafft
Jetzt mächtig; und des Ausgangs Kraft
Harrt, wo sich Trosachs rauh Gefilde
Gen Katrines Eiland öffnet milde. –
Ich schreite über Benv'nues Höh
Und vor mir lieget Katrines See.

Die Sonne sinkt, die Wolke winkt,
      Es gibt der trübe Blick
Aus Himmelsau ein dunkel Blau
      Dem tiefen See zurück.

Aus Bergesklüften weht der Wind
Den See, und lässet dann geschwind;
[246]Ich merkte nicht des Wassers Wogen,
Nach Trosach war mein Blick gezogen,
Mein Ohr hört nur die Tön' mit Zittern,
Die, gleich Erdbeben, furchtbar schüttern
Und künden, wie die Schlacht gekämpft,
Die jetzt nur die Vernichtung dämpft.
Dem Barden scheint ihr dumpfer Klang
Wohl mancher Seele Todtensang.
Es naht. – Der Hohlweg speiet aus
Der Kriegerfluthen wild Gebraus,
      Doch nicht vermischt wie dort;
Des Nordens schönes Heer, dein Stamm,
Steht auf der Berge höchstem Kamm,
      Und droht von seinem Bord,
Indem am Seee unter ihnen
Der Sachsen dunkle Speere schienen.
Ermüdet blicket jede Schaar,
Wie fest der Feinde Standpunkt war;
Zerrißne Banner wehn geschwinde
Wie Segelfetzen in dem Winde,
Zerbrochne Waffen hier und dort
Sind Zeugen wohl von Schlacht und Mord.
[247]Erstaunet blickt der Sachsen Heer
Zum hohen Bergesrücken her,
Bis Moray zeigte mit dem Speer
      Und ausrief: – »Seht das Eiland!
Kein Wächter blieb an seinem Strand,
Nur Weiber ringen dort die Hand.
Dort häuft seit Jahren jene Band'
      Was sie uns raubten weiland; –
Mein Beutel, voller Gold, – bestimmt
Dem, der schußweit hinüber schwimmt,
Und einen Kahn vom Strande nimmt! –
Leicht mögen wir den Kriegswolf zähmen,
Wenn wir ihm Brut und Höhle nehmen.« –
Da – Einer aus der Krieger Glieder –
Sprang vor, warf Helm und Harnisch nieder,
      Und stürzt sich in die Fluth. –
Der Absicht kundig, sahens Alle,
Und von des Benv'nue Wiederhalle
      Schallt aller Stimmen Wuth.
Der Sachs spornt seinen Freund zum Wagen,
Hülflos hört man die Frauen zagen,
Und rasend dort die Schotten klagen,
[248]Da stürzen, wie vom Schrei gespalten,
Die Wolken nieder ungehalten.
See Katrine regt ein Wirbelsturm,
Die Wette hebt sich Thurm auf Thurm,
Sie thürmt sich zu des Schwimmers Glück,
Weil sie verwirrt der Schotten Blick,
Denn um ihn rauschts von Regengüssen
Und Pfeilen aus der Gaelen Schüssen.
Umsonst. – Er naht der Insel Strand,
Schon faßt den Nachen seine Hand.
– Da zuckt ein schneller Blitz, und helle
Ward von der Flamme Strand und Welle;
Ich sah, wie hinterm Eichbaum stand
Duncraggans Wittwe, ernst gespannt,
Und einen Dolch in ihrer Hand. –
Es dunkelt, – doch in wilden Tönen
Der Fluth hört ich ein Todesstöhnen. –
Ein andrer Blitz. – Es schwimmet todt
Des Kriegers Leichnam um das Boot,
Und über ihm hält ernst am Strand
Den blutigen Dolch der Wittwe Hand.
[249]      »O rächet, rächt!« – Die Sachsen toben,
Die Gaelen schreien jubelnd droben,
Und, trotz der Elemente Macht,
Erneuen sie mit Wuth die Schlacht.
Doch kommt, eh neues Blut vergossen,
Ein Ritter athemlos geschossen,
Springt ab, und läßt von Klippenhöhn
Ein weißes Tuch hernieder wehn,
Trompeten und Clarinen schallen
Weithin ein Friedenszeichen Allen,
Indeß ein Herold Königs Willen
Verkündet: »Gleich den Kampf zu stillen,
Denn Rodrich wär und Bothwells Lord
Gefangen bei dem König dort.« –
Hier mußte schnell der Sänger enden,
Die Harfe fiel aus seinen Händen! –
Oft hatte, Kunde einzuholen,
Auf Rodrich er geblickt verstohlen:
Und sich, wie mit den Fingern leise
Der Kranke folgte seiner Weise;
Dies hörte auf, denn Schmerz umzieht
[250]Den Blick beim Wechsel in dem Lied,
Bis endlich, was der Sänger singt,
An seinem tauben Ohr verklingt;
Sein Aug wird stier, die Hand geballt,
Als drück' ihn Todes Allgewalt
Die Zähne zu, das Auge läßt
Vom leeren Raum nicht, den es fäßt;
So hauchet klaglos und in Ruh
Den letzten Athem Rodrich Dhu! –
Starr schaut ihn Allan, als sein Geist
Sich still und ernst der Hüll entreißt,
Doch als sein Leben nun entflohn,
Schallt seines Klageliedes Ton:


Klagelied.

Und liegst du hier, und liegst du kalt,
Der Feinde Furcht, der Deinen Halt,
Breadalbanes Zier, Stamm Alpines Wald,
Und schallet dir kein Todtenklang? –
Dir, der geliebt des Barden Sang,
[251]Der Bothwells Haus geschützt so lang,
Dem Schirm der Douglas in der Acht,
Sei Klaglied selbst in Kerkers Nacht,
Der Fichte Alpines dargebracht! –

Welch Seufzen schallt aus jenen Gründen,
Welch Kummerschrei aus Berg und Schlünden,
Wie werden Thränen sich entzünden?
Wenn dein Geschlecht klagt deinen Tod,
Daß du gefallen in der Noth,
Gesunken vor dem Abendroth!
Wer hätte aus des Stammes Macht
Nicht gern sein Leben ohn Bedacht
Dir, Alpines Fichte, dargebracht? –

Dein Loos auf Erden war Bedrängniß! –
Die Drossel selbst bricht durchs Gefängniß,
Der Aar stirbt rasend in der Engniß.
Verschmähe, Geist, nicht meinen Sang,
Selbst sie, wenn wieder tönt sein Klang,
Die du umsonst geliebt so lang,
[252]Soll einen ihrer Stimme Macht,
Und klagen, wenn die Thräne wacht,
Daß Alpines Fichte nicht mehr ragt.

      Indessen weilt beklommen Ellen
Allein in ihren prächtigen Zellen,
Wo durch die bunten Scheiben bricht
In lustigem Spiel das neue Licht;
Umsonst fällt dies aufs goldne Dach,
Beleuchtet schöne Wände schwach,
Die Diener stehn umsonst im Saal,
Umsonst das reiche Morgenmahl,
Kaum flog ein einziger Blick von ihr
Nach der Umgebung Lust und Zier;
Und blickt sie hin, ists um zu sagen,
Wie besser damals war das Tagen
Am Eiland, wo die Ruhestelle
Umwehten brauner Hirsche Felle,
Da wo sie selbst oft, einfach, schmal,
Dem Vater bot das Morgenmahl,
Indeß Lufra, fest angeschmiegt,
Voll Stolz an ihrer Seite liegt,
[253]Und von der Waidlust fortgetragen,
Douglas mit Malcolm sprach vom Jagen,
Deß Antwort dann, in welch Gebiet
Sein Sinnen schweife, oft verrieth. –
Wer solche Freuden kannte, lernt
Den Werth erst, wenn sie längst entfernt.
Doch plötzlich hebt das Haupt sie auf,
Und gehet still zum Fenster drauf.
O welcher Ton kann ihre Sinnen
In dieser Schreckenszeit gewinnen.
Es kam das Lied vom Thurm, deß Dach
Hinaus hing über ihr Gemach.


Lied des gefangnen Jägers.

Mein Falk in langer Rast ist müde,
Mein Spürhund trauert, daß es Friede,
Mein Roß stampft wild in seinem Stalle,
Und ich bin krank in Kerkerhalle.
Könnt ich, wo ich gewesen, sein,
Und jagte Hirsch' im grünen Hain,
[254]Mit Bogen und mit freien Rüden,
Dies Leben gibt allein mir Frieden.

Nicht lern ichs, wie die Zeit entflohn,
Aus Kirchturms schläfrig mattem Ton.
Nicht merk ichs draus, wie Zoll um Zoll
Am Wall der Lichtstrahl sinken soll.
Früh weckte mich die Lerche wohl,
Den Abend sang die schwarze Dohl;
In diesem Thurm ist mir kein Frieden,
Obs gleich des Königs ist, beschieden.

Nicht steh ich mehr, wenns dämmert auf,
Sonn' mich in Ellens Augen drauf,
Und jage durch des Waldes Au
Und kehre um beim Abendthau,
Und treffe freundlich, freundlich Grüßen,
Leg meine Beute ihr zu Füßen,
Der Abend ist dann Lust und Frieden. –
O Lust, für mich nicht mehr hienieden!«

      Ein traurig Lied, ein trüber Sänger!
Die Horcherin hält sich nicht länger,
[255]Die Thräne perlt auf ihren Wangen,
Als schnelle Tritte zu ihr drangen,
Und Snowdouns Ritter kam gegangen.
Schnell kehrt sie sich, damit nicht wieder
Dort oben Jener singe Lieder:
»Willkommen, edler James! wie möchte
Ich Waise lösen jene Rechte,
Die ihr erwarbt.« – »O stille! Ihr
Seid Dankbarkeit nicht schuldig mir.
Ich kann euch das Geschenk nicht geben,
Nicht Gnade eures Vaters Leben.
Dein Führer, Theure, nur allein
Zu Schottlands König will ich sein.
Kein Wüthrich ist er, ob zuweilen
Auch Zorn und Stolz ihn übereilen.
Komm, Ellen, komm, 's ist hohe Zeit,
Schon frühe ist sein Hof bereit.« –
Herzklopfend und vor Bangen warm
Hängt sie sich wie an Bruders Arm.
Er trocknet hülfreich ihre Zähre,
Und tröstet sie, daß Hoffnung wäre.
Halb geht sie, halb wird sie gezogen,
[256]Durch schöne Hallen, hohe Bogen,
Bis, als er winkt, mit einemmal
Auffliegt die hohe Thür vom Saal.

      Drinnen strahlt Alles Glanz und Licht,
Ein Anblick, der den Sinn besticht.
Es wird vor Ellens Aug so schwach,
Als ob die Sonne tausendfach
Am Sommerabende sich brach,
Und aus dem Goldstoff – Ritter, Feeen
Dem bilderreichen Sinn erstehen.
Noch immer bleibt Fitz-James ihr Leiter,
Und schwach wankt sie allmählig weiter.
Dann hebt das Haupt sie langsam leise
Und blicket scheu umher im Kreise;
Des Hofes Fürsten sucht ihr Blick,
Ihn, dessen Wille wird Geschick!
Sie blicket manchen Edlen an,
Der wohl den Hof regieren kann,
Auf manches Kleid, so stolz und reich, –
Doch fährt erschreckt zurück sogleich,
Denn bloßen Hauptes stand ein Jeder,
[257]Und James allein trug Hut und Feder.
Auf ihn nur blicken hin die Frauen,
Auf ihn sieht man den Höfling schauen;
In Silber und Juwelenpracht
Stehn Alle – er in Lincoln-Tracht,
Ihm sind sie Alle unterthänig,
Und Snowdouns Herr wird Schottlands König!

Und Snowdouns Herr wird Schottlands König.

Scott erzählt, daß diese romantische Entwickelung der Geschichte keine Erfindung sei, vielmehr James V. unter einer Verkleidung in seinem Reiche oft umhergewandert sei, theils um die Noth und das Bedürfniß der armen Bürger kennen zu lernen, theils um verliebte Abentheuer aufzusuchen. Zwei der besten komischen Volksballaden in Schottland sollen diesen Wanderungen des Königs ihre Entste [298]hung verdanken. Scott erzählt noch folgende interessante Begebenheiten:

Einst kehrte der verkleidete James von einem Besuche bei einem niedlichen Mädchen niedern Standes im Dorfe Cramond, bei Edinburg, zurück. Unterweges fielen ihn vier oder fünf von den Angehörigen seiner Geliebten an, und drohten ihm das Leben zu nehmen. James, tapfer und geschickt in Führung der Waffen, sprang auf eine hohe und schmale Brücke über den Fluß Almond, und vertheidigte sich tapfer mit seinem Schwerte. Ein Bauer, welcher in einer nahen Scheune drosch, stürzte auf das Geräusch herzu, nahm die schwächere Seite, und schlug mit seinem Dreschflegel dergestalt auf die Angreifenden, daß sie, derb zerschlagen, die Flucht ergreifen mußten. Er führte darauf den König in die Scheune, und sein Gast forderte ein Becken und ein Handtuch, um seine Wunden auszuwaschen. Als ihm dies sogleich gebracht war, erkundigte sich James bei seinem Wirthe: Welches wohl der höchste seiner Wünsche wäre? und ihm wurde die Antwort: der Besitz der Meierei von Braehead, auf welcher der Bauer gegenwärtig als Leibeigner arbeitete. Zufällig gehörte jene der Krone, und James befahl ihm, nach dem Pallast von Holy-Rood zu kommen, und nach dem Gudman von Ballangiech (dem Namen, unter welchem er reiste,) zu fragen. Der Bauer stellte sich richtig ein, fand zu seinem höchsten Erstaunen, daß er seines Königs Leben gerettet hatte, und wurde mit der Meierei Braehead belehnt, und zwar unter [299]der Verpflichtung, eine Wasserkanne, Napf und Handtuch darzureichen, so oft der König über die Brücke von Cramond käme. Dieser Bauer war der Vorfahr der Howisons von Braehead in Mid Lothian einer angesehenen Familie, deren weibliche Linie noch immer unter derselben Lehnspflicht das Gut besitzt.

Mr. Campbell führt noch eine andre lustige Geschichte vom Könige an: Einst überfiel ihn die Nacht bei einem Jagen, und da alle seine Gefährten sich verloren hatten, kam er an ein Dorf in der Mitte eines Moores, an dem Fuße der Ochil-Berge bei Alloa, wo er, obgleich unbekannt, freundlich aufgenommen wurde. Um den unerwarteten Gast zu bewirthen, forderte der Gudman (d. i. Pachter, Meier) die Gudfrau auf, die fetteste Henne zur Suppe für den Fremden zuzubereiten. Der König, höchlich vergnügt und zufrieden mit Bewirthung und Nachtlager, sagte beim Abschiede zu seinem Wirthe, daß es ihn sehr freuen würde, wenn er seine Gastfreundlichkeit erwiedern könne, und ermahnte ihn, sobald er nach Stirling käme, im Schlosse nach dem Gudman von Ballenguich zu fragen. Donaldson that es bald darauf, und sein Erstaunen, in seinem vermuthlichen Gaste den König zu finden, gewährte kein geringes Vergnügen dem lustigen Monarchen und seinen Höflingen. Um den Scherz noch weiter zu treiben, ertheilte ihm James sofort den Titel eines »Königs der Moore,« welcher Name vom Vater auf Sohn fortgeerbt ist. Die Familie blieb im Besitze desselben Fleckens, wel [300]cher dem Mr. Erskine von Mar zugehört, bis auf die letzten Zeiten, wo jener Edelmann sich nothgedrungen sah, den Nachkommen und Statthalter des Königs der Moore aus seiner Besitzung fortzujagen, und zwar wegen Ihrer Majestät unüberwindlichen Faulheit und Widerwillen gegen Neuerungen und Verbesserungen in irgend einer Art.

      Gleich wie der Schnee, auf Berges Spitze,
Fließt von dem Felsen, seinem Sitze,
So sah man Ellen von den Seiten
Zu ihres Fürsten Füßen gleiten;
Sie bringt auch keinen Laut hervor,
Hält nur stumm flehend den Ring empor.
Doch länger trägt er nicht den Blick,
Der Fürst hält sich nicht mehr zurück!
Er hebt sie sanft, und küßt voll Adel
(Das Lächeln straft des Blickes Tadel,)
Des Mädchens Stirne ernst und frei,
Und bittet, daß sie furchtlos sei: –
»Ja, Schöne, James, den armen Jäger
Verehren Schottlands Lehensträger,
[258]Ihm bringe Wunsch und Klagen an,
Daß er den Ring sich lösen kann.
Um Douglas bitte nicht, denn eben
Ist ihm, und hat er mir vergeben.
Ihn mußte die Verläumdung treffen,
Mich die Empörung seines Neffen.
Des Volkes Haufen gaben Wir
Nicht was er heischt mit Ungebühr.
Wir haben jetzo, sonder Rache,
Im Rath, gesetzlich, seine Sache
Mit Glencairn und de Vaux gerichtet,
Sein Todesurtheil ist vernichtet;
Und Bothwell sei fortan zum Lohn
Ein Freund und Bollwerk unserm Thron. –
Wie nun, Ungläubigste der Schönen,
Kann dies dein Mißtraun nicht versöhnen?
Lord James von Douglas komm herbei,
Vertreibe du des Argwohns Scheu.« –

      Da trat der Douglas vor geschwind,
Und um den Hals fiel ihm sein Kind,
Der König trank den Tropfen heut,
[259]Den schönsten, den die Macht ihm beut,
Wenn sie, Gott ähnlich, inniglich
Ruft: »Herbe Tugend, freue dich.«
Doch wünscht der Fürst nicht auszusetzen
Den Augen Aller dies Ergötzen,
Und tritt dazwischen: – »Douglas halt,
Nimm nicht, was mein ist, mit Gewalt;
Ich muß das Räthsel Ellen lösen,
Das uns so glücklich ist gewesen:
Ja, Ellen, wenn ich unbekannt
Durchstreife unsrer Bürger Land,
Führ ich nicht fälschlich jenen Namen,
Denn Stirling, eh die Sachsen kamen,
Hieß Snowdoun, und mich nennt zur Stund
Noch James Fitz-James des Normans Mund.
So bin ich der Gesetze Wache,
So lern ich der Gekränkten Sache.« –
Dann sprach er langsam, sacht zu ihr:
– »Verräthrin, Keiner darf es hier
Erfahren, welch ein leicht Gelüst,
Welch eitler Traum, so schwer gebüßt,
Und deine Augen, Zauberin du,
[260]Mich hingeführt zum Benvenue
Grad als dem Fürsten Noth und Tod
Aus jedes Bergmanns Blicken droht!« –
Dann sprach er laut: »Du zeigst noch immer
Des Talismannes goldnen Schimmer,
Den Ring, den dir Fitz-James versetzt –
Was heischt vom König Ellen jetzt?« –

Denn Stirling, eh die Sachsen kamen,
Hieß Snowdoun.

Stirling heißt noch beim William von Worcester Snowdoun. Der Name rührt vermuthlich von der romantischen Legende her, welche Stirling in Verbindung mit König Arthurs Tafelrunde setzt.

      Wohl ist das Mädchen sich bewußt,
Er prüf die Schwachheit ihrer Brust,
Doch wie die Furcht auch in ihr steigt,
Und sich Gefahr für Graham zeigt, –
Mehr, glaubt sie, sei der Fürst entbrannt
Auf den, der frech empört sein Land,
Für Douglas, als er vogelfrei,
Und fleht, großmüthig hier und treu,
Daß Rodrich Dhu vergeben sei.
»O still! – der Könige König nur
Belebt die sterbende Natur.
Er hat sich edel mir bewahrt
Als Tischgenoß und mit dem Schwert;
[261]Die schönste Grafschaft wollt ich geben,
Wenn Alpines Häuptling könnte leben! –
Und wäre dies dein Wunsch allein,
Kein andrer Freund wär zu befrein?« –
Erröthend kehrte sie sich um,
Und gab den Ring dem Douglas stumm,
Als sollt er das für sie verlangen,
Was jetzt erröthet ihre Wangen. –
– »Wohlan, mein Pfand ist nicht mehr kräftig,
Und nun das strenge Recht geschäftig;
Malcolm heran!« – und unterthänig
Kniet Graham schnell vor Schottlands König.
»Gräme! Keiner bat für deine Sache,
Erfahre dann des Königs Rache,
Der du, in unsrer Gunst erzogen,
Uns so verrätherisch betrogen,
Und bei dem Stamm der Graham Rast
Gebannten vorbereitet hast,
So schändend deines Namens Ehr:
Wacht, Ketten für den Graham her!« –
[262]Der König nimmt der Kette Gold,
Wirft sie um Malcolms Nacken hold,
Zieht sanft darauf das spröde Band,
Und legt den Griff um Ellens Hand.


[263] O Nordens Harf, leb wohl! Schwarz allgemach
Senk Schatten auf der Hügel Roth sich nieder,
Schon glimmt im dunkeln Busch der Glühwurm schwach,
Und in das Nest birgt sich die Hindin wieder.
Nimm deinen Zauber, Ulme, laß den Bach,
Des Sturmes Hauch, dein wildes Lied, verstummen,
Auch was melodisch sanft der Abend sprach,
Von Hürd und Wald des Echos fernes Brummen,
Der Hirten Abendpfeif und fleißiger Bienen Summen.

Noch einmal lebe wohl, du Sängerharf,
Vergib noch einmal meinen schwachen Kräften;
Nicht schreckt es mich, wenn Richter, boshaft scharf,
Auf eitles Lied den eiteln Tadel heften.
[264]Du warst im Leben tröstend mein Bedarf,
In Kümmernissen, unbekannt der Zeit,
Wenn müd im Bett am Morgen ich mich warf,
Und bittrer ward der Gram durch Einsamkeit,
Durch dich nur, Zauberin, bezwang ich alles Leid.

O still! Wie meine Schritte langsam fliehn,
Erweckt ein Geist der Lüste deinen Sang,
Jetzt rührt ein Seraph deine Saiten kühn,
Jetzt streift ein Feeenfittig lustigen Klang.
Ich weiche jetzt, und schwach und schwächer ziehn
Zum rauhen Thal die Töne sterbend hin,
Und kaum bringt noch der Hauch aus Berges Grün
Nur einen fernen Zauberklang dem Sinn,
Und jetzt ist Alles still. Leb wohl, du Zauberin!


[265] [266] [267] [268] [269] [270] [271] [273] [274] [275] [276] [277] [278] [279] [280] [281] [282] [283] [284] [285] [286] [287] [288] [289] [290] [291] [292] [293] [294] [295] [296] [297] [298] [299]

Den mißfälligen Anblick zu vermeiden, sind bei dieser neuen, gänzlich durchgearbeiteten Ausgabe der Jungfrau vom See die Apostrophe, wo sie, der Verwechselungen wegen, nicht unumgänglich nöthig schienen, weggeblieben. Das stumme i blieb aus demselben Grunde stehen. Wer Verse harmonisch zu lesen geübt ist – und diese Kunst nimmt in Deutschland zu – können weder Hiate noch Apostrophirungen stören.

 

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Gedruckt bei A. W. Schade in Berlin.

 


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