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Die Tage verflossen und Schwarz kehrte nicht zu Lula zurück. Malinka sagte dagegen zu Augustinowicz:
– Pelski wird heute oder morgen sich Lula erklären.
– Und wenn er es nicht tut, erklärt sie sich eines schönen Tages ihm ... sagte Augustinowicz mit Nachdruck.
– O! Sie tuen ihr unrecht, sehr unrecht!
– Wir werden sehen.
– Nein, Pan Adam – Lula hat Viel Frauenstolz und wenn sie Pelski heiratet, geschieht es eben wegen des gekränkten Stolzes, aus Zorn über die Gleichgültigkeit Schwarzens. Übrigens ist es wahr, außer Pelski liebt sie niemand ... Von allen Herren blieb er ihr allein – sie kann auf niemanden zählen.
– Ha! sie versteht sich also aufs Zählen?
Malinka wurde böse.
– Sie zählte zu einer gewissen Zeit aus Schwarz ... und täuschte sich. Wie könnte man sie verdammen, wenn er sich nicht zeigt? Verstanden, mein Herr? Sich nicht zeigt! –
Augustinowicz schwieg.
– Sie sah sich schmerzhaft getäuscht – fuhr Malinka fort – und Sie mögen es mir glauben, ich allein weiß es, wieviel sie dies kostet. Obgleich wir nicht mehr so befreundet sind wie früher (sie hat sich selbst zurückgezogen), sehe ich doch noch, wie sehr sie leidet. Gestein trat ich in ihr Zimmer und fand sie ganz in Tränen. »Lula! frage ich sie (trotzdem sie sich von mir etwas ferne hält) was ist dir?« – »Nichts, ich habe Kopfweh« – sagte sie. Ich wollte ihr um den Hals fallen, aber sie stieß mich leicht zurück und erhob sich dann so stolz, dass ich vor ihr erschrak. Die Tränen waren versiegt. – »Ich weinte aus Scham!« – sagte sie mit Nachdruck. »Du verstehst mich wohl aus Scham!« – Ich verstand sie nicht ganz, nur weiß ich, dass ich sie an dem Abende desselben Tages wieder in Tränen gebadet sah. – Sehen Sie nun, mein Herr?
– Was beweist das alles?
– Dass es ihr nicht so leichtfällt, dem Denken an Schwarz zu entsagen. Was ist denn aber vorgefallen? Was ist geschehen, dass er nicht mehr kommt?!
– Und wenn er da wäre?
– Würde sie Pelski einen Korb geben.
– Das ist nur zum Lachen .... »einen Korb geben«
– Sie lachen über alles ... Aber Schwarz?! Ist es edel von seiner Seite, sie der Art zu verlassen?!
– Wer weiß denn, was er in Gedanken führt!
– Er selbst sollte es wissen – erwiderte Malinka mit Nachdruck – und was er vorhat, vor ihr nicht verheimlichen.
– Er hat keine Zeit dazu – er studiert.
An demselben Tage überzeugte sich jedoch Malinka, dass Schwarz nicht so fleißig das Haus hüte, wie Augustinowicz fortwährend behauptete. Sie begab sich mit der Mutter in die Stadt und begegnete ihm in Begleitung eines jungen Mannes. Er bemerkte sie nicht und Malinka ward durch sein Aussehen betroffen. Er erschien ihr so blass, so niedergebeugt, wie nach einer schweren Krankheit. »Er war also krank!« dachte sie auf dem Heimwege. Jetzt Verstand sie, warum Augustinowicz sein Ausbleiben nicht erklären wollte – »Schwarz verbot es ihm, um Lula nicht zu erschrecken.« Schwarz wuchs jetzt in der Meinung Malinkas bis zur Höhe eines Ideals heran.
Abends erschien wie gewöhnlich Augustinowicz. Im Salon befanden sich Frau Witzberg und Lula.
– Herr Adam! – rief Malinka aus – ich weiß jetzt, warum Herr Joseph so lange nicht bei uns gewesen ist«
Lulas Augen glänzten; sie suchte sich zu beherrschen, – ihre Hände aber bebten unwillkürlich.
– Ach, der Arme muss sehr krank gewesen sein! er ist ja so blass wie aus dem Grabe erstanden! Warum sagten Sie uns nichts davon – sagte Frau Witzberg rasch.
– O! Sie fürchteten, dass wir gegen Lula plauderten. Ist das hübsch von Ihnen? – fragte Malinka.
– Was ist dir, Lula ... ist dir unwohl?!
– Nichts, nichts! Ich bin im Augenblicke wieder hier.
Ihr Antlitz war totenblass, ihr fehlte der Atem. Sie ging, ja sie entfloh fast auf ihr Zimmer. Frau Witzberg wollte ihr folgen – Malinka hielt sie sanft aber entschieden zurück.
– Es ist nicht notwendig ihr zu folgen, Mamachen.
Dann wendete sie sich an Augustinowicz und ihre Stimme klang ernst aber wehmütig.
– Pan Adam!
Augustinowicz biss sich in die Lippen.
– Nun, Pan Adam? Ist Lula eine herzlose Kokette? Was meinen Sie?
– Ich habe mich vielleicht geirrt – stammelte Augustinowicz – aber ... aber ...
Er wagte es nicht, jetzt mit der Nachricht herauszuplatzen, dass Schwarz sich mit Helene verheirate, dass Schwarz nicht mehr kommen werde. Nach Hause zurückgekehrt, wagte er es eben so wenig, Schwarz von dem Vorgefallenen in Kenntnis zu setzen.
Lula hatte sich in ihrem Zimmer eingeschlossen. Der Kopf glühete ihr und die Gedanken umgaben gleich einem Kranze von Funken und Eis ihren Scheitel; – man vernahm in der Stille deutlich ihren beschleunigten Atem und das Klopfen des Herzens. Schwarz, Pelski, Malinka, Augustinowicz dreheten sich um sie in einem dichten Nebel im Kreise, und aus diesem Gedankengewirre erhob sich wie aus dem Grabe immer höher und höher mit geschlossenen Augen der bleiche Totenkopf Schwarzens.
»Er ist krank! krank!« wiederholte sie halblaut. »Er stirbt, er kommt nicht mehr!«
Die arme Lula erklärte sich ganz anders als Malinka die Ursache des Ausbleibens Schwarzens. Sie dachte, er habe sich für sie geopfert, ihr entsagt, um nicht zwischen ihr und Pelski zu stehen und deshalb leide er so sehr und sieche dahin. »Wer hat ihm aber gesagt, dass ich mit Pelski glücklicher sein werde?« flüsterte sie. »Er trauete mir nicht ... O, Gott! mein Gott! durfte er mir denn trauen?« Die Erinnerung stellte ihr als Vorwurf jene Momente vor Augen, in denen ihre leuchtenden Blicke, ihr lockendes Lächeln, ihre samtweichen Worte nur Pelski galten; sie erinnerte sich der Schamröte, von der ihr Gesicht glühen, als Pelski erfuhr, Schwarz sei der Sohn eines Schmiedes. Auch jetzt verbarg sie ihr flammendes Gesicht in den Händen, aber es war eine Scham anderer Art. Es schien ihr in diesem Augenblicke, dass wenn sogar Schwarz selbst ein Schmied wäre, sie mit Wolllust seine verräucherte Stirne geküsst, sie überglücklich ihr Köpfchen an seine, wenn auch mit einer Schürze bedeckte mannhafte Brust gelegt hätte.
– »Wie es mir vor den Augen dunkelt! ... Ich wusste nicht, dass ich ihn so liebe«, – sagte sie wie in Fieberglut zitternd.«
Ihre Brust hob sich rasch. Wieder umzog irgend ein beseligender Gedanke ihre Stirne mit einer Engelsglorie, sie warf sich auf die Knie vor dem Muttergottesbilde.
– Mutter des Heilandes! – rief sie laut. Wenn jemand leiden oder sterben soll, möge ich es sein, ihn aber bewahre und liebe!
Sie erhob sich ruhig, vom Lichte der Liebe verklärt.
In den nächsten Tagen zeigte sich Augustinowicz gar nicht, dagegen kam Pelski umso fleißiger und wie Malinka es vorausgesehen, bat er Lula um ihre Hand. Das Antlitz der Cousine ruhig, den Mund von einem Lächeln umspielt erblickend, sprach Pelski voller Hoffnung seine innigen Wünsche aus und bat sie feierlich um ihre Hand – war aber nicht wenig erstaunt, entschieden einen abschlägigen Bescheid zu erhalten.
– Ich liebe einen andern! – war der kurze aber gewichtige Inhalt dieser Antwort.
Pelski wollte wissen, wer dieser »andere« sei – Lula sagte es ihm, ohne zu schwanken, worauf sie ihm (wie es in ähnlichen Fällen Brauch ist) ihre Freundschaft anbot. Pelski nahm aber zum Abschiede nicht einmal die ihm gereichte Hand an.
– Sie haben mir gar viel genommen, Cousine, und bieten mir allzuwenig – flüsterte er mit gepresster Stimme: für das ganze Lebensglück – Freundschaft
Lula fühlte aber nach seinem Fortgehen die Vorwürfe nicht im geringsten, sie dachte an ganz was anders. Es ist die Schattenseite der Liebe, dass man nie an etwas anderes als an sie denkt. Der Gedanke des All schließt das Einzelne aus. Man möchte die Welt ans Herz drücken, aber nur im Gedanken an das geliebte Wesen. Etwas ähnliches fühlte Lula, als sie, nachdem sie Pelski verlassen hatte, Malinka aufsuchte. Sie fühlte das Bedürfnis jemandem zu beichten, was ihr auf dem Herzen lag. Malinka saß am Fenster und auf den von der Dämmerung dunkelnden Scheiben spiegelte sich ihr sanftes, in Gedanken versenktes Gesichtchen. Plötzlich legten sich die Arme Lulas um ihren Hals.
– Du bist's, Lula? – fragte Malinka leise.
– Ich bin's, Malinka! – flüsterte Lula.
Sie nahm auf dem Schemel zu Malinkas Füßen Platz und legte ihr den Kopf in den Schoß.
– Meine gute Malinka, du zürnst mir nicht mehr und verachtest mich nicht?
Malinka liebkoste sie wie ein Kind.
Ich weiß es, ich war sehr sündhaft, aber jetzt habe ich mein eigenes Herz wiedergefunden Mir ist sowohl bei dir! Erinnerst du dich, wie wir früher so lange, lange mit einander plauderten? Schwatzen wir auch heute so! ... Ist dir's recht?
Malinka lächelte halb wehmütig und halb schalkhaft und erwiderte:
– Heute wohl, aber später wird sich's ändern. Es kommt ein gewisser Herr und nimmt Lula mit sich, ich bleibe dann allein.
– Wird er kommen? – fragte Lula leise.
– Er kommt. Der Arme ist erkrankt ... sicher aus Sehnsucht. Ich wusste nicht, was es bedeutete, dass Pan Adam nicht sagen wollte, weshalb er nicht kam – jetzt weiß ich es: Schwarz hat es ihm verboten – er wollte dich nicht erschrecken.
– Und ich dachte, er wollte Pelski nicht im Wege sein ..., der Schlimme!
– Was geschieht mit Pelski?
– Ich wollte dir eben sagen – er hat sich mir heute erklärt.
– Und du?
– Ich habe ihn zurückgewiesen, Malinka.
Es herrschte eine Weile Stille.
– Er wollte nicht einmal die Hand ergreifen, die ich ihm zum Abschiede reichte; konnte ich aber anders handeln? Ich weiß, dass mein Verfahren ihm gegenüber nicht recht war – gar nicht recht! Konnte ich aber jetzt anders handeln? Ich liebe ihn nicht.
– Lieber spät als nie. Du folgtest der Stimme des Herzens. Du kannst nur mit Schwarz glücklich sein.
O. ja, ja!
– In einem Monate ungefähr – fuhr Malinka fort – ziehen wir Lula ein weißes Kleid an, beweinen das Fräulein Lula und werden der Frau Lula zujauchzen. O! Ihr werdet glücklich sein. Er muss wohl gut sein, wenn ihn alle so achten.
– Alle achten ihn so? wiederholte Lula, die gleichzeitig lachen und weinen wollte.
– Ja wohl; Mama fürchtet ihn sogar ... auch ich ein wenig; aber ich habe Achtung vor seinem Charakter.
Lula legte beide Hände unter den Kopf, und auf Malinkas Knie gestützt, blickte sie ihr mit ihren klaren Augen ins Gesicht. Indes war es ganz dunkel geworden, der Mond ging auf, die Hunde waren eingeschlafen – man hörte nur noch das Geflüster der zwei schwärmenden jungen Mädchen. Plötzlich unterbrach die Glocke im Vorgemache die Stille.
– Vielleicht ist er's! – rief Lula.
Es war aber nicht »er«, denn die Stimme Augustinowiczs wurde im Vorzimmer hörbar.
– Die Damen sind zu Hause?
– Lula, geh ins andere Zimmer und halte dich verborgen – sagte Malinka rasch. – Ich erzähle ihm, dass du Pelski einen Korb gegeben hast und bitte ihn, es Schwarz zu erzählen. Sehen wir dann, ob er nicht kommt! Du kannst horchen.
Die Türe öffnete sich, Augustinowicz trat ein.