Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Jacques.
Sicherlich ist eine neue Sündfluth im
Anzuge, und diese Paare gehen in die
Arche! – Da kommt ein Paar merkwürdiger
Thiere.
Wie's euch gefällt.
Die Mode wechselt mit Erzählungen, wie die gegenwärtige, ebensowohl wie mit andern Dingen. Es gab eine Zeit, wo der Erzähler seine Geschichte beschließen mußte mit einer umständlichen Beschreibung der Trauung, des Eingangs in die Brautkammer und des Ausziehens der Strümpfe als der großen Katastrophe, zu welcher er durch mancherlei Ungewißheiten und Fährlichkeiten endlich den Helden und die Heldin hingeführt hatte. Kein Umstand wurde da vergessen, von dem männlichen Feuer des Bräutigams und dem verschämten Erröthen der Braut bis zum neuen Chorrock des Pfarrers und zum seidenen Mäntelchen der Brautführerin. Allein solche Beschreibungen sind jetzt nicht mehr beliebt, vermuthlich aus demselben Grunde, warum öffentliche Hochzeiten nicht mehr üblich sind, so daß jetzt das glückliche Paar, anstatt ihre Freunde zum Schmause und Tanze zusammenzurufen, in einem einsamen Postkütschlein entweicht, als wollte es sich heimlich trauen lassen, oder als hätte es Schlimmeres vor. Ich bin nicht undankbar für eine Veränderung, welche dem Verfasser den mühsamen Versuch erspart, der abgedroschenen Beschreibung solcher Dinge eine neue Färbung zu geben. Nichtsdestoweniger sehe ich mich dies Mal dazu genöthigt, gleichwie ein Wanderer zuweilen durch Umstände gezwungen wird, einen alten, längst verlegten Weg einzuschlagen. Der aufmerksame Leser wird gefunden haben, daß im vorigen Kapitel alle unnöthigen und minder interessanten Charaktere bei Seite geschafft sind, um den Fußboden für die lustige Hochzeit rein zu machen.
In der That, es würde unverzeihlich sein, leicht hinwegzugehen über Etwas, woran unsere Hauptperson, König Jakob, so lebhaften Antheil nahm. Dieser gelehrte und gutmüthige Monarch spielte keine große Rolle in der europäischen Politik. Dafür war er außerordentlich geschäftig, wenn er Gelegenheit fand, sich in die persönlichen Angelegenheiten seiner lieben Unterthanen zu mischen. Die bevorstehende Vermählung des Freiherrn von Glenvarloch war Etwas, das ihm sehr am Herzen lag. Die Schönheit und Verlegenheit der Gretel Ramsay, wie er sie nannte, hatte bei der ersten Gelegenheit, wo er sie sah, einen großen Eindruck auf ihn gemacht, und ein solcher Eindruck war bei ihm etwas Ungewöhnliches. Dabei that er sich nicht wenig zugute auf seinen Scharfblick, mit dem er ihre Verkleidung entdeckt und das der Entdeckung folgende Verhör geführt hatte.
Während mehrer Wochen, welche die Werbung dauerte, arbeitete er sich mit seinen eigenen königlichen Augen ab (und zwar, wie er sagte, so, daß er eine der besten Brillen Ramsay's abnutzte), um in alten Büchern und Urkunden einen Beweis zu finden, daß die Braut ursprünglich von edler Abkunft sei, und auf diese Weise den einzigen Einwurf der Neider gegen die Heirath zu beseitigen. Wenigstens seiner Meinung nach hatten seine Bemühungen einen ausgezeichneten Erfolg. Eines Tages, als Herr Mungo im Audienzzimmer bitterlich den Mangel der Braut an Ahnen beklagte, unterbrach ihn der König mit der Bemerkung: »Spart Euren Jammer für Eure eigene Noth. Wir wollen, bei Unserer königlichen Seele, behaupten, daß ihr Vater David Ramsay ein Edelmann von neun Ahnen väterlicher Seits ist, und daß sein Urältervater dem kriegerischen Stamme des Hauses Dalwolsey angehört, dessen Mitgliedern Niemand es zuvorgethan hat und Niemand es zuvorthun wird, wo es gilt, das Schwert für König und Vaterland zu ziehen. Habt Ihr nie gehört von Herrn Wilhelm Ramsay von Dalwolsey, von welchem Hans Fordoun sagt: » Fuit bellicosissimus et nobilissimus,« er war sehr kriegerisch und von gutem Adel? – Sein Schloß steht als Zeuge für sich selbst eine Stunde von Dalkeith und eine kleine halbe Stunde von Bannockrig. Von diesem alten ehrenreichen Stamme ist David Ramsay entsprossen, und ich denke, er hat die Ehre seiner Vorfahren nicht verwirkt durch sein gegenwärtiges Geschäft. Er hat mit Stahl gearbeitet, wie sie; der Unterschied ist nur, daß die alten Ritter mit ihren Schwertern Löcher in die Panzer ihrer Feinde schlugen, und daß er Kerben in messingene Räder sägt. Und ich hoffe, es ist eben so ehrenvoll, den Blinden Augen zu geben, als den Sehenden die Augen aus dem Kopfe zu hauen, – eben so ehrenvoll, uns zu lehren, unsere flüchtige Zeit zu schätzen, als sie mit Zechen, Streiten, Lanzenbrechen und dergleichen unchristlichen Dingen mehr zu verderben. Und Ihr müßt wissen, daß David Ramsay kein Handwerker ist, sondern eine freie Kunst treibt, welche sich fast dem Erschaffen eines lebendigen Wesens nähert. Denn von einer Uhr kann man sagen, was Claudian von der Kugel des Archimedes sagt:
Und es wirkt dienstbar der Geist verschlossen in manchem Gehäuse,
Und er beweget das Werk, daß es lebendig erscheint.«
»Ew. Majestät thäte am besten, dem alten David Ramsay ein Wappen zu seinem Stammbaum zu verleihen,« bemerkte Herr Mungo.
»Es ist geschehen ohne Euer Geheiß, Herr Mungo,« versetzte der König. »Ich denke, Wir, die Wir die Quelle aller irdischen Ehre sind, dürfen wohl ein paar Tropfen davon auf eine Unserer Person so nahe stehende Person spritzen, ohne dem Ritter von Girnigosburg zu nahe zu treten. Wir haben bereits mit den gelehrten Männern im Heroldsamte gesprochen, und Wir gedenken, ihm ein vermehrtes Wappen zu verleihen, nämlich das seiner Vorfahren mit Hinzufügung eines Kronrades im Schildhaupte und Zeit und Ewigkeit als Schildhalter, sobald der Wappenkönig vom Hosenbande eine Art, die Ewigkeit als Person darzustellen, ausgesonnen haben wird.«
»Ich würde sie zwei Mal so groß machen, als die Zeit,« bemerkte Archie Armstrong, der Hofnarr, welcher gerade zugegen war.
»Ruhig!« erwiderte der König; »für diese Andeutung sollst du gepeitscht werden. – Ihr, meine englischen Unterthanen, mögt das, was Wir gesagt haben, beherzigen und euch nicht so sehr übereilen, über unsere schottischen Stammbäume zu lachen, wenn sie auch etwas weit hergeholt und schwer nachzuweisen sind. Ihr seht, ein Mann von edlem Blut kann eine Zeitlang seinen Adel bei Seite legen und dennoch wissen, wo er zu finden ist, wenn die Gelegenheit es erfordert. Es würde einem Hausirer, wie ihr einen reisenden Handelsmann nennt (ein Geschäft, auf welches sich Unsere angestammten schottischen Unterthanen fleißig legen), es würde, sage ich, einem solchen Handelsmann übel anstehen, seine Abkunft von Denen zur Schau zu stellen, welchen er für einen Heller Band verkauft, eben so übel, wie einen Biberhut auf dem Kopf und einen Degen an der Seite zu tragen, während er den Pack auf dem Rücken hat. Nein, er hängt sein Schwert an den Nagel, legt seinen Biberhut auf das Bret, steckt seinen Stammbaum in die Tasche und treibt sein Hausirgeschäft so bescheiden, als ob sein Blut nicht besser wäre, als Sumpfwasser. Doch laßt unseren Hausirer, wie ich das mehr als ein Mal gesehen habe, sich in einen wohlhabenden Kaufmann verwandeln, dann, edle Herren, habt ihr eine vollständige Metamorphose.
In nova fert animus mutatas dicere formas Wandlungen, treibt mich der Geist, so mancher Gestalten zu singen..
Er zieht seinen Stammbaum hervor, er schnallt seinen Degen an, er bürstet seinen Biberhut aus, und trägt ihn stolz im Angesicht der ganzen Schöpfung. Wir erwähnen diese Dinge des Breiteren, weil Wir euch Alle wissen lassen wollen, daß Wir nicht ohne gebührende Erwägung der Verhältnisse aller Betheiligten beschlossen haben, privatim die Hochzeit des Lord Glenvarloch mit Margarethe Ramsay, der Tochter und Erbin von David Ramsay, Unserem Uhrmacher und jüngerem Sohne eines jüngeren Sohnes von einem jüngeren Sohne des alten Hauses Dalwolsey, mit Unserer königlichen Gegenwart zu beehren. Wir bedauern, daß Wir nicht das edle Haupt dieses Hauses der Feierlichkeit beiwohnen lassen können. Aber wenn Ehre auswärts zu gewinnen ist, da ist Lord Dalwolsey selten zu Hause zu finden. Sic fuit, est et erit So war es, ist es und wird es sein.. Klingender Gürge, sintemal Ihr die Kosten des Hochzeitsschmauses traget, rechnen Wir auf gute Bissen.«
Heriot verbeugte sich schuldiger Maßen. Der König, welcher ein großer Politiker in Kleinigkeiten war, hatte bei dieser Gelegenheit gewaltig manövrirt und den Prinzen und den Herzog von Buckingham mit einem Auftrage nach Newmarket geschickt. So konnte er sich ungestört seiner Neigung zum gevattermäßigen Schwatzen und zum Einkneipen überlassen, welche dem formliebenden Karl ein Gräuel war, und welcher sich anzubequemen selbst der Günstling seit einiger Zeit nicht mehr der Mühe werth hielt. Nachdem das Lever entlassen war, stellte Herr Mungo Malagrowther den Goldschmied im Hofe des Palastes und hielt ihn all seines Sträubens ungeachtet fest, um ihn folgendem Verhöre zu unterwerfen.
»Das ist ein schlechter Spaß, Meister Georg. Der König muß das Ding nicht recht überlegt haben. Dieser Hochzeitsschmaus wird Euch einen schönen Heller kosten.«
»Er wird mich nicht umbringen, Herr Mungo,« erwiderte Heriot. »Der König hat ein Recht, den Tisch, welchen er Jahre lang versorgt hat, einen Tag gedeckt zu sehen.«
»Sehr wahr, sehr wahr. Wir werden Alle mehr oder weniger zu bezahlen haben. Es wird eine Art Hellerheirath werden, wobei jeder Gast Etwas für die jungen Leute beisteuert, damit sie nicht bloß vier nackte Beine in's Bett einander zubringen. Was gedenkt Ihr zu geben, Meister Heriot? Wenn es sich um Geld handelt, fangen wir bei der Bürgerschaft an.«
»Nur eine Kleinigkeit, Herr Mungo. Ich gebe meiner Pathin den Trauring. Es ist ein merkwürdiger Juwel, den ich in Italien gekauft habe. Er gehörte dem Cosmo de Medici. Beisteuer bedarf die Braut von meiner Seite nicht. Sie hat ein Gut von ihrem Großvater mütterlicher Seite geerbt.«
»Von dem alten Seifensieder?« sprach der Ritter. »Es wird mehr als ein Sud von ihm nöthig sein, um den Flecken aus Lord Glenvarlochs Schild auszuwaschen. Ich habe gehört, das Gut wolle nicht viel bedeuten.«
»Es ist so gut, wie manche Stellen am Hofe, die von vornehmen Leuten gesucht werden,« versetzte der Goldschmied.
»Hofgunst, sagt Ihr? Hofgunst?« sprach Herr Mungo, der wieder den Tauben zu spielen beliebte. »Mondschein im Wasser! Wenn das ihr ganzer Brautschatz ist, dann ist es mir herzlich leid um das Pärchen.«
»Ich will Euch ein Geheimniß anvertrauen, welches Eure zärtlichen Besorgnisse beseitigen wird,« erwiderte Heriot. »Die verwittwete Freifrau von Dalgarno übernimmt die Ausstattung der Braut und vermacht ihr übriges Vermögen ihrem Neffen, dem Bräutigam.«
»Ah was!« spöttelte der Ritter. »Nicht wahr, um ihre Achtung für ihren begrabenen Gemahl an den Tag zu legen? Ein Glück, daß ihr Neffe ihn nicht hineinspedirt hat. Es ist ein eignes Ding um den Tod des armen Lord Dalgarno. Manche denken, es sei ihm übel mitgespielt worden. Es kommt nichts Gutes davon, wenn man die Tochter des Hauses heirathet, mit dem man in Feindschaft steht. Es war weniger Dalgarno's Schuld, als die der Anderen, was ihn zu der Heirath nöthigte. Doch ist es mir lieb, daß die jungen Leute zu leben haben, mag es nun von Almosen kommen oder von Erbschaft. Aber wenn Frau von Dalgarno auch Alles verkaufte, was sie hat, bis auf ihr Wittwenkleid, das schöne Schloß Glenvarloch kann sie ihnen nicht wieder schaffen; das ist fort.«
»Das ist leider nur zu wahr,« sprach der Goldschmied. »Wir können nicht herausbringen, was aus dem Spitzbuben Andreas Skurliewhitter geworden ist, oder was Lord Dalgarno mit dem Pfandbriefe angefangen hat.«
»Ihn auf die Seite geschafft, damit seine Frau ihn nach seinem Tode nicht wiederbekommen könne. Er würde keine Ruhe im Grabe haben, wenn er wüßte, daß Glenvarloch das Gut wiedererlangen solle. Verlaßt Euch darauf, er hat seine Maßregeln genommen, daß sie und ihr Neffe die Finger von der Freiherrschaft lassen müssen.«
»Es ist nur zu wahrscheinlich, Herr Mungo,« erwiderte Meister Heriot. »Allein da ich wegen dieser Feierlichkeit Manches zu besorgen habe, so muß ich es Euch überlassen, Euch mit diesem Gedanken zu trösten.«
»Der Hochzeitstag ist den dreizehnten dieses Monats?« rief der Ritter ihm nach. »Ich will dabei sein.«
»Der König ladet die Gäste ein,« erwiderte der Goldschmied, ohne sich umzudrehen.
»Der gemeine, ungehobelte Knoten!« brummte der Ritter für sich. »Wäre es nicht um die zwanzig Pfund, die er mir vorige Woche geliehen hat, so wollt' ich ihn lehren, wie er sich gegen einen Mann von Stande zu benehmen hat. Aber ich will ihm zum Trotz doch bei dem Hochzeitsschmause sein.«
Wirklich gelang es Herrn Mungo, sich eine Einladung oder einen Befehl zu verschaffen, der Hochzeit beizuwohnen, bei welcher nur wenige Personen zugegen waren. Denn Jakob liebte es, bei solchen Gelegenheiten so ganz wie unter Freunden zu sein, und die Last der königlichen Würde bei Seite zu legen. Zwei Personen, welche man hätte erwarten sollen, fehlten bei der Gesellschaft. Erstlich Frau von Dalgarno, welche durch Unwohlsein und durch den neulichen Tod ihres Gemahles abgehalten wurde, und zweitens Richard Moniplies, dessen Benehmen seit einiger Zeit ganz räthselhaft war. Seinen Dienst bei Lord Glenvarloch hatte er ganz nach seinem Gutdünken geregelt. Seit dem Strauß auf der Enfielder Jagd erschien er regelmäßig Morgens an seinem Bette, um ihm beim Ankleiden behülflich zu sein, und Abends, um seine Garderobe zu ordnen; den übrigen Tag aber verbrachte er, ohne Befehle von seinem Herrn zu empfangen, der jetzt eine vollständige Dienerschaft hatte. Glenvarloch hätte gern wissen mögen, wie der Bursche die Zeit hinbringe, allein Richard zeigte keine Lust, seine Neugier zu befriedigen.
Am Morgen des Hochzeitstages war Richard besonders eifrig in seinem Kammerdienergeschäft, um die hübsche Gestalt seines Herrn im vortheilhaftesten Lichte erscheinen zu lassen. Nachdem er seine Ankleidung mit der größten Genauigkeit besorgt und seinen langen Locken den letzten Strich mit dem Kamme gegeben, kniete er ernsthaft nieder, küßte ihm die Hand, sagte ihm Lebewohl und bat ihn um die Erlaubniß, aus seinem Dienste auszutreten.
»Was ist das für ein Einfall?« fragte Lord Glenvarloch. »Du willst aus meinem Dienste treten, Richard, vermuthlich um bei meiner Frau einzutreten?«
»Ich wünsche,« antwortete Richard, »die gnädige Frau und Ihr, gnädiger Herr, möchtet mit einem eben so guten Diener gesegnet werden, wie ich bin. Allein das Schicksal hat beschlossen, daß ich mich fortan nur als Freund Euren ergebenen Diener nennen kann.«
»Gut, Richard,« erwiderte der Freiherr. »Wenn du des Dienens müde bist, so wollen wir dir für eine bessere Unterkunft sorgen. Aber willst du nicht in meinem Gefolge nach der Kirche sein und au dem Hochzeitsschmause Theil nehmen?«
»Verzeiht, gnädiger Herr,« antwortete Richard, »ich muß Euch an unsern Vertrag erinnern. Ich habe gegenwärtig eigne dringende Geschäfte, welche mich während der Feierlichkeit in Anspruch nehmen. Allein ich will nicht verfehlen, die guten Bissen Meister Heriots zu versuchen. Er hat ein köstliches Mahl gerüstet, und es wäre undankbar, es ungenossen zu lassen.«
»Mache es, wie du willst,« sprach Lord Glenvarloch, und ließ dem flüchtigen Gedanken über den Eigensinn seines Dieners andere folgen, welche besser zu dem Tage paßten.
Der Leser muß sich nun die Blumen vorstellen, die auf dem Wege des glücklichen Paares zur Kirche gestreut wurden, die laute Musik, welche den Zug begleitete, den Bischof, der die Vermählung vollzog, den König, der die Braut übergab – zum großen Troste ihres Vaters, der während der Feierlichkeit Zeit hatte, den richtigen Quotienten für das Getriebe einer eben in der Arbeit befindlichen Uhr auszurechnen.
Nach Beendigung der Feierlichkeit fuhr die Gesellschaft in den königlichen Kutschen zu Meister Heriot, der ein köstliches Mahl in den Foljambischen Gemächern bereitet hatte. Kaum befand sich der König in dieser Heimlichkeit, so warf er Degen und Wehrgehenk mit solcher Hast von sich, als ob sie ihm an den Fingern brennten, schleuderte den Federhut auf den Tisch, als wollte er sagen: Da liege, Herrschergewalt! leerte einen tüchtigen Becher Wein auf's Wohl der Neuvermählten und begann in dem Zimmer herumzutappen, murmelnd, lachend und Witze reißend, die weder sehr geistreich noch sehr zart waren, über die er aber selber laut jubelte, um die Gesellschaft zum Jubel zu ermuntern. Während Se. Majestät in ihrer besten Laune war, und der Ruf zu Tische erwartet wurde, kam ein Diener und flüsterte dem Hausherrn zu, er möge hinauskommen. Heriot ging, kam zurück, näherte sich dem König und flüsterte diesem Etwas zu, was ihn stutzig machte.
»Er will doch nicht sein Geld haben?« fragte der König kurz.
»Keineswegs, allergnädigster Herr,« antwortete Heriot. »Er erklärt, daß ihm dieser Gegenstand gleichgültig ist, so lange es Ew. Majestät gefällt.«
»Das nenn' ich wie ein ehrlicher Mann und treuer Unterthan gesprochen!« erwiderte der König. »Wir wollen ihn dafür gebührend begnadigen. Ist er auch nur ein gemeiner Kerl, – eine Zweipfennigskatze darf ja auch den König ansehen. Herein mit ihm! – pandite fores Oeffnet die Türen.. – Moniplies? – Man hätte den Burschen Monypennies Münzpfennige. taufen sollen, wenn gleich ihr Engländer denkt, wir hätten keinen solchen Namen in Schottland.«
»Die Monypennies sind eine alte und ehrenwerthe Art,« bemerkte Herr Mungo Malagrowther; »schade nur, daß es so Wenige dieses Namens gibt!«
»Die Familie scheint bei Euren Landsleuten anzuwachsen,« erwiderte Meister Lowestoffe, den Lord Glenvarloch eingeladen hatte, »seitdem Sr. Majestät glückliche Thronbesteigung so Viele derselben hierher gebracht hat.«
»Ganz recht,« sprach Herr Mungo mit einem Kopfnicken gegen den Goldschmid. »Etliche unter uns haben das Beste von diesem Segen über die englische Nation gezogen.«
Während dieser Worte ging die Thüre auf, und herein trat, zum Erstaunen Lord Glenvarlochs, sein gewesener Diener Richard Moniplies, köstlich, ja prachtvoll gekleidet in ein Gewand von Brocat, an der Hand führend die lange, verschrumpfte, etwas schiefe Gestalt von Martha Trapbois in schwarzem Sammet, welcher so eigen zu ihrem blassen, finstern Gesichte stand, daß der König halb erschrocken ausrief: »Was Teufel bringt der Bursche daher? Das ist eine Leiche, die mit der Sargdecke davongelaufen ist!«
»Dürft' ich Ew. Majestät um Gnade für sie siffliciren?« sprach Moniplies; »angesehen sie in Folge dessen, was diesen Morgen geschehen, mein angetrautes Weib, Frau Martha Moniplies ist.«
»Ist's möglich?« rief der König. »Aber sie sieht merkwürdig finster aus. Bist du gewiß, daß sie nicht ihrer Zeit Ehrenfräulein bei Unserer Tante, Königin Maria glutheißen Gedächtnisses, gewesen ist?«
»Ich bin gewiß,« antwortete Richard, »daß sie mir fünfzigtausend Pfund guten Geldes und mehr noch zugebracht, und mich in den Stand gesetzt hat, Ew. Majestät und andern Leuten einen Gefallen zu thun.«
»Das braucht Ihr nicht zu sagen,« erwiderte der König. »Wir kennen Unsere Verbindlichkeiten in dieser Beziehung, und es freut Uns, daß diese deine Traute ihren Schatz Einem zugebracht hat, der ihn zum Nutzen von König und Vaterland zu verwenden weiß. Aber wie zum Teufel bist du an sie gekommen?«
»In der alten, schottischen Weise, gnädigster Herr,« antwortete Moniplies. »Sie ist die Beute meines Speeres und Bogens. Es bestand eine Uebereinkunft, daß sie mich heirathen solle, wenn ich ihres Vaters Tod rächte. Also tödtete ich den Mörder und nahm Besitz.«
»Das ist ja die langvermißte Tochter des alten Trapbois!« rief Lowestoffe. »Wo zum Teufel konntet Ihr sie so heimlich einsperren, Freund Richard?«
»Meister Richard, wenn's beliebt,« erwiderte Moniplies, »oder wenn Ihr lieber wollt, Meister Richard Moniplies. Was das Einsperren betrifft, so hatte ich ihr eine Unterkunft ausgemacht, und was die Heimlichkeit anlangt, so war dies ein Punkt der Klugheit, wenn lockere Vögel, wie Ihr, herumschwärmten.«
Allgemeines Gelächter erscholl über diese hochherzige Bemerkung Richards. Seine Neuvermählte machte ein Zeichen der Ungeduld und sprach in ihrem gewöhnlichen strengen Tone zu ihm: »Still! still! Laß uns das thun, weshalb wir gekommen sind.« Mit diesen Worten langte sie einige Pergamente hervor, übergab sie dem Herrn von Glenvarloch und sprach mit lauter Stimme: »Ich nehme den König und alle übrigen Anwesenden zu Zeugen, daß ich die eingelösete Freiherrschaft Glenvarloch dem rechtmäßigen Eigenthümer übergebe, so schuldenfrei, wie sie nur je einer seiner Ahnen besessen hat.«
»Ich bin Zeuge der Einlösung gewesen,« bemerkte Lowestoffe; »aber ich hätte mir nicht im Traume einfallen lassen, woher die Einlösung kam.«
»Das brauchtet Ihr auch nicht zu wissen,« sprach Richard. »Es wäre nicht gar klug gewesen, Ostern auszurufen.«
»Noch ein Mal, still!« nahm die Neuvermählte wieder das Wort. »Dies Papier, Herr von Glenvarloch, gehört ebenfalls Euch. Nehmt es, verschont mich aber mit der Frage, wie es in meine Verwahrung gekommen ist.«
Der König hatte sich neben den Freiherrn gedrängt, betrachtete neugierig die Schrift und rief: »Unsere königliche Anweisung für das Geld, die so lange vermißt wird! Wie seid Ihr dazu gekommen, Jungfer Braut?«
»Das ist ein Geheimniß,« antwortete Martha trocken.
»Ein Geheimniß, welches nie über meine Zunge kommen soll, es sei denn, daß der König es mir bei meiner Unterthanenpflicht gebietet,« setzte Richard hinzu.
»Ich gebiet' es dir, ich gebiet' es dir,« stotterte Jakob mit der Ungeduld einer neugierigen Gevatterin. Herr Mungo, dessen Neugier boshafterer Art, aber im vorliegenden Falle nicht geringer war, bog seine lange, hagere Gestalt vorwärts wie eine Angelruthe, strich die grauen Locken hinter die Ohren und hielt die hohle Hand daran, um jeden Laut aufzufangen. Martha warf ihrem Mann einen gefahrdrohenden Blick zu. Dieser aber ließ sich nicht abhalten, des Königs Gebot Gehorsam zu leisten und berichtete: »Mein seliger Schwiegervater war im Ganzen ein guter, sorgsamer Mann. Aber er hatte eine Ader von weltlicher Weisheit, welche zuweilen der Aufrichtigkeit seines Wandels Eintrag that. Er ließ gern seine Finger zwischen seines Nächsten Habe herumspazieren, und da passirte es zuweilen, daß Etwas dran hängen blieb.«
»Schäme dich!« rief Martha. »Wenn die Schande des Todten erzählt werden soll, so laß es kurz geschehen. – Ja, Herr von Glenvarloch, das Goldstück war nicht der einzige Köder, welcher den unglücklichen Greis in jener schrecklichen Nacht in Euer Zimmer gelockt hat. Der Hauptzweck, den er hatte und erreichte, war, dies Papier zu entwenden. Der elende Notar war am Morgen bei ihm gewesen und hatte ohne Zweifel den schwachsinnigen, alten Mann zu dieser Frevelthat bestimmt, um ein weiteres Hinderniß der Einlösung des Gutes zu schaffen. Wenn ein Mächtigerer bei dieser Schändlichkeit die wahre Triebfeder war, so verzeihe ihm Gott. Er steht vor seinem Richter.«
»Amen!« sprach Glenvarloch, und Alle sprachen es nach.
»Was meinen Vater betrifft,« fuhr Martha fort, indem ihre harten Züge von einem unwillkürlichen krampfhaften Zucken bewegt wurden, »so hat ihm sein Frevel und seine Thorheit das Leben gekostet. Ich glaube steif und fest, daß der Elende, welcher ihn am Morgen beredete, das Papier zu entwenden, das Fenster offen gehalten hat, damit die Mörder hinein konnten.«
Einen Augenblick herrschte allgemeines Schweigen. Der König unterbrach dasselbe mit der Erklärung, daß der schuldbeladene Notar ohne Verzug ausfindig gemacht werden solle, und schloß mit der römischen Richterformel: » I lictor, colliga manus, caput obnubito, infelici suspendite arbori,« Geh', Nachrichter, binde die Hände, verhülle das Haupt, hängt auf an dem Unglücksbaum.
Lowestoffe machte mit gebührender Ehrfurcht die Bemerkung, daß der Notar seit Dalgarno's Todestag sich versteckt habe, und daß seit der Zeit Nichts von ihm zu sehen noch zu hören gewesen.
»Man suche nach ihm,« sprach der König. – »Aber jetzt laßt uns dem Gespräche eine andere Wendung geben. Diese Geschichten machen einem ja das Blut erstarren, und passen schlechterdings nicht zu einem Hochzeitsfeste. Hymen, o Hymenaee!« – rief er, mit den Fingern schnalzend. »Lord Glenvarloch, was sagt Ihr zu Frau Moniplies, dieser lieblichen Braut, die Euch an Eurem Hochzeitstage Euer väterliches Erbe wieder verschafft hat?«
»Laßt ihn Nichts sagen, Herr König,« sprach Martha. »Dies wird am besten zu seinen und meinen Gefühlen passen.«
»Wenigstens ist Rückzahlung zu leisten,« bemerkte Nigel. »In diesem Stücke kann ich nicht Euer Schuldner bleiben.«
»Davon wollen wir später reden,« erwiderte Martha. » Mein Schuldner könnt Ihr nicht sein.« Und sie legte den Finger auf den Mund zum Zeichen, daß sie Nichts mehr über diesen Gegenstand reden wolle.
Herr Mungo aber wollte den Faden des Gespräches nicht abbrechen lassen und sagte zu Richard: »Das ist eine schnurrige Geschichte von Eurem ehrlichen Schwiegervater. Ich glaube, Eure Eheliebste weiß Euch schlechten Dank dafür, daß Ihr sie aufgetischt habt.«
»Herr Mungo,« erwiderte Richard, »es ist bei mir Grundsatz, alles Schlimme, was ich von meiner Sippschaft weiß, selber zu sagen, sintemal ich bemerkt habe, daß es andere Leute sicherlich thun werden, wenn ich es unterlasse.«
»Aber Richard,« fuhr der Ritter fort, »mich dünkt, Eure liebe Braut da wird im Ehestande Herr und mähr Ein Wortspiel mit mehr und Mähre (Pferd). sein.«
»Wenn es bei Worten bleibt,« antwortete Richard, »so kann ich, Gott sei Dank, so taub sein, wie Einer, und kommt es zu Püffen, so habe ich zwei Fäuste.«
»Wohl gesprochen, Richard!« rief der König, »doppelt abgefahren, Herr Mungo! Jungfer Braut, für einen Narren hat Euer Bräutigam keinen üblen Witz.«
»Herr König,« erwiderte Martha, »es gibt Narren, die Witz haben, und Narren, die Muth haben; es gibt endlich Narren, die Gelehrsamkeit haben und doch große Narren sind. Ich habe diesen Mann genommen, weil er mein Beschützer in meiner Verlassenheit war, nicht wegen seines Witzes, oder seiner Weisheit. Er ist grundehrlich und hat ein Herz, welches ein wenig Thorheit entschuldigt. Da ich verurtheilt war, einen Beschützer zu suchen in der Welt, die für mich eine Wildniß ist, so darf ich Gott danken, daß ich an keinen schlimmeren gekommen bin.«
»Und das ist so vernünftig gesprochen,« entgegnete der König, »daß ich versuchen will, ob ich ihn nicht besser machen kann. – Kniee nieder, Richardel! Leihe mir Einer ein Rappier, – Ihr, Meister Langstoff (das ist ein trefflicher Name für einen Juristen); – Ihr braucht es nicht so herauszureißen auf Templermanier, als wolltet Ihr einem Häscher Eins überhauen!«
Er nahm den Degen aus Lowestoffes Hand, wandte die Augen ab, weil er einen Widerwillen gegen blanken Stahl hatte, und suchte die Klinge auf Richards Schulter zu legen, hätte ihm aber dabei fast in's Auge gestochen. Richard fuhr zurück und wollte wieder aufstehen. Lowestoffe aber hielt ihn nieder, und Herr Mungo führte dem König die Klinge, so daß der Ritterschlag ohne Unfall stattfand. Darauf sprach der König: » Surge carnifex Stehe auf, Fleischmann!, steht auf, Herr Richard Moniplies von Schnittburg! Und nun, edle Herren und Getreue, laßt uns zu Tische gehen, denn die Hahnensuppe wird kalt.«
Druck der C. Hoffmann'schen Officin in Stuttgart.