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D ie Verhaftung des alten Generals auf Rheinfelden machte, wie der Präsident vorausgesagt hatte, in Rheinstadt und weit über Rheinstadt hinaus, ein ungeheures Aufsehen. Der Name der Familie, deren Mitglieder schon mehrere Generationen hindurch die höchsten militairischen Stellen und Civilämter in der Provinz innegehabt hatten, war Jedermann bekannt; Jedermann war mit einem der vielen Hohensteins ein oder das andere Mal in geschäftliche oder private Berührung gekommen, und Jedermann nahm daher an dem eigenthümlichen Ereigniß näheren oder entfernteren Antheil. Indessen konnte man leicht bemerken, daß diese Teilnahme im Allgemeinen keineswegs aus Sympathie hervorging, sondern daß die Grundstimmung des Publikums ein lebhaftes Gefühl gesättigter Schadenfreude war. Dies mochte zum nicht geringen Theil seinen Grund in der Abneigung haben, mit welcher die katholischen Bewohner jener Gegend noch immer auf den eingewanderten, oder vielmehr hingeschickten und hincommandirten Beamten- und Militairadel aus den Stammprovinzen blicken; die vorzüglichste Ursache aber der feindseligen Haltung des Publikums war ohne Zweifel der Haß, welchen die hochadelige Familie im Laufe der Zeit durch ihr stolzes, herrisches, unbürgerliches Wesen auf sich zu laden gewußt hatte. Man erinnerte sich der willkürlichen Verwaltung des Oberpräsidenten von Hohenstein, des Vaters der drei Brüder; der mehr als militairischen Schroffheit des Obristen; der gleißnerischen Freundlichkeit, hinter welcher der Präsident seine büreaukratisch-despotischen Neigungen versteckte; der politischen Achselträgerei des Stadtrates; der Hoffahrt der Präsidententöchter; des junkerlichen Uebermuths der Obristensöhne; der stadtkundigen Libertinage Antonien's von Hohenstein, und fand es mehr als glaublich, daß der alte General auf Rheinfelden, der von der Zeit, wo er als commandirender General in der Provinz für seine Grobheit und Brutalität sprichwörtlich gewesen war, noch im übelsten Andenken stand, sein vielbeflecktes Leben schließlich noch mit einem offenen Verbrechen gezeichnet habe. Die durch die Merkwürdigkeit des Falls aufgeregte Phantasie des Publikums erging sich in den abenteuerlichsten Gerüchten. Daß es sich um einen Mord handle, wußte man mit Bestimmtheit. Nach dem Einen sollte der Ermordete ein Diener des Generals gewesen sein, der mit der Haushälterin und Maitresse des Letzteren in einem allzuvertrauten Verhältniß gestanden habe; nach Andern war das Opfer ein reicher jüdischer Juwelenhändler, der auf Rheinfelden vorgesprochen habe und von dem General seiner bedeutenden Baarschaft und zugleich seines Lebens beraubt worden sei (wodurch sich denn auch der Reichthum des alten Sünders schicklich erklärte); wieder nach Anderen handelte es sich gar nicht um einen Mord, sondern um eine ganze Reihe von Mordthaten, die der Alte mit Hülfe seiner Haushälterin an den unglücklichen Opfern seiner Gier verübt habe – und diese Annahme gewann, weil sie der in dem Menschen so mächtigen Lust am Gräßlichen die meiste Nahrung gab, zuletzt die Oberhand. Der Alte wurde zu einem Blaubart in weißen Haaren, und Schloß Rheinfelden zu einer Mördergrube, deren schaurige Geheimnisse die energisch betriebene Untersuchung demnächst zum Entsetzen aller Christenmenschen an den Tag bringen werde.
Indessen schien es, als ob die Neugier des Publikums noch lange auf die Folter gespannt werden sollte, denn die Sache, die man im Anfang für so klar hielt, daß man den alten General gleichsam schon hängen sah, drohte mit jedem Tage verwickelter zu werden. Man hörte, daß die Aussagen der zahlreich aufgerufenen Zeugen sich vielfach widersprachen, und bald für die Anhänger dieser, bald für die der zweiten, bald für die der dritten Erklärungsart günstig lauteten. Zuletzt gewannen die, welche an die Blaubartsage glaubten, einen bedeutenden Vorsprung. Die Verdachtgründe der Mitthäterschaft gegen dieselbe Person, auf deren Denunciation hin die Verhaftung des Generals stattgefunden hatte – die Haushälterin des Alten, Frau Brigitte Schmalhans – hatten sich so gehäuft, daß die Verhaftung derselben vom Oberstaatsanwalt angeordnet worden war; und kaum war das Weib in das Gefängniß abgeführt, als die Nachricht in die Stadt gelangte, daß ihr Gatte, der Schulmeister Schmalhans auf dem Dorfe Rheinfelden, dessen Zeugniß jetzt von der höchsten Wichtigkeit war, seit einigen Tagen vermißt werde. Man wußte, daß dieser Mann früher in großer Gunst bei dem alten General gestanden, in so großer Gunst, daß er gewürdigt wurde, der Gatte der Maitresse des Gebieters zu werden. In dieser wenig ehrenvollen Stellung hatte der Mann lange Jahre scheinbar als der schweigende Dulder des an ihm verübten Unrechts in Rheinfelden vegetirt; während er jetzt freilich durch sein Verschwinden in die Rolle eines Mitschuldigen, zum wenigsten eines Mitwissers der auf dem Schlosse verübten Unthat, oder vielmehr Unthaten eintrat. Zum wenigsten war das die einzige Erklärung für das Schicksal, das ihn so jäh ereilt. Daß man ihn ermordet hatte, um den unbequemen Zeugen los zu werden, war die allgemeine Annahme. Es stellte sich heraus, daß seine Frau an demselben Tage, an welchem er zum letzten Mal gesehen wurde, in Rheinfelden gewesen war, und Vorübergehende wollten die keifende Stimme der Frau durch die geschlossenen Läden der Schulmeisterwohnung gehört haben.
Dieser Zwischenfall brachte die so schon erhitzte Phantasie des Publikums auf den Siedepunkt. Man hatte es nicht mit einem Mörder, sondern mit einer Mordgesellschaft zu thun, deren Hauptmann der Alte auf Rheinfelden gewesen war. Und jetzt erfuhr man auch, weshalb der arme Schulmeister sich so schnell aus der Welt hatte trollen müssen. Er war der Einzige, welcher mit Bestimmtheit die Stelle in dem Park von Rheinfelden, auf welcher die Ermordeten eingescharrt worden waren, anzugeben wußte. Es war eine heillose Geschichte. Die guten Rheinstädter waren ganz außer sich darüber, nebenbei aber auch nicht wenig stolz darauf, daß auch sie, nach dem Vorgang anderer großer Städte, ihr Schauerdrama hatten.
Für die Familie Hohenstein war dieses Drama eine Calamität, deren Tragweite man gar nicht absehen konnte. Zwar ging der Monarch in seiner Gnade so weit, den Präsidenten durch den Mund des Oberpräsidenten und den Obristen durch den Mund des commandirenden Generals, versichern zu lassen, daß er seiner treuen Diener in ihrem unverschuldeten Unglück nicht vergessen werde; zwar beeiferten sich, als dies bekannt wurde – und dafür, daß es bekannt wurde, sorgten die Betroffenen schon – alle ihnen gesellschaftlich, oder dienstlich Nahestehenden eine ungeschwächte Liebe, Verehrung oder Achtung an den Tag zu legen; aber der Fall war und blieb ein böser, böser Fall, der die ohnehin ziemlich schwüle Atmosphäre in den Familien des Präsidenten und des Obristen gerade nicht verbesserte.
Ein Trost – wenn auch ein leidiger – war es, daß man durch die Güte des Assessors von Wyse, Bruder des Referendars von Wyse, der als interimistischer Staatsanwaltsgehülfe die Untersuchungen zum großen Theil zu führen hatte, von Tag zu Tag über den Gang der Dinge unterrichtet wurde. Der alte General leugnete hartnäckig Alles und legte – nach der Aussage von Wyse's – in seinen Antworten eine ganz ungewöhnliche und für einen so alten Mann doppelt merkwürdige Schlauheit und Gedächtnißkraft an den Tag. Es war unmöglich, ihn trotz der scharfsinnigsten Kreuzfragen in einen Widerspruch zu verwickeln. Er blieb bei seiner ersten Aussage, daß er in der Nacht des 11. August 1839 von einem heftigen Hustenanfall aus dem Schlafe geweckt worden sei, und nach seinem Diener, dem Anselm Jürgens aus Kirchheim, geschellt habe. Als der Mann auf sein wiederholtes Klingeln nicht gekommen sei, habe er sich selbst – nicht ohne große Mühe – erhoben, um den Säumigen zu wecken. Als er denselben nicht in seinem Zimmer gefunden, sei er (der General), in der Meinung, daß der Mann sich, wieder einmal, wie schon öfter, den Schlüssel zur Vorratskammer zu verschaffen gewußt und sich dort betrunken habe, in den Flügel des Schlosses, wo die Vorrathskammer sich befand, gegangen. Dort habe der Mann am Fuße der steinernen Wendeltreppe, die in das obere Stockwerk führte, gelegen – mit zerschmettertem Schädel – todt. Er habe nun die Haushälterin geweckt, sowie die übrigen Leute, und habe den Leichnam unten in der Halle auf einen Tisch legen lassen, wo ihn am folgenden Morgen verschiedene Personen (unter anderen der Schullehrer Balthasar Schmalhaus) gesehen hätten. Darauf sei der Leichnam in einen Schuppen getragen und (so viel er sich erinnern könne) wegen der ungewöhnlich starken Hitze bereits in der folgenden Nacht von dem Schulmeister Balthasar Schmalhans, sowie den Bedienten Anton Pütz und Jakob Pitter (beide seitdem verstorben) begraben worden. Die vorschriftsmäßigen Anzeigen seien rechtzeitig gemacht, doch habe der damals schwer erkrankte Pfarrer von Kirchheim, Ambrosius Kandel, an dem Begräbniß nicht theilnehmen können. Die Stelle, auf welcher man den Leichnam begraben, habe er nie gekannt.
Die Aussage der Brigitte Schmalhans lautete nun freilich ganz anders. Nach ihrer Aussage habe sie mit dem Ermordeten in einem Liebesverhältniß gestanden, das sie vor dem General um so geheimer gehalten, als derselbe bereits ältere Ansprüche an sie gehabt habe. Nichtsdestoweniger sei sie mit ihrem Liebhaber in der verhängnißvollen Nacht von dem eifersüchtigen Gebieter überrascht worden. Der Anselm sei ein starker Mann gewesen, aber der alte General habe mit der blinkenden Axt in der Hand so gräßlich ausgesehen, daß der Unglückliche vor Schreck auf die Knie gefallen und um Gnade gebeten habe. Der General habe mit einem Hieb geantwortet, welcher dem Knieenden die rechte Seite des Schädels spaltete und ihn sofort todt zu Boden streckte. Darauf habe er (der General) auch sie umbringen wollen, auf ihre flehenden Bitten ihr aber das Leben gelassen und sie dann gezwungen, mit ihm den Leichnam bis an den Fuß der Wendeltreppe zu tragen und ihn in die Lage zu bringen, in welcher er hernach von den Leuten gefunden wurde. Sie habe sich darauf wieder zu Bett legen müssen, um sich hernach im Beisein des Bedienten von dem General wecken zu lassen. – Im Uebrigen habe es sich mit dem Begräbniß des Ermordeten so verhalten, wie der General angegeben. – Das Verschwinden ihres Gatten erkläre sie durch die Furcht, welche der Letztere gehabt, mit ihr zusammen ziehen zu sollen, wie sie es nach der Verhaftung des Generals von ihm verlangte. Es sei möglich, daß er sich das Leben genommen (ein Hasenfuß sei er immer gewesen); auf jeden Fall wisse sie über sein Verbleiben nichts.
»Die Sache ist so verwickelt, wie nur irgend möglich, meine gnädige Frau,« sagte der Assessor von Wyse zur Präsidentin; »ein wahres Kaleidoskop, oder wie ein Kleid couleur changement, um mich eines Bildes, das Ihnen geläufiger sein wird, zu bedienen. Heute grün, und morgen roth, und übermorgen wieder blau, je nach den Zeugenaussagen. Jetzt ist eine neue Personage aufgetreten, ein gewisser Kilian Emmerich, bis zuletzt Bedienter beim General –«
»O, ich kenne ihn sehr gut, ein großer blühender, charmanter Mensch,« sagte die Präsidentin.
»Ganz derselbe, meine Gnädige; es scheint, daß dieser Kilian mit der Person, der Brigitte, unter einer – kurz, daß er gemeinschaftliche Sache mit ihr gemacht hat, um von dem alten Herrn durch die Drohung, ihn denunciren zu wollen, so viel Geld als möglich zu erpressen –«
»Der abscheuliche Mensch!« rief die Präsidentin.
»Gewiß, meine gnädige Frau! nur ist leider der nachgewiesene Umstand, daß diese Beiden für ihre Verhältnisse bedeutende Summen in letzter Zeit bei einem hiesigen Winkelbanquier untergebracht haben, ein Indicium mehr gegen den General, im Falle nämlich die Personen das Geld von dem General selbst erhalten haben, wie sie behaupten, während der General freilich darauf besteht, das ihm das Geld gestohlen worden sei.«
»Ohne Zweifel ist er bestohlen worden, der liebe alte Herr!« sagte die Präsidentin.
»Wahrscheinlich;« erwiderte Herr von Wyse, »indessen hat sich der General während des letzten Jahres auffallend viele und bedeutende Barzahlungen von seinem hiesigen Banquier machen lassen, die er allerdings in einer andern Weise, für die er, so viel ich weiß, bis jetzt den Nachweis schuldig geblieben ist, verausgabt haben will.«
Der Präsident, welchem seine Gemahlin diese Unterredung mittheilte, war über die letztere Aeußerung von Wyse's ganz besonders betroffen.
»Ich fürchte,« sagte er, »es wird im Verlaufe dieser entsetzlichen Untersuchung Alles zu Tage kommen, was wir bis jetzt so sorgfältig vor dem Publikum verheimlichten; vor allem der Grund, weshalb wir unsere Camilla mit dem Wolfgang verlobt haben. Was ist der alte Sünder nicht im Stande auszuplaudern! Wenn wir uns jetzt merken lassen, daß diese projectirte Heirath nur eine Speculation war, nur ein Mittel, um uns die Erbschaft des Alten zu sichern, so sind wir verloren. Wir müssen den Schein der entente cordiale jetzt mehr als je aufrecht erhalten; vor Allem müssen wir den Wolfgang, der offenbar durch Camilla's Benehmen beleidigt ist, wieder zufrieden stellen. Der Augenblick, mit ihm zu brechen, ist jetzt so ungünstig wie möglich; Schnepper muß das einsehen; so lange der Leichnam nicht gefunden ist, sind ja die Ansprüche, die er an Camilla machen könnte, so wie so illusorisch; ich muß mit dem alten Gecken sprechen.«
Herr von Schnepper billigte vollkommen den Plan des Präsidenten.
»Ich verlange weiter nichts,« sagte er, »als daß Sie mir den Lohn für die Verdienste, die ich mir in dieser Angelegenheit möglicherweise um Ihre Familie erwerben kann, nicht vorwegnehmen. Sie billigen meine Bewerbung um Ihre reizende Tochter – bon! Sie stellen die Bedingung, daß ich den Alten frei mache – nicht mehr als billig; umsonst ist heut' zu Tage nicht einmal der Tod. Ich werde meiner Zeit kommen, den süßen Lohn einzufordern; bis dahin lassen Sie sich den Affen, den Wolfgang, immerhin an dem Spiegelbilde eines Glücks, das ihm nie zu Theil werden soll, ergötzen. Erhalten Sie ihn bei guter Laune und vertreiben Sie ihm seine eifersüchtigen Grillen!«
»Aber wie das, Liebster?«
»Verheirathen Sie Aurelie!«
»Mit Willamowsky?«
»Mit Willamowsky.«
»Wird er aber jetzt, gerade jetzt wollen?«
»Gerade jetzt! Kitzeln Sie seine Eitelkeit, engagiren Sie seine Großmuth; er ist Gimpel genug, um auf die Leimruthe zu gehen.«
Der Präsident ließ sich diesen guten Rath nicht umsonst gesagt sein. Aurelien für die Idee einer Heirath mit dem Baron zu gewinnen, hielt durchaus nicht schwer. Die junge Dame hatte in der letzten Zeit mit ihren Liebhabern die traurigsten Erfahrungen gemacht. Der Lieutenant Graf von Brinkmann, ihr allabendlicher Tänzer des vorjährigen Winters hatte sich mit der schönen Georgine von Hinkel verlobt; der Maler Kettenberg schmachtete seit den letzten Wochen in den Fesseln Antonien's, deren Bild in Lebensgröße er für die Ausstellung malte, und von der er Aurelien so viel vorgeschwärmt hatte, daß diese, welche sich auf die Huldigungen des schönen genialen Künstlers nicht wenig einbildete, auf das Tiefste beleidigt war. Blieb also noch, den Baron für das Project zu gewinnen, was nach dem vom Medicinalrath vorgeschriebenen Recept im Verlaufe eines Abends ausgeführt werden konnte. Man hatte dafür Sorge getragen, daß an einem der Empfangsabende von den wenigen Gästen, die nach der Katastrophe noch regelmäßig zu kommen pflegten, der Baron der einzige war. Die Präsidentin klagte über die Freunde, die mit dem Sonnenschein des Glücks wie die Mücken verschwinden, so lange, bis der Baron sich selbst ganz ausnehmend brav und großmüthig erschien. Dann schilderte sie die Sorge, welche ein liebendes Mutterherz über das Schicksal unverheiratheter Töchter, die kein großes Vermögen zu erwarten haben, empfindet; schließlich reichte sie dem Baron die Hand, blickte ihn zärtlich an und sagte: »Ich muß einen Augenblick nach meiner kranken Camilla sehen. Ihnen, lieber Willamowsky, kann ich ja wohl mein Kind eine Viertelstunde anvertrauen?«
Der Baron küßte dankbar die fette Hand, öffnete der Präsidentin die Thür, kam wieder zurück an den Theetisch, und sah – wie das »Kind«, welches an einer Geldbörse häkelte, unter den schwarzen Augenlidern hervor sehr genau bemerkte – außerordentlich aufgeregt aus.
»Für wen häkeln Sie denn das hübsche Dings da, Fräulein Aurelie,« sagte der Baron nach einer längeren Pause, in welcher er unruhig auf seinem Stuhl hin- und hergerückt war.
»Für mich nicht,« sagte Aurelie; »ich hätte doch Nichts hineinzuthun.«
»Ehem!« machte der Baron.
»Sie sagten?«
»O, nichts, nichts; ich wollte nur bemerken, daß das doch am Ende nur auf Sie ankäme; ehem!«
»Wie meinen Sie das, lieber Stillfried?« fragte »das Kind,« die schwarzen unschuldsvollen Augen aufschlagend.
»Ich meine – sapristi, Fräulein Aurelie! ich bin kein Mann von vielen Worten; ich kann nicht schwadroniren wie Brinkmann, habe auch kein Genie wie der verdammte Kettenberg; aber, wenn Sie mich heirathen wollen, Fräulein Aurelie, so soll es Ihnen, so lange ich selbst was habe, nicht an Pistolen für das hübsche grüne Dings da fehlen, und Sie haben ja früher oft selbst gesagt, daß ich effectiv ein ehrlicher Kerl bin und daß Sie notorisch gern mit mir tanzen und daß es sich in meinem neuen Brougham ausgezeichnet fährt.«
»Das Kind« war durch diese mit allen Zeichen großer Verwirrung vorgetragene Rede in einen solchen Schrecken versetzt, daß sie, einer halben Ohnmacht nahe, in ihren Fauteuil zurücksank und das Taschentuch vor das Gesicht drückte.
Der scharfsinnige Baron glaubte dies für ein nicht ungünstiges Zeichen halten zu dürfen. Er ließ sich deshalb an dem Fauteuil auf ein Knie nieder und seufzte, die eine herabhängende schöne Hand ergreifend:
»Aurelie, himmlische Aurelie, sagen Sie mir, daß Sie morgen in meinem Brougham mit mir die nöthigen Visiten machen wollen? Ich will auch den Rappen vorspannen lassen, obgleich das Thier effectiv zu gut dazu ist.«
Aurelie wurde durch diesen Beweis aufopfernder Zärtlichkeit so gerührt, daß sie ihre Arme um den Halskragen des Dragonerlieutenants schlang und ihn feurig und zu wiederholten Malen auf das zierliche schwarzgefärbte Schnurrbärtchen küßte.
»Engel!« lispelte der Dragonerlieutenant.
In diesem Augenblick wurde die Thür geöffnet und die Präsidentin erschien mit ihrem Gemahl auf der Schwelle.
Stillfried von Willamowsky sprang auf seine Füße, ergriff die Hand der jungen Dame, führte sie den Eingetretenen entgegen und sagte:
»Gnädige Frau – Herr Präsident – meine Braut, wenn Sie erlauben.«
»Aber, mein Gott,« sagte der Präsident, »wie hat sich denn das so schnell –«
»Kommen Sie in meine Arme, lieber Sohn,« sagte die Präsidentin, den glücklichen Bräutigam an ihren mütterlichen Busen schließend.