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Heute am Dschuma'a, dem letzten und wichtigsten Hochzeitstage, schickte mein Gebieter schon zu früher Stunde einen Boten zu mir und bestimmte, daß ich als Wekil Wekil = Vertreter bei der Eheschließung. Braut und Bräutigam pflegen nach moslemitischer Sitte der Zeremonie fern zu bleiben. an der Eheschließung in der Suliman-Moschee teilzunehmen hätte. Ich begab mich alsbald dorthin und traf den Tscherkessen, der es sich nicht nehmen lassen wollte, seine Tochter selbst zu vertreten. Er war wie ein Herr gekleidet, hatte sich die Haare und den Bart scheren lassen, so daß ich ihn nicht wiedererkannt hätte, wenn er nicht zu mir herangekommen wäre, um mich zu begrüßen. Sein Benehmen war etwas freundlicher als sonst, und er erzählte mir, daß ihm der Prinz eine Tischlerei eingerichtet hätte mit einer hübschen Wohnung daneben, und daß es ihm an nichts fehle. Seine Frau weine täglich über das Glück ihrer Tochter und bete gemeinsam mit einer alten Besprecherin, damit die junge Braut vor üblen Knotenanbläserinnen Zauberinnen. bewahrt bleiben möge. Er übergab mir auch ein Amulett für Schekerpara mit einer geweihten Schutzsure gegen böse Dämonen und Neider. – – – – – – –
Der Imam rief uns auf und leitete die Zeremonie mit den Worten ein: »Die Ehe ist mein Gesetz, und wer mein Gesetz verkennt, den verkenne ich.« Dann folgte eine Anzahl Gebete mit Segenswünschen für das Paar, wobei die zahlreich anwesenden Moslems mit anderen Segenswünschen und Sprüchen antworteten und die ganze Versammlung mit einem Amen schloß. Endlich unterzeichneten wir eine Urkunde, der Tscherkesse wieder in seiner Art, und nun war Schekerpara die angetraute Gattin ihres Eheherrn.
Eine große Menschenmenge, Arme des Stadtviertels, begleitete uns auf dem Heimwege und drang in den Hof ein, wo alle gespeist und beschenkt wurden. Auch ein Sihirbas Sihirbas = Wahrsager. war dabei, der, nachdem er sich gesättigt hatte, seine Stimme erhob und rief: »Wahrlich ich sage euch, dieses Haus birgt einen Schatz an Schönheit und Edelmut, die leuchtendste Perle unter Perlen, die zarteste Blume im Garten der Freude. Ihr Leben ist aufgegangen wie die Sonne und ihr Weg ist schattenlos. Nur einmal streckt sich die schwarze Hand des Uebels nach ihr aus, nur einmal droht der lachenden Seele ein bittrer Tod, aber schützende Engel tragen sie dahin über den rauschenden Gewässern der Nacht, und erwacht zum Leben kehrt sie zurück an die Brust des liebenden Gatten. Heil und Segen dem Hochzeitspaare, Glück und langes Leben!« Die Menge stimmte freudig in diesen Ruf ein, und mein Gebieter ließ jedem Armen ein Geldgeschenk überreichen, dem Sihirbas ein größeres.
Ich ärgerte mich nicht wenig über den unerwarteten Zeitverlust, denn die Mittagsstunde war längst vergangen, und es war mir bis dahin nicht möglich gewesen, den Koch zu besuchen und die Speisen des Tages zu kosten. Und während das Volk sich auf dem Hofe tummelte und ein süßer Geruch nach leckeren Gerichten meine Nase umschmeichelte, mußte ich mein Wasser im Munde schmecken und mein Magen krümmte sich vor Zorn. Allah aber ist gnädig, denn als ich endlich den Harem wieder betrat, fand ich in meinem jetzigen Amtszimmer neben Schekerparas Gemächern eine so reich besetzte Tafel, daß ich den Zorn meines Magens bald besänftigen und meinen Aerger im Wohlgeschmack der Speisen ersticken konnte. Und wie wurde mein Herz mit Freude erfüllt, als ich unter einem Zuckerkuchen einen Beutel mit blinkendem Gelde sah zum Lohne für meine Vertretung in der Moschee. Allah sei Dank! Der Herr der Welten schenke meinem Herrn noch viele Tage solcher Freigebigkeit! – Am Nachmittag ließ sich die Mamy bei mir melden. Ich führte sie sofort zur Schekerpara, die anfangs über den Besuch erstaunt war. Die alte Frau aber ergriff freundlich ihre Hand, so daß die junge Hannum Vertrauen faßte, und sagte: »Meine liebreizende Tochter und jetzige Gattin des edlen Herrn dieses Hauses, ich bin beauftragt, dich einzuweihen in die Geheimnisse der kommenden Nacht und dich zu unterweisen, wie eine Moslemin sich zu verhalten habe, wenn der Gatte sie zum Weibe macht!« Schekerpara verneigte sich und schlug die Augen nieder. Da wandte sich die alte Frau an mich und gab Anweisungen über die Bereitung des Nachtmahls und des Kaffees, sowie über die Beschaffung von Wasser, Handtüchern, Seife und wohlriechenden Essenzen. Ich zog mich zurück und sorgte dafür, daß nichts fehle.
Bis zum späten Abend war im Selamlik, wie auch im Harem ein ständiges Kommen und Gehen von glückwünschenden Besuchern und Besucherinnen, die sich nach kurzem Aufenthalt und nach Entgegennahme einiger Erfrischungen wieder entfernten. Kurz vor Beginn der Nacht brachten Diener meines Gebieters silberne Hochzeitsgeschenke, die mir übergeben wurden, und bald darauf erschien mein Herr selbst im leichten Gewand und mit Blumen geschmückt. Ich zog ihm die Pantoffel aus und stellte sie auf die Schwelle zu Schekerparas Gemächern als Symbol dafür, daß der Eheherr nunmehr die Macht über das Weib erlangt habe.
Als der Prinz den Vorhang zur Hochzeitskammer zurückschob, kam ihm Schekerpara im festlichen Kleide und tief verschleiert entgegen. Sie verneigte sich, und der Prinz nahm sie zärtlich an der Hand und führte sie zu einem Polstersitz. Die Mamy ließ inzwischen die Speisen und den Kaffee hereintragen, und nachdem sie ein Geldgeschenk erhalten hatte, zog sie sich zurück. Ich hörte, wie mein Herr leise und innig zu seiner jungen Frau sprach, ihr den Schleier lüftete und mit ihr speiste und trank. Dann sah ich durch einen Spalt des Vorhangs, wie er sie entkleidete, und vernahm seinen Ruf, die Hochzeitsgeschenke herbeizuholen, die ich ihm an der Schwelle des Gemachs überreichte. Schekerpara lachte freudig, als ihr der Gatte die silbernen Herrlichkeiten zu Füßen legte. Und ich hörte ein Geräusch von Küssen und vernahm sein Gebet: Bismillah! Im Namen Allahs! (Gebetsformel vor der ehelichen Beiwohnung.) und ein kurzes Aufschluchzen und schmachtendes Küssen … Dann zog ich mich zurück und verließ für diese Nacht den Vorraum.
Ganz in der Frühe, als die Morgennebel leise an die Fenster klopften, fand ich mich wieder ein, um zu forschen, wie die Weihenacht vergangen und ob die Ehegatten noch besondere Wünsche hätten, oder ob ein sanfter Schlummer sie auf ihrem Lager noch umfangen hielt.
Schekerpara lag geschwächt mit halb geöffneten Augen da, sie war bis zur Brust bedeckt mit einem grünseidenen golddurchwirkten Tuche, die mit seidenen Bändern durchflochtenen Haare fielen in Zöpfen herab, und der linke Arm hing schlaff herunter. Der Prinz hatte ihre Hand ergriffen und kniete halb sitzend, halb hingestreckt, den Arm auf den Bettrand gestützt, vor dem Hochzeitsdiwan. Im Zimmer verstreut lagen teils verwelkte, teils zertretene Blumen und ein berauschender Duft nach Wohlgerüchen vermischt mit dem herben Dunst des Weihrauchs durchzog das Zimmer.
Das Antlitz meines Gebieters war bleich und seine Züge waren schlaff. Seine Augen blickten verklärt auf Schekerpara, die er in dieser Nacht zu seinem Weibe gemacht und deren zitternde Hand wie dankend in der seinen ruhte und die Pulse der vereinigten Körper verschmolz. Und es schien, als ob sich auch die Seelen vermischt hätten, so innig und weltentfremdet lagen die Gatten nebeneinander.
Niemand hatte mich bemerkt, und auch ich wagte nicht, angesichts des traumhaften Bildes vor mir die heilige Ruhe mit einer Silbe zu entweihen.
Nach einiger Zeit öffnete sich der Mund meines Gebieters und er sprach leise und mit einer von Rührung bewegten Stimme: »Erquickerin meines Herzens, Wonnezauber meiner Sinne! Als du mir das siebentemal Wasser und Handtuch reichtest und ich von der Gewalt deiner Reize und dem Verlust der dir gespendeten Kraft ermattet an deiner Seite ruhte, verfiel ich in tiefen Schlummer, und ein herrlicher Traum entrückte mich der irdischen Welt. Ich lag auf einer Wiese. Tulpen und Narzissen schmückten in den schönsten Farben das üppige Grün, liebliche Düfte durchzogen die Luft und ein sanfter Zephir öffnete kosend meine Augen. Da sah ich den Tau wie Edelsteine und Perlen auf den Blüten glitzern; ein Wirbeln und Weben entstand, geheimnisvoll und geräuschlos; Diamanten, Perlen und Edelgestein, Milliarden verkörperter Tautropfen, stoben zusammen wie zu einem unendlichen silber- und golddurchwirkten Prachtgewand, das von einem unsichtbaren Wesen geordnet und entfaltet, in ständigem Wirbel wie von einem Windhauch in die Höhe gezogen, immer länger und länger wurde, bis es tief in den Himmel hineinreichte. Dann hob mich derselbe Windhauch leise und sanft in die Luft, legte mich auf die flimmernde Bahn und eine unsichtbare Macht zog mich schwebend hinauf. Vom Sonnenglanz vergoldete Wolken zerteilten sich vor mir, ich wandelte aufrecht eines Weges, der in seiner Farbenpracht dem Regenbogen glich, und stand vor einem großen Tore in den herrlichsten Formen und aus einem schimmernden durchsichtigen Metall erbaut, das steingewordenen Sonnenstrahlen ähnlich war. Ich hörte die jubelnden Stimmen der Engelchöre wie ferne Aeolsharfen, sah die Blitze wie Allahs Blicke in alle Winkel leuchten und vernahm den Donner des Ewigen rufend im dröhnenden Echo der Wolkenmauern. So zog ich ein in die Gärten des Paradieses. Große saftige Früchte hingen schwer und lockend an den Aesten der Bäume; leise murmelnd und rein wie die Luft in Wintersnacht zog sich die Quelle Salsabil durch blumenbedeckte Wiesen, schwarzlockige Knaben eilten wie mit geflügelten Füßen lautlos einher, in ihren Händen von Gold und Edelsteinen schimmernde Becher und die Gläubigen labend mit dem Trank der Ewigkeit.
Als ich auf herrlichen Polstern, des langen Weges müde, mich streckte, nahte mir eine Haura, wie eine Lotosblume gewachsen mit Augen, die meine Seele suchten und meinen Leib erbeben machten, mit Lippen, die wie süßeste Früchte dufteten, und mich einluden zu seligem Genüsse. Ich erlag ihren Reizen und nahm den Morgen, den sie mir willig gab. Und als ich mit ihr verschmolzen war und sich zur Innigkeit der Körper die Gemeinschaft der Seelen gesellte, da erkannte ich dich, du Süße!
Und als ich nach kurzem Schlummer erwachte und die Haura, wieder zur Jungfrau geworden, sich mir wieder gab zur innigen Gemeinschaft und ich ihre Blütenlippen in wonniglichem Liebesrausch zerbiß, da schmeckte ich dich, du Süße!
Und wieder und immer wieder Jungfrau geworden und in alle Ewigkeit mit der himmlischen Haura vereint und ihren Leib mit Küssen bedeckend und von ihren Lippen den Wonnetrank der Seligkeit trinkend, hielt ich nur dich an mein bebendes Herz gepreßt, du Süße!
Und vom Traume befreit, der irdischen Welt zurückgegeben, nach einer Seligkeit, die kein Sterblicher ahnt, bedecke ich deine Hand mit Küssen, du Süße!
Was mir der Schöpfer im Traume gezeigt, was ich an dir in Wirklichkeit vielfältig empfunden, als du meine Sinne in die Gefilde seligen Liebesrausches entrücktest und von deinen Lippen deine Seele zu mir hinüberkoste und der Pulsschlag deines Blutes mit dem meinen sich zu einem Herzensschlag vereinte, das werde ich fühlen in glücklicher Erinnerung, solange mein Atem deinen Namen ruft, du Süße!« – – – – – – – – – – –
Und die Hände an seine Lippen führend, erhob er sich langsam, küßte die Strähnen ihrer Haare, ihren Busen und die Augen, und während seine Lippen sich an den ihren hefteten und ihr Leib leise erbebte und ihre Arme seinen Hals fest umschlungen hielten, zog ich mich geräuschlos zurück, wie ich gekommen war.
Mein Gebieter verbrachte den ganzen Tag in den Gemächern seiner jungen Gattin und nahm mit ihr die Mahlzeiten gemeinsam ein.
Am nächsten Abend erschien Schekerpara zum ersten Male, mit dem grünen Kopftuch zur Sicherung der Fruchtbarkeit bekleidet, im Empfangssaal des Haremlik, wo sie von den übrigen Hannums freundlich und mit einem eigentümlichen Lächeln auf den Lippen begrüßt wurde. Sofort richteten alle wie aus einem Munde die Frage an sie, wie es ihr in der Hochzeitsnacht ergangen, was sie empfunden und wie sich der Herr und Gebieter benommen habe. – – Schekerpara schwieg und schlug die Augen nieder. Walide und Aischa betrachteten sie eine Zeitlang sinnend und schienen von ihrer Anmut und Unschuld entzückt. Nur Hassa gab sich nicht zufrieden und wiederholte die Frage, indem sie noch hinzufügte: »Du tust gerade so verschämt, mein Täubchen, als ob eine Herrengesellschaft im Selamlik dich danach frage, wie du deine Sabah verloren. Wir sind hier unter uns Frauen, die wir alle eine gleiche Nacht erlebt, also brauchst du deinen Mund nicht zu verschließen und dich schamhaft zu stellen wie eine unberührte Dirne in einem Soldatenbade!«
Schekerpara runzelte unwillig die Stirn und erwiderte: »Nun gut, wenn ihr alle eine solche Nacht hinter euch habt, weshalb fragt ihr mich danach und begehrt Dinge zu erfahren, die in dem heiligen Schrein des Herzens verschlossen bleiben sollen. Ich habe die Liebe meines Gatten empfunden, und er war diese Nacht im Paradiese!« Hassa, die diesen Hinweis als eine Ueberhebung der weiblichen Reize der jungen Hannum betrachtete, zerbiß ihre Lippen vor Wut und fauchte sie an: »Was du dir einbildest, du geile Tscherkessenhündin, die du von den Künsten der Liebe soviel verstehst, wie ein Schakal von den Klängen der Zimbel. Du könntest dich glücklich schätzen, wenn ich dich in die Lehre nehmen würde, um dich zu unterrichten, wie man einem Gatten das Paradies bereitet!«
Schekerpara fuhr auf, und ihre Augen funkelten vor Leidenschaft, als sie in höchster Erregung entgegnete: »Deine Lehren meide ich, wie den Gifthauch der Schlange, deine Künste verachte ich, wie den Schlamm aus der Straße und deine Gesellschaft ist mir wie stinkende Lust. – – Wir haben uns das Paradies bereitet, wie Herz und Seele es uns eingaben!«
Dann kehrte sie den Frauen den Rücken und ging, vor Zorn am ganzen Leibe bebend, in ihre Gemächer.
Hassa wollte ihr nachstürzen und sich an ihr vergreifen, ich fiel ihr aber in den erhobenen Arm und stieß sie zurück, worauf die Walide und Aischa sie beschwichtigten.
Einige Tage später wurde Hassa auf Befehl unseres Herrn in ein entlegenes Zimmer verbannt und durfte den Lichthof nicht mehr betreten. Mustafa bewachte sie und Ali nahm seinen Dienst bei der jungen Chasieki. – – – – – – –
So vergingen die Monate in harmonischer Ruhe und stiller Beschaulichkeit, und die Wände des Haremlik sahen nichts anderes als das Glück des jungen Paares und die fromme Ergebenheit der Walide und Aischa in ihr gemeinsames Schicksal, was am Ende das Schicksal aller Hannums bedeutet. Schekerpara, die sich bereits Mutter fühlte, wurde von ihrem Gatten mit einer Zärtlichkeit und Sorgfalt gehegt und gepflegt, wie ein kostbarer Schatz. Jede freie Stunde verbrachte er bei ihr, er nahm seine Mahlzeiten mit ihr gemeinschaftlich, unterhielt sich mit ihr über Dinge, die außerhalb des Bereichs der Frauen lagen, weil er ihren klaren Verstand über alles schätzte, kurz: sie galt für ihn als die einzige Frau des Hauses, vielleicht als die einzige Gefährtin seines Lebens, denn ich sah ihn nie wieder an der Seite eines Mannes. Was ihr Mund nur wünschend oder hoffend aussprach, wurde wie aus einem Zauberdom sofort gewährt und herbeigeschafft. So häufte sich Spielzeug auf Spielzeug, und unter diesem vermehrte sich die Zahl der größten und schönsten Puppen aus dem Abendlande mit den kostbarsten Gewändern, ein stummer Harem selbst im Haremlik. Und auch ein kleines Bologneser Hündchen gesellte sich dazu, mit einem Halsband aus feinstem Ziegenleder mit Edelsteinen besetzt und einer silbernen Peitsche. Nach Art der Tscherkessen brachte sie dem Tiere allerlei Künste bei, und der Prinz freute sich, wenn Perri, wie das Tierchen hieß, seine Pantoffel an eine bestimmte Stelle trug oder mit den Pfötchen schlagend um Zucker bettelte.
Anderseits aber war Schekerpara nicht nur die ergebenste Dienerin ihres Gatten, sondern die fürsorglichste Frau, die es unter der Sonne gab, der Chadidscha nacheifernd, der ersten Gattin des Propheten, die die Ueberlieferung noch heute die Mutter der Gläubigen nennt. Ihre Zärtlichkeit war keine gekünstelte, denn sie kam vom Herzen, wie die Sorge um das körperliche Wohlbefinden ihres Gatten und das Verlangen, sein Gemüt stets sorglos und heiter zu erhalten. So glättete sie ihm jede Falte, die sich auf seiner Stirn zeigte, und verscheuchte mit Küssen jeden harten Zug um seine Lippen. Wenn es in seiner Seele dunkelte, leuchtete sie mit den Sonnenstrahlen ihres bezaubernden Wesens hinein, und wenn ihn die Kälte seiner Umgebung frösteln machte, fand er an ihrer Brust die wärmende Glut der echten Leidenschaft, des Blutes, die nur echte Liebe zum Kochen bringt. – – – – – – – – – –
Ali versah seinen Dienst anscheinend mit Pflichtgefühl und Ergebenheit, und ich hatte die Ueberzeugung, daß er mit Hassa nicht mehr in Berührung kam. Trotzdem fiel mir das wortkarge Wesen dieses sonst immer freundlichen Burschen auf, und ich beschloß, ihn heimlich zu beobachten. Lange Zeit war nichts Auffälliges an seinem Verhalten der Chasseki gegenüber zu bemerken, lautlos kam er ihren Befehlen nach und beeilte sich, zur festgesetzten Stunde pünktlich zu erscheinen, um das Hündchen auf dem Hofe spazieren zu führen. Er blieb die hierfür bestimmte Zeit fort und kehrte wieder pünktlich zurück.
Eines Tages nach einem solchen Spaziergang begann das Hündchen zu kränkeln und starb bald darauf.
Schekerpara weinte bitterlich und auch der Prinz beklagte den Verlust des zierlichen und klugen Tierchens, aber schon nach einigen Stunden war die Chasseki wieder im Besitz eines Hündchens von ganz gleicher Beschaffenheit, das die Künste des ersten Perri mit derselben Schnelligkeit erlernte.
Diese traurige Begebenheit schien nach einiger Zeit vergessen, als das zweite Hündchen in derselben Art, wie dies bei dem ersten der Fall war, das Schicksal des Todes ereilte. – – Und einem dritten Hündchen erging es ebenso.
Nun verzichteten die Gatten auf einen weiteren Ersatz, denn sie nahmen an, daß die Tierchen die veränderte Luft ihrer Heimat nicht vertragen konnten. Die silberne Peitsche aber bewahrte Schekerpara als Erinnerung an jene Zeit, und es fügte sich, daß sie in anderer Weise von dieser Peitsche Gebrauch machen sollte. – – – – – – – – – – –
Nach dem Tode der Hündchen wandelte sich das Benehmen Alis in merkwürdiger Weise, er wurde redseliger und dreister, verrichtete seinen Dienst oft geräuschvoll und lachend und erkühnte sich sogar, in Gegenwart seiner Herrin zu pfeifen, was ich energisch untersagte. Ich konnte mir diese Sorglosigkeit seines Gemüts nur damit erklären, daß es ihm unangenehm war, die Tierchen spazieren zu führen, und daß er sich jetzt von dieser unbequemen Arbeit befreit fühlte. Befremdend blieb aber immerhin, daß sich Schekerpara oft über ihn beklagte, weil er sie lange und sinnenden Auges betrachte, und wenn er sich unbeobachtet glaubte, den Versuch machte irgendein Kleidungsstück von ihr zu erhaschen und an seine Nase zu führen.
Als der Prinz dies durch den Mund seiner Gattin erfuhr, lächelte er und meinte, vielleicht habe die Hassa ihm gestattet, die Düfte ihrer Kleidung zu schmecken, und er hoffe jetzt, dieselbe Gunst von seiner neuen Herrin gewährt zu bekommen. Solche dummen Streiche ließen sich am ehesten mit der Peitsche austreiben, und Schekerpara möchte nur bei der ersten Gelegenheit den Eunuchen gründlich verprügeln.
Ich teilte diese Sorglosigkeit meines Herrn nicht und. befürchtete, daß der Bursche entweder von einem bösen Dämon besessen sei oder eine widernatürliche Neigung zu seiner Herrin gefaßt habe, wie ihm solche nach der Vermutung meines Gebieters vielleicht von der Hassa beigebracht worden ist. Deshalb beschloß ich, meine Aufmerksamkeit zu verschärfen und den Eunuchen nicht mehr aus den Augen zu lassen, denn der Mahnruf meines Gebieters, daß ich für alles verantwortlich sei, gellte mir in den Ohren.
Als ich am frühen Morgen – einige Zeit darauf – noch im Halbschlummer lag, ging Ali durch mein Zimmer in das Gemach seiner Herrin, um die Wasserkannen hineinzutragen. Ich erhob mich so geräuschlos, als mir dies möglich war, und blickte durch einen Spalt des Vorhangs. Da beobachtete ich, wie der Bursche auf den Zehenspitzen an das Lager der Schekerpara heranschlich, die ganze Gestalt gierig beschnupperte und seine dicken Lippen auf einen Zipfel des Nachtgewands drückte, das etwas herabhing. Ich verhielt mich ganz still und unbeweglich, und als ich sah, daß er sich wieder dem Ausgange zuwandte, drehte ich mich schnell um, legte mich auf meinen Diwan und tat, als ob ich noch nicht erwacht wäre.
Von nun an beobachtete ich Ali jeden Morgen bei derselben Gelegenheit, und jedesmal mußte ich dieselbe Wahrnehmung machen. Eines anderen Morgens aber ragte das zierliche Füßchen Schekerparas aus der Bettdecke hervor und, diesmal trieb der Bursche seine Kühnheit so weit, daß er seinen wulstigen Mund auf die Fußsohlen preßte. Jetzt erwachte meine Herrin, und im nächsten Augenblick sausten die Peitschenhiebe auf seinen Rücken, so daß er sich heulend unter den wuchtigen Schlägen wand und um Gnade flehte. Ich eilte hinzu, und da ich in meiner Aufregung kein anderes Züchtigungsmittel fand, schlug ich mit meinem zierlichen gestickten Pantoffel auf den Verbrecher ein.
Um ihren Gatten nicht zu beunruhigen, wünschte Schekerpara, daß ich diesen Vorfall nicht melde, sie hoffe, mit der Peitsche auszukommen und den einfältigen Burschen zur Vernunft zurückzubringen.
Merkwürdigerweise aber geschah das Gegenteil. Die Zudringlichkeit Alis wurde immer auffallender. Er wagte sogar, der schlafenden Herrin die Hand zu küssen oder zu lecken, und je mehr Hiebe er bekam, desto mehr gewöhnte er sich an die Peitsche, und beinahe machte es den Eindruck, als ob die Schmerzen seinem Körper Wohlbehagen bereiteten. Jetzt beschloß ich, ihn ernsthaft zur Rede zu stellen und seine eigenartigen Triebe zu ergründen. Ich bestellte ihn in mein früheres Amtszimmer, nahm eine drohende Haltung an und sprach folgendes: »Bist du dir nicht bewußt, du tierischer Verbrecher, in wie hohem Maße du deine Herrin durch dein Benehmen beleidigst und beschmutzt. Wenn die alles überstrahlende Güte deiner Herrin mich nicht gehindert hätte, deine Schandtaten seiner Hoheit dem Prinzen zu melden, würden die Hunde heute deinen Leichnam fressen. Ich befehle dir, mir offen zu gestehen, was dich zu deinem widerwärtigen Betragen veranlaßt, ob dich eine geheime Sucht dazu treibt, oder ob ein böser Dämon von dir Besitz genommen hat. Dein Geständnis wird deine schwarze Seele entlasten und dich vielleicht, so Allah will und du reumütig bist, davor bewahren, Dschehannams Dschehannam = die Hölle. Glut ewiglich zu fühlen und von den Früchten des Sakkum Sakkum = der Höllenbaum., die deine Eingeweide verbrennen, zu essen und die stinkende Jauche zu saufen, die das Getränk der Verdammten ist!« Ali senkte seinen Kopf und schwieg.
Ich drang noch einmal in ihn und drohte mit schärfsten Strafen und Foltern, die sein Herr über ihn verhängen würde, wie das Abschneiden der Nase und Ohren, das Abhacken der Hände und Füße und das Schinden seiner Haut. Jetzt endlich öffneten sich seine Lippen, und er antwortete mit kläglicher Stimme:
»Schneide mir die Nase und die Ohren ab, nimm mir die Arme und Beine und wirf mich den Hunden zum Fräße vor, Aga, ich weiß nicht, was ich dir sagen soll. Wenn ich in die Nähe meiner Herrin komme, die Allah segnen möge, treibt es mich, nenne du es, wie du willst, eine Sucht, eine Verrücktheit, einen Dämon oder etwas anderes, ihren Duft zu atmen und etwas von ihr oder ihrer Gewandung mit meinen Lippen zu berühren. Erst dann bin ich ganz glücklich und fühle mich gesund!«
»Und die Peitschenhiebe, die deinen Rücken sichtbar gezeichnet haben, wie schmeckst du diese?« warf ich höhnisch ein.
»Du hast recht, Aga,« erwiderte er lächelnd, »die Hand meiner Herrin ist hart, und die Sprache der Peitsche schrieb dicke Schriftzeichen in meine Haut, aber,« und hierbei hob und senkte sich seine Brust in tiefster Erregung, »ich mag sie nimmer missen, denn jeder Schlag, von ihrer Hand geführt, jeder Blutstropfen, den ich ihretwegen vergieße, bereitet mir ein Gefühl des Entzückens, das ich zuvor nie gekannt. Nimm mir Speise und Trank, Aga, und gönne mir die beseligende Peitsche!«
Ich wäre vor Staunen und Schreck beinahe umgefallen, so überraschte mich diese Rede, und eine seltsame Furcht beschlich mich, mit diesem geisteskranken Neger noch länger in einem Raume zu verbleiben. Deshalb winkte ich ihm, hinauszugehen.
Noch an demselben Abend sprach ich mit meiner Herrin über die sonderbaren Gedanken des Burschen und vertrat den Standpunkt, daß es dringend nötig sei, nunmehr auch dem Prinzen ausführlichen Bericht zu erstatten. Schekerpara lachte so herzlich, wie ich sie noch niemals lachen sah, glaubte aber auch jetzt noch, mit dem Burschen allein ohne Beihilfe ihres Gatten fertig zu werden. Nur mit Rücksicht auf meine Stellung willigte sie endlich ein, daß ich dem Prinzen alles in schonendster Weise erzähle.
Als mein Gebieter zum Anbruch der Nacht den Haremlik betrat, bat ich ihn um eine Unterredung, der auch meine Herrin beiwohnte. Nachdem der Prinz meinen Bericht in allen Einzelheiten vernommen, schüttelte er sein Haupt und wurde nachdenklich, während Schekerpara wieder herzlich lachte. Mein Herr sah seine Gattin ernst und fragend an, und Besorgnis huschte über seine Stirn, als er zu mir gewandt also sprach: »Du hast recht, Aga, die Sache mit dem Ali will wohl überlegt sein, und ich lobe deine Aufmerksamkeit, aber deine Ansicht daß der Bursche besessen sei, kann ich nicht teilen. In den zehn Jahren seines Dienstes hat er sich einwandfrei benommen, und ich wüßte nicht, wodurch ihm der böse Geist in den Schädel gestiegen sein soll. Wenn die Hassa ihn auf Abwege gebracht hat und bisher unbekannte Triebe in ihm erweckte, dann mag er solange in ihrer Nähe bleiben, als sich diese Frau überhaupt noch in meinem Hause befindet. Und sollte er später rückfällig werden, dann muß er den Weg der Hassa gehen. Inzwischen aber wird Mustafa den Dienst bei meiner Chasseki übernehmen!«
Ich atmete erleichtert auf, denn ich hätte keine Ruhe mehr gehabt, wenn Ali noch länger in der Nähe meiner Herrin verblieben wäre, außerdem litt meine Nachtruhe empfindlich unter den unaufhörlichen Beobachtungen. Ich tat also, wie mein Gebieter befohlen, und es schien, als ob alle Beteiligten mit der Lösung dieser für die Ordnung im Hause wichtigen Frage zufrieden wären. Ali nahm die Veränderung gleichgültig auf, Mustafa freute sich, die Hassa nicht mehr bewachen zu müssen, und was diese zänkische Frau selbst anbetrifft, die schon längere Zeit als Gefangene lebte, so mochte sie sich vielleicht glücklich schätzen, in dem Eunuchen mit den eigenartigen Trieben einen Tröster in der Einsamkeit gefunden zu haben.
Auf die Dauer war es jedoch nicht möglich, eine Hannum im Hause eingesperrt zu halten, denn das Gesetz schreibt entweder gleiche Behandlung aller Frauen vor oder Scheidung. Dies mußte auch wohl mein Gebieter erkennen, als er der Hassa, die ihn täglich mit Briefen belästigte und sogar mit Selbstmord drohte, die Erlaubnis gab, sich wieder frei zu bewegen und an den Zusammenkünften der anderen Frauen teilzunehmen, selbstverständlich unter der einen Bedingung, daß sie sich ruhig verhalte und jeden Zwist meide.
Die Frauen kamen jetzt, wie üblich, jeden Nachmittag in den Lichthof, beschäftigten sich mit Handarbeiten oder trieben Kurzweil, zumeist nahmen sie auch das Abendessen wieder gemeinsam ein und sangen bis in die Nacht, wobei die Sklavinnen mit ihren Musikinstrumenten oder als Tänzerinnen mitwirkten.
Walide und Aischa hatten die junge Chasseki sehr liebgewonnen und es herrschte zwischen ihnen ein friedliches Einvernehmen. Schekerpara und Hassa aber wechselten kein Wort miteinander, sie tauschten nur zuweilen Blicke aus, die beredter waren als jede andere Sprache. Und wenn das Frankenweib die Macht gehabt hätte, würde ein einziger solcher Blick genügt haben, die vom Liebesglück mehr begünstigte Tscherkessin zu töten.
Hassa war auch den anderen Frauen gegenüber in ihrem Wesen verändert, ihre sonstige Lebhaftigkeit war einer schwermütigen Ruhe gewichen, sie konnte stundenlang aus einem Platze sitzen und ins Leere starren, oder sie ging gesenkten Hauptes sinnend auf und ab. Nur wenn Ali sich in einer der Seitennischen zeigte, leuchteten ihre Blicke, ihre Gesichtszüge wurden heiterer, und wenn sie sich nicht beobachtet glaubte, lächelte sie dem Eunuchen auch wohl zu, als ob sie ihre Zufriedenheit mit irgend etwas Geheimnisvollen, von dem sie beide nur wüßten, zu erkennen geben wollte. Von einer sichtbaren Vertraulichkeit, wie ich solche früher zu beobachten Gelegenheit hatte, konnte ich jetzt trotz größter Aufmerksamkeit nichts wahrnehmen.
Schekerpara, deren Dichtkunst und liebliche Stimme die Hannums oft entzückte, hatte ihre anfängliche Zurückhaltung völlig aufgegeben und sich lebhaft an den gemeinsamen Unterhaltungen und Freuden beteiligt. Bei einer derartigen Gelegenheit sang sie ein Lied, das beinahe wieder Veranlassung zu einem Auftritt mit der Hassa gegeben hätte, denn es behandelte die Liebe zu ihrem Gatten und lautete:
Ich bin ein Weib und treu ergeben
dem Manne, der mein Herz erkor,
an den ich selbst mein Herz verlor
im süßesten Erleben.
Was schiert mich die Welt voll Haß und Neid
und der Tücke Furcht und Bangen,
hält mein Liebster mich gefangen
im Banne der Seligkeit!
Ich bin ein Weib und in meiner Brust
lebt nur der Eine, der Beste,
der an unsrem Hochzeitsfeste
getrunken der Liebe Lust.
Der Eine, der es mir nicht verwehrt,
meine Glut an ihm zu kühlen
und Mannesliebe zu fühlen,
als seine Kraft mich heiß begehrt.
Ich bin ein Weib, und bei Tag und Nacht
dich, Liebster, will ich genießen,
solange die Rosen sprießen
in herrlichster Farbenpracht!
Laß mich genießen des Glückes Macht,
wenn deine Leidenschaft erglüht
und innig an dein Herz mich zieht
und meine Leidenschaft entfacht!
Ich bin ein Weib, der Schöpfung Krone
und meines Liebsten schönste Zier,
er hält mich fest und gibt sich mir,
meiner Liebe zum Lohne.
Jauchze, Seele, wenn naht die Stunde,
die dein Liebster dir versüßte
und von deinen Lippen küßte
deines Herzens Liebeswunde!
Ich bin ein Weib und eine Blume,
mit einem Blütenkelch darin,
nimmt beides als sein eigen hin
der liebste Mann zum Ruhme.
Wie das Blümlein auf der Wiese
der frische Morgentau beglückt,
hat mich des Liebsten Kraft entzückt
heut nacht im Paradiese.
Ich bin ein Weib, genannt die Süße!
Süß will ich meinem Liebsten sein,
der wiegt mich dann in Schlummer ein
und träumt vom Paradiese.
Die Walide und Aischa spendeten Beifall, wenngleich man ihnen anmerkte, daß es ihnen lieber gewesen wäre, dieses Lied, das an eine vergangene glücklichere Zeit erinnerte und ihre Frauenwürde etwas zu kränken schien, nicht zu hören. Vielleicht aber lag es auch in Schekerparas Absicht, ihr Glück zu besingen, um in echt weiblicher Eitelkeit daran zu erinnern, daß ihr, der Favoritin des gemeinsamen Herrn, der Vorrang gebühre. Jedenfalls mußte die Hassa eine solche Absicht empfunden haben, denn sie erhob sich von ihrem Platze, schritt auf Schekerpara zu und verzog ihr Gesicht zu einem höhnischen Grinsen. Die Walide und Aischa standen ebenfalls auf und näherten sich den beiden, um im Falle eines Angriffs die Wütende fortzureißen. Ich rief Jussuf und Mustafa herbei, und wir verteilten uns so im Raume, daß wir von allen Seiten hätten eingreifen können. Angesichts dieser Vorsichtsmaßregeln kam es zu keinem ernstlichen Streit. Die Hassa wurde bleich, und zitternd, mit geballten Fäusten, verließ sie den Lichthof. Ali begleitete sie In ihre Gemächer. – – – – – – –
Seit diesem Abend wurde es recht einsam und still im Hause. Die Walide erkrankte in der Nacht und ließ sich nicht mehr sehen. Es hieß, daß ihr altes Leiden sich plötzlich verschlimmert hätte. Aischa leistete ihr Gesellschaft und kam ebenfalls nicht mehr in den Empfangssaal. Und Hassa, die der Chasseki nicht begegnen wollte, blieb in ihren Zimmern. Schekerpara endlich mied aus demselben Grunde den Lichthof. Für sie war die Einsamkeit aber weniger fühlbar, weil sie mit ihrem Gatten oft Ausflüge an den Bosporus machte und von vielen Hannums, auch von denen, die an den Hochzeitsfesten teilgenommen hatten, eingeladen wurde. Wo sie erschien, verbreitete sie Sonnenglanz, und es war daher nicht zu verwundern, daß man überall von ihrem reizenden Wesen sprach und alle Herzen sich zu ihr neigten.
Der Haremlik lag im Traum befangen wie ein Gemäuer aus vergangener Märchenwelt, kaum waren die trippelnden Schritte der Sklavinnen und der müde Gang der Eunuchen auf dem langen Korridor vernehmbar. Auch der betäubende Wohlgeruch des Hauses war verflüchtet, denn seitdem die Hannums den Lichthof mieden und die Blumen in den metallenen, von Künstlerhand fein gravierten Gefäßen welkten, und seitdem die Frauen den Duft der Rosenwasser und Mandelblüten, mit denen ihre ganze Erscheinung durchtränkt war, in ihre Gemächer entführt hatten, zog nur zur Mittagszeit ein Wohlgeruch durch unsere Räume, der mir stets willkommener war, als alle duftenden Schönheitsmittel der Frauenwelt, – – die prickelnden Düfte aus der benachbarten Küche, die, aus Fleisch, Fett, Gewürzen und Knoblauch zusammengesetzt, meinen Gaumen kitzelten und mein schlummerndes Temperament zu einem für meinen Leibesumfang immerhin schnellen Gang in die Werkstatt des Kochs aufpeitschten. Hier an der Seite meines Freundes, der mir stets die schönsten Bissen reichte, war der Ruhepunkt meines nicht sehr unruhigen Daseins, und meine Bequemlichkeit, gepaart mit dem Wohlwollen des Kochs, hatte bewirkt, daß mein Körper während der Zeit meines Aufenthalts in diesem Hause sich in eine ziemlich umfangreiche Kugel verwandelte.
In dieser Hinsicht wäre das mir von Allah auferlegte Geschick nicht schwer zu ertragen gewesen, wenn nicht das sonderbare Benehmen Alis mir immer wieder Sorge bereitet und mich gezwungen hätte, die mir liebgewordene stille Beschaulichkeit von Zeit zu Zeit aufzugeben und den Burschen scharf zu beobachten. Daß ich mich hierbei der anderen Eunuchen, wegen der Gefahr eines Komplotts, nicht zur Beihilfe bedienen konnte, erschwerte meine verantwortungsvolle Aufgabe sehr.
Was an Ali besonders auffiel und ihn verdächtig machte, war sein scheues, gedrücktes Wesen und das fluchtartige Verschwinden, wenn ich in seine Nähe kam. Er machte sich mehr als sonst auf dem Hofe zu schaffen und unterhielt sich ganz gegen seine Gewohnheit oft und lange mit dem Torwächter. Als ich von diesem zu erfahren suchte, was der Bursche von ihm gewollt, erwiderte er mir selbst erstaunt, daß der Eunuch Fragen an ihn gerichtet hätte, die ihm sonderbar erschienen wären. So wollte er wissen, von welcher Zeit ab das Tor unbewacht sei, und ob der Schlüssel abgezogen und verwahrt würde. Der Wächter fügte hinzu, daß er ihm keine Antwort gegeben und ihn ermahnt hätte, seiner Arbeit nachzugehen und sich nicht um Dinge zu kümmern, die ihn nichts angingen.
Merkwürdig waren ferner die vielen Besorgungen, die Ali angeblich im Auftrage der Hassa außerhalb des Hauses zu verrichten hatte, während er stets ohne Pakete zurückkam und auf Befragen allerlei Ausflüchte machte.
Ich untersagte ihm jetzt das Verlassen des Hauses und war fest entschlossen, meinen Herrn zu bitten, dem zweifellos besessenen Burschen den Abschied zu geben, denn ich ahnte, durch die finsteren Blicke des Eunuchen und sein katzenartiges Herumschleichen erschreckt, das Unheil, dessen Erinnerung meinen Körper noch jetzt vor Entsetzen erbeben läßt.
Die große Güte meines Herrn, die der Schöpfer ihm in die Seele gepflanzt und die es verhinderte, daß jene Bestie wie ein aussätziger Hund aus dem Hause gepeitscht wurde, obwohl der Verbrecher schon damals den Tod verdient hätte, wäre beinahe schuld gewesen an einem unersetzlichen Verlust, durch den mein hochherziger Gebieter selbst sein kostbares Leben verbittert und sein lichtes Gemüt für immer in dunkle Nacht gehüllt hätte.
Wen Allah mit Blindheit schlägt, den gibt er dem Verderben preis, und wem die Gnade des Erbarmers zuteil wird, der entrinnt dem Rachen des wilden Tieres und dem Zahn der Vernichtung. Wessen Leben im Schutze des Höchsten steht, den tragen die geflügelten Sendboten des Himmels hinweg aus jeder Not und Pein, sei es in Feuersgefahr oder in den Fluten der Meere oder bedrängt von dem Wüten böser Dämonen. Jene aber, deren Herzen, Gesicht und Gehör Allah versiegelt hat, das sind die Brüder des Satans und die Verlorenen, die dem Höllenvogt zur ewigen Verdammnis überantwortet werden, denn Allah leitet nicht die Frevler.
Nur der Satan selbst konnte in seinem Raubtiergehirn erdacht haben, was Ali, die schwärzeste Seele, die je einer Mutter Schoß zur Welt gebracht, mit einer Verwegenheit und Kraft sondersgleichen vollführte.
Eines Morgens, als die Nacht sich kaum lichtete, wurde ich durch ein merkwürdiges Geräusch aus dem Schlummer geweckt und sah nur noch den Rest eines Gewandes hinter der Türe verschwinden. Ich rieb mir die Augen, weil ich zu träumen glaubte, erhob mich aber dennoch sofort von meinem Lager, aus Furcht, es könnte sich mit meiner Herrin etwas Besonderes ereignet haben. Wer beschreibt mein Entsetzen, als ich, hinter dem Vorhang in das Gemach blickend, die Ruhestätte Schekerparas leer finde! Was war geschehen?! War meine Herrin plötzlich erkrankt und in den Garten gegangen, hatten Räuber sie entführt, ohne mich vorher zu töten, oder hatte der Prinz sie selbst geholt, um einen Morgenspaziergang zu machen?! Die verworrensten Gedanken durchkreuzten mein Gehirn. Das Herz klopfte an meine Knochen wie ein Schmiedehammer, und meine Hände zitterten vor Furcht und Erregung, als ich mir schnell einen Schlafrock überwarf und auf den Hof hinauseilte. Hier wurde mir das Rätsel in schrecklichster Weise beantwortet. Vor dem weitgeöffneten Tore lag der Wächter erdolcht und gab kein Lebenszeichen mehr. Wenngleich meine Beine wankten, schleppte ich mich doch zur Straße und sah, wie der verpestete Eunuch mit einer Last auf dem Rücken davonlief, und obwohl ich in der Dunkelheit nichts Genaues erkennen konnte, war es für mich doch außer Zweifel, daß diese Last meine Herrin barg.
Nun erhob ich ein furchtbares Geschrei, ich heulte wie ein Rudel Schakale und schrie um Hilfe und Rettung und sonst etwas, das mir gerade in den Kopf und in die Kehle kam, denn ich war völlig von Sinnen und so verzweifelt, als ob mir jemand den eigenen Leib gespalten hätte. Es dauerte auch nicht lange, da eilten die Diener aus dem Selamlik und die Sklavinnen aus dem Harem, alle in Nachtgewändern, herbei, und fragten stürmisch, wo es denn brenne. Mühselig konnte ich eine kurze Erklärung geben, denn mein Atem stockte, und die Zunge flatterte wie eine Fahne im Sturm, ich wies auf den Leichnam des Torwächters hin, befahl, den Prinzen sofort zu wecken, eilte in meinem Nachtgewand und mit den Pantoffeln auf die Straße und lief hinter dem Räuber her, so schnell mich meine kurzen Beine mit der Last des Körpers tragen konnten, und schrie und heulte, bis mein Atem völlig versagte und kein Laut mehr aus meiner Kehle drang.
Während der Schweiß in Strömen meinen Körper benäßte und ich mich mehr mit den Armen fuchtelnd als mit den ermatteten Beinen fortbewegen konnte, mußte ich zu meinem Schrecken die Wahrnehmung machen, daß die Entfernung zwischen mir und dem Mörder immer größer wurde.
Die Straße war anfangs menschenleer und nur durch den verschleierten Halbmond dürftig beleuchtet. Hunde, die geschäftig nach Speiseresten suchten, schauten mich wegen meiner merkwürdigen Bekleidung zuerst erstaunt an und stutzten, ob sie nicht davonlaufen sollten. Als sie aber mein Geheul vernahmen, das ihnen eine verwandte Sprache schien, rissen sie die Mäuler auf und stimmten in allen Tonarten mit ein. Kein einziger dieser Straßenbettler aber war zu bewegen, dem flüchtigen Eunuchen nachzulaufen und ihn zu fassen, so sehr ich auch darum bat. Ein Tier bleibt ein Tier ohne Verstand und Seele!
Bald aber eilten die Menschen aus den Häusern, und hier und da kam mir ein guter Moslem zu Hilfe. Auch die Diener meines Herrn, die sich inzwischen angekleidet und bewaffnet hatten, holten mich schnellfüßig ein, und nun jagte eine beträchtliche Schar wie die Meute hinter dem Wild dem verruchten Verbrecher nach. Ich konnte ihnen allen nicht folgen und nur, mehr durch heiseres Bellen als durch Rufen, zur Eile anspornen.
Schon hatte der Schwarze mit seiner Last die Mahmudbrücke und das Goldene Horn fast erreicht und noch war ihm keiner der Verfolger auf den Fersen, als ich in dieser höchsten Bedrängnis Pferdegetrappel hinter mir vernahm, und im nächsten Augenblick raste der Prinz, von seinem Stallknecht begleitet, auf seinem schnellsten Rosse an mir vorbei. Er sah weder mich, noch die anderen Verfolger, sondern lenkte seinen Hengst in mächtigen Sprüngen der Brücke zu, die Ali mit seiner Bürde soeben betrat. Ich sah, wie er die Last über die Brücke ins Wasser warf und wie der Prinz ihn im selben Augenblick erreicht und mit einem Säbelhieb zu Boden geschleudert hatte. Zu gleicher Zeit war der Stallknecht abgesessen und hatte sich in die Fluten gestürzt.
Alles das war das Schauspiel weniger Minuten, die uns eine Ewigkeit schienen, weil sich der Zeitbegriff des Menschen in dringender Gefahr bis ins Unendliche verlängert.
Am Ort der Tat angelangt, sahen wir, wie ein großer Wasserschlauch, der auch zum Transport von Weinen benutzt wird und den man aus Tierhäuten völlig wasserdicht verfertigt, auf den Fluten trieb und der Stallknecht sich schwimmend bemühte, die Last zu landen, was ihm mit Hilfe anderer Diener, die ebenfalls ins Wasser gesprungen waren, endlich auch gelang. Mein Gebieter sprach kein Wort, er nahm den schweren Schlauch, der nach unserer aller Ansicht die Leiche der ermordeten Chasseki barg, auf sein Roß, wobei ihn alle Anwesenden unterstützten, und ritt, nur von seinem Stallknecht begleitet, so schnell, wie die Umstände es erlaubten, dem Palaste zu. Ich selbst war am Ende meiner Kraft und hätte kaum den Weg nach Hause gefunden, wenn nicht gerade ein Milchkarren die Straße entlang gekommen wäre, der mich, von den laufenden Dienern gezogen, schneller, als ich erwartet, in den Palast gebracht hätte.
Hier war der Schlauch inzwischen aufgeschnitten worden, und Schekerpara lag auf ihrem Bette aufgebahrt, kein Zeichen des Todes im Gesicht, wie eine friedlich Schlummernde.
Das Zimmer war angefüllt von Sklavinnen, auch die beiden anderen Eunuchen waren dabei und konnten nicht begreifen, was geschehen war. Aischa stand in einer Ecke und weinte bitterlich, nur Hassa fehlte.
Mein Gebieter starrte bleichen Antlitzes auf sein lebloses Weib, die Lippen zitterten vor seelischer Zermürbung und seine Augen wurden feucht. Zärtlich legte er seinen Arm um den Hals der geliebten Frau und preßte seinen Mund auf ihre Lippen, während seine Tränen ihre Wangen netzten.
Da geschah ein Wunder. Es schien, als ob sein Atem ihre Brust belebe, sein warmes Blut sich mit dem ihren mische und seine Seele in ihren Leib sich senke. Unter der Glut seiner Küsse verfärbte sich Schekerparas Gesicht, ihr Körper bekam Leben, ein leiser Seufzer entrang sich ihrem Munde, ihre Arme umschlangen, wie im Traume, seinen Hals, und ihre Augen öffneten sich langsam, wie der Kelch einer Blume, wenn ein Sonnenstrahl sie trifft. Fragend und verwundert schaute sie ihrem Gatten ins Antlitz, dann küßte sie ihm die Tränen fort – Der Prinz war zusammengebrochen und schluchzte wie ein Kind. Und alle Anwesenden weinten mit ihm, Schekerpara ausgenommen, die verwirrt und noch weltentrückt um sich blickte. – – – – –
Als der herbeigerufene Arzt erschien, mußten alle das Zimmer verlassen, nur mir allein wurde gestattet, der Untersuchung beizuwohnen. Mein Gebieter hatte, nachdem er das Wunder begriffen und sich ausgeweint, seine Fassung schnell wieder erlangt, so daß er dem Arzte den schrecklichen Vorgang erzählen konnte. Der alte ehrwürdige Herr sah der Kranken ins Auge, fühlte mit Erlaubnis meines Gebieters den Puls und sagte: »Die liebliche Hannum befindet sich außer Lebensgefahr. Es lag hier nur eine vorübergehende Betäubung vor, die wahrscheinlich durch ein pflanzliches Gift verursacht wurde. Der Mörder hatte offenbar die Absicht, sein eingeschläfertes Opfer ins Wasser zu werfen und zu ertränken, weil er glaubte, seine ruchlose Tat auf diese Weise geräuschlos ausführen zu können. Die Luft in dem Schlauche verhinderte aber das Untersinken der Schlummernden und genügte zugleich, um sie vor dem Erstickungstode zu bewahren. In wenigen Stunden wird das Uebel völlig behoben sein und keine Nachwirkung zurückbleiben, inzwischen mag sich die Hannum durch einen erfrischenden Schlaf, der in ihren Augen liegt, kräftigen!«
Mein Gebieter dankte dem Arzte und drückte ihm gerührt die Hand, dann bat er Schekerpara zärtlich, die Augen zu schließen und sich dem Schlummer hinzugeben.
Während wir das Zimmer verließen, meldete eine Sklavin, daß man den schwarzen Räuber, der sich von seiner schweren Verwundung erholt hatte, in den Hof geschleppt hätte, und was nun mit ihm geschehen solle.
Mein Gebieter ließ sich eine schwere Nilpferdpeitsche bringen, und wir begaben uns in den Hof, wo Ali, an einer Kopfwunde noch immer blutend und von Dienern bewacht, vertiert auf dem Boden hockte. Der Prinz versetzte ihm einige wuchtige Schläge über den Rücken und befahl ihm, sich zu erheben. Dann begann das Verhör.
»Was hat dich veranlaßt, Ausgeburt der Hölle, verfluchte Bestie und Teufel«, fuhr mein Herr den besessenen Neger an, »meine liebste Frau zu morden. Was hat sie dir getan, sie, die herrlichste, reinste und gütigste Herrin, der je ein Eunuch zu dienen die Ehre hatte. Ist das der Lohn für alle Wohltaten, die ich dir erwiesen? Sprich, was hat dich zu deiner ruchlosen Tat getrieben und wer hat dir zu deinem Verbrechen hilfreiche Hand geboten?«
Ali ließ den Kopf hängen und schwieg.
Der Prinz schwang wieder die Peitsche, und hageldicht fielen die Hiebe auf den Schwarzen nieder. Dieser schüttelte sich etwas und verzog keine Miene, obwohl jeder Schlag blutunterlaufene Schwielen hinterließ. »Wenn du nicht sofort deinen Schlund öffnest und ein Geständnis ablegst«, fuhr mein Herr jetzt im höchsten Zorne fort, »dann lasse ich dir die Augen ausstechen und deinen Körper von meinen Pferden zerreißen!« Und den anwesenden Dienern befahl er, vier Pferde und ein glühendes Eisen herbeizubringen.
Diese schreckliche Drohung verfehlte ihre Wirkung nicht. Der Neger begann zu zittern, seine Augen wendeten sich hilfesuchend im Kreise, und als er überall nur drohende Blicke und entschlossenes Handeln sah, bewegten sich seine wulstigen Lippen und dem Gehege seiner breiten Zähne entquollen verängstigt einige Laute, die unverständlich waren. Wir traten näher heran, aber schon hatte der schwarze Schlund sich wieder geschlossen.
Nun erschien ein Diener mit dem glühenden Eisen. Zehn kräftige Fäuste packten den Kopf des Negers, und erst als er die Hitze des Stahls an seiner Fratze fühlte, schrie er in Todesangst: »Hört mich, hört mich, ich will alles sagen!«
Der Prinz winkte den Dienern, zurückzutreten und Ali begann stotternd und winselnd:
»Effendi, großer mächtiger Effendi, guter Effendi, edle Hoheit, ich weiß nicht, was ich sagen soll, ich habe nichts getan, das Tier in mir ist schuld und Hannum Hassa!«
Mein Gebieter trat einen Schritt zurück, als er diesen Namen hörte, und um die Ehre seines Harems nicht zu beflecken, befahl er, daß der Bursche gefesselt und in den Haremlik geführt werde, wo er ihn in meiner Gegenwart ohne die Anwesenheit anderer verhören wollte. – – – – – – – –
Ali war jetzt, nachdem die ersten Sätze über seine Lippen gekommen waren, etwas zugänglicher, er ließ sich ruhig vernehmen und machte den Eindruck eines Menschen, der die Wahrheit sagt und sich der Schwere seiner Tat nicht bewußt gewesen.
Aus seinem Geständnis ließ sich entnehmen, daß Hassa ihn tatsächlich, wie schon vermutet wurde, zu widernatürlichen Handlungen verleitete und zwar ganz allmählich. Später kam dann eine grenzenlose Eifersucht des Frankenweibes gegen die Chasseki hinzu mit dem Ziel, die Favoritin ihres Eheherrn zu beseitigen.
Der Neger erzählte, daß die Hassa ihn zuerst veranlasste, ihre Füße zu kitzeln. Dann mußte er dieselbe Nervenerregung mit der Zunge ausführen, und schließlich habe sich die Hannum völlig entkleidet und ihm befohlen, gewisse Teile ihres Körpers mit der Zunge zu kitzeln. Dadurch seien unbekannte Triebe in ihm erwacht, der Duft des Frauenkörpers und der Frauenkleidung habe ihn erregt, und das Berühren seines Mundes mit weiblichen Körperteilen oder Frauenkleidung habe in ihm ein Gefühl erzeugt, ohne dessen Befriedigung er nicht mehr leben konnte.
Als er zum Dienst bei der Chasseki befohlen wurde, habe er gehofft, seinen unnatürlichen Trieb zu verlieren, es sei aber viel schlimmer geworden, denn der herrliche Duft der Chasseki habe ihn noch mehr erregt, und die Peitschenhiebe wären ihm ein solches Vergnügen gewesen, daß er sich seiner Herrin nur genähert hätte, um recht häufig gepeitscht zu werden. Um seine Begierde aber zu stillen, sei er des Nachts in das Schlafzimmer der Hassa geschlichen, die nackt auf dem Bette liegend ihn erwartet und ihm willig gewährt hätte, wozu es ihn trieb. Er sei auf diese Weise ganz in den Bann der Hannum geraten, und als diese ihn eines Tages aufforderte, das Hündchen zu töten, sei er diesem Befehle willenlos nachgekommen, habe von einem Strauch im Garten Beeren gepflückt, die ihm als giftig bekannt waren, diese mit Futter vermischt und dem Hündchen zu fressen gegeben. Dasselbe sei mit dem anderen Tierchen geschehen. Nunmehr sei er in der völligen Gewalt der Hassa gewesen, denn sie allein wußte von dem Geheimnis. Und als Ali nach dem letzten Auftritt im Lichthof, als er schon wieder zu ihrem Dienst zurückgekehrt war, seine Begierde an ihr stillen wollte, habe sie erklärt: »Nicht mehr, solange Schekerpara lebt!«
Anfangs habe er geglaubt, es sei vielleicht ganz gut so, denn die Zeit würde seinen Trieb ersticken, aber schon nach einigen Tagen seien seine Lüste noch heftiger erwacht, und er habe nunmehr beschlossen, die liebliche Chasseki, die ihm immer wie ein Engel erschienen sei, zu beseitigen. Die Tat habe er allein ausgedacht und vollführt, das Betäubungsmittel sei ihm von dem befreundeten Eunuchen im Harem eines Arztes gegeben worden, und den Schlauch habe er in einer benachbarten Kamelhalterei gestohlen und in seiner Kammer versteckt gehalten. Dann habe er sich in der fraglichen Nacht, auf dem Boden kriechend, in das Zimmer der Chasseki geschlichen das Pulver auf die Nase der Schlafenden geschüttet und sich durch Bewegungen ihrer Arme überzeugt, daß sie betäubt war. Hierauf habe er sie in den Schlauch gesteckt und sei davongelaufen, um die Chasseki zu ertränken. Jetzt sei er glücklich, daß die liebliche Hannum wieder am Leben sei, ihm aber sei es gleichgültig, was mit ihm geschehe, sein Leben habe keinen Wert mehr, weder für ihn, noch für andere. – – – – – – – – – – –
Mein Gebieter vernahm mit wachsendem Erstaunen und tiefster Erbitterung das Geständnis des Negers. Dann wandte er sich schnell zu mir und befahl, der Hassa wissen zu lassen, daß sie innerhalb einer Stunde, nur mit dem beladen, was sie tragen könne, aus dem Haremlik zu verschwinden habe.
Was Ali anbetrifft, zog der Prinz vor, sein Haus nicht mit Blut zu beflecken und dem ordentlichen Stadtgericht die Aburteilung des Verbrechers zu überlassen.
Der Neger wurde wegen Mordes und Mordversuchs an einer Frau zum Tode des Steinigens verurteilt, und wenige Tage nach der Tat gelangte die Strafe auf dem Steinfelde zur Vollstreckung.
Ali stand inmitten des Feldes aufrecht da und schien seinem Schicksal ergeben. Eine ungeheure Menschenmenge hielt den Platz besetzt, denn jeder gute Moslem wollte an der Vollstreckung der Strafe teilnehmen; auch Schekerparas Eltern waren zugegen, und der Tscherkesse, der sich wie ein wildes Tier gebärdete, trug in einem Sack eine Anzahl großer Feldsteine bei sich.
Als erster Zeuge des Verbrechens mußte ich der Gerichtsordnung entsprechend den ersten Stein auf den Verbrecher werfen, ich verfehlte aber mein Ziel, da mein Arm nicht die nötige Schwungkraft besaß. Nun schleuderten die Gerichtsbeamten ihre Steine, und das Volk warf ebenfalls, so daß ein Hagel von kleinen und großen Feldsteinen auf den Neger herniederprasselte, der Bursche aber schüttelte sich und stand immer noch aufrecht da. Jetzt zwängte sich der Tscherkesse durch die Menge, mit einem großen Stein in der Hand; fluchend holte er zum Wurfe aus, und im nächsten Augenblick lag der schwarze Hund mit zerschmettertem Schädel am Boden. Ein Steinregen deckte seine Leiche zu. – – – –
Hassa hatte eine halbe Stunde nach dem Befehl ihres Eheherrn, nur ein Bündel in der Hand, tief verschleiert das Haus verlassen. Vor dem Tore soll sie sich noch einmal umgewendet und mit erhobener Faust in fremder Sprache etwas in den Hof gerufen haben, was niemand verstand. Wahrscheinlich ist es eine Verwünschung gewesen. – –
Die Prophezeiung des Sihirbas aber, der damals niemand Beachtung schenkte, hatte sich erfüllt. – –
Die Walide erlag ihrem Leiden und wurde mit fürstlichen Ehren bestattet. Aischa bezog ein Landhaus des Prinzen am Bosporus und lebte zufrieden in ihrem eigenen Heim und im Umgange mit feingebildeten benachbarten Frauen gleichen Standes. Schekerpara wurde Alleinherrscherin im Haremlik. Fünf Monate nach dem Verbrechen gebar sie ihrem Gatten einen Knaben und in den nächsten Jahren noch weitere drei Knaben und ein Mädchen.
Des Prinzen Zärtlichkeit und Fürsorge für seine alleinige Chasseki blieb stets die gleiche, wie ihre Liebe und Hingebung zu ihrem Galten unverändert fortbestand. – – – – – – – – –
Die Sonne, die Schekerpara, das »Zuckerstück«, ins Haus gebracht, war noch nicht im Sinken.
Die silberne Peitsche aber hing zur Erinnerung an jene schwarze Tat vor dem Vorhang zu den Gemächern der Herrin.
Mein Gebieter hatte aus Holz einen Negerkopf und einen Frauenkopf mit blonden Haaren schnitzen lassen und an dem Griff der Peitsche aufgehängt.
Wenn Allahs Hilfe kommt und der Sieg
und du die Menschen eintreten siehst in Allahs
Glauben in Haufen,
Dann lobpreise deinen Herrn und bitte ihn um
Verzeihung: siehe, er ist vergebend.
110. Sure