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Neuntes Kapitel.

So groß auch die Kenntnis war, die der Kardinal von dem Gemüte seines Herrn zu besitzen meinte, so hinderte sie ihn bei der gegenwärtigen Gelegenheit doch nicht daran, in einen argen politischen Irrtum zu verfallen. Seine Eitelkeit bewog ihn anzunehmen, er sei weit glücklicher gewesen, den Grafen Crevecoeur zu einem längern Aufenthalt in Tours zu vermögen, als es bei jedem andern Vermittler, den der König hätte gebrauchen können, aller Wahrscheinlichkeit nach der Fall gewesen wäre; und da er wußte, von welcher Wichtigkeit es für Ludwig war, einem Kriege mit Burgund auszuweichen, so konnte er nicht umhin, es merken zu lassen, welch großen und willkommenen Dienst er hiermit dem Könige geleistet zu haben meinte. Er drängte sich darum näher zu der Person des Königs heran, als er es sonst zu tun gewohnt war, und suchte ihn zu einem Gespräch über die Vorgänge des Morgens zu veranlassen. Hingerissen, wie es auch dem Vorsichtigsten zuweilen geschieht, von seiner selbstgenügsamen Stimmung, ritt der Kardinal immer dem Könige zur Rechten und lenkte, so oft es möglich war, die Unterhaltung auf Crevecoeur und dessen Sendung, – ein Gegenstand, der den König zwar im Augenblick am meisten beschäftigen mochte, über den er aber am wenigsten geneigt war, sich in eine Unterhaltung einzulassen. Endlich gab Ludwig, der ihm zwar mit Aufmerksamkeit zugehört, allein auf keine Weise zur Fortsetzung des Gesprächs beigetragen hatte, dem nicht weit von ihm reitenden Dunois ein Zeichen, an die andre Seite seines Pferdes zu kommen.

»Wir sind der Jagd und des Vergnügens halber hierher gekommen,« sagte er. »Allein der ehrwürdige Vater möchte gar zu gern einen Staatsrat abhalten. Was sagt denn Ihr, Dunois, zu Unsers Vetters Begehr?« – »Ich will Euch, Sire, darauf antworten, wenn Ihr mir aufrichtig sagen wollt, ob Ihr Krieg oder Frieden braucht,« antwortete Dunois mit einer Freimütigkeit, die, weil sie aus der ihm angeborenen Offenheit und Unerschrockenheit seines Wesens entsprang, ihn von Zeit zu Zeit zu einem großen Lieblinge Ludwigs machte, der gleich allen schlauen und verschmitzten Menschen die Herzen anderer in demselben Grade zu ergründen wünschte, in welchem er das seinige verschlossen hielt ... – »Bei meiner Ehre, Dunois,« sagte der König, »ich möchte Dir das von Herzen gern sagen, wenn ich es nur selbst erst genau wüßte. Aber gesetzt, ich erklärte mich für Krieg, was sollte ich mit jener reichen, jungen und schönen Erbin anfangen? angenommen, sie befände sich auf meinem Gebiete?« – »Sie einem Eurer eignen, tapfern Diener vermählen, der ein Herz hat, sie zu lieben, und einen Arm, sie zu beschützen, erwiderte Dunois. – »Dir zum Beispiel? hahaha!« lachte der König. »Sapperlot! Du bist bei all Deiner Offenherzigkeit staatsklüger als selbst ich geglaubt hätte.« – »Nein, Sire, ich mag alles andre eher sein, nur nicht staatsklug. Bei unserer lieben Frau von Orleans, ich gehe gerade auf mein Ziel los, wie ich mein Pferd beim Ringelreiten auf den Ring zureite. Eure Majestät ist dem Hause Orleans doch wenigstens eine glückliche Heirat schuldig, sollte ich meinen.« – »Und diese Schuld, Graf, will ich bezahlen!« rief der König; »seht Ihr nicht dort das schöne Pärchen?« Er wies dabei auf den unglücklichen Herzog von Orleans und die Prinzessin, die, weil sie weder in zu großer Entfernung hinter dem Könige zurückbleiben, noch sich vor seinen Augen zu trennen wagten, zwar zusammen ritten, jedoch mit einem Zwischenraume von reichlich zwei Ellen, den weder Schüchternheit auf der einen, noch Abneigung auf der andern Seite zu schmälern vermochten, den man aber auf beiden Seiten auch nicht zu erweitern sich getraute ... Dunois sah nach der vom Könige bezeichneten Richtung hin, mußte aber, obgleich er dem heuchlerischen Despoten keine unmittelbare Antwort zu geben wagte, unwillkürlich mit dem Kopfe schütteln. Ludwig schien seine Gedanken zu erraten.

»Es wird einen geruhsamen Ehestand geben,« meinte er, »nicht eben gestört durch viel Kinderlärm! wenigstens bedünkt es mich so. Kinder sind ja auch nicht allemal ein Segen.« Vielleicht war es die Erinnerung an die eigne Undankbarkeit gegen den Vater, die den König veranlaßte, eine Pause zu machen, und das höhnische Lächeln, das auf seiner Lippe zitterte, in etwas umwandelte, das einem Ausdrucke von Zerknirschung glich. Allein augenblicklich fuhr er in einem andern Tone fort: »Aber, frei heraus, Dunois, mir wäre schon lieber, so viel Ehre ich auch dem heiligen Sakramente der Ehe zolle« (hier bekreuzte er sich) »das Haus Orleans zeugte mir solche tapfern Krieger wie Deinen Vater und Dich, die vom königlichen Blute Frankreichs abstammen, ohne auf seine Rechte Anspruch zu erheben; statt daß das Reich gleich England durch Kriege von Verwandten zerrüttet werde, die ihre Rechte an die Krone in Geltung setzen. Der Löwe sollte eben nie mehr als ein Junges haben.« – »Da Eure Majestät,« erwiderte Dunois, nachdem er erst eine Weile geschwiegen hatte, weil er wußte, daß ein Widerspruch gegen den Despoten bloß den Interessen seines Verwandten schaden, ihm selbst aber nie von Nutzen sein könnte ... »einmal angespielt haben auf meines Vaters Geburt, muß ich allerdings gestehen, daß er, die Schwachheit seiner Eltern beiseite gesetzt, vielleicht als der Sohn ungesetzlicher Liebe glücklicher zu preisen war, als wenn er im ehelichen Hasse gezeugt worden wäre.« – »Dunois,« sagte der König, »Du bist ein rechtes Lästermaul, daß Du Dir herausnimmst, in solcher Weise von der heiligen Ehe zu sprechen. Aber, zum Teufel mit all dem Geschwätz! der Eber ist aufgescheucht. Im Namen des heiligen Hubertus! laßt die Hunde los! Haha! tralala! lirala lirala!« und das Horn des Königs schallte fröhlich durch die Felder, während er vorwärts sprengte, begleitet von einigen Leuten seiner Leibwache, unter denen sich auch unser Freund Quentin befand.

Hier müssen wir eine kleine Episode einflechten, die aus der Vorliebe des Königs, seinen Spott mit dem Kardinal Balue zu treiben, entsprang. Es gehörte nämlich zu den Schwächen dieses Staatsmannes, wie wohl schon angedeutet wurde, sich einzureden, er sei, wenn auch von niederem Stande und von mangelhafter Erziehung, dennoch geschickt und fähig, den Hofmann und Kavalier zu spielen. Ritt er auch nicht in die Schranken wie Beckett und warb er auch nicht Soldaten wie Wolsey, so war doch der Dienst bei den Damen sein Lieblingsfach, und ebenso gab er sich mit Vorliebe für einen großen Freund der Weidmannskunst aus. Allein soviel Glück er auch hin und wieder bei gewissen Damen hatte, bei denen für die Mängel seiner äußeren Erscheinung und seiner Sitten sein Reichtum und sein Einfluß als Staatsmann als Ersatz galten, so waren doch die stattlichen Rosse, für die ihm kein Preis zu hoch war, für die Ehre, einen Kardinal zu tragen, völlig unempfindlich und zollten ihm keinen größeren Respekt, als sie seinem Großvater, dem Schneider, mit dem er sich etwa in der Reitkunst messen durfte, gezollt hatten. Der König wußte das, und indem er sein Pferd bald antrieb, bald anhielt, brachte er das Roß des Kardinals, den er immer dicht sich zur Seite zu halten wußte, in einen solchen Zustand der Widerspenstigkeit gegen seinen Reiter, daß es offenbar schien, beide könnten nicht mehr lange friedlich nebeneinander herlaufen; und während nun das Kardinalroß stutzte, sprang, sich bäumte und hinten ausschlug, brachte der königliche Plagegeist den Reiter selbst noch dadurch in Verwirrung, daß er sich mit ihm über allerhand Staatsgeschäfte unterhielt und ihm ziemlich deutlich zu verstehen gab, er wolle die jetzt grade so günstige Gelegenheit nicht vorbeigehen lassen, ihn mit den Staatsgeschäften vertraut zu machen, die der Kardinal noch vor so kurzer Zeit um alles in der Welt gern in Erfahrung gebracht hätte.

Das Roß gewann auf solche Weise allmählich völlig die Herrschaft über den Kardinal und flog eine lange Allee entlang, überholte die Hunde, die dicht hinter dem Eber her waren, rannte ein paar Pikeniere und Bauern, die sich solchen Ueberfalls von hinten nicht versehen hatten, über den Haufen und brachte die Jagd in die äußerste Verwirrung. Durch das Geschrei und die Drohungen der Jäger noch mehr außer sich gebracht, rannte es mit dem auf den Tod bestürzten Kardinal an dem furchtbaren Eber vorbei, der selbst in rasender Wut, mit Schaum bedeckt, entlang schoß, und Kardinal Balue, als er sich auf einmal in solcher Nähe desselben sah, stieß einen jämmerlichen Angstschrei aus, der zusammen mit dem Anblick des Ebers das Pferd in solchen Schreck jagte, daß es auf die Seite sprang und den geistlichen Herrn, der schon lange bloß darum noch im Sattel geblieben war, weil es immer gerade ausgegangen war, ziemlich unsanft auf den Grund setzte. Wäre der Eber nicht so lebhaft von sich selbst in Anspruch genommen gewesen, so hätte es wohl geschehen können, daß dem Kardinal seine Nachbarschaft verderblich wurde; er kam jedoch mit dem bloßen Schrecken davon und kroch, so schnell es irgend anging, den Jägern und Hunden aus dem Wege, so daß er die ganze Jagd an sich vorbeistürmen sah, ohne daß es jemand einfiel, ihm zu Hilfe zu kommen, denn damals ließen sich die Jägersleute bei solchen Unglücksfällen ebensowenig wie zu unserer Zeit von Mitleid rühren.

Im Vorbeireiten sagte der König zu Dunois: »Dort unten liegt Seine Eminenz tief genug. Als Weidmann taugt er nicht viel; aber als Fischer könnt er's dreist mit Sankt Petrus aufnehmen, wenn es sich ums Fischen von Geheimnissen dreht. Vorderhand wird er wohl auf ein Weilchen die Nase voll haben.«

Wenn der Kardinal die Worte auch nicht hörte, so ließ ihn doch der höhnische Blick, von dem sie begleitet waren, ihren Inhalt vermuten. Solche Gelegenheiten wählt, hört man öfter sagen, der Teufel dazu aus, Gemüter zu verbittern! und so verhielt es sich hier. Der Schreck war bei dem Kardinal rasch vorbei, sobald er inne wurde, daß der Fall ohne nachteilige Folgen für ihn war; allein verletzte Eitelkeit und Erbitterung gegen seinen Herrn und König übten auf seine Gefühle einen desto längeren Einfluß aus.

Als die Jagd vorbeigezogen war, kam ein einzelner Kavalier, der mehr Zuschauer als Teilnehmer der Jagd zu sein schien, mit ein paar Begleitern dahergeritten und drückte keinen geringen Grad von Verwunderung aus, den Kardinal hier auf seinen eigenen Füßen, ohne Roß und Gefolge und in einer derartigen Beschaffenheit zu finden, daß über die Art des ihm zugestoßenen Unfalls keinerlei Zweifel obwalten konnte. Absteigen und ihm seine Hilfe unter solchen Umständen anbieten, einen seiner Diener absitzen heißen und ihm dessen frommen und ruhigen Zelter zum Gebrauch überlassen, ein Befremden über die am französischen Hofe herrschenden Sitten äußern, die es erlaubten, den weisesten Staatsmann solcherweise den Gefahren der Jagd preiszugeben und in seinen Nöten zu vergessen: das waren die natürlichsten Hilfeleistungen und Trostgründe, die ein so seltsames Zusammentreffen dem Grafen Crevecoeur von selbst an die Hand gab; denn niemand anders als der burgundische Gesandte war es, der dem gefallenen Kardinal zu Hilfe kam. Er fand ihn zur glücklichen Stunde und in der glücklichsten Stimmung, um sich hinsichtlich seiner Treue die erwünschten Beweise zu holen. Wie die argwöhnische Gemütsart Ludwigs richtig ahnte, war am Morgen schon mehr zwischen ihnen vorgegangen, als der Kardinal seinem gestrengen Herrn hätte mitzuteilen vermögen. Aber obgleich er schon damals mit Wohlgefallen angehört hatte, welch hohen Wert nach Crevecoeurs Versicherungen der Herzog von Burgund auf seine Person und Talente legte, auch ein Gefühl von Versuchung nicht unterdrücken konnte, als der Graf einige Winke über die Freigebigkeit seines Gebieters und die reichen Pfründen in Frankreich fallen ließ, so brachte ihn doch erst der erwähnte Vorfall wegen verletzter Eitelkeit zur Unglücksstunde zu dem Entschlusse, zu zeigen, daß kein Feind so gefährlich werden kann wie ein beleidigter Freund und Vertrauter.

Er bat indessen für den Augenblick Crevecoeur aufs dringlichste, sich von ihm zu entfernen, damit sie nicht beobachtet würden, bestimmte ihm aber auf den Abend eine Zusammenkunft in der Abtei Sankt Martins in Tours, und dies in einem Tone, der dem Burgunder deutlich zu erkennen gab, daß sein Herr einen Vorteil gewonnen, auf den er kaum gehofft hätte.

Mittlerweile hatte Ludwig, zwar der staatsklügste Fürst seiner Zeit, doch, wie bei andern Gelegenheiten auch hier seiner Leidenschaften nicht vollkommen Herr, die Eberjagd, die nun den anziehendsten Punkt erreicht hatte, mit Eifer weiter betrieben. Es war nämlich der Fall eingetreten, daß ein junger Eber die Fährte des alten, dem eigentlich die Jagd galt, gekreuzt hatte, und daß alle Hunde, mit Ausnahme von ein paar Koppeln alter, eingehetzter Doggen, nebst dem größten Teile der Jagdleute dessen Spur gefolgt waren. Mit innerlichem Behagen nahm der König wahr, daß die andern alle, und mit ihnen Dunois, auf diesen Irrtum anbissen, und weidete sich schon im voraus an dem Triumphe über diesen vollendeten Künstler von Weidmann. Ludwig war wohlberitten und folgte den Hunden auf dem Fuße, so daß dem Eber, als er sich in seiner äußersten Not in einen Morast rettete, niemand näher war als der König selbst. Mit aller Unerschrockenheit und Erfahrung eines geübten Weidmanns, ohne Rücksicht auf die Gefahr, sprengte der König auf das furchtbare Tier, das sich wütend gegen die Hunde wehrte, los und verwundete es mit seinem Jagdspieße. Da aber das Pferd scheute, hatte der Stoß nicht Kraft genug, ihm den Garaus zu machen. Es war unmöglich, das Pferd zu einem zweiten Angriffe zu bewegen, so daß der König abstieg und zu Fuß auf das rasende Tier losging, das kurze scharfe Schwert in der Faust, dessen sich die Jäger bei solchen Gelegenheiten bedienen. Der Eber ließ auf der Stelle von den Hunden ab, um sich gegen seinen menschlichen Feind zu wenden; der König seinerseits faßte festen Fuß und hielt das Schwert vor, um es ihm neben dem Schlüsselbein in die Brust zu stoßen. Aber auf dem schlüpfrigen Grunde glitt der König aus und zwar gerade in demselben Augenblicke, als das gefährliche Manöver hätte ausgeführt werden sollen; die Spitze des Schwertes traf bloß den Borstenpanzer an der äußeren Seite der Schulter, glitt von da ab, und Ludwig fiel platt auf den Boden. Es war ein Glück für ihn, daß er auf diese Weise zu Falle kam, denn der Eber verfehlte infolgedessen ebenfalls sein Ziel und streifte mit seinen Hauern bloß das Jagdkleid des Königs, statt daß es ihm sonst mit tödlicher Sicherheit den Schenkel aufgerissen hätte. Wohl schoß der Eber in seiner Wut ein ganzes Stück geradeaus weiter, schwenkte indessen, als er seinen Irrtum gewahr wurde, um und wiederholte seinen Angriff gerade, als der König sich von der Erde aufrichtete. Ludwigs Leben war in schwerer Gefahr. Da sprengte Quentin Durward heran, der zwar zufolge der Langsamkeit seines Pferdes von der Jagd abgekommen war, aber das Hifthorn des Königs nichtsdestoweniger herausgehört hatte, und bohrte den Eber mit seinem Spieße nieder.

Mittlerweile hatte der König festen Fuß gefaßt und stach nun dem Eber, seinerseits Durward zu Hilfe tretend, sein Schwert in die Brust. Ehe er aber Durward eines Wortes würdigte, maß er die Größe des Tieres durch Schritt und Fuß und trocknete sich den Schweiß von der Stirn und das Blut von den Händen. Dann nahm er seinen Jagdhut ab, hing ihn an einen Busch und verrichtete vor den kleinen, bleiernen Bildern seine Andacht. Endlich warf er einen Blick auf Durward und sagte: »Ei, bist Du es, mein junger Schotte? Du hast Dein Weidwerk wacker begonnen, und Meister Peter ist Dir eine ebensogute Mahlzeit schuldig, wie er Dir eine in der Lilie vorsetzen ließ ... Warum sagst Du nichts? Mir scheint, während andere bei Hofe keck und munter werden, ist bei Dir weit eher das Gegenteil der Fall.«

Quentin, der in Schottland sich den Wind tüchtig hatte um die Ohren pfeifen lassen, hütete sich weislich, diese Aufforderung, aus sich herauszugehen, für ernst zu nehmen; er antwortete vielmehr mit ein paar wohlgesetzten Worten, daß er vor allen Dingen, wenn er es wagen dürfe, sich an Seine Majestät zu wenden, um geeignete Rücksicht bitten müsse wegen der ungeschlachten Weise, wie er sich gegen den Herrscher benommen habe, als ihm dessen Rang und Eigenschaft noch nicht bekannt gewesen seien.

»Kein Wort weiter, Mann!« erwiderte der König, »Deine Grobheit sei Dir verziehen um Deiner Pfiffigkeit willen. Wundern mußte es mich ja, wie nahe Du mit Deinem Witze an meines Gevatters Handwerk streiftest. Wie mir zu Ohren gekommen, bist Du ja näher damit bekannt geworden. Aber laß Dir sagen, daß es klug ist, sich vor dem Kerl in acht zu nehmen: er treibt einen zu ausgedehnten Schacher mit groben Armbändern und engen Halskrausen ... Hilf mir aufs Pferd, Mann! Du gefällst mir, Patron, und ich will sehen, was sich für Dich tun läßt. Baue auf keines Menschen Gunst, sondern bloß auf die meinige; auch nicht auf die von Deinem Oheim oder Lord Crawford, und erzähle niemand etwas von dem Dienst, den Du mir zu so rechter Zeit erwiesen hast hier auf der Eberjagd; denn wer sich dick damit tut, daß er einem König aus solcher Gefahr herausgehauen hat, muß sich gemeinhin mit seiner Dicktuerei als bezahlt ansehen.«

Der König stieß in sein Horn. Dunois und andre von seinem Gefolge eilten herbei und legten dem König ihre Glückwünsche zu seinem Jagdglück zu Füßen; unbedenklich sich einen weit größeren Teil an der Erlegung des edlen Tieres beimessend, als ihm nach Recht und Verdienst davon gebührte, befahl er Dunois, den erlegten Keiler den Brüdern von Sankt-Martin in Tours als Festbraten zu übersenden mit dem Ansuchen an sie, dafür des Königs bei ihren Andachtsübungen mit zu gedenken ... – »Aber hat denn niemand unsern lieben Kardinal Balue gesehen?« fragte Ludwig; »es geht doch unmöglich an und vertrüge sich weder mit unserer Christenpflicht, noch wäre es für unsern Respekt vor der heiligen Kirche ein schickliches Zeugnis, wollten Wir die Eminenz im Walde zu Fuße herumirren lassen.« – »Mit Verlaub, Majestät,« sprach Quentin, als er sah, daß niemand das Wort nahm, »ich habe Seine Herrlichkeit aus dem Walde reiten sehen.«

»Nun also,« rief der König, »sorgt der Himmel nicht allezeit für seine Diener? ... Vorwärts, meine Herren! heut morgen ist's aus mit der Jagd. Knappe, hol mir mein Weidmesser: es ist mir dort auf dem großen Platze aus der Scheide gefallen. Dunois, reitet voraus! ich folge auf der Stelle.«

Ludwigs geringste Bewegungen waren häufig scharf wie Kriegslisten berechnet; er gewann auch jetzt die nötige Zeit, um an Ouentin die heimliche Frage zu richten: »Du hast, wie ich sehe, ein scharfes Auge, lieber Schotte! aber wer unserm lieben Kardinal auf ein Roß verholfen hat, kannst Du mir wohl nicht sagen? es muß unbedingt ein Fremder gewesen sein, denn da ich an ihm vorbeigeritten bin, ohne mich um ihn zu bekümmern, dürfte es schwerlich einem vom Hofe beigekommen sein, ihm solchen Dienst zu erweisen.« – »Sire, ich sah die Herren, die Seiner Eminenz auf einen Gaul verhalfen, bloß einen Augenblick,« erwiderte Quentin; »denn ich war leider von der Jagd abgekommen und hatte begreiflicherweise Eile, sie wieder zu erreichen. Aber ich glaube mit Bestimmtheit sagen dürfen, daß es der burgundische Gesandte mit seinen Leuten war, der Seiner Eminenz diesen Dienst erwies.« – »Aha!« rief Ludwig; »nun denn, sei ihm so ... Frankreich wird wohl noch imstande sein, ihnen die Spitze zu bieten.«

Darauf kehrte der König mit seinem Gefolge nach dem Schlosse zurück, und es ereignete sich nichts Bemerkenswertes weiter auf diesem Jagdzuge.


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