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Richard. Ein Pferd! – Ein Pferd! – Ganz England für ein Pferd!
Catesby. Mylord, ich helf' Euch zu 'nem Pferd.
Unsere Reisenden nahmen gerade ihren Weg durch ein kleines Gehölz an der Landstraße, als das erste lebende Wesen sich ihnen darstellte, welches sie seit ihrer Abreise von Cumnor Place gesehen. Es war ein dummer Bauerlümmel in einer grauen Jacke, mit bloßem Kopfe, dem die Strümpfe über die Knöchel niederhingen, und der ungeheure Absätze an den Schuhen hatte. Er hielt am Zügel, was sie vor Allem bedurften, nämlich ein Pferd mit einem Damensattel, und begrüßte Wayland mit den Worten: »Herr, gehört Ihr zur Gesellschaft?«
»Ja wohl, mein Sohn,« antwortete Wayland, ohne sich einen Augenblick zu bedenken; und man muß gestehen, daß selbst ein Gewissen, in einer strengeren moralischen Schule erzogen, einer solchen Versuchung hätte nachgeben können. Während er sprach, nahm er dem Buben den Zügel aus der Hand, half der Gräfin vom Pferde und war ihr behülflich, das zu besteigen, welches ein günstiger Zufall ihr so unerwartet entgegenführte. Das Ganze ging so natürlich vor sich, daß die Gräfin, wie sich's später zeigte, gar nicht anders gedacht hatte, als daß das Pferd, vermöge der Vorsicht des Führers, oder eines seiner Freunde, dorthin gebracht worden sei.
Der Bursche aber, welcher sein Pferd so schnell losgeworden war, starrte ihn an und kratzte sich den Kopf, als ob er plötzlich einige Bedenklichkeit empfinde, daß er das Pferd auf eine so kurze Erklärung ausgeliefert habe. – »Ich bin gewiß, daß Du zur Gesellschaft gehörst,« sagte er zu Wayland; »doch Du hättest Bohnen sagen sollen, wie Du weißt.«
»Ja, ja,« sagte Wayland auf's Gerathewohl sprechend, »und Du Speck, wie Du weißt.«
»Nein, nein,« sagte der Bursche, »bewahre – bewahre – Erbsen hätte ich sagen sollen.«
»Gut, gut,« antwortete Wayland, »so mögen es denn in Gottes Namen Erbsen sein, obgleich Speck ein besseres Paßwort ist.«
Jetzt hatte er sein Pferd bestiegen und dem Bauerjungen den Zügel aus der Hand genommen; er warf ihm ein Stück Geld zu, und ritt rasch weiter, um die verlorene Zeit wieder einzubringen. Der Bursche war noch von dem Hügel aus sichtbar, den sie hinaufritten, und als Wayland zurückblickte, sah er ihn mit ausgestreckten Armen so unbeweglich dastehen, wie einen Wegweiser, und sein Kopf war nach der Richtung gewendet, wohin sie entflohen. Endlich, als sie auf dem Gipfel des Hügels angelangt waren, sah er, wie der Bube sich bückte, um das Silberstück aufzuheben, welches er ihm hingeworfen. – »Nun, das nenne ich Hülfe in der Noth,« sagte Wayland; »dies ist ein hübsches, wohlzugerittenes Pferd und wird Euch schon so weit tragen, bis ich Euch ein anderes verschaffen kann. Dann wollen wir es zurücksenden, damit der rechtmäßige Besitzer es wieder erhalte.«
Doch er täuschte sich in seiner Erwartung, und das Schicksal, welches ihnen anfangs so günstig schien, drohte bald, den günstigen Umstand in eine Veranlassung zu ihrem Verderben umzuwandeln.
Sie waren noch keine Meile von dem Orte entfernt, wo sie den Burschen zurückgelassen hatten, als sie die Stimme eines Mannes hinter ihnen herrufen hörten: »Raub! Raub! – Haltet den Dieb!« und ähnliche Ausdrücke, welche Wayland sogleich auf sich bezog.
»Wäre ich doch lieber mein Lebenlang barfuß gegangen,« sagte er; »man verfolgt mich und ich bin ein verlorener Mann. Ach, Wayland, Wayland! wie oft sagte Dein Vater, Pferdefleisch werde Dir den Tod bringen. Wäre ich nur mit Sicherheit im Gedränge von Smithfield oder Turnballstreet, so sollten sie die Erlaubniß haben, mich so hoch zu hängen, wie der St. Paulsthurm, wenn ich mich je wieder mit Cavalieren, Rittern oder Edeldamen einlasse.«
Während dieser kläglichen Betrachtungen wendete er sich wiederholt um, zu sehen, von wem er verfolgt werde, und war sehr beruhigt, als er nur einen einzigen Reiter bemerkte, der indeß wohl beritten war und mit solcher Schnelligkeit nachkam, daß es nicht möglich war, ihm zu entgehen, selbst wenn die Kräfte der Dame es gestattet hätten, so schnell zu reiten, als das Pferd nur immer hätte galoppiren können.
»Es ist offenbar ein gutes Spiel,« dachte Wayland, »wo nur ein Mann auf jeder Seite ist, und jener Kerl sitzt eher wie ein Affe, als wie ein Cavalier auf seinem Pferde. Pah! im schlimmsten Falle wird es leicht sein, ihn vom Pferde zu werfen. Ich glaube, sein Pferd wird thun was ihm beliebt, denn er hat den Zügel zwischen den Zähnen. Zum Henker, was kehre ich mich an ihn?« sagte er, als der Verfolger noch näher kam, »es ist ja nur der kleine Krämer aus Abingdon.«
Wirklich war es so, wie Waylands scharfes Auge aus der Ferne gesehen hatte. Das Pferd des tapfern Krämers, welches ein muthiges Thier war, bemerkte ein Paar Pferde in der Entfernung von einigen hundert Schritten vor sich, eilte rasch vorwärts und erreichte sie nicht bloß, sondern eilte auch an Denen vorüber, welche er verfolgte. Der Krämer zog mit aller Kraft den Zügel an und rief: »Halt, halt!« doch sein Pferd war eine gute Strecke vorausgeeilt, ehe er im Stande war, es zum Stehen zu bringen und herumzuwenden; dann ritt er zu den Reisenden zurück, indem er, so gut er konnte, seine in Unordnung gerathene Kleidung wieder herstellte, sich wieder im Sattel zurecht setzte, und bemüht war, statt der Verwirrung und Unbehaglichkeit, welche sein Gesicht während seines unfreiwilligen Rennens gezeigt hatte, einen drohenden und kriegerischen Blick anzunehmen.
Wayland hatte gerade noch so viel Zeit, der Dame zuzurufen, sie möge sich nicht fürchten, indem er hinzusetzte: »Dieser Bursche ist ein Narr und ich werde ihn als solchen behandeln.«
Als der Krämer wieder Athem und Kühnheit genug besaß, ihnen entgegenzutreten, befahl er Wayland in drohendem Tone, ihm sein Pferd auszuliefern.
»Wie?« sagte der Schmied, mit dem zornigen Blicke des Königs Cambyses, »will man uns hier auf öffentlicher Landstraße überfallen? Dann komm' aus Deiner Scheide, mein wackeres Schwert, und sage diesem verwegenen Ritter, daß furchtbare Hiebe zwischen uns entscheiden müssen!«
»Hülfe und Gerechtigkeit! Jeder redliche Mann stehe mir bei!« rief der Krämer; »man hält mir mein Eigenthum zurück!«
»Du rufst vergebens Deine Götter an, schändlicher Heide,« sagte Wayland, »denn ich will meinen Vorsatz ausführen, und sollte mich der Tod erwarten. Dessen ungeachtet wisse, Du falscher Händler mit unächtem Cambrik und Seidenzeug, daß ich derselbe Hausirer bin, dem Du bei Maidencastle begegnen und seines Packes berauben wolltest; daher greife sogleich zu Deiner Waffe.«
»Ich sprach nur im Scherz, Mann,« sagte Goldthred; »ich bin ein ehrlicher Krämer und Bürger, der den Leuten nicht hinter den Hecken auflauert.«
»Dann thut es mir in der That leid um mein Gelübde, Dich Deines Pferdes zu berauben, wo ich es auch träfe, und es meinem Liebchen zu geben, wenn Du es nicht mit Deinem Schwerte wieder erlangen könntest. Doch das Gelübde ist gethan und aufgezeichnet. – Alles, was ich für Dich thun kann, ist, das Pferd in dem nächsten Gasthause zu Donnington zurückzulassen.«
»Aber, ich sage Dir, Freund,« versetzte der Krämer, »auf diesem selben Pferde wollte ich heute Johanna Thackham von Schottesbrock bis zu jener Kirche führen, um Frau Goldthred zu werden. Sie ist aus dem Hinterfenster in der Scheune des alten Gevatter Thackham gesprungen, und siehe, dort steht sie an der Stelle, wo das Pferd sie aufnehmen sollte, mit ihrem Reitmantel von Camelot und ihrer Peitsche mit elfenbeinernem Handgriffe, dem Bilde von Loth's Frau gleich. Ich bitte Euch dringend, gebt mir das Pferd zurück.«
»Es thut mir ebenso leid um die schöne Dame, wie um Dich, höchst edler Ellenreiter,« sagte Wayland. »Doch Gelübde müssen gehalten werden. – Du wirst das Pferd im Engel zu Donnington finden. Das ist Alles, was ich mit gutem Gewissen für Dich thun kann.«
»Zum Teufel mit Deinem Gewissen!« sagte der ärgerliche Krämer, »willst Du, daß eine Braut zu Fuße in die Kirche gehen soll?«
»Du kannst sie hinten auf Dein Pferd nehmen,« antwortete Wayland; »dann wird Dein Pferd nicht mit Dir durchgehen.«
»Aber wie, wenn Ihr vergeßt, mein Pferd zurückzulassen, wie Ihr versprecht?« sagte Goldthred nicht ohne Zögern.
»Ich setze meinen Pack dafür zum Pfande,« er liegt dort bei Giles Gosling, und ist mit Sammet, einfachem, doppelten und dreifachen, angefüllt, – so wie auch mit Taffet und Satin – mit Tripp, Damast und Trippsammet, Plüsch und Grogram –«
»Halt! halt!« rief der Krämer; »wenn in Wahrheit nur die Hälfte dieser Waaren darin ist – doch wenn ich je einem Bauerlümmel wieder einen Zelter anvertraue –!«
»Wie es Euch beliebt, guter Herr Goldthred, – und nun guten Morgen und glückliche Reise,« setzte er hinzu, indem er freudig mit der Dame weiter ritt, während der gekränkte Krämer viel langsamer zurückkehrte, als er gekommen war, indem er überlegte, welche Entschuldigung er bei seiner Braut vorbringen solle, welche mitten auf der Landstraße stand, und auf ihren tapfern Bräutigam wartete.
»Mich dünkt,« sagte die Dame, als sie weiter ritten, »daß jener Narr mich anstarrte, als erinnere er sich meiner; doch verbarg ich mich so gut ich konnte hinter meinen Schleier.«
»Wenn das wäre,« sagte Wayland, »so wollte ich zurückreiten und ihm einen Schlag über den Schädel versetzen – ich dürfte mich nicht fürchten, sein Gehirn zu verletzen, denn er hatte niemals so viel, um einem saugenden Kätzchen Brei davon zu machen. Wir müssen indeß vorwärts eilen, und zu Donnington will ich des Dummkopfs Pferd zurücklassen, damit er nicht in Versuchung gerathe, uns noch weiter zu verfolgen.«
Die Reisenden erreichten Donnigton ohne weitere Unruhe, wo es nothwendig wurde, der Gräfin einige Stunden Erholung zu gönnen, während welcher Zeit Wayland solche Maßregeln nahm, von denen die Sicherheit ihrer weitern Reise abzuhängen schien.
Indem er seinen Hausirerkittel mit einem Staubmantel vertauschte, führte er Goldthreds Pferd in das Wirthshaus zum Engel, welches am andern Ende des Ortes war, wo unsere Reisenden ihr Quartier aufgeschlagen. Während des Morgens, als er in andern Geschäften umherging, sah er, wie das Pferd herausgeführt, und dem Ausschnittkrämer selber überliefert wurde, der an der Spitze einer Anzahl Gerichtsdiener gekommen war, um das mit Gewalt der Waffen zu erlangen, was ihm ohne weitere Ranzion, als um den Preis einer ungeheuren Quantität Ale ausgeliefert wurde, welches seine durstigen Gefährten austranken, und über dessen Preis Herr Goldthred mit dem Gemeindevorsteher, den er zu seinem Beistand aufgefordert hatte, in einen heftigen Streit gerieth.
Nachdem Wayland diese Handlung kluger und gerechter Wiedererstattung ausgeführt hatte, schaffte er für die Lady und sich solche Kleider an, die ihnen Beiden das Aussehen von Landleuten der bessern Klasse gaben. Ueberdies waren sie übereingekommen, daß sie, um weniger Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, unterwegs für die Schwester ihres Führers gelten solle. Ein gutes aber nicht schönes Pferd, welches mit dem seinigen Schritt zu halten vermochte, und gut genug war zum Gebrauche einer Lady, vervollständigte die Vorbereitungen zur Reise, wozu ihn Tressilian mit ausreichenden Geldmitteln versehen hatte. Nachdem die Gräfin einige Stunden ausgeruht und Erfrischungen zu sich genommen hatte, setzten sie um Mittag ihre Reise fort, in der Absicht, über Coventry und Warwick so schnell als möglich nach Kenilworth zu gelangen. Sie sollten indeß nicht weiter reisen, ohne daß ihnen eine Veranlassung zur Besorgniß begegnete.
Es ist nöthig vorauszuschicken, daß der Gastwirth sie benachrichtigt hatte, eine muntere Gesellschaft, welche die Absicht habe, wie er gehört, einige von den Masken oder Aufzügen darzustellen, womit die Königin gewöhnlich bei ihren Reisen begrüßt wurde, habe das Dorf Donnington eine oder zwei Stunden vor ihnen verlassen, um sich nach Kenilworth zu begeben. Nun fiel es Wayland ein, daß, wenn sie sich an diese Gruppe anschlössen, sobald sie dieselbe einholten, sie eher die Aufmerksamkeit vermeiden würden, als wenn sie fortführen, allein zu reisen. Diesen Gedanken theilte er der Gräfin mit, die nur begierig war, ohne Unterbrechung nach Kenilworth zu gelangen, und es ihm überließ, die Art und Weise zu wählen, wie dies auszuführen sei. Sie trieben daher ihre Pferde in der Absicht weiter, die Truppe von Schauspielern einzuholen und die Reise in ihrer Gesellschaft zu machen. Gerade hatten sie die kleine Schaar, welche zum Theil aus Reitern, zum Theil aus Fußgängern bestand, über einen Hügel gehen sehen, der etwa eine halbe Meile entfernt war, als Wayland, der sich überall sorgfältig umsah, einen Reiter hinter ihnen herkommen sah, von einem Diener begleitet, der bei aller Anstrengung mit seinem Herrn nicht Schritt zu halten vermochte. Wayland blickte ängstlich zu den Reitern zurück, wurde sehr verstört in seinem Wesen, sah sich wieder um, und war sehr blaß, als er zu der Dame sagte: »Das ist Richard Varney's Pferd – ich würde es unter Tausenden erkennen – es ist eine schlimmere Sache, als die mit dem Krämer da.«
»Zieht Euer Schwert,« antwortete die Dame, »und durchbohrt mir die Brust lieber, als daß ich in seine Hände falle.«
»Ich möchte es lieber tausendmal durch seinen Körper, oder selbst durch den meinigen stoßen,« antwortete Wayland. »Aber um die Wahrheit zu sagen, das Fechten ist nicht meine stärkste Seite, obgleich ich kaltes Eisen ebensogut ansehen kann, wie ein Anderer, wenn es nöthig ist. Und in der That, was mein Schwert betrifft – treibt Euer Pferd an, ich bitte Euch – so ist es nur ein gewöhnliches Rappier, und er hat gewiß ein ausgesuchtes aus Toledo. Er hat auch einen Diener bei sich, und ich glaube, es ist der betrunkene Raufbold Lambourne – ich bitte Euch herzlich, treibt Euer Pferd an – der dasselbe Pferd reitet, welches ihm bei der Beraubung des reichen Viehhändlers diente. Freilich fürchte ich weder Varney noch Lambourne in einer guten Sache – Euer Pferd kann noch rascher gehen, wenn Ihr es mehr antreibt – aber doch – laßt ihn nicht in Galopp übergehen, damit sie nicht sehen, daß wir sie fürchten und uns verfolgen – haltet ihn nur immer in gutem Trabe – aber doch, obgleich ich sie nicht fürchte, wünschte ich, wir wären ihrer los, und zwar lieber durch Klugheit, als Gewalt. Vermöchten wir nur die Gesellschaft vor uns zu erreichen, so könnten wir uns unter ihnen verbergen und unbeobachtet an ihm vorbeikommen, wenn nicht vielleicht Varney in der ausdrücklichen Absicht gekommen ist, uns zu verfolgen.«
Während er dies sprach, trieb er wechselsweise sein Pferd an, und hielt es zurück, da er den schnellsten Schritt beizubehalten wünschte, der sich mit einer gewöhnlichen Reise auf der Landstraße vertrug, zugleich aber auch solche Schnelligkeit in der Bewegung zu vermeiden, welche den Verdacht erregen könne, daß sie auf der Flucht wären.
In solchem Schritte gelangten sie auf den Gipfel des erwähnten Hügels, und als sie sich dort umsahen, hatten sie das Vergnügen, die Gesellschaft, die vor ihnen Donnington verlassen, in dem kleinen Thale oder Grunde auf der andern Seite zu erblicken, wo der Weg von einem Bache durchschnitten war, neben welchem sich einige Hütten befanden. An diesem Orte schien sie Halt gemacht zu haben, weshalb Wayland hoffte, sie erreichen, und sich ihrer Gesellschaft anschließen zu können, ehe Varney sie einholen würde. Er wünschte dies um so mehr, da seine Gefährtin, obgleich sie keine Klagen und keine Furcht zu erkennen gab, so todtenblaß wurde, daß er fürchtete, sie möge von ihrem Pferde fallen. Ungeachtet dieser Zeichen mangelnder Kraft, trieb sie ihr Pferd so rasch weiter, daß sie sich unten im Thale mit der Gesellschaft vereinten, ehe Varney auf dem Gipfel der kleinen Erhöhung erschien, von welchem sie herabgestiegen waren.
Sie fanden die Gesellschaft, der sie sich anschließen wollten, in großer Unordnung. Die Weiber, mit aufgelöstem Haare und großer Wichtigkeit, eilten in eine von den Hütten und kamen dann wieder heraus, während die Männer umherstanden und die Pferde hielten.
Wayland und seine Begleiterin hielten einen Augenblick, wie vor Neugierde, still, und mischten sich dann, ohne zu fragen, oder gefragt zu werden, unter die Gruppe, als hätten sie schon immer dazu gehört.
Sie hatten noch nicht fünf Minuten dagestanden, und sich soviel als möglich zur Seite des Weges gehalten, damit die andern Reisenden zwischen ihnen und Varney sein möchten, als Lord Leicesters Stallmeister, von Lambourne begleitet, in großer Eile den Hügel heruntergesprengt kam, indem die Seiten ihrer Pferde, und die Räder ihrer Sporen blutige Zeichen von der Schnelle ihrer Reise an sich trugen. Das Aeußere der Gruppe, welche um die Hütte herstand, wovon die meisten steifleinene Gewänder trugen, um ihre Maskeradenanzüge zu bedecken, sowie auch ihr leichter Karren, um ihre Geräthe zu transportiren, führte die Reiter sogleich zu der Vermuthung, welchem Stande die Gesellschaft angehöre.
»Ihr seid Schauspieler,« sagte Varney, »und wollt nach Kenilworth?«
» Recte quidem, Domine spectatissime,« (richtig, mein verehrtester Herr,) antwortete Einer von der Gesellschaft.
»Und was, zum Teufel, steht Ihr hier,« sagte Varney, »da Ihr nur mit der größten Eile zu rechter Zeit nach Kenilworth kommen werdet? Die Königin speist morgen zu Warwick zu Mittag und Ihr verweilt hier, Ihr Schurken?«
»Wahrhaftig, Herr,« sagte ein kleiner Kobold, welcher eine Maske mit einem Paar scharlachrother Hörner trug, und außerdem ein Wams von schwarzer Serge, mit Tressen dicht um seinen Leib zusammengehalten, mit rothen Strümpfen und Schuhen, die so gestaltet waren, daß sie gespaltenen Hufen glichen – »in Wahrheit, Herr, Ihr seid auf dem rechten Wege. Mein Vater, der Teufel, hatte seine Hand im Spiele, und hat unsern gegenwärtigen Vorsatz dadurch verzögert, daß er unsere Gesellschaft um ein Mitglied vermehrte.«
»Das wäre der Teufel!« antwortete Varney, der sich nie über ein sarkastisches Lächeln verstieg.
»Es ist wie der Jüngling sagt,« setzte die Maske hinzu, die zuerst gesprochen hatte; »unser erster Teufel, denn dies ist nur ein untergeordneter, ist eben in jener Hütte mit Lucina's Werke beschäftigt.«
»Beim heiligen Georg, oder vielmehr bei dem Drachen, das ist ein sehr komischer Zufall,« sagte Varney. »Was sagst Du dazu, Lambourne, willst Du hier Gevatter stehen? – Wenn der Teufel sich einen Gevatter wählen sollte, so wüßte ich keinen bessern dazu.«
»Nur, wenn meine Vorgesetzten nicht zugegen sind,« sagte Lambourne mit der höflichen Unverschämtheit eines Dieners, welcher weiß, daß seine Dienste unentbehrlich sind, so daß sein Scherz schon durchgehen muß.
»Und wie ist der Name dieses Teufels, oder dieser Teufelsdame, die ihre Zeit so seltsam gewählt hat?« sagte Varney. »Wir können keinen von unsern Schauspielern entbehren.«
» Gaudet nomine Sibyllae,« sagte der erste Redner, »sie heißt Sibylla Laneham, Frau des Herrn Richard Laneham –«
»Des Geheimraths Thüraufsehers?« sagte Varney; »die ist nicht zu entschuldigen, da sie doch Erfahrung genug hat, ihre Angelegenheiten besser zu ordnen. Doch wer waren die, ein Mann und eine Frau, meine ich, die eben jetzt so hastig vor mir den Hügel hinaufritten? Gehören die zu Eurer Gesellschaft?«
Wayland war im Begriff, eine Antwort auf diese beunruhigende Frage zu wagen, als der kleine Teufel das Wort ergriff.
»Euer Gnaden zu dienen,« sagte er, indem er nahe zu Varney hintrat, und so leise redete, daß seine Gefährten ihn nicht hören konnten, »der Mann war unser erster Teufel, und er besitzt Talent genug, hundert solche, wie Frau Laneham, zu ersetzen; und das Frauenzimmer ist die weise Frau, welche unter den bedenklichen Umständen unserer Kameradin am nöthigsten ist.«
»So habt Ihr also eine weise Frau?« sagte Varney. »Sie ritt wahrhaftig, als wäre sie an diesen Ort bestellt, wo sie nöthig ist – und Ihr habt überdies hübsche Glieder zu einem Satan, um den Mangel der Frau Laneham zu ersetzen.«
»Ja, Herr,« sagte der Knabe, »sie sind nicht so selten in dieser Welt, wie Euer Gnaden denken mögen. Dieser meisterhafte Teufel soll sogleich einige Feuerflammen mit gehörigem Rauche ausstoßen, wenn's Euch Vergnügen macht, – Ihr werdet denken, er habe den Aetna im Bauche.«
»Es fehlt mir jetzt gerade an Zeit, hoffnungsvollster Zögling der Hölle, um seiner Vorstellung beizuwohnen,« sagte Varney; »doch hier ist Etwas für Euch, um auf diese glückliche Stunde zu trinken, – und so, wie es im Schauspiele heißt: Gott fördere Eure Arbeit.«
Mit diesen Worten spornte er sein Pferd an und ritt weiter.
Lambourne blieb einige Augenblicke hinter seinem Herrn zurück, suchte ein Silberstück aus seiner Tasche hervor, welches er dem redseligen Zwerge, wie er sagte, zu seiner Ermuthigung auf dem Wege zu den höllischen Regionen gebe, von deren Feuer er bereits einige Funken an ihm entdecke. Nachdem der Knabe ihm für seine Großmuth gedankt hatte, spornte auch er sein Pferd an, und ritt seinem Herrn so schnell nach, wie das Feuer vom Kieselsteine flammt.
»Und nun,« sagte der listige Zwerg, der sich dicht zu Waylands Pferde begab und ein Rad schlug, welches seine Verwandtschaft mit dem Fürsten der Finsterniß zu bestätigen schien. »Ich habe ihnen gesagt, wer Du bist, nun sage Du mir auch, wer ich bin.«
»Entweder Flibbertigibbet,« antwortete Schmied Wayland, »oder in vollem Ernste ein Abkömmling des Teufels.«
»Du hast es getroffen,« antwortete Dickie Sludge, »ich bin Dein lieber Flibbertigibbet; ich habe meine Fesseln zerbrochen und mich mit meinem gelehrten Magister auf den Weg gemacht, wie ich Dir vorhersagte, daß ich thun würde, er möge nun wollen, oder nicht. – Aber was hast Du da für ein Dämchen bei Dir? Ich sah, daß Du bei der ersten Frage verlegen wurdest, und so kam ich Dir zu Hülfe. Doch ich muß wissen, wer sie ist, lieber Wayland.«
»Du sollst noch fünfzig schönere Dinge hören, mein lieber Junge,« sagte Wayland; »aber schweig jetzt mit Deinen Fragen; und da Ihr nach Kenilworth wollt, so gehe ich auch dorthin, und wäre es auch nur aus Liebe zu Deinem liebenswürdigen Gesichte und zu Deiner kurzweiligen Gesellschaft.«
»Du hättest sagen sollen: aus Liebe zu meinem kurzweiligen Gesichte und zu meiner liebenswürdigen Gesellschaft,« sagte Dickie; »doch wie willst Du mit uns reisen, ich meine, unter welchem Charakter?«
»In demselben, den Du mir angewiesen hast – als ein Gaukler; Du weißt, ich bin in dem Handwerk erfahren,« sagte Wayland.
»Ja, aber die Dame?« antwortete Flibbertigibbet; »ich bin fest überzeugt, daß sie eine Lady ist, und Du bist in diesem Augenblick ihretwegen in der größten Verlegenheit, wie ich aus Deinen Geberden sehe.«
»O, sie ist eine arme Schwester von mir,« sagte Wayland, »sie kann singen und auf der Laute spielen, und würde die Fische aus dem Strome locken.«
»So laß sie mich augenblicklich hören,« sagte der Knabe; »ich liebe die Laute leidenschaftlich; ich liebe sie vor allen Dingen, obgleich ich sie nie gehört.«
»Wie kannst Du sie denn da lieben, Flibbertigibbet?« fragte Wayland.
»Wie die Ritter in den alten Sagen die Damen lieben – vom Hörensagen,« antwortete Dickie.
»So liebe das Lautenspiel noch auf eine kurze Zeit vom Hörensagen, bis meine Schwester sich von der Ermüdung ihrer Reise erholt hat,« sagte Wayland, und murmelte dann zwischen den Zähnen: »der Teufel hole die Neugierde des Burschen! – Ich muß ihn zum Freunde behalten, sonst würde es mir schlecht ergehen.«
Dann rühmte er gegen Magister Holiday seine Talente als Gaukler, und die seiner Schwester in der Musik. Man forderte einigen Beweis von seiner Geschicklichkeit, den er sogleich mit großer Vortrefflichkeit gab. Man war sehr erfreut darüber, daß er sich der Gesellschaft anschloß, und erließ gern seiner Schwester die geforderte Probe. Die neu Angekommenen wurden eingeladen, die Erfrischungen zu theilen, womit die Gesellschaft versehen war, und nur mit einiger Schwierigkeit gelang es Wayland, mit seiner angeblichen Schwester während des Mahles allein zu reden, welche Gelegenheit er dazu benutzte, sie zu bitten, für jetzt sowohl ihren Rang, als auch ihren Kummer zu vergessen, und als das beste Mittel, unerkannt zu bleiben, sich unter die Gesellschaft zu mischen, mit der sie reisen sollte.
Die Gräfin gab die Nothwendigkeit dieser Handlungsweise zu, und als sie ihre Reise fortsetzten, versuchte sie den Rath ihres Führers zu befolgen, indem sie sich an ein Frauenzimmer in ihrer Nähe wendete und ihr Bedauern aussprach, daß man jene Frau habe zurücklassen müssen.
»O, die ist gut versorgt, Madame,« versetzte die angeredete Dame, die ihres munteren und lachlustigen Wesens wegen das Muster der Frau von Bath hätte genannt werden können; »und meine Gevatterin Laneham denkt so wenig an diese Dinge, als nur irgend Eine. Am neunten Tage, wenn die Festlichkeiten so lange währen, wird sie bei uns in Kenilworth sein, und sollte sie mit ihrem kleinen Buben auf dem Rücken dorthin wandern.«
Es lag Etwas in der Rede, was der Gräfin von Leicester alle Lust benahm, die Unterhaltung fortzusetzen.
»Wann werden wir Kenilworth erreichen?« fragte die Gräfin endlich mit einer Unruhe, die sie vergebens zu verbergen suchte.
»Wir, die wir Pferde haben, können heute Abend noch bis Warwick gelangen, und von dort ist Kenilworth nur noch vier oder fünf Meilen entfernt. Dann aber müssen wir warten, bis die Fußgänger nachkommen, obgleich der gute Lord Leicester ihnen wahrscheinlich Pferde oder Wagen entgegenschicken wird, um sie einzuholen, ehe sie von der Reise ermüdet sind, was, wie Ihr wohl denken könnt, keine besonders gute Vorbereitung ist, in Gegenwart vornehmer Leute zu tanzen. – Und doch weiß ich noch die Zeit, wo ich fünf Stunden gegangen wäre, und mich den ganzen Abend nachher auf meinen Zehen würde herumgedreht haben, wie ein zinnerner Teller, den ein Taschenspieler auf der Nadelspitze herumtanzen läßt. Doch das Alter hat mich etwas in den Klauen gehabt, wie's im Liede heißt; aber wenn mir die Melodie und der Tänzer gefällt, so tanze ich doch noch mit jedem muntern Mädchen in Warwickshire um die Wette, welche zu der unglücklichen Zahl Vier eine Null setzt.«
Während die Gräfin von der Geschwätzigkeit dieser guten Dame leiden mußte, hatte Wayland seinerseits genug zu thun, die beständigen Angriffe abzupariren, welche die unermüdliche Neugierde seines alten Bekannten Dickie Sludge auf ihn machte. Die Natur hatte diesen verschlagenen Burschen mit einem scharfen Blicke versehen, welcher vortrefflich zu seinem scharfen Witze paßte. Während der erstere ihn veranlaßte, die Angelegenheiten anderer Leute auszuspioniren, führte ihn die zweite Eigenschaft dahin, sich mit dem zu thun zu machen, was ihn nichts anging, nachdem er sich Kenntniß davon verschafft. Er brachte den langen Tag mit dem Versuche zu, der Gräfin unter den Schleier zu sehen, und was er dort sah, schien seine Neugierde noch mehr zu erregen.
»Deine Schwester da, Wayland,« sagte er, »hat einen schönen Hals für eine Schmiedstochter und sehr zierliche Finger, um sie bei der Spindel anzuwenden – wahrhaftig, ich will an Eure Verwandtschaft glauben, wenn ein Schwan aus dem Krähenei gekrochen ist.«
»Geh, Du bist ein schwatzhafter Bube,« sagte Wayland, »und solltest für Deine Zudringlichkeit gepeitscht werden.«
»Gut,« sagte der Zwerg, indem er sich entfernte, »Alles, was ich sage, ist – bedenkt, daß Ihr mir ein Geheimniß vorenthalten habt! und wenn ich Dir keinen Roland für Deinen Oliver gebe, so heiße ich nicht Dickie Sludge.«
Diese Drohung und die Entfernung, in welcher sich der Kobold während der ferneren Reise von ihm hielt, beunruhigte Wayland sehr, und er machte seiner angeblichen Schwester den Vorschlag, sie möge den Wunsch aussprechen, zwei oder drei Meilen vor dem Marktflecken Warwick anzuhalten, mit dem Versprechen, sich am Morgen der Gesellschaft wieder anzuschließen. Eine kleine Dorfschenke gewährte ihnen einen Ruheplatz, und mit geheimem Vergnügen sah Wayland die ganze Gesellschaft, Dickie mit eingeschlossen, weiter reisen, nachdem sie höflich von einander Abschied genommen.
»Morgen, Madame,« sagte er zu seiner Begleiterin, »wollen wir mit Eurer Erlaubniß wieder früh aufbrechen, und Kenilworth erreichen, ehe die Menge sich dort versammelt.«
Die Gräfin billigte den Vorschlag ihres treuen Führers, sagte aber zu seinem Erstaunen nichts weiter über die Sache, was Wayland in der unangenehmen Ungewißheit ließ, ob sie einen Plan zu ihrer künftigen Handlungsweise entworfen habe, oder nicht, da er wußte, daß ihre Lage Besonnenheit erfordere, obgleich er mit den Einzelnheiten nur unvollkommen bekannt war. Da er indessen schloß, daß sie Freunde in Kenilworth haben müsse, auf deren Rath und Beistand sie sich verlassen könne, so dachte er seine Aufgabe dadurch am Besten auszuführen, wenn er sie sicher dorthin geleite, wozu ihn ihre wiederholten Befehle aufforderten.