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Malinka hatte sich mehrmals bemüht, von Augustinowitsch die wirkliche Ursache zu erfahren, welche Schwarz veranlaßte, fernzubleiben. Augustinowitsch aber blieb schweigsam oder brachte eine Lüge vor. Auch Schwarz gegenüber leugnete er die Wahrheit. Schwarz war überzeugt, daß die Gräfin alles wisse.
»Ich habe ihr alles gesagt,« versicherte Augustinowitsch.
»Nun, und was sagte sie? Verbirg mir nichts.«
»Was geht das Dich an?«
Schwarz preßte die Lippen zusammen und fragte nicht mehr.
Er schämte sich vor sich selbst, weil diese Fragen ein Beweis seiner Schwäche waren. Mit Schrecken bemerkte er, daß die Zeit ihm keine Erleichterung brachte, und es kamen Augenblicke, wo er dem Entschluß nahe war, Potkanska aufzugeben, alle Pflichten zu verleugnen und um sein Gewissen sich nicht mehr zu kümmern. In solchen Augenblicken hätte er seine Ehre und den Rest seiner Selbstachtung für einen Augenblick hingegeben, wo er seinen Kopf auf die Schulter der Gräfin hätte legen können.
Er konnte sich von dem Gedanken an sie nicht losmachen. Bis jetzt hatte er sich selbst besiegt, aber er erinnere sich, daß er früher ein anderer war. Früher besaß er eine Gemütsruhe, unter welcher er alle Gefühle verbarg, heute aber schwankte er zwischen leidenschaftlichen Ausbrüchen und Melancholie oder passiver Sentimentalität. Aber er erinnerte sich, wie er in früherer Zeit über diese Sentimentalität, wenn er sie an anderen wahrnahm, gespottet und sie ohne Mitleid verurteilt und verachtet hatte. Jetzt wurde er selbst sentimental und verlor die Selbstachtung. Augustinowitsch sah dies alles sehr wohl.
Etwa einen Monat nach der Zeit, als Schwarz seine Besuche bei der Gräfin eingestellt hatte, bemerkte einmal auch Augustinowitsch, als er spät in der Nacht aufwachte, seinen Freund Schwarz ganz angekleidet bei seinen Büchern sitzen. Die Lampe warf einen hellen Schein auf das bleiche Gesicht. Er saß da, zurückgelehnt, mit geschlossenen Augen, aber er schlief nicht, das bewiesen die Bewegungen seiner Augenlider. Er träumte, und sein Gesicht zeigte eine vollkommene Ruhe. Augustinowitsch blickte aufmerksam nach ihm hin und richtete sich leise im Bette auf.
»Was macht er da?« dachte er verwundert. »Ich lasse mich hängen, wenn ich ihn nicht gleich zu Bette bringe.«
Er bereitete sich schon zum Angriff vor, als Schwarz plötzlich die Augen öffnete. Augustinowitsch verbarg seinen Kopf unter der Decke.
»Was wird nun kommen?« dachte er, indem er sich schlafend stellte.
Seine Verwunderung wuchs mit jedem Augenblick. Schwarz blickte argwöhnisch nach ihm hinüber, sah sich ringsum, und wie ein Verbrecher zog er leise die Schieblade heraus und suchte etwas.
»Was ist das? Will er sich etwa erschießen?« dachte Augustinowitsch.
Aber Schwarz dachte nicht daran. Was er suchte, war nichts weiter als nur ein zerknitterter Handschuh. Ein unbedeutendes historisches Geschenk, bei dem man spricht: » Addio caro mio, vergiß mich nicht.« Schwarz drückte den Handschuh an die Lippen.
»Schäme Dich, Alter!« schrie Augustinowitsch laut auf.
Wirklich lag in dieser Bewegung etwas Erniedrigendes, und Schwarz schämte sich später selbst derselben.
Am folgenden Tage ging er sehr früh aus, um Augustinowitsch zu vermeiden. Dieser war ernstlich erzürnt über ihn, er meinte, er habe sich in Schwarz getäuscht.
»Es ist ebensolch ein Dummkopf wie die anderen,« sagte er. Dieser Gedanke verdroß ihn, aber das Wichtigste dabei war, daß Augustinowitsch nach diesem Vorfall davon überzeugt war, daß Schwarz zur Gräfin Lulu zurückkehren werde.
»Jene wird verrückt werden oder sterben,« sagte er von Potkanska, »er aber wird die Gräfin heiraten. Nun gut, mag sie auch sterben.«
Augustinowitsch suchte sich immer selbst zu überreden, daß er ein Weiberfeind sei. Er überlegte, ob er der Gräfin sagen solle, daß Schwarz heiraten werde, und beschloß, darüber zu schweigen.
»Was geht mich Helene an? Schwarz kehrt zu Lulu zurück, und wenn ich ihr alles sage, so wird es schon zu spät sein. Ja, zu spät. Aber wenn ich spreche, so werde ich auf der einen Seite nichts gut machen und auf der anderen alles verderben. Nein, besser ich schweige.«
Aber Augustinowitsch zog Helene bei weitem vor und wünschte innerlich, daß Schwarz sie heiraten möchte. Am meisten aber liebte er Schwarz, und deshalb wollte er, daß jedenfalls die Gräfin noch frei bleibe. Er war überzeugt, daß sie schließlich doch Pelski heiraten werde.
»Dann werde ich Schwarz sagen: ›Siehst Du, ich habe ihr nichts von Helene gesagt, und sie wußte nichts davon, daß Du sie nicht liebtest. Und dennoch nimmt sie diesen Pelski.‹«
Er wollte sich daß Vergnügen vorbehalten, wenn die Gräfin vergnügt und lachend ihre Hand diesem Pelski reichte, ihr zu sagen: »Schwarz läßt Ihnen Glück wünschen, er ist schon lange Bräutigam.«