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Die Bühne ansteigend. Rechts und links, auf- und abwärts Lager der unglücklich Kranken in einem weißen Licht. Sich windend, qualvoll hin und her, in immer gleichen Gesten. Am Rand der Bühne unten in der Mitte Peter auf seinem Lager, doch Guntwar und Frau Mirjam sind nicht zugegen. Oben in der Mitte der Irre-Prediger, in weißem Kleid, mit den Gebärden eines Aufwachenden.
Der Irre-Prediger (seltsam beginnend, bewegt rhythmisch gleichmäßig nach seinen Strophen einfältig Leib und Haupt, Arm und Bein, wie es die Verse selbst vermerken:)
Horch, Herz mein und Seele du.
Hörst du dich nicht rufen –?
Ja, es gönnt mir keine Ruh,
Muß hinab die Stufen.
Wieder ist's in mir erwacht,
Heimlich mir im Hirne;
Der seit Anfang mich gemacht
Rührt nun meine Stirne.
Hebt mir Arm und Augen auf,
Hurtig alle Glieder,
Herzbereit und froh mein Lauf
Geht zu Brüdern nieder.
(Er tritt langsam die Stufen abwärts.)
Daß ich heile sie, die krank,
Daß ich sie erquicke,
Von der Lippe Lobgesang
Heilsam sie entzücke.
Rechts und links komm ich herab,
Neige mich zu allen, –
Spende rechts und spende links
Von dem süßen Lallen.
Lag ja einst in schweren Banden,
Bin doch irr gewesen;
Christ ist in mir aufgestanden,
Gleich bin ich genesen.
(Steht, hebt beide Hände in Entzückung, lauscht.)
Ich komm! ich komm! ich komme!
(Wieder verändert)
Hört, ich lehr es euch gewiß,
Gott hat mir's bestätigt –: Ihr müßt nicht verzagen, liebe Brüder; denn Gott ist mit uns allen. Er wird uns gewiß erlösen, und über kurzem werden wir bei ihm sein. Denn jetzt haben wir noch Schmerzen zu erdulden, aber bei Gott erwartet uns ewige Freude. Laßt euch nur nicht von eueren Schmerzen betören; sie sind vergänglich, und Gott schickt sie uns, weil wir sie verdient haben durch all unsere Sünden, und weil er uns damit zu sich reizen und prüfen will. Denn wir sollen nicht verzweifeln, sondern zu ihm aufschreien, und dann antwortet er auch und gießt uns voll Licht, so süß, daß unsere armen Seelen schon jetzt immer bei ihm sein wollen und der Schmerzen nicht achten. – Horch! –
(Peter schrie laut auf.)
Der Irre-Prediger:
Ich danke dir, du mein Erlöser;
Denn du hast mich gehört;
Die Nacht, sie wurde bös und böser,
Du hast sie aufgestört.
Du rissest diese arme Seele
Solange, bis sie schrie;
Nun steig ich hin, und ihre Fehle
Nehm ich auf mich, o sieh!
(Er tritt an Peters Lager heran.)
Ich will nähertreten, Nähertreten ist meine erste Pflicht. Nach der Reihe. Nach der Reihe.
Peter
(auf seinem Lager sich windend, und sucht sich zu verbergen):
Was suchst du mich –?
An mir ist nichts zu suchen –.
O weh mir!
Der Irre-Prediger:
Mein Bruder, Augen aufgetan
Und Lippen zum Gebet;
Wo es uns quält und faßt uns an,
Der Heil-Strahl drüber steht.
Sieh, er steht fest, und er steht still
Und ist ganz voller Licht;
Denn Gott, der unser Bestes will,
Verstört zwar, doch er läßt uns nicht.
O mein Bruder, du mußt fleißig beten, dann:
Fühlst du's jäh, dann fühlst du's heiß,
Es schimmert himmelan:
Das ist der Herr in seiner Bahn,
Steht über dir, licht-weiß.
Oh, mein Bruder, woran leidest du denn? Komm,
zeig her, ich habe Lust, dir über die Stirn zu fahren.
Ich ließ mir sagen, es hülfe – – Betest du wohl?
(Ist niedergekniet, verbleibt auch so.)
Peter:
Geh fort von mir; denn hier ist nichts zu heilen.
Ich bin einsam, Gott hat mich verlassen.
Er gab mich der Finsternis und blieb im Licht allein.
Früher hab ich oft gebetet;
Doch was hilft es, wenn man der Gnade unteilhaftig
Und vor seinen Augen mißfällt?
Er hat mich gewählt, daß er seine Macht an mir büße; –
Ja, es kam über mich, und ich weiß kaum wie, –
Es riß mich hinab, und ich wurde finster.
(Wann ward ich finster, wann riß es mich hinab?)
Ich kann nicht Rechenschaft geben –
Und wär so gern bei ihm, –
Der das Licht hat – und schenkt, wem er will.
In Finsternis – muß ich hier vor ihm bluten. –
Der Irre-Prediger:
Mein armer Bruder, wie sagst du bloß,
Wie rechtest du mit Gott?
Ja, du bist an der Seele bloß,
Doch herzlich hilft dir Gott.
Meinst du denn, er vergäße je,
Die vor ihm herzlich bitten, –
Und wenn er sieht dein reißend Weh,
Er ließe sich nicht bitten?
Mein Bruder, Gott ist weiser als wir
Und hat so seine Gedanken –
Bruder, Gott bestellt wohl sein Feld – und sein Feld sind wir, die wir zu ihm begehren – und jätet weislich. Jäten tut weh, mein Bruder, war es anders Jäten?
Drum gibt er dein verderblich Teil
Heilsamem Schmerze hin,
Und hast gelitten eine Weil,
Läßt er dich wieder ziehn.
Mein Bruder, noch eine kurze Weile, dann hat der Herr dir alle Wurzel des Übels ausgerissen. Fragst du, woher ich es weiß? Nur aus meiner Frömmigkeit; denn du hast einst zu ihm gebetet, so warst du ein Gottes-Kind, und du hast nun Schmerzen, so ist die Hand des Herrn über dir in heilsamem Jäten. Ich weiß es wohl.
Denn meinst du, seiner Kinder vergäße er?
(Halb singend.)
Er hat begriffen die Kleinsten all –
Peter:
Ich bin ein Mensch!
Er reißt mich an der Wurzel aus!
Geh!
Laß mich mir!
(Der Irre-Prediger schüttelt heftig den Kopf. Peter fährt fort.)
Wo habe ich Wurzel geschlagen?
Da, wo's lind herwehte,
Verhieß sich eine zweite Kindheit –:
Es kam mein Weib.
(Prediger nickt heftig.)
Bis es bös zuging:
Ein Fremdes kam und nahm, was ich besaß;
Da blieb ich allein
Und find mich selbst nicht mehr:
So war ich ihr.
Der Irre-Prediger:
Von dem süßen Kindheitshauche,
Der in Wahrheit göttlich ist,
Von geheimnisreicher Lust,
Die die eigne Seele ist –:
Wenig bleibt von Kindheits-Tagen,
Und es war doch süß – so süß!
Aber es wird hingetragen,
Wo Gott nicht zu Hause ist.
Denn nun einen sich die Leiber,
Und im Andern sucht man Heil;
Und es treibt uns der Vertreiber,
Und der Weg wird schwer und steil.
Wenig kann man sich entraffen,
Und man bleibt so gern verstrickt –
(sich die Haare raufend?)
Ach und Weh! Ich hab es auch gefühlt! Ja, Bruder, man liebt, wo die Liebe nicht endigen darf. Liebe ist von Gott und Gott ohne Ende, soll da die Liebe beim Weibe endigen –? Nein, sagst du, und es hört sich so klar; aber, mein Bruder, Hören ist anderes als Vollziehen.
Nun bleibt die Schwester Liebe gefangen.
Die meiner Seele Schwester ist;
Und Gott wird also hintergangen,
Als wenn er nicht vom Himmel ist. –
Doch plötzlich klafft es – weh uns Armen –!
In blindem Anfall, Leib von Leib,
Die eigne Seele, die entrafft es;
Man bleibt zurück: verstört und Weib!
Wehe, da naht Gott-Vater
Hui! in der Wolke!
Und reckt seine Hand aus.
Da fährt die Seele zurück,
Die im Weibe,
Ach, die Unendliche,
Ihr Ende finden mußte! –
Nun verhülle ich mein Haupt, Bruder; denn nun kommt Qual auf Qual. Ach, der Herrgott, nun muß er sein lieb Kind, was mein und deine Seele ist, vom Weibe reinigen, und da geht's schmerzhaft zu.
Er bläst uns an mit seinem Hauch,
Wir sind von Ursprung sein;
Da birst der Leib, das Hirn siecht auch,
Wir sind zu schlimm, zu klein! –
Da schreien wir, da quälen wir,
Da sterben wir, dann ist's getan, –
Was Gott vernichtete, ist abgetan,
Was vor seinem Hauch hinschwand wie vor dem Feuer das Blatt; –
Aber die Seele ist, siehst du, die Gewinn hat –:
Lebendigkeit! Lebendigkeit!
Besiegt dann die Vergänglichkeit; –
Denn er hat wohl an uns getan.
Mein Bruder, nun will ich dir sagen, wir hätten's anders tun müssen. Ja, wir! Ist denn nicht unser lieb Weib sein Geschöpf? Ja, nun! Also von Herzen müssen wir es lieben, aber – ein groß Geheimnis kommt, mein lieber Bruder – wir hätten sollen unser herzliebes Weib als sein Geschöpf lieben. I! i! nicht, daß du ein Mönch sein müßtest! Aber das hätten wir doch tun müssen. Ja doch, es ist ein Unterschied.
( Wiegt sich hin und her?)
In ihren Reizen seh ich den, der herrlich sie gebaut, Aus seiner Gnade, Lieb und Füll hat er sie mir vertraut. Bruder, ich gebe dir recht einfältige Lehren. – – Genieß' ich auch des Süßesten, Was je mein Leib genoß – –
Abraham war auch beweibt, mein Bruder, aber wohl verstanden! im rechten Sinn. Das ist: was er tat, tat er dem Herrn. Ja, darauf kommt es an.
Zu Preis und Ehre tat er's ihm, er wachte oder schlief;
Der Herre, der vergalt es ihm und segnete ihn tief.
Ja, mein Bruder, so mögen wir's auch genießen, wenn wir Lust haben.
Hat er dich, Herzlieb, mein Weib, nach seinem Rat gegeben,
Er gab dich wohl, das ist gewiß,
Daß mir auch Kinder leben.
Die lieben Kinder!
Ja, unser Same muß sich des Herrn erinnern, sonst geht es ihm übel. – Bruder, was sagst du? Unser Herzenssamen auch, ja, der vor allem.
Peter:
Du reißt mich auf; denn ich weiß wohl deine Sprache, –
Du zerwühlst mich, doch ich fühle mich schuld.
Der Irre-Prediger:
Geduld, Bruder, Geduld!
Daß du Reue hast, das freut mich recht herzlich.
Reue, mein Bruder, ist ein Besen, der heilig kehrt.
Nein, lach mir nicht!
Peter:
Gehe von mir und sprich nicht mehr; denn ich fühle mich brennend,
Mein Auge brennt, ich möchte es in Schlaf zutun.
Der Irre-Prediger: Schlafe, Bruder, schlafe! Nur an eines möcht ich dich noch erinnern: Vergiß es nicht, dem Herrn zu schlafen! – Und ich will beten: (Antlitz aufgekehrt in Strahl und Fülle, in Licht und Einfalt?)
Du hast ihn wohl bedacht,
Ich bin nichts nütze,
Mein Herz ist keiner Liebe wert.
Doch heb' ich ihn zu dir,
(Er hält die Hände innig bittend hoch.)
Er ist wohl nütze;
Mein Herz hat einen Bund mit dir gemacht,
Du bist die Hoffnung,
Ich bin der Beter bloß; –
Segne ihn!
(Verdunkelung der Bühne tritt ein. Sie wird wieder hell, und Guntwar und Frau Mirjam stehen noch wie vorhin, seitlich vor Peters Bett, den Schlafenden betrachtend.)
Frau Mirjam
(gedämpft):
Guntwar, du sahest, wie es über sein Antlitz ging:
Schauer um Schauer, von Gott darübergefegt;
Denn eines Menschen Schauer stellt sich nicht so –
Guntwar
(ebenso):
Mutter, ich glaube, es war von Gott das Gesicht;
Wir wissen's nicht und wissen nicht, was vorgeht;
Peter ist uns entwachsen in die Zucht des Vaters,
Wir können hier nur beten und bittend stehn.
(Peters Schlaf zerreißt; er richtet sich jäh in die Höh.)
Peter
(suchend):
Mirjam –?
Frau Mirjam
(eilt hinzu):
Peter, was willst du –?
Peter:
Ich habe Schmerzen, Mirjam, an Leib und Seele,
Ich habe geträumt, und die Schmerzen gingen nicht von mir, –
Was ich seh, wird mir schmerzlich, und was ich glaube und denke.
Ich habe gefehlt, Mirjam, bin bitter bei dir geblieben –
Frau Mirjam:
Gott verzeiht das alles, wenn du bereust, mein Peter.
(Peter erblickt jetzt den zur Seite stehenden Guntwar, laut wimmernd fährt er auf.)
Peter
(trostlos zu Guntwar):
Willst du und willst du nicht von mir weichen –?
(Tiefe Stille.)
Mirjam, bring mir Wasser, und gib mir zu trinken!
(Frau Mirjam winkt Guntwar fort, der nach links abgeht; sie selbst geht einen Augenblick nach rechts, kommt dann wieder, das Wasser in der Hand. Peter hat unterdes schmerzlich vor sich gestarrt.)
Frau Mirjam
(reicht das Wasser):
Trinke!
Peter
(halber, trauriger Seitenblick auf Mirjam, rührt sich nicht):
Das Wasser, Mirjam, wasche mich ganz darin,
Tauche mich unter; denn es ist Zeit für die Taufe!
Aber den anderen laß nicht dabei stehn!
Ich weiß alles und kann ihn doch nicht ertragen.
(Sinkt zurück in die Kissen, wehrt der Hand Mirjams, die das Wasser reichen will.)
Gott hat in mir aufgehen lassen ein Geäste,
In seinen Zweigen habe ich mich verfangen.
(Tiefes Aufschluchzen.)
Ich weiß nicht von Gott und weiß nicht zu Gott hin,
Ich will Ihm nah sein, und meine Stimme klingt ferner – –