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14. Kapitel. Pfingstfreude.

Nach diesem Sturmtag nahm der Frühling das Land in seine Arme und hüllte es in schimmernde, grünseidene Gewänder und schmückte es mit Blumen. Auf diese frische, junge Pracht hinab sahen nun alle Tage die Bewohner der Rabenburg. Von Tag zu Tag wurde das Laub dichter, glänzten Wiesen und Felder schöner, blühten die Blumen reicher. Im Walde sang die Waldseele ihre lieblichsten Lieder, die Bäume rauschten, die Bäche hüpften jauchzend daher und selbst das winzigste Käferlein stimmte in das selige Frühlingslied ein, das vom Wald über Wiesen und Felder weit, weit über die Lande tönte.

Auch die Menschen wurden in dieser Zeit singlustig und wanderfroh, und am Pfingstsonnabend zogen drei Wandervögel zur Rabenburg hinan und sangen:

»Es steht ein Berg im Feuer,
Im feurigen Morgenbrand,
Und auf des Berges Spitze
Ein Tannenbaum überm Land.

Und auf dem höchsten Wipfel
Steh' ich und schau' vom Baum,
O Welt, du schöne Welt, du,
Man sieht dich vor Blüten kaum!«

Dieter und Gundula saßen mit Purzel auf der Burgmauer, bammelten mit den Beinen und sahen dem Frühling in die lachenden Augen. Es kamen selten Fremde zur Rabenburg hinaus, weil dieser Erdenwinkel abseits von der großen Heerstraße lag. Der Geschwister Neugier war darum groß; sie beugten sich weit vor und spähten den Weg hinab. Wer kam da? »Wandervögel sind's,« sagte Dieter, »hörst du die Lauten klimpern?«

»Vielleicht die Ottonen!«

»Ach, die, die haben uns vergessen, nicht eine Karte haben sie geschrieben und im Herbst wollten sie –«

»Ho, heida, holla! Wem hängen denn da die Beine über die Mauer? Sind's Ritterbeine, sind's Geisterbeine?« schrie es unten. Am Abhang unterhalb der Mauer tauchten drei lustige Gesichter auf; es waren wirklich die Ottonen. Einen Augenblick zögerten Dieter und Gundula; sie erkannten die drei nicht gleich, aber dann sprang Dieter mit lautem Freudenruf hinab; er rutschte den kleinen Abhang mit großer Eile hinunter und begrüßte stürmisch die Gäste.

Oben aber lockte Gundulas Rufen den Oheim herbei, der auf dem Hofe war; er trat an die Mauer und sah nun auch die Sänger. »Ei, die Vögel sollte ich kennen!« rief er.

»Wir sind's, die Ottonen!« riefen die drei hinauf.

»Hat man wirklich den Weg zur Burg wiedergefunden oder war sie verschwunden wie die Gralsburg einstmals den irrenden Rittern?«

»Nein, o nein! Aber im Herbst ging's nicht, Otto I hatte ein Bein gebrochen.«

»Und Weihnachten?«

»Da hatte Otto III einen Arm gebrochen.«

»Und was hatte denn Otto II zu Ostern gebrochen?« fragte Herr von Tracht heiter.

»Da hatte niemand was gebrochen, aber da – da – sind wir alle drei sitzengeblieben.«

»Alle drei? Donnerwetter, das hat ja geschafft. Woran lag's denn?«

»Am Singen, am Wandern! Wir wollten auch ein Drama schreiben und so allerlei,« bekannten die drei treuherzig. »Aber Michaeli kommen wir nach. Es geht jetzt wieder, darum haben wir jetzt auch wandern dürfen, wir haben toll gebüffelt.«

»So hat also die Rabenburg die ungewöhnliche Ehre, drei sitzengebliebene Wandervögel zu begrüßen,« neckte Herr von Tracht. »Nur herauf- und hereinspaziert! Soll es ein Feiertagsbesuch werden?«

»Wenn wir dürfen, schrecklich gern!« Daß dies Wort keine leere Redensart war, bewiesen die strahlenden Augen, mit denen die Ottonen den Berg hinanstiegen. Singend zogen sie durch das Tor in die Burg ein, und gerade wollte Purzel scheu vor dem Stadtbesuch entweichen, als er verdutzt ob eines seltsamen Geräusches stehenblieb, »'ne Krähe schreit,« sagte er verwundert und zeigte auf Otto III Rucksack.

»Keine Krähe, ein Rabe, und diesen Raben haben wir hierher bringen müssen; wir haben's versprochen.«

Otto III löste einen Kasten von seinem Rucksack, der sich bei näherem Zusehen als ein alter Vogelbauer entpuppte; in ihm saß ein Rabe. Ein großer dicker Vogel mit einem ungemein schläfrigen Gesicht.

»Woher stammt denn dieses Untier?« fragte Herr von Tracht.

»Von der Rabenburg, wenigstens aus dem Walde, und hierher soll er zurück,« sagten die Ottonen geheimnisvoll und dann erzählten sie, wie sie damals Krachkrach entführt hatten. »Der Herr, der ihn uns abgenommen hat, war ein Amerikaner, der in Hamburg eine Zeitlang wohnte. Wir haben ihm unsere Wohnung gesagt, weil er uns Briefmarken schicken wollte. Das hat er auch getan, wir haben gedankt, dann hat er uns noch einmal Marken geschickt und vor Ostern hat er geschrieben, er müßte nun wieder nach Amerika zurück und ob wir nicht den Raben nehmen wollten. Und wenn wir mal wieder hier in den Wald kämen, dann sollten wir ihn hier freilassen. Es tat' ihm so leid, das arme Tier fremden Menschen zu geben, und nach Amerika mitzunehmen, ginge nicht. Wir haben natürlich ›ja‹ geschrieben und Herr Christian hat uns den Raben geschickt und sehr viele Marken, ganz seltene Stücke dabei. Er hat auch noch geschrieben, der Rabe hieße Hans und wäre unglaublich dumm und gefräßig, und das stimmt.«

»Kraach!« Das dicke Tier sperrte seinen Schnabel auf und sah sich um, als wäre er vom Monde heruntergefallen. Dieter, Gundula und Purzel jubelten laut, aber ihr Lachen fand bei den Erwachsenen keinen Widerhall, Frau Susannes Stimme schwankte und zitterte als sie fragte: »Wie nanntet ihr den Herrn?«

»Herr Christian, heißt er.« Otto 1 sprach den Namen englisch aus. »Er ist aber Deutscher von Geburt, lebt nun lange in Amerika, ist Kaufmann und hat schon die halbe Welt bereist.«

»So, so, Kaufmann, hat viel Geld, na ja, das paßt auch gut für –« Herr von Tracht verschluckte die letzten Worte und sagte seltsam rauh und kurz: »Sorge für unsere Gäste, Justus, ich habe noch etwas zu tun, komm, Susanne.«

Die beiden alten Leute gingen still zusammen in die Burg und die drei Wandervögel sahen ihnen verwirrt nach. War es vielleicht nicht recht, daß sie gekommen waren?

Doch die Freude der Kinder war herzlich und da auch Justus, wenn auch sehr schweigsam, gut für die Gäste sorgte, so vergaßen sie bald den kurzen Empfang. Sie saßen mit den Burgkindern und Purzel im Rosenwinkel, schmausten Berge von Schnitten, tranken Milch dazu und stimmten nachher, so dicksatt sie waren, doch ihre Lieder an. Und weil der Wald so maifrisch zu ihnen heraufrauschte, sangen sie sich zur Lust und ihm zur Ehr' ihr Lieblingslied:

»O Täler weit, o Höhen,
O schöner, grüner Wald.«

Das Lied sank zum Walde nieder und stieg auch zur Burg hinauf und Frau Susanne hörte es, die saß weinend am Fenster, ihr Mann schritt mit finsterer Miene auf und nieder in dem großen Gemach.

»Das Lied,« schluchzte die Frau, »das hat er im Winter gesungen, nun weiß ich es, er war damals hier –«

»Und fand den Weg nicht zu uns,« grollte Herr von Tracht.

»Weil er deinen Zorn fürchtete, Liebster.«

»Weil er feige ist. Feige ist dieser Mr. Christian, der ein Fremder geworden ist und seinen guten edlen deutschen Namen vergessen hat, wie wohl viele andere auch. Gut, daß er sich anders nennt, denn feige waren die Trachts nie, ein Feigling darf den Namen nicht tragen.«

»Er ist nicht feig, er findet auch noch den Weg zu uns zurück,« sagte Frau Susanne still. Sie lauschte dem Liede der Wandervögel und dachte, wer dieses Lied singt, hat seine deutsche Heimat nicht vergessen. Und noch einmal sagte sie, und die Hoffnung tönte aus ihrer Stimme: »Er kehrt uns doch wieder und wenn er kommt –«

»Nehmen wir ihn auf wie den verlorenen Sohn,« sagte der Burgherr bitter. Und leise tönte es ihm im Herzen: Wenn er doch käme!

Frau Susanne aber mochte wohl ihres Mannes leise Herzensstimme gehört haben; sie trat zu ihm und sagte hoffnungsvoll: »Er kehrt uns doch wieder.«

Des Burgherrn Stirne glättete sich langsam und er wollte gerade seiner Frau ein gutes Wort sagen, als es schüchtern an die Türe klopfte. Auf das Herein! trat Hulda, die Köchin, in das Zimmer mit einer so kläglichen Miene, daß die Hausfrau erschrocken fragte: »Was gibt's?« Eine bange Ahnung kam ihr und sie rief: »Der Kuchen ist wohl mißraten?«

»Ach, nä, doch, der ist fein, aber –« Hulda seufzte schwer, »die dreie, Frau Baronin, die sind als wär'ns sechs, da langt der Braten nicht, da langt der Kuchen nicht, da langt der Pudding nicht, nischte niche langt.«

Frau Susanne nahm rasch ihre Schlüssel und ein heiteres Lächeln blühte auf ihrem Gesicht auf.

»Nur unverzagt, Hulda, wir schaffen's schon,« tröstete sie und ging mit der Köchin hinab, um zu beraten, wie man für die drei sorgen könnte, die für sechse aßen.

Von diesen Sorgen ahnten die Wandervögel nichts; die saßen im Rosenwinkel, waren guter Dinge und fanden wieder, es sei wie zur Minnesängerzeit. Sehr gut gefiel's auch Hans, dem Raben, der hatte so viel gefressen, daß er sich nicht rühren konnte, trotzdem sperrte er immer wieder seinen Schnabel weit auf.

»Er ist ein Vielfraß,« sagte Otto II ärgerlich, »Sinn fürs Höhere hat er nicht. Ich habe ihm einmal eine ganze Stunde lang vorgesagt: ›Hans, wo bist du?‹ Und was hat er getan?«

»Er hat es nachgesprochen,« rief Gundula erwartungsvoll.

»Fiel ihm nicht ein. Auf einmal schreit er krah und fällt stocksteif um. Geistige Überanstrengung dachte ich, aber es war nur Hunger, gemeiner Hunger, nicht eine Stunde konnte er sein, ohne zu fressen. Als ich ihm einen Bissen gab, war er gleich wieder munter und dann hat er gefressen und gefressen und sich gar nicht um meine weisen Lehren gekümmert.«

»Es wäre am besten, ihn gleich in den Wald zu tragen,« sagte Otto III.

»Ach, laßt ihn hier,« sagte Dieter bittend, »er kann auf dem Hof bleiben.«

»Wir haben's aber fest versprochen!« Otto I dachte an die Briefmarken und sein Versprechen und weil er das so ernsthaft sagte, widersprachen Dieter und Gundula nicht mehr.

Zeit genug war bis zum Mittagessen, und Justus, der zu Rate gezogen wurde, fand, es sei vernünftig, nicht aufzuschieben, was getan werden müßte. Also zogen die Geschwister, Purzel und die Wandervögel in den Wald, um dem Raben Hans die Freiheit zu geben.

Den Baum, auf dem das Nest der Huckebeine war, fanden sie freilich nicht, die Ottonen behaupteten jedoch nach etwa halbstündigem Wege: hier ungefähr sei es gewesen. Hans wurde aus dem Bauer gelassen, die bisherigen Pflegeväter hielten ihm eine ernste Abschiedsrede, in der sie ihn zur Mäßigkeit ermahnten, Gundula streichelte nochmals sanft das schwarze Gefieder, dann riefen alle einstimmig: »Flieg auf. du bist frei!«

»Kraaach!« Hans schrie faul und – blieb sitzen. Er glotzte dämlich umher, so, als wolle er fragen: »Was soll ich nun?«

»Er fliegt nicht!« Sechsstimmig klang es, erstaunt, ärgerlich in den Wald hinein, »er fliegt nicht.«

»Er hat das Fliegen verlernt,« klagte Gundula.

»Er ist zu faul,« behaupteten die Wandervögel.

»Man muß ihm 'nen Schubs geben,« sagte Purzel gelassen und setzte seinen Vorschlag gleich in die Tat um und wirklich das half, Hans breitete träge seine Flügel aus und flog empor. Eine Weile saß er dann über den Kindern auf einem Ast, bis er sich wieder aufschwang und tiefer in den Wald hineinflog.

»Er war sehr dumm!« Das war die Nachrede, die die Ottonen ihm hielten und dann vergaßen sie den dicken Hans über der Freude, Pfingsten auf der Rabenburg feiern zu dürfen. Während sie froh wieder der Burg zustrebten, flatterte Hans von Baum zu Baum und langsam kam ihm das Erkennen der Gegend. Das war ja sein Heimatwald, in dem er als Krachkrach im Huckebeinnest geboren worden war. Ja, wirklich, und nun erkannte er die Bäume, dort war der Weg zu den Eichen, zu dem Tal, an dessen Rande seiner Eltern Nest war.

Um die Mittagsstunde krächzte es laut. Bragi sollte es wissen, Muna, die Gute, und die jungen Königspaare, die nun schon im eigenen Neste hausten: Krachkrach war heimgekehrt.

Die Huckebeine schrien es durch den Wald: »Kommt alle, alle, seht unseren Krachkrach an!«

»Wie groß und stattlich er geworden ist,« staunte die Huckebeinin.

»Dicker als ich,« sagte Vater Huckebein ein bißchen niedergeschlagen. »Krachkrach, wo warst du? Erzähle, Krachkrach! O du lieber wunderschöner Krachkrach, nun bist du uns heimgekehrt.«

»Wie froh sind wir,« so krächzten seine lieben Verwandten durcheinander und Krachkrach saß auf dem Nestrand und sperrte den Schnabel auf; er hatte Hunger.

Aber daß einer, der heimkehrt aus der weiten, schönen Welt, hungrig wie nur ein Rabe sein kann, daran dachten sie alle nicht im stillen Tal. Alle Raben und auch die anderen Vögel wollten immer nur hören, was Krachkrach erlebt hatte, sie bedrängten ihn unausgesetzt mit Fragen und mahnten wieder und wieder! »Erzähle doch, erzähle!«

Noch nie hatte sich Krachkrach so anstrengen müssen. Er erzählte seufzend von seiner Gefangennahme, seine Reise im Suppentopf der Wandervögel und dann von einer Reise in die weite Welt hinein. Darnach hatte er ein gutes Leben in einem schönen Hause gehabt, er hatte sehr viel zu fressen bekommen von seinem Herrn.

»Hast du auch sprechen gelernt? Kannst du sprechen wie es die Menschen tun?« Mutter Huckebein ging fast auseinander vor Stolz über ihren weitgereisten, gebildeten Sohn. Sie schaute sich hochmütig um und sah auch zu Bragi hinüber. Sah der Alte doch nun, was aus ihrem Krachkrach geworden war!

Bragi saß wie immer mit halbgeschlossenen Augen auf seinem Ast. Er hörte zu, aber er lächelte eigen, als Krachkrach von seinen Erlebnissen erzählte. Der war nun in der schönen Welt gewesen, hatte das Höchste erlebt, was ein Rabe erleben konnte und wußte nichts Besseres zu erzählen, als von den guten Bissen, die er erhalten hatte. Bragi richtete sich auf, sah scharf hinüber und schrie! »Er hat Hunger!«

»Kraaaah!« Krachkrach stieß einen Freudenruf aus und riß ungeheuer weit den Schnabel auf. Endlich jemand in der Heimat, der ihn verstand. Ja, wirklich, Bragi war der Weise, das mußte man sagen! Er dehnte sich breit und warf beinahe die ganze Familie dabei aus dem Neste, und als seine Mutter etwas erschrocken ihm eine Mäusehälfte brachte, da schluckte er, schnalzte und sperrte weit den Schnabel auf; er war noch lange nicht satt.

»Sie haben ihn hungern lassen, die schlimmen Menschen,« klagte die Huckebeinin, aber ein paar Stimmen riefen rasch von daher und dorther: »Dazu ist er zu dick! Faul ist er!«

»Er denkt, er ist ein großer Gelehrter geworden,« verteidigten die Eltern ihren Sohn und sie redeten von dem, was Krachkrach alles wüßte und was er nun leisten würde.

Dem dicken Hans wurde es dabei himmelangst. Er dachte an das gute Fressen bei den Menschen, dachte an sein bequemes Leben dort und er seufzte schwer.

»Stört ihn nicht, seht doch, er sitzt genau so da wie Bragi, der Weise« flüsterte seine Mutter und schaute ehrfurchtsvoll ihren klugen Sohn an. Er aber dachte: »Hier bleibe ich nicht, das ist mir zu anstrengend.«

Die Wandervögel auf der Burg dachten um die gleiche Zeit ungefähr das Gegenteil. Sie fanden es behaglich und sagten heimlich zueinander: »Ob wir wohl auch den zweiten Feiertag bleiben dürfen? Fein wäre es, wunderfein!« Mit dieser Hoffnung genossen sie den Pfingstsonnabend und sie spürten zum erstenmal, wie stimmungsvoll so ein Feiertagsabend sein kann. Es rüstete sich auf der Rabenburg alles zum Fest, aber ohne Hast und Lärm, über jeder Arbeit lag eine stille Lust. Justus schmückte das Tor, Hof und Flur mit Maien und als ihn die Kinder fragten: »Justus, was tust du jetzt?« da antwortete er feierlich mit dem alten Psalmenwort: »Schmücket das Fest mit Maien bis an die Hörner des Hochaltars!«

Gundula hatte es übernommen, alle Schalen und Vasen mit Blumen zu füllen. Sie pflückte im Garten und tat es fein sorgsam, niemand konnte eine Lücke sehen und dann half Otto II ihr beim Füllen und er bewies viel Geschick dabei. Gundula sagte anerkennend: »Du bist gar nicht tappig!«

Frau Susanne selbst schaffte noch in der Küche, alles sollte recht vorbereitet sein und dem Feiertag so wenig Arbeit als möglich bleiben. Die Mägde scheuerten; Franz, der Gärtnerbursche, säuberte noch die Wege im Garten, aber keiner lärmte sonderlich bei seinem Tun und als in Untersberg die Glocken das Fest einläuteten, war man auch auf der Burg feiertagsbereit.

Über das Wetter am Pfingstsonntag hätten nun Griesgrame wohl allerlei zu klagen gewußt. Es war kühl, die Sonne schien nicht immer, es regnete auch manchmal, aber auf der Burg fanden sie es alle wunderschön. Als die Ottonen am Morgen ihre Nasen hinausstreckten, da riefen sie vergnügt: »Wie das riecht, wie Pfingsten!« Sie standen geschwind auf, denn sie hatten es sich heimlich vorgenommen, der Schloßfrau ein Ständchen zu bringen. Justus, dem sie es anvertrauten, hatte gesagt: »Da müßt ihr aber arg früh raus!«

Nun arg früh war es, aber als die Ottonen auf den Burghof kamen, da fanden sie schon jemand im Garten mitten zwischen den Schwertlilien sitzen. Hans, der Rabe, war es. Fett und faul saß er da mit aufgesperrtem Schnabel, und Otto II rief zornig! »Der Vielfraß, da ist er wieder und Hunger hat er auch schon.«

»Den Hab' ich auch,« bekannte Otto III ehrlich, »darum laßt uns singen, dann gibt es bald Frühstück.« Sie stimmten ihre Lauten und jubelhell tönte es zu den Fenstern empor:

»Wie herrlich leuchtet
Mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne!
Wie lacht die Flur.

Es dringen Blüten
Aus jedem Zweig,
Und tausend Stimmen
Aus dem Gesträuch.

Und Freud' und Wonne
Aus jeder Brust
O Erd', o Sonne!
O Glück, o Lust!«

Da taten sich die Fenster in der Burg auf, gerade so wie es sich die Sänger gedacht hatten, nur fand es sich, daß schon alle Burgbewohner aufgestanden waren, bereit, Pfingsten zu feiern.

Sie waren aber auch bereit, noch einen neuen Gast aufzunehmen und Krachkrach, genannt Hans, fand eine viel liebevollere Aufnahme als die Wandervögel ihm zugedacht hatten. Man nahm ihn auf zur Pfingstfreude, die Kinder freuten sich laut, die Alten freuten sich heimlich an seiner Wiederkehr. Er wurde so viel gestreichelt, bekam so viele gute Bissen, daß kein Rabenruf draußen ihn in den Wald zurücklockte. »Er ist zu klug geworden für uns,« klagten die Huckebeine, »aber vielleicht kommt er später einmal wieder und wird dann für uns alle ein zweiter Bragi.« Der dicke Hans dachte an keine Rückkehr, ihm gefiel das Burgleben und die Ottonen sahen nicht ohne Neid auf ihn, als sie am dritten Feiertag Abschied nahmen. Mit schwerem Herzen, sie hatten das allerfröhlichste Pfingstfest auf der Burg gefeiert, mit Kirchgang, Dorfbesuch und langen schönen Waldwanderungen und sie sagten: »So war Pfingsten noch niemals!«

»Du Vielfraß!« rief Otto 1 dem dicken Hans zu, »du hast es gut, kannst bleiben, wir müssen weiter, es ist ein Jammer. O, du schöne, schöne Burg, leb wohl!«

»Auf Wiedersehen im August, auf Wiedersehen!« riefen die Geschwister den Abziehenden nach.

Die winkten und nickten lachend zurück. »Ja, im August, im August!« Rüstig wanderten sie in die blaue Ferne hinein und sie redeten dabei von dem Sommer, der hell vor ihnen lag: an dunkle Wetterwolken, die aufsteigen und alle Sommerschönheit zerstören können, dachten sie nicht.

Auch Dieter und Gundula dachten nicht an dunkle Tage. Die sahen den Frühling vergehen, sahen den Sommer kommen und eines Tages sagten sie zueinander: »Heute vor einem Jahr kamen wir an.« Sie liefen an diesem Tage den Weg, den sie damals gegangen waren und als sie heimkehrten, lasen sie wieder, wie oft, die Sprüche am Tor, lasen andächtig:

In Trübsal und in Not,
Im Leben und im Tod
Verlaß uns nicht, HERR GOTT!


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