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Ihr ungeschliff'nen, pöbelhaften Kerle,
Wie, keine Aufsicht, kein Respect und Dienstpflicht?
Wo ist der Narr, den ich voraufgeschickt?
Die Zähmung der Widerspenstigen.
Es gibt keine Zeit, wo die Menschen in den Augen Anderer unvortheilhafter erscheinen, sich unbehaglicher fühlen, als wenn man mit Mehreren dem Anbruch des Tages entgegenwacht. Selbst eine Schönheit ersten Ranges wird wohlthun, sich dem Anblick selbst ihrer feurigsten Anbeter zu entziehen, ehe der erste Schein der Morgenröthe in den Ballsaal dringt. So wirkte das blasse unvortheilhafte Dämmerlicht auf die, welche die ganze Nacht hindurch in der Halle zu Say's Court gewacht hatten, und jetzt von dem blaßblauen Lichte, welches sich mit dem rothgelben räucherischen Scheine verlöschender Lampen und Kerzen vermischte, beleuchtet wurden. Der junge Cavalier, welchen wir im letzten Kapitel erwähnt haben, hatte auf einige Minuten das Zimmer verlassen, um die Ursache eines Klopfens an dem äußern Thore zu erfahren, und fand bei seiner Rückkehr den todtenbleichen und geisterhaften Anblick seiner Gefährten so auffallend, daß er ausrief: »Gott steh' uns bei! meine Herren, Ihr seht ja aus wie Eulen! Ich denke, wenn die Sonne aufgeht, werde ich Euch mit geblendeten Augen fortflattern und Euch in das nächste Epheugebüsch, oder in einen verfallenen Thurm verkriechen sehen.«
»Halt Dein thörichtes Maul, Du Narr,« entgegnete Blount. »Ist es jetzt Zeit zu solchen Possen, da nur eine Wand von Dir getrennt, die Mannheit Englands vielleicht mit dem Tode ringt?«
»Da lügst Du,« entgegnete der Jüngling.
»Ich lügen!« rief Blount aufspringend. »Ich lügen! und das sagst Du zu mir?«
»Ja, Du empfindlicher Thor,« antwortete der Jüngling, »liegst Du nicht dort auf der Bank? Aber bist Du nicht ein Thor, ein unüberlegtes Wort so übel zu nehmen? Wenn ich gleich Mylord eben so aufrichtig liebe und ehre, wie Du oder irgend ein Anderer, so sage ich doch nicht, daß alle Mannheit Englands mit ihm stirbt, wenn der Himmel ihn von uns nehmen sollte.«
»Ja, ein großer Theil wird gewiß in Dir fortleben,« versetzte Blount.
»Und ein großer Theil in Dir, Blount, und in dem rüstigen Markham, und in Tracy und in uns Allen. Doch ich werde mit dem Pfunde am besten zu wuchern wissen, welches mir der Himmel anvertraut hat.«
»Und wie? ich bitte Dich,« entgegnete Blount, »lehre uns doch das Geheimniß, wie Du damit wuchern willst.«
»Nun, meine Herren,« antwortete der Jüngling, »Ihr gleicht dem guten Boden, der keine Frucht bringt, weil es ihm an Dünger fehlt. Ich aber habe den aufstrebenden Geist in mir, welcher meine geringen Kräfte antreiben wird, gleichen Schritt mit ihm zu halten. Ich stehe Dir dafür, mein Ehrgeiz wird meinen Kopf schon in Athem halten.«
»Ich bitte Gott, daß er Dich nicht verrückt werden läßt,« versetzte Blount; »ich meines Theils sage dem Hofe und dem Lager Lebewohl, wenn unser edler Lord von uns geschieden ist. Ich besitze ein kleines Landgut in Norfolk; dorthin will ich mich begeben, und die Hofschuhe mit benagelten Landschuhen vertauschen.«
»Welch' ein verächtlicher Tausch!« rief sein Gegner; »Du hast schon ganz das Ansehen eines Bauers – Dein Rücken ist gekrümmt, als ob Deine Hände den Pflug regierten; Du hast den Erdgeruch an Dir, anstatt mit Essenzen parfümirt zu sein, wie ein Hofmann es sollte. Bei meiner Seele! Du stiehlst Dich weg, um Dich auf einem Heuschober herumzuwälzen. Deine einzige Entschuldigung wird sein, bei Deinem Degengriff zu schwören, daß Dein Pachter eine hübsche Tochter hat.«
»Ich bitte Dich, Walter,« sagte ein Anderer aus der Gesellschaft, »laß Deinen Spott, der sich nicht für Zeit und Ort schickt, und sage uns lieber, wer so eben vor dem Thor war.«
»Doctor Masters, der Leibarzt der Königin, auf ihren ausdrücklichen Befehl hergesendet, um sich nach dem Befinden des Grafen zu erkundigen,« antwortete Walter.
»Ei, das ist kein geringer Gnadenerweis!« rief Tracy; »wenn der Graf nur davonkommt, so kann er es wohl noch mit Leicester aufnehmen. Ist Masters gegenwärtig bei Mylord?«
»Nein,« versetzte Walter, »er muß jetzt schon auf halbem Wege nach Greenwich zurück sein, und zwar im höchsten Zorne.«
»Du hast ihm doch hoffentlich nicht den Zutritt verweigert?« rief Tracy.
»Du wirst doch nicht so toll gewesen sein?« rief Blount.
»Ich verweigerte ihm eben so rund weg den Eintritt, Blount, wie Du einem blinden Bettler einen Pfennig verweigern würdest, und eben so beharrlich, Tracy, wie Du jemals einen Mahner abwiesest.«
»Aber warum, in des Teufels Namen! ließest Du ihn auch zum Thore gehen, Tracy?« sagte Blount.
»Es schickte sich besser für sein Alter, als für das meinige,« antwortete Tracy; »doch jetzt hat er uns Alle gänzlich zu Grunde gerichtet, Mylord mag leben oder sterben, nie wird er wieder einen günstigen Blick von der Königin erhalten.«
»Noch die Mittel in Händen haben, seiner Anhänger Glück zu machen,« fuhr der junge Cavalier verächtlich lächelnd fort – »das ist der wunde Fleck, der nicht zu heilen ist. Meine guten Herren, ich ließ meine Klagen über Mylords Zustand weniger laut werden als Ihr; doch wenn es darauf ankommt, ihm zu dienen, werde ich nicht hinter Euch zurückbleiben. Hätte ich den gelehrten Blutegel eingelassen, glaubst Du nicht, daß zwischen ihm und Tressilian's Wundermann ein so lauter Streit entstanden wäre, daß nicht nur die Schlafenden, sondern sogar die Todten davon hätten erweckt werden müssen? Ich weiß, was ein Zank zwischen Aerzten zu bedeuten hat.«
»Und wer wird die Schuld auf sich nehmen, sich den Befehlen der Königin widersetzt zu haben?« fragte Tracy; »denn gewiß kam Doctor Masters mit dem bestimmten Auftrage Ihrer Majestät hierher, den Grafen zu heilen.«
»Ich, der ich die Schuld begangen habe, werde auch den Verweis tragen,« sagte Walter.
»So wären denn alle Träume von Hofgunst, die Du hegtest, dahin,« sagte Blount; »und ungeachtet all' Deiner gerühmten Künste und Deines Ehrgeizes wird Devonshire Dich als einen wahren jüngeren Bruder wiedersehen, gut genug, am Ende der Tafel Platz zu nehmen, abwechselnd mit dem Hauscaplan vorzuschneiden und Acht zu geben, daß die Hunde gefüttert werden, und daß der Sattelgurt des Ritters fest geschnallt werde, wenn er auf die Jagd reitet.«
»Nicht, so lange Irland und die Niederlande Krieg haben,« sagte der Jüngling erröthend, »und so lange noch das Meer pfadlose Wogen hat. Der reiche Westen hat Länder, wovon man sich nicht träumen läßt und Britannien besitzt kühne Herzen, die sich hinauswagen, um dieselben aufzusuchen. – Lebt wohl auf eine Zeitlang, meine Herren, ich gehe in den Hof, um nach den Schildwachen zu sehen.«
»Wahrhaftig, der Bursche hat Quecksilber in den Adern,« sagte Blount zu Markham.
»Er hat das im Gehirn und im Blute, was ihn weder heben noch zu Grunde richten wird,« sagte Markham. »Doch darin, daß er Herrn Masters die Thüre verschloß, hat er unserem Herrn einen kühnen und heilsamen Dienst geleistet, denn Tressilian's Begleiter hat immer behauptet, daß es dem Grafen den Tod bringen müsse, wenn man ihn wecken wolle, und Masters würde selbst die Siebenschläfer wecken, wenn er glaubte, daß sie nicht nach den regelmäßigen Verordnungen der Arzneikunst schliefen.«
Der Morgen war schon weit vorgerückt, als Tressilian, ermüdet und überwacht, mit der frohen Botschaft in die Halle trat, daß der Graf von selber erwacht sei, seine innern Schmerzen sehr gelindert fühle, freundlich spreche und mit einer Lebhaftigkeit um sich blicke, die eine sehr günstige Veränderung in seinem Befinden verkündige. Tressilian überbrachte zugleich den Befehl, daß einer oder zwei von den Cavalieren sich auf sein Zimmer begeben sollten, um über die Vorgänge in der vergangenen Nacht zu berichten und die Wächter im Zimmer des Grafen abzulösen.
Als man dem Grafen von Sussex von der Botschaft der Königin sagte, lächelte er anfangs über die Abweisung des Arztes durch seinen eifrigen jungen Anhänger, besann sich aber sogleich und befahl seinem Stallmeister Blount, augenblicklich ein Boot zu nehmen, zu dem Palaste von Greenwich hinunterzufahren, den jungen Walter und Tracy mitzunehmen, um der Königin ehrerbietig zu danken und die Ursache anzugeben, warum er den Beistand des weisen und gelehrten Doctor Masters nicht habe annehmen können.
»Zum Henker!« sagte Blount, indem er die Treppe hinunterstieg, »hätte er mich mit einer Ausforderung an Leicester geschickt, so hätte ich gewiß meinen Auftrag ziemlich gut ausgerichtet. Doch zu unserer gnädigen Monarchin zu gehen, bei welcher alle Worte übergoldet oder überzuckert sein müssen, ist eine Conditorarbeit, zu fein für mein armes altenglisches Gehirn. – Kommt mit mir, Tracy, und auch Ihr, Herr Walter Wittypate, da Ihr diese ganze Geschichte veranlaßt habt. Laß sehen, ob Dein Gehirn, das so manches flackernde Feuerwerk ausbrütet, einem biedern Kerl in der Noth mit einigen zierlichen Redensarten aushelfen kann.«
»Fürchte nichts,« rief der Jüngling, »ich werde Dir schon durchhelfen – laß mich nur meinen Mantel holen.«
»Du hast ihn ja um Deine Schultern,« sagte Blount, »der Bursche ist nicht bei Sinnen.«
»Nein, dies ist Tracy's alter Mantel,« antwortete Walter; »ich gehe nur mit Dir zu Hofe, wie ein Edelmann es soll.«
»Dein stattlicher Anzug,« sagte Blount, »wird doch Niemand anders als einem armen Bedienten oder Thürhüter die Augen blenden.«
»Das weiß ich wohl,« sagte der Jüngling; »doch ich bin entschlossen, meinen eigenen Mantel zu nehmen, und mein Wams auszubürsten, ehe ich mich mit Euch auf den Weg mache.«
»Nun, Du machst auch ein Wesen mit Deinem Wams und Mantel,« sagte Blount, »so mache Dich denn bereit, in Gottes Namen.«
Bald schwammen sie auf dem majestätischen Spiegel der breiten Themse dahin, auf welchen jetzt die Sonne im vollen Glanze niederstrahlte.
»Zwei Dingen kommt nichts in der ganzen Welt gleich,« sagte Walter zu Blount – »der Sonne am Himmel und der Themse auf Erden.«
»Die Eine wird uns ganz gut nach Greenwich hinleuchten,« sagte Blount, »und die Andere würde uns etwas schneller dahin bringen, wenn jetzt Ebbe wäre.«
»Und dies ist Alles, was Du dabei denkst – Alles, wozu Du die Königin der Elemente und den König der Flüsse für gut achtest, um drei solche arme Wichte, wie Du, ich und Tracy, auf einer müßigen Reise zu einer Hofceremonie zu führen?«
»Es ist wahrhaftig kein erwünschter Auftrag für mich,« versetzte Blount, »und ich würde sowohl der Sonne als auch der Themse die Mühe ersparen, mich dorthin zu führen, wohin zu gehen ich keine große Lust habe, und wo ich nur Hundelohn für meine Mühe erwarte. – Und bei meiner Ehre!« setzte er hinzu, indem er zum Boot hinaus blickte, »es scheint mir, als werde unsere Botschaft vergebens sein, denn die Barke der Königin liegt an der Treppe, als ob Ihre Majestät im Begriff wäre auszufahren.«
Es war in der That so. Die königliche Barke mit den Matrosen der Königin bemannt, welche reiche königliche Livreen trugen und die englische Flagge aufgezogen hatten, lag an der großen Treppe, die zum Flusse hinunterführte; auch befanden sich an derselben noch zwei oder drei andere Böte, um den Theil ihres Gefolges aufzunehmen, der nicht unmittelbar ihre Person begleitete. Die Gardisten, die größten und schönsten Männer, welche England hervorbrachte, bildeten mit ihren Hellebarden einen freien Gang von dem Schloßthore bis zum Flusse, und Alle schienen die Königin zu erwarten, obgleich es noch früh am Tage war.
»Meiner Treu! Dies bedeutet uns nichts Gutes,« sagte Blount; »es muß eine gefährliche Veranlassung sein, die Ihre Majestät so früh in Bewegung setzt. Nach meiner Ansicht wäre es am Besten, wir kehrten um und sagten dem Grafen, was wir gesehen haben.«
»Dem Grafen sagen, was wir gesehen haben?« sagte Walter, »und was haben wir denn gesehen, als ein Boot und Männer mit scharlachrothen Wämmsern und Hellebarden in ihren Händen? Laßt uns diesen Auftrag ausführen und ihm sagen, was die Königin darauf erwidert hat.«
Mit diesen Worten ließ er das Boot an einen Landungsplatz rudern, in einiger Entfernung von dem, woran die königliche Barke lag; denn es würde nicht schicklich gewesen sein, in dem Augenblicke dort zu landen. Dann sprang er an's Ufer, während ihm sein vorsichtiger und schüchterner Gefährte Blount mit Widerstreben folgte. Als sie sich dem Thore des Palastes näherten, sagte ihnen einer von den Thürstehern, sie könnten jetzt nicht eintreten, weil die Königin im Begriff sei, herauszukommen. Die Cavaliere nannten den Namen des Grafen von Sussex, doch übte derselbe keinen Zauber auf den Beamten aus; er erwiderte, er werde seine Stelle verlieren, wenn er nur im Geringsten den erhaltenen Befehlen zuwider handeln werde.
»Ich sagte Dir das vorher, lieber Walter,« sagte Blount, »laß uns wieder in's Boot steigen und zurückkehren.«
»Nicht eher, als bis ich die Königin habe herauskommen sehen,« erwiderte der Jüngling gefaßt.
»Wahrhaftig, Du bist von Sinnen,« antwortete Blount.
»Und Du bist plötzlich ein Feigling geworden,« sagte Walter. »Ich habe gesehen, wie Du auf Deine eigene Hand einem halben Dutzend rauhköpfiger Irländer entgegengegangen bist, und jetzt wolltest Du blinzeln und Dich zurückziehen, um den finstern Blick einer schönen Dame zu vermeiden?«
In diesem Augenblicke wurde das Thor geöffnet und Hofcavaliere, unter Vortritt und Begleitung der Leibwache, traten in geregeltem Zuge heraus. Hinter ihnen erschien Elisabeth selbst, von Herren und Damen umgeben, doch so, daß sie frei um sich blicken und von allen Seiten gesehen werden konnte. Sie war damals in der Blüthe ihrer Jahre und prangte mit Reizen, welche bei einer Herrscherin Schönheit genannt werden, und welche selbst im niederen Range für eine edle Gestalt würden erklärt worden sein, besonders, da sie mit ausdrucksvollen, gebieterischen Zügen vereint waren.
Sie stützte sich auf den Arm des Lord Hunsdon, dessen Verwandtschaft mit ihr von Seiten ihrer Mutter ihm oft dergleichen Zeichen von Elisabeths Vertraulichkeit verschaffte.
Der erwähnte junge Cavalier war der Person seiner Herrscherin vielleicht noch nie so nahe gekommen, und er drängte sich so weit vorwärts, als es die Reihe der Gardisten erlaubte, um die gegenwärtige Gelegenheit zu benutzen. Sein Gefährte dagegen fluchte seiner Unbesonnenheit und zog ihn fortwährend zurück, bis Walter sich ungeduldig von ihm los machte, indem er seinen reichen Mantel nachlässig von der einen Schulter niedersinken ließ, welche unwillkürliche Handlung dazu diente, seine schlanke, wohlproportionirte Gestalt auf's Vortheilhafteste zu zeigen.
Indem er zugleich sein Baret abnahm, heftete er jetzt seine Blicke fest auf die herannahende Königin, mit einer Mischung respectvoller Neugierde und bescheidener aber enthusiastischer Bewunderung, welche seinen lebhaften Zügen so wohl stand, daß die Trabanten, welche wegen seiner reichen Kleidung und edlen Haltung Respect empfanden, ihm gestatteten, der Stelle, über welche die Königin gehen mußte, etwas näher zu treten, als es gewöhnlichen Zuschauern erlaubt war. So stand nun der junge abenteuerliche Jüngling ganz vor Elisabeths Augen, welche niemals gleichgültig war gegen die Bewunderung, die sie bei ihren Unterthanen erregte, noch gegen ein schönes Verhältniß äußerer Gestalt, wodurch sich irgend einer von ihren Hofleuten auszeichnete. Als sie sich daher dem Platze näherte, wo er stand, heftete sie einen durchdringenden Blick auf den Jüngling, worin sich Erstaunen über seine Kühnheit, doch ohne Unwillen aussprach, als ein unbedeutender Umstand ihre Aufmerksamkeit noch mehr auf ihn zog. Es hatte die Nacht geregnet und gerade auf der Stelle, wo der junge Cavalier stand, wurde der Weg der Königin durch etwas Schmutz unterbrochen. Als sie einen Augenblick zögerte, darüber hinwegzuschreiten, warf der galante junge Mann den Mantel von der Schulter und breitete ihn über die schmutzige Stelle hin, so daß sie nun trockenen Fußes darüber weggehen konnte. Diese Handlung ehrerbietigen Hofdienstes begleitete der junge Mann mit einer tiefen Verbeugung, während eine hohe Röthe sein ganzes Gesicht überflog. Elisabeth blickte den jungen Mann an, wurde verlegen, erröthete ebenfalls, nickte mit dem Kopfe, ging hastig weiter und bestieg ihre Barke, ohne ein Wort zu reden.
»Komm, Du Narr,« sagte Blount; »Dein zierlicher Mantel wird heute der Bürste bedürfen, dafür stehe ich Dir. Wenn Du die Absicht hattest, Deinen Mantel als Fußteppich zu gebrauchen, so hättest Du doch lieber Tracy's alten groben Mantel behalten sollen, der allen Farben trotzt.«
»Dieser Mantel,« sagte der Jüngling, indem er ihn aufnahm und zusammenfaltete, »soll niemals gebürstet werden, so lange er in meinem Besitze ist.«
»Und das wird nicht lange währen, wenn Du nicht mehr Sparsamkeit lernst, wir werden Dich bald in cuerpo einhergehen sehen, wie die Spanier sagen.«
Ihre Unterredung wurde von einem Officier der Leibgarde unterbrochen.
»Ich bin zu einem Herrn geschickt,« sagte er, nachdem er sie aufmerksam angesehen hatte, »der keinen Mantel hat, oder wenigstens einen schmutzigen. – Ich glaube, Ihr seid es, mein Herr,« sagte er zu dem jungen Cavalier, »ich bitte Euch mir zu folgen.«
»Er ist in meiner Begleitung,« sagte Blount, »und ich bin der Stallmeister des edlen Grafen von Sussex.«
»Darauf habe ich nichts zu erwidern,« antwortete der Bote; »meine Befehle von Ihrer Majestät sind ausdrücklich und betreffen diesen Herrn allein.«
Mit diesen Worten entfernte er sich. Walter folgte ihm und ließ Blount zurück, dessen Augen vor übergroßem Erstaunen fast aus ihren Kreisen traten. Endlich machte er sich durch die Worte Luft: »Wer, zum Henker, hätte das gedacht!« Dann schüttelte er mit geheimnißvoller Miene den Kopf, ging zu seinem Boote zurück, stieg ein und kehrte nach Deptford zurück.
Der junge Cavalier wurde indeß von dem Gardeoffizier an's Ufer geführt und mit besonderer Achtung behandelt, was ihm in seiner Lage als eine günstige Vorbedeutung erschien. Er führte ihn in eins von den kleinen Böten, welche bereit waren, der königlichen Barke zu folgen, die jetzt schon den Fluß hinaufruderte, von derselben Flut begünstigt, über die sich Blount bei seiner Herfahrt gegen seinen Begleiter beklagt hatte.
Zwei Ruderer wendeten demnach auf Befehl des Officiers ihre Ruder mit solcher Schnelligkeit an, daß das kleine Boot sich bald hinter der Barke befand, wo die Königin, von zwei oder drei Damen und ihren Hofcavalieren umgeben, unter einem Baldachin saß. Sie sah mehr als einmal nach dem kleinen Fahrzeuge hin, worin sich der junge Abenteurer befand und schien lachend mit ihrer Umgebung zu reden. Endlich gab Einer auf Befehl der Königin dem Boote ein Zeichen, an die Barke heranzukommen, und der junge Mann erhielt die Weisung, sich auf das Fahrzeug der Königin zu begeben, was er sogleich mit anmuthiger Gewandtheit that, worauf er zur Königin geführt wurde, während das Boot wieder zurück blieb. Der Jüngling stellte sich den forschenden Blicken der Monarchin nicht weniger anmuthsvoll dar, obgleich er einige Verlegenheit zeigte. Der beschmutzte Mantel hing noch über seinem Arm und damit begann die Königin die Unterredung:
»Ihr habt heute einen hübschen Mantel in Unserm Dienste verderbt, junger Mann. Wir danken Euch für Euren Dienst, obgleich die Art, wie Ihr ihn leistetet, ungewöhnlich und etwas kühn war.«
»Im Dienste des Herrschers ist es die Pflicht des Unterthanen kühn zu sein,« antwortete der Jüngling.
»Ei der Tausend! Das war wohl gesprochen, Mylord,« sagte die Königin, indem sie sich an einen ernsten Mann wendete, welcher neben ihr saß, und ihr mit ernstem Kopfnicken und einigen halblauten Worten beistimmte. »Nun, junger Mann, Eure Galanterie soll nicht unbelohnt bleiben. Geht zu Unserm Garderobenmeister, der soll Befehl erhalten, Euch den Mantel zu ersetzen, den Ihr in Unserm Dienste verderbt habt. Du sollst einen Anzug haben und zwar nach der neuesten Mode, das verspreche ich Dir auf mein fürstliches Wort.«
»Ihre Majestät halten zu Gnaden,« sagte Walter zögernd, »zwar kommt es einem so geringen Diener Ihrer Majestät nicht zu, Euch Eure Huldbezeigungen vorzuschreiben; wenn ich aber zu wählen hätte –«
»So wolltest Du lieber Gold, wette ich,« fiel die Königin ein; »pfui, junger Mann! ich schäme mich es zu sagen, daß in Unserer Hauptstadt die Mittel zu verschwenderischer Thorheit jeder Art so manchfaltig sind, daß der Jugend Geld in die Hände zu geben, eben so viel hieße, als Kohlen zum Feuer zu tragen und ihr die Mittel zu ihrem eigenen Verderben zu verschaffen. Wenn ich länger leben und regieren werde, soll diesem unchristlichen Treiben Einhalt geschehen. Du bist aber vielleicht arm,« fuhr sie fort, »oder sind es Deine Eltern – so mag es denn Gold sein, wenn Du willst; doch Du sollst mir für den Gebrauch desselben verantwortlich sein.«
Walter wartete geduldig, bis die Königin ausgeredet hatte, und versicherte dann bescheiden, daß er noch viel weniger Gold wünsche, als die Kleidung, welche die Königin ihm angeboten.
»Wie, Junge!« sagte die Königin, »weder Gold noch Kleidung? Was möchtest Du denn von mir haben?«
»Nur die Erlaubniß, Madame, – wenn ich nicht vielleicht um eine zu hohe Ehre bitte – die Erlaubniß, den Mantel ferner tragen zu dürfen, der Euch diesen geringen Dienst geleistet hat.«
»Die Erlaubniß, Deinen eigenen Mantel zu tragen, einfältiger Junge?« fragte die Königin.
»Er ist nicht mehr mein,« sagte Walter, »seit Ihrer Majestät Fuß ihn berührte, verdient er einem Fürsten zu gehören und ist viel zu kostbar für seinen frühern Eigenthümer.«
Die Königin erröthete wieder und war bemüht einen Anflug nicht unangenehmer Ueberraschung und Verlegenheit durch ein Lachen zu verbergen.
»Habt Ihr je dergleichen gehört, Mylord? Dem Jungen hat das Romanlesen den Kopf verdreht – ich muß etwas Näheres von ihm wissen, damit ich ihn wohlbehalten zu seinen Freunden zurückschicken kann. – Wer bist Du?«
»Ein Cavalier aus dem Gefolge des Grafen von Sussex, Ihrer Majestät zu dienen, mit seinem Stallmeister hiehergeschickt, um eine Botschaft an Euch auszurichten.«
In einem Augenblicke wich der gnädige Ausdruck, welchen Elisabeths Gesicht gezeigt hatte, einem finsteren und stolzen Blicke.
»Mylord von Sussex,« sagte sie, »hat Uns durch den Werth, den er auf Unsre Botschaften legt, gelehrt, wie Wir die seinigen aufzunehmen haben. Noch heute Morgen und zwar zu ungewöhnlicher Tageszeit schickten Wir Unseren eigenen Leibarzt ab, weil Wir hörten, daß seiner Herrlichkeit Krankheit gefährlicher sei, als Wir bisher geglaubt. An keinem Hofe Europa's gibt es einen geschickteren Arzt als Doctor Masters, und er kam von Uns zu Unserm Unterthan. Dessenungeachtet fand er das Thor zu Say's Court von bewaffneten Männern bewacht, als wenn er an Schottlands Grenzen und nicht in der Nähe Unseres Hofes wohnte, und als er in Unserm Namen Einlaß begehrte, wurde ihm derselbe hartnäckig verweigert. Für diese Geringschätzung eines allzu herablassenden Gnadenbeweises wollen Wir wenigstens für jetzt keine Entschuldigung gelten lassen und eine solche hatte wahrscheinlich die Sendung des Grafen zur Absicht.«
Dies sprach sie in einem Tone und einer Geberde, wobei die anwesenden Freunde des Grafen von Sussex erzitterten. Der aber, an welchen diese Rede gerichtet war, zitterte nicht, sondern erwiderte mit großer Ehrerbietung und Unterwürfigkeit, sobald es ihm die Leidenschaftlichkeit der Königin gestattete: »Ihre Majestät halten zu Gnaden, ich war von dem Grafen von Sussex mit keiner Entschuldigung beauftragt.«
»Und womit waret Ihr denn beauftragt, Herr?« fragte die Königin mit einer Heftigkeit, die bei all' ihren edlen Eigenschaften einen hervorstechenden Charakterzug bildete; »vielleicht nur mit einer Herausforderung – oder, Gott's Tod! mit einer Herausforderung?«
»Madame,« sagte der Jüngling, »der Graf von Sussex weiß, daß die Beleidigung an Hochverrath grenzt und denkt an Nichts weiter, als den Schuldigen sicher zu stellen und überliefert ihn daher der Gnade Ihrer Majestät. Der edle Graf lag in tiefem Schlafe, als Eure allergnädigste Botschaft ankam, in Folge eines Trankes, den ihm sein Arzt eingegeben. Mylord wußte daher nichts von der ungebührlichen Zurückweisung der höchst gnädigen Botschaft Ihrer Majestät, als bis er diesen Morgen erwachte.«
»Und welcher von seinen Dienern hat es denn gewagt, meine Botschaft zurückzuweisen, ohne meinen Arzt auch nur zu ihm zu lassen?« fragte die Königin sehr erstaunt.
»Der Schuldige steht vor Euch, gnädigste Frau,« versetzte Walter, indem er sich tief verbeugte, »die ganze und alleinige Schuld ist mein und Mylord hat mich mit Recht abgeschickt, um den Folgen eines Vergehens zu begegnen, woran er so unschuldig ist, wie die Träume eines schlafenden Mannes es nur an den Handlungen eines wachenden sein können.«
»Wie, Du warst es? – Du hast meinen Boten und Arzt von Say's Court abgewiesen?« rief die Königin. »Was konnte Dich zu dieser Unverschämtheit veranlassen, da Du mir doch ergeben zu sein scheinst – da Dein äußeres Benehmen wenigstens Ergebenheit zeigt?«
»Gnädigste Frau,« sagte der Jüngling, der ungeachtet der angenommenen Strenge etwas in dem Gesichte der Königin zu sehen glaubte, was nicht unerbittlich schien – »man sagt in unserer Gegend, daß der Arzt zur Zeit der Oberherr seines Patienten ist. Mein edler Herr war nun unter der Behandlung eines Arztes, der ihn schon fast ganz wieder hergestellt hat, und dieser hatte den Befehl ertheilt, daß sein Patient in der Nacht bei Gefahr seines Lebens nicht solle gestört werden.«
»Dein Herr hat sich ohne Zweifel einem Schurken von Quacksalber anvertraut,« sagte die Königin.
»Ich weiß nichts, Madame, als den Umstand, daß er diesen Morgen sehr gestärkt und erfrischt erwacht ist, da er doch seit vielen Tagen nicht geschlafen.«
Die Cavaliere blickten einander an, mehr in der Absicht, um zu sehen, was die Andern von dieser Nachricht dächten, als um über das Vorgefallene ihre Bemerkungen auszutauschen. Die Königin antwortete hastig und ohne ihre Freude zu verbergen: »Bei meinem Worte, es ist mir lieb, daß er sich besser befindet. Doch Du warest allzukühn, dem Doctor Masters den Eintritt zu verbieten. Weißt Du nicht, daß die heilige Schrift sagt: viele Rathgeber bringen Heil?«
»Ja, gnädigste Frau,« sagte Walter; »doch ich habe gelehrte Männer sagen hören, daß dieses Heil den Aerzten und nicht den Patienten zu Theil wird.«
»Meiner Treu, Kind, Du hast mich besiegt,« sagte die Königin lachend, »denn ich habe mein Hebräisch fast vergessen. – Was sagt Ihr dazu, Bischof von Lincoln? Hat der Bursche Uns eine richtige Auslegung des Textes gegeben?«
»Es ist wohl etwas übereilt, gnädigste Frau,« sagte der Bischof von Lincoln, »das Wort Heil, denn so ist es übersetzt, so zu nehmen, da das hebräische Wort –«
»Mylord,« sagte die Königin ihn unterbrechend, »ich habe schon gesagt, daß ich mein Hebräisch vergessen habe. Aber sage mir, junger Mann, wie ist Dein Name?«
»Mein Name ist Raleigh, gnädigste Königin, und ich bin der jüngste Sohn einer zahlreichen aber achtbaren Familie in Devonshire.«
»Raleigh,« sagte Elisabeth nach einigem Nachsinnen, »haben Wir nicht von Euren Diensten in Irland gehört?«
»Ich war so glücklich, dort einige Dienste zu leisten, gnädigste Frau,« versetzte Raleigh; »doch waren sie so unbedeutend, daß ich nicht glaubte, sie würden die Ohren Ihrer Majestät erreichen.«
»Sie hören weiter, als Ihr meint,« erwiderte die Königin gnädig, »und haben von einem Jüngling gehört, der eine Furth im Shannon gegen eine ganze Bande wilder irländischer Rebellen vertheidigte, bis der Strom von ihrem und seinem Blute gefärbt wurde.«
»Etwas Blut mag ich wohl dabei verloren haben,« entgegnete der Jüngling vor sich niederblickend; »doch es war da, wo ich mein Herzblut zu vergießen schuldig bin, nämlich im Dienste Ihrer Majestät.«
Die Königin schwieg einen Augenblick und sagte dann hastig: »Ihr seid sehr jung, so gut zu fechten und Euch so gut auszudrücken. Doch Ihr dürft Eurer Strafe nicht entgehen, daß Ihr Masters zurückgewiesen habt – der arme Mann hat sich auf dem Flusse erkältet, denn Unser Befehl erreichte ihn, als er gerade von seinem Besuche in London zurückkehrte, und er glaubte nach Pflicht und Gewissen sich sogleich wieder auf den Weg machen zu müssen. So verfehlt nicht, Herr Raleigh, als Zeichen der Buße Euren schmutzigen Mantel zu tragen, bis Ihr Unseren weiteren Willen vernehmt. Und hier,« setzte sie hinzu, indem sie ihm ein goldenes Kleinod, in Form einer Schachfigur überreichte, »dies gebe ich Euch, es am Halsbande zu tragen.«
Raleigh, den die Natur jene Hofkünste gelehrt hatte, welche Viele kaum durch lange Erfahrung erlernen, kniete nieder, und als er das Kleinod aus ihrer Hand nahm, küßte er die Finger, die es ihm gaben. Er verstand vielleicht besser, als irgend einer von den Hofleuten, die ihn umgaben, die von der Königin geforderte Demuth mit einer Galanterie zu verbinden, die er ihrer persönlichen Schönheit schuldig war, und dieser sein erster Versuch, sie zu vereinigen, gelang ihm so wohl, daß er zugleich Elisabeths persönliche Eitelkeit und ihre Herrschsucht befriedigte.
Sein Gebieter, der Graf von Sussex, hatte den ganzen Vortheil von der Zufriedenheit, welche Elisabeth über Raleighs Benehmen empfand.
»Meine Herren und Damen,« sagte die Königin, indem sie sich zu ihrem Gefolge wendete, »da Wir einmal auf dem Flusse sind, so wäre es wohl gut, wenn Wir Unsern gegenwärtigen Vorsatz, nach der Stadt zu fahren, aufgäben, und diesen armen Grafen von Sussex mit einem Besuche überraschten. Er ist krank und fürchtet gewiß Unsere Ungnade, obgleich ihn das offene Geständniß dieses leichtsinnigen Buben von aller Schuld befreit hat. – Was meint Ihr, wäre es nicht eine Handlung der Menschenliebe, ihm solchen Trost zu gewähren, wozu die Dankbarkeit einer Königin, die ihm für seine treuen Dienste sehr verpflichtet ist, am besten geeignet sein dürfte?«
Man kann leicht denken, daß keiner der Gegenwärtigen sich diesem Vorschlage widersetzte.
»Ihre Majestät,« sagte der Bischof von Lincoln, »ist der Athem, der uns belebt.« – Die Krieger behaupteten, das Gesicht der Herrscherin sei der Wetzstein für das Schwert des Soldaten; während die Staatsmänner nicht weniger der Meinung waren, daß der Blick der Königin eine Leuchte sei auf den Wegen ihrer Rathgeber; und die Damen behaupteten mit einer Stimme, daß kein Großer Englands die Achtung von Englands königlicher Herrscherin so wohl verdiene, wie der Graf von Sussex – mit Vorbehalt des dem Grafen von Leicester gebührenden Rechtes. So drückten einige der Klügsten ihre Zustimmung aus. – Doch schien Elisabeth auf diesen Vorbehalt nicht zu achten. Es wurde daher Befehl ertheilt, daß die Barke ihre königliche Last zu Deptford an's Land setzen solle, an dem nächsten und bequemsten Punkte, der mit Say's Court in Verbindung stand, damit die Königin ihre königliche und mütterliche Besorgniß beruhigen möchte, indem sie sich persönlich nach dem Befinden des Grafen von Sussex erkundigte.
Raleigh, dessen scharfsinniger Geist in unbedeutenden Ereignissen wichtige Folgen vorhersah, beeilte sich die Königin um Erlaubniß zu bitten, in das Boot steigen zu dürfen, um seinem Herrn ihren königlichen Besuch anzumelden, indem er erfinderisch hinzusetzte, die freudige Ueberraschung möchte für seine Gesundheit gefährlich werden, da selbst die kräftigsten Herzstärkungen für Diejenigen gefährlich wären, die sich lange in einem matten Zustande befunden haben.
Ob nun die Königin es zu voreilig hielt, daß ein so junger Hofmann ungefragt eine Meinung aussprach, oder ob sie durch ein Gefühl der Eifersucht bestimmt worden war, die ihr das Gerücht eingeflößt hatte, daß der Graf beständig von Bewaffneten umgeben sei, – sie gab Raleigh die heftige Weisung, seinen Rath so lange zu sparen, bis man ihn darum befrage, wiederholte ihre früheren Befehle, bei Deptford zu landen und setzte hinzu: »Wir wollen selber sehen, welche Art von Haushalt Lord Sussex um sich hat.«
»Da sei uns Gott gnädig!« sagte der junge Hofmann zu sich selbst. »Guter Herzen hat der Graf gewiß manche um sich; aber gute Köpfe sind kaum bei uns zu finden, und er selber ist zu krank, um Anordnungen zu treffen. Blount wird bei seinem Frühstück sitzen, welches aus Bier und Yarmouther Häringen besteht, und Tracy bei seinem schwarzen Pudding und Rheinwein, – jene Stockwaliser, Thomas ap Rice und Evan Evans, werden sich eben jetzt ihre Knoblauchsuppe und gerösteten Käse wohl schmecken lassen – und sie verabscheut, wie man sagt, alle gemeinen Gerichte, alle üblen Gerüche und starken Weine. Wenn sie nur daran dächten, in der großen Halle mit Rosmarin zu räuchern! aber, vogue la galère, jetzt muß Alles dem Zufall überlassen bleiben. Das Glück ist mir diesen Morgen ziemlich günstig gewesen, denn ich habe einen Mantel verderbt und dafür bei Hofe mein Glück gemacht – wenn es nur auch eben so viel für meinen edlen Patron thun wollte!«
Die königliche Barke landete bald zu Deptford, und unter dem lauten Zuruf des Volkes, welchen ihre Gegenwart sogleich veranlaßte, ging die Königin, während ein Baldachin über ihrem Haupte getragen wurde, von einer jauchzenden Volksmenge begleitet auf Say's Court zu, wo man durch den entfernten Zuruf des Volkes das erste Zeichen ihrer Ankunft erhielt. Sussex, welcher sich gerade mit Tressilian berieth, wie er die vermeintliche Ungunst der Königin wieder gut machen solle, war sehr überrascht, als er von ihrer unmittelbaren Ankunft hörte – nicht, daß die Gewohnheit der Königin, ihren vornehmeren Adel in Gesundheit oder Krankheit zu besuchen, ihm unbekannt war; die plötzliche Mittheilung aber ließ keine Zeit zu solchen Vorbereitungen, von denen er wußte, daß Elisabeth sie liebte, und die Rauhheit und Verwirrung seiner militärischen Hausgenossen, die seit seiner letzten Krankheit sehr zunahm, machten, daß er zu ihrem Empfange gänzlich unvorbereitet war.
Innerlich den Zufall verfluchend, welcher ihm so unversehens ihren gnädigen Besuch zuführte, eilte er mit Tressilian hinunter, dessen interessanter Geschichte er so eben aufmerksam zugehört hatte.
»Mein würdiger Freund,« sagte er, »Ihr habt vermöge der Gerechtigkeit und Dankbarkeit ein gleiches Recht zu erwarten, daß ich Eure Anklage Varney's so viel ich kann unterstützen werde. Der Zufall wird sogleich zeigen, ob ich bei unserer Herrscherin für Euch etwas thun kann, oder ob meine Einmischung in Eure Angelegenheit Euch mehr schaden, als nützen wird.«
So sprach Sussex, während er einen weiten Zobelpelz umwarf, und sein Aeußeres so gut als möglich in Stand setzte, um vor den Augen der Königin erscheinen zu können. Doch die eilige Aufmerksamkeit, die er seinem Anzuge widmete, konnte doch nicht das geisterartige Ansehen vertilgen, welches lange Krankheit seinem von Natur mehr mit kräftigen als gefälligen Zügen begabten Gesichte aufgedrückt hatte. Ueberdies war er von mittlerer Statur, und obgleich breitschulterig, kräftig und zu kriegerischen Unternehmungen geschickt, so war seine Erscheinung in der friedlichen Halle doch keine solche, wie sie von den Damen gern gesehen wird. Obgleich Sussex von seiner Herrscherin geachtet und geehrt wurde, so war er doch, mit Leicester verglichen, welcher durch elegante Sitten und Schönheit der Person gleich ausgezeichnet war, beträchtlich in Nachtheil.
Die äußerste Eile, welche der Graf anwendete, setzte ihn nur eben in den Stand, der Königin entgegen zu gehen, als sie in die große Halle trat, und er bemerkte sogleich, daß ihre Stirn finster war. Ihr argwöhnisches Auge hatte die bewaffneten Edelleute und Trabanten wohl bemerkt, wovon das Haus erfüllt war, und ihre ersten Worte drückten ihre Mißbilligung aus: »Ist dies eine königliche Garnison, Mylord von Sussex? oder sind Wir aus Versehen anstatt zu Say's Court an unserm Tower zu London gelandet?«
Lord Sussex brachte sogleich einige Entschuldigungen vor.
»Es ist nicht nöthig, Mylord,« sagte sie; »Wir beabsichtigen sogleich einen Streit zwischen Eurer Herrlichkeit und einem andern großen Lord unseres Haushalts zu schlichten, und zu gleicher Zeit diese ungesittete und gefährliche Gewohnheit zu tadeln, Euch mit bewaffneten Anhängern und Raufbolden zu umgeben, als ob Ihr Euch in der Nähe Unserer Hauptstadt, und sogar mitten in Unserer Residenz zu einem Bürgerkriege rüstetet. – Wir sind erfreut, Mylord, Euch so weit wieder hergestellt zu sehen, obgleich ohne den Beistand des gelehrten Arztes, den Wir an Euch abschickten – keine Entschuldigung – Wir wissen, wie die Sache zuging, und haben den wilden Burschen, den jungen Raleigh, schon dafür bestraft. – Beiläufig gesagt, Mylord, Wir wollen Euren Haushalt bald von ihm befreien, und ihn in den Unsrigen aufnehmen. Es liegt etwas in ihm, was besser gepflegt zu werden verdient, als sich unter Euren kriegerischen Anhängern erwarten läßt.«
Obgleich Sussex nicht wußte, wie die Königin zu dem Vorschlag komme, so konnte er doch nichts weiter thun, als sich verbeugen und seine Zustimmung aussprechen. Er bat sie dann zu bleiben, bis er ihr einige Erfrischungen anbieten könne, doch darein wollte sie nicht willigen. Und nach einigen Complimenten von viel kälterem und gewöhnlicherem Charakter, als man bei einem so entschieden günstigen Schritte, wie ein persönlicher Besuch war, hätte erwarten sollen, verließ die Königin Say's Court, nachdem sie Verwirrung mitgebracht, und Zweifel und Besorgniß zurückgelassen.