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An einem der nächsten Nachmittage saß Leutold, der Knecht, in der großen Wirtsstube des Heiligenprobstes von Seefels, erlabte sich an einem Stück Käse, trank Bier dazu und schielte von Zeit zu Zeit auf den dicken Herbergsvater, der mit sichtbarer Mühe ein Brieflein des Pflegers studierte.
»Also, mitten auf dem See zwischen der Stadt und dem Kloster will der Herr Pfleger Gerichtstag halten über uns und die Mönche?« sagte der Dicke nach einer Weile und ließ sich schwerfällig am Tische nieder.
146 »Kann wohl sein,« antwortete der Reitknecht, machte ein dummes Gesicht, kaute und schwieg.
»Wenn man's nur wissen könnte, was er will, der Pfleger?« sagte der Heiligenprobst nach einiger Zeit.
»Welcher von den zwei Heiligen der richtige ist, das will er wissen, der Pfleger,« antwortete der Knecht kauend und nahm einen tüchtigen Schluck.
»Ja, wer kann das aber herausbringen?« meinte der Heiligenprobst und machte ein kummervolles Gesicht.
»Was weiß ich?« knurrte der Knecht.
»O du weißt's vielleicht doch!« begann der Heiligenprobst zu schmeicheln, griff in die Hosentasche und klimperte mit seinem Gelde. »Hat er denn nichts verlauten lassen, der Pfleger?« Und nun brachte er ein großes Silberstück zum Vorschein und schob es dem Knecht hinüber.
Der nahm und steckte es wortlos ins Wams.
»Nu?« mahnte der Heiligenprobst.
»Zwei Heilige sind zuviel, einer kann's auch besorgen, das Geschäft, so hat der Herr Pfleger gesagt. Aber mein Krug ist leer, Heiligenprobst!«
Eilig watschelte der Herbergsvater und brachte den Krug, bis zum Rande gefüllt. Und wieder setzte er sich an den Tisch, und wieder begann er mit seinem Gelde zu klimpern. »Hat er sonst nichts mehr 147 geäußert, der Pfleger?« fragte er lauernd und legte abermals ein großes Silberstück auf die Tischplatte.
Der Knecht steckte seine Nase in den Krug und sog, bis ihm der Atem verging. Dann wischte er den Mund mit dem Handrücken und schob zuletzt das Geldstück verächtlich zurück.
Sogleich brachte der Heiligenprobst einen dritten Silberling zum Vorschein. Aber auch diesen schob der Knecht wortlos zurück und schnitt sich ein Stück vom Käse herunter.
Einen Silberling nach dem andern zog der dicke Probst aus seiner unergründlichen Tasche, und immer wieder schob der Knecht das wachsende Häuflein wortlos zurück – bis das Dutzend voll war; dann überzählte er die Stücke bedächtig, scharrte sie in die hohle Hand und ließ alle in seinem Wams verschwinden.
»Er hat schon noch etwas g'sagt, Heiligenprobst,« begann er kauend, »und ich will's Euch nit verbergen, was er gesagt hat. Er hat gesagt: ›Alle himmlischen Stoffe sind leichter als die irdischen. Wollen wir sehen, wer leichter ist am Dienstag – der von Seemünster oder der von Seefels.‹ Was er damit gemeint hat, der Pfleger, das weiß ich nit, aber gesagt hat er so, könnt Euch verlassen darauf.« Also berichtete der Knecht und vertiefte sich wieder in seinen Krug.
148 Gedankenvoll saß der Heiligenprobst und starrte auf die Tischplatte. Endlich meinte er: »Und jetzt fährst du zu den Mönchen und bringst ihnen auch einen Brief vom Herrn Pfleger?«
»Jetzt gleich,« bestätigte der Reitknecht.
»Und denen wirst du's auch sagen, was du vom Pfleger gehört hast?« fragte der Heiligenprobst und holte seufzend ein ganz großes Silberstück aus der Tasche.
Der Knecht griff nach dem Gelde, verzog keine Miene und steckte es ein. »Denen wird's Maul sauber bleiben!« bemerkte er wegwerfend.
»Je nun!« meinte der Dicke und machte sorgenvolle Aeuglein.
»Könnt Euch darauf verlassen, Heiligenprobst –!« Der Reitknecht schlug mit der Faust auf den Tisch. »Beim heiligen Antonius von Seefels seinem wackligen Kopf, denen werd' ich ganz 'was andres erzählen.«
Und damit ging er sporenklirrend aus der Stube, schritt hinab zum Gestade des Sees und ließ sich hinüberrudern zu den frommen Mönchen von Münster.
In der Klosterherberge aber begann dasselbe Spiel, und die Taschen des Knechtes wurden nun sehr schwer von all den Silberlingen der Städter und Mönche.
Perlen des Angstschweißes standen dem andächtigen Abte auf der Stirne, als der Reitknecht 149 des Pflegers zu seinem Boote hinabstieg. Aber befriedigt äußerte er sich zu seinen Getreuesten: »Welcher von beiden schwerer ist, ihr Brüder, darauf kommt's an!«
Und noch in derselben Nacht hoben die von Seemünster und die von Seefels ihre Heiligen von den Altären und begannen das weiche Lindenholz sorgsam auszuhöhlen von hinten. Und die Seefelser stopften Werg und Wolle in die Höhlung. Himmlische Stoffe besaßen sie ja nicht. Aber Wolle und Werg waren gewiß leichter als Lindenholz. Die Mönche zu Seemünster aber kannten unter allen irdischen Stoffen keinen, der schwerer wiegt als Gold. Und deshalb füllten sie ihren ausgehöhlten Heiligen mit dem ganzen gemünzten Goldschatz des Klosters und vielen kunstvollen geopferten Ketten und Spangen.
Und also wohl vorbereitet gingen Mönche und Bürger dem großen Tage der Entscheidung entgegen.