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Die erste Frage, die Fergus an Waverley richtete, als sie die große Steintreppe hinuntergeschritten, war: »Nun, wie gefällt er Euch?«
»Ein Fürst, für den man gern lebt und gern auch stirbt!« lautete Waverleys begeisterte Antwort.
»Daß Eure Meinung so lauten werde,« versetzte Fergus, »wußte ich, und es war schon früher meine Absicht, Euch ihm vorzustellen. Aber Euer hartnäckiger Entschluß, allein nach Edinburg aufzubrechen, machte es mir unmöglich. Gewiß, er ist ein vortrefflicher Herr, aber er hat auch seine Schwächen, und die Irländer, die in seiner Umgebung sind, dienen ihm nur mit schlimmem Rat. Ich habe mit meinem Grafenpatent, das mir schon für zehnjährige treue Dienste in Aussicht steht, mich noch vertrösten müssen, um keine Eifersucht zu wecken. Aber daß Ihr die Majorscharge ausschlugt, Waverley, das war brillant. Ich kanns nicht verstehen, daß der Prinz Euch bloß den Majorstitel anbot. Wer es übernimmt, hundertfünfzig Mann auszuheben, ist doch nicht unter Oberstleutnant zu haben. Aber Geduld, Kamerad! mischen wir unser Kartenspiel gut, dann wird schon alles gut klappen. Zunächst wollen wir Sorge tragen, Euch anständig zu equipieren, denn aufrichtig gesprochen, in dieser Montur seid Ihr für den Hof nicht recht geeignet!«
Sie wandten die Schritte nach einem kleinen gepflasterten Hofe, der seitwärts von der Straße lag, und traten in das Haus einer muntern Witwe, Mitte der Vierziger, die den jungen Häuptling mit freundlichen Blicken empfing. Hier fanden sie auch einen alten Bekannten, Callum-Beg, der sich bei Meister Shemus dem Leibschneider des Häuptlings, verdingt hatte.
»In vier Stunden brauche ich Tartan für den Herrn, auch Strumpfhosen, ferner ein Plaid von Mac-Ivor-Tartan und eine Schärpe, endlich müßt Ihr für eine blaue Mütze Sorge tragen, wie sie der Prinz trägt. Das richtige Maß habt Ihr doch?«
»Zwei Ellen von der Hüfte zur Ferse, neun Zoll um den Knöchel und dreißig um die Weste herum,« erwiederte der Schneidermeister geschäftig und machte sich gleich an die Arbeit.
Als diese Aufgabe erledigt war, wandte sich der Häuptling wieder den Abenteuern zu, die Waverley seit ihrer Trennung erlebt hatte.
»Es ist mit jetzt klar,« sagte er, »daß Ihr Euch in Gewahrsam von Donald Bean Lean befunden habt. Als ich mich zum Prinzen begab, habe ich nämlich diesem Patron Auftrag erteilt, mit allen Truppen, die er auftreiben könne, zu mir zu stoßen. Aber statt dieser Weisung zu folgen, hat er, da er die Luft rein fand, auf eigene Faust Krieg geführt und das Land geplündert und Schutzgelder eingezogen, zuweilen unter fremdem, zuweilen unter eignem Namen ... den Kerl soll der Teufel frikassieren!« schrie Mac-Ivor wütend, »krieg ich ihn, so muß er baumeln. Ich kenne seine Art! kein andrer als er ists gewesen, der Euch aus Gilfillans Klauen befreit hat, und, ich möchte wetten, daß er selbst den Hausierer dabei gespielt hat! Aber unbegreiflich ist mir dabei, daß er Euch nicht ausgeplündert oder Eure Gefangenschaft noch in andrer Weise ausgenützt hat.«
»Wann und auf welche Weise ist Euch meine Verhaftung bekannt geworden?« fragte Waverley.
»Der Prinz selbst berichtete mir darüber,« sagte Fergus, »und hat sich eingehend nach Euren Schicksalen erkundigt. Er wußte, daß Ihr Euch in den Händen einer unsrer nördlichen Truppenabteilungen befandet. Ich machte den Vorschlag, Euch hierher schaffen zu lassen, weil ich verhindern wollte, daß Ihr Euch mit der englischen Regierung noch weiter in Differenzen setztet, falls es noch immer Eure Absicht sein sollte, Euch nach England zu begeben. Der Tolpatsch von Balmawhapple bekam Auftrag, Euch mit seiner sogenannten Schwadron aus dem Schlosse Doune herauszuholen. Uebrigens vermute ich, daß der Vorfall mit Eurem Streit beim Baron Bradwardine Euch ihm verhaßt gemacht, und daß die Art und Weise, wie er die Sache unter die Leute gebracht hat, viel zu der ungünstigen Auffassung beigetragen hat, die über Eure Aufführung im Regiment Platz gegriffen hat ...«
»Wohl möglich,« versetzte Waverley. »Aber, lieber Fergus, findet Ihr denn gar keine Zeit und Veranlassung, ein paar Worte über Flora zu äußern?«
»O, warum nicht, Waverley,« erwiderte der Häuptling. »Flora ist, wie ich Euch schon gesagt habe, wohlauf und befindet sich in der Hauptstadt. Da seit dem glücklichen Fortgang unsrer Sache sich auch andre Damen an unserm Hoflager eingefunden haben, hielt ich es für klüger, sie auch herkommen zu lassen. Als Bruder einer Erscheinung, wie sie doch Flora unstreitig ist, spielt man schließlich doch noch eine vorteilhaftere Rolle.«
Solche Worte zu hören, war Waverley unerträglich. Er fand solche Gesinnung in hohem Grade selbstsüchtig und des eignen Selbstvertrauens unwürdig. Fergus dagegen, als ein am französischen Hofe in Intrigen eingeweihter Mann, bemerkte den ungünstigen Eindruck, den seine Worte in Waverley gemacht hatten, gar nicht, sondern fuhr fort: »Flora vor heut abend noch zu sehen wird nicht angehen, aber sie nimmt an der Ballfestlichkeit teil, die der Prinz veranstaltet. Wir sind nicht recht einig gewesen seit Eurem Weggang, Weil ich es ihr übel genommen habe, daß sie Euch nicht noch Adieu sagte. Aber der Zwiespalt ist beigelegt; sonst könnte es passieren, daß auch aus dem Zusammentreffen heut abend nichts wird.«
Während dieses Zwiegesprächs erklang unten im Hofe eine ihm wohlbekannte Stimme.
»Wo bleibt da militärische Disziplin?« rief die Stimme; »wäret Ihr nicht Parteigänger, dann verdiente Euer Verhalten strenge Ahndung. Hättet Ihr den Gefangenen zu Balmawhapple ins Stockhaus gelegt, dann wärs wohl noch gar gekommen, daß Ihr ihm Fesseln angelegt hättet. Wo ist das Sitte einem Kriegsgefangenen gegenüber? Ihn in carcere zu verwahren, das heißt in öffentlichen Gefängnis, das will ich am Ende gelten lassen.«
Jetzt brummte Balmawhapple was dazwischen, das in einem Worte wie »Vagabund« ausklang, dann war er aus dem Hofe verschwunden, als Waverley den Fuß hinuntersetzte, so daß es ihm nicht vergönnt war, den Laird zu begrüßen. An seiner Statt aber stand ihm der Baron von Bradwardine gegenüber, und die Uniform, die derselbe trug, erhöhte den vornehmen Eindruck seiner schlanken Erscheinung um ein Bedeutendes.
Mit gewohnter Herzlichkeit begrüßte er Waverley und erkundigte sich sogleich nach der Ursache, die zu seiner Kassation im Dragonerregiment geführt hätte. »Keineswegs, weil ich fürchte, daß seinen jungen Freund die geringste Verschuldung dabei träfe, sondern weil es nur recht und billig sei, daß er selbst sich bemühe, in denjenigen Stand gesetzt zu werden, der ihm ermögliche, alle Verleumdungen wider den Erben von Waverley-Würden zu widerlegen, den er mit so vielen Recht als seinen leiblichen Sohn betrachte.«
Waverley gab die vom Baron gewünschte Auskunft über seine Kassation, erkundigte sich hierauf nach Miß Bradwardine und hörte, sie sei mit Flora nach Edinburg unter Geleit eines Hochländerkommandos gebracht worden, weil es in Tully-Beolan zu unruhig und zu gefährlich geworden sei, als daß eine junge Dame sich dort noch hätte aufhalten können. Der Baron machte hierauf Waverley das Anerbieten, ihn nach seiner Wohnung in der High-Street zu begleiten, »denn er dürfe Rosa, die von dem vielen Schießen noch ganz außer sich sei, wiewohl er ihr aus Blondel und Coehorn Artilleristische Handbücher in damaliger Zeit. den Beweis erbracht habe, daß die High-Street völlig außer Schußweite läge, und von Kugeln nicht erreicht werden könne, noch nicht lange allein lassen; außerdem sei er von königlicher Hoheit beauftragt, im Biwak der Truppen dafür zu sorgen, daß die Leute conclamare vasa, das heißt, sich mit allem Gepäck für morgen marschfertig zu machen hätten.«
»Das wird wohl bei den meisten noch nicht viel Mühe machen,« rief Fergus mit Lachen.