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Fünfundzwanzigstes Kapitel.
Emin Pascha und seine Offiziere treffen in unserm Lager bei Kavalli ein.

Lieutenant Stairs und seine Karavane werden geholt. – Pläne behufs Befreiung Emin's aus Tunguru. – Unterredungen mit Jephson, aus denen ich einen ziemlich genauen Begriff von der Lage der Dinge erhalte. – Die Rebellenoffiziere in Wadelai. – Dieselben setzen Emin in Freiheit und begeben sich mit den Dampfern »Khedive« und »Nyanza« nach unserm Lager bei Kavalli. – Die Ankunft Emin Pascha's. – Stairs und seine Karavane treffen bei Masamboni ein. – Charakteristisches Schreiben Jephson's, der beauftragt ist, Emin und seine Offiziere vom See nach Kavalli zu begleiten. – Ein kurzes Billet vom Pascha. – Ankunft der Karavane Emin Pascha's. – Große Parade außerhalb des Lagers. – Im großen Diwan. – Selim Bey. – Stairs langt mit Haufen von Waaren im Lager an. – Herr Bonny wird nach dem Njansa hinabgesandt, um Gepäck heraufzubefördern. – Text meiner Botschaft an den Rest der Rebellenoffiziere in Wadelai. – Ein Billet von Herrn Bonny. – Ankunft des griechischen Kaufmanns Signor Marco. – Selbstmord des Sansibariten Mrima. – Die benachbarten Häuptlinge versorgen uns mit Trägern. – Kapitän Nelson bringt das Gepäck Emin's herauf. – Vereinbarungen mit den Häuptlingen vom Ituri bis zum Njansa. – Der Häuptling Kabba-Rega. – Die Tochter Emin Pascha's. – Selim Bey erhält ein Schreiben von Fadl el Mulla. – Der Pascha wird zum Naturforscher und Meteorologen der Expedition ernannt. – Der Pascha ein Materialist. – Ankunft Dr. Hassan's. – Inspection des Lagers. – Ankunft Kapitän Casati's. – Bonny bringt Auasch Effendi und sein Gepäck herauf. – Der seltenste Arzt der Welt. – Entdeckung einiger Schimpansen. – Der Pascha in seinem Berufe als »Sammler«. – Messungen an den Zwergen. – Weshalb ich von Emin bei der Beurtheilung seiner Leute abweiche. – Verschiedene Märsche vom Lager nach dem See, um das Gepäck heraufzuschaffen. – Klagen der Sansibariten. – Die Rädelsführer. – Hassan Bakari. – Die ägyptischen Offiziere. – Unterredung mit Schukri Aga. – Die Flora der Balegga-Berge. – Der Häuptling von Usiri tritt unserm Bunde bei. – Unterhaltung mit Emin über Selim Bey und Schukri Aga. – Ansprache an Stairs, Nelson, Jephson und Parke in Gegenwart Emin Pascha's. – Ihre Antwort. – Billets an Selim Bey und Schukri Aga.

Am 7. Februar beschloß ich, Lieutenant Stairs und seine Karavane holen zu lassen, und sandte Raschid mit 35 Mann ab, um von Masamboni hundert Träger zur Unterstützung der Genesenden zu besorgen. Ich beabsichtigte nämlich, die Expedition in Kavalli zu sammeln und inzwischen Briefe an Emin Pascha zu schicken und ihm vorzuschlagen, er möge

1) einen Dampfer nehmen, diejenigen Leute, welche Tunguru zu verlassen wünschten, einschiffen und nach unserm Lager am Seeufer fahren, wo wir den Dampfer mit Sansibariten bemannen könnten, um prompt etwa weiter nothwendig werdende Transporte auszuführen; falls dies nicht ausführbar war,

2) über Land nach der Station Mswa marschiren und mir dann nach seiner Ankunft durch ein Kanoe Mittheilung zugehen zu lassen; wenn dies nicht möglich war,

siehe Bildunterschrift

Ansicht unseres Lagers bei Kavalli.

3) in Tunguru bleiben und mich durch den Häuptling Mogo wissen lassen, ob er eine Entsatztruppe gebrauchte.

In letzterm Falle beabsichtigte ich nach der Ankunft des Lieutenants Stairs mit 300 Gewehrträgern und 2000 eingeborenen Hülfstruppen durch Melindua nach der Station Mswa und von dort nach Tunguru zu marschiren, um den Pascha mit Gewalt zu befreien. Es war aber absolut nothwendig, daß ich klar und deutlich erfuhr, was der Pascha wünschte. Sein Schreiben vom 27. Januar ließ seine Neigung erkennen, etwas weichherzig und melancholisch zu sein, was ganz das Gegentheil war von dem, was ich als Antwort auf die in meinem formellen Schreiben vom 18. Januar enthaltene bestimmte Frage erwartet hatte: ob er geneigt sei, unser Geleit und unsern Beistand für den Marsch nach Sansibar anzunehmen, oder ob er mir vorschlagen könne, in welcher Weise ich mich ihm nützlich machen oder wirksame Hülfe zu leisten vermöge. Wenn er mir seinen Wunsch positiv mittheilte, versprach ich ihm, mir alle Mühe zu geben, um ihm behülflich zu sein.

Als ich bemerkte, daß der Pascha weder mein Schreiben an Herrn Jephson, das er lesen sollte, noch meinen formellen Brief vollkommen verstanden hatte, machte ich mich daran, ihm einen weitern Brief in reinem Geschäftsstile zu schreiben, den jedermann in seiner Armee begriffen haben würde; allein als ich ihn Jephson vorlas, schien dieser starr darüber zu sein.

Da es nicht meine Absicht war, selbst die zarteste Empfindlichkeit von irgendjemand, und am wenigsten des Paschas zu verletzen, so schrieb ich einen andern in einem Stile, den sogar Chesterfield vermuthlich als den richtigen Ton bezeichnet haben würde und den mein Freund Jephson »reizend«, »nett« und »außerordentlich sanft« fand. Am 8. Februar schickte ich die Boten mit dem Schreiben nach dem See hinab.

Während meiner Unterhaltungen mit Herrn Jephson, der, beiläufig erwähnt, ein ausgesprochener Eminist war, gewann ich von Tag zu Tag einen richtigem Begriff von der Lage der Dinge. Herr Jephson hatte sich, wie ich bemerkte, während seines zwangsweisen Aufenthalts bei dem Pascha eine bestimmte Gewohnheit angeeignet, über die man lächeln mußte und welche darin bestand, daß er bei der Unterhaltung über die Provinz zwischen vernichtende Aeußerungen kluge Bemerkungen einschob, wie z. B.: »Nun, Sie wissen ja, der arme liebe Pascha! Er ist ein lieber alter Junge, wissen Sie. Auf mein Wort! Ich kann nicht umhin mit dem Pascha zu sympathisiren, er ist ein so guter, lieber Mensch« u. dgl. Sie dienten zur Illustrirung von Charakterzügen und bewiesen, daß Jephson jedenfalls ein freundliches Herz und daß das, was er gesehen und gehört hatte, seine Hochachtung vor dem Pascha nur noch vermehrt hatte. Wenn er aber von den Aegyptern sprach, nahm er das fürchterlichste Wörterbuch zu Hülfe und belegte sie mit Bezeichnungen, wie »unverfälschte Schurken, lasterhafte Buben, verrätherische Hunde, gewissenlose Bösewichter« u. dgl. Die Aegypter waren »Thiere mit Fuchsnatur«, die Sudanesen »brutal dumm«. Ein Oberbeamter hatte im Arsenal von Chartum die Rechnungen gefälscht und 1500 Peitschenhiebe erhalten; ein anderer war dabei betroffen worden, als er Schießpulver mit pulverisirter Holzkohle vermischte und Remingtonpatronen damit füllte. Ein Major war wegen Verkaufs von Regierungsvorräthen verurtheilt worden; andere waren, weil sie verschiedene Verbrechen, wie Brandstiftung, Mord u. s. w. begangen hatten, nach dem Sibirien am Aequator gesandt worden; andere hatte man dorthin verschickt, weil sie an der Rebellion Arabi's betheiligt gewesen waren, und es wurde mir klar, daß welche zuversichtliche Hoffnungen der Pascha auch gehegt haben mochte, er bei seinem gezwungenen Verkehr mit den unter seiner Autorität stehenden vom Gesetze Ausgestoßenen sehr oft seiner Macht gemistraut haben muß. Solange in der Anwesenheit Gordon's in Chartum noch ein Rest der herrschenden Gewalt und eine über Allen stehende Persönlichkeit von strenger Gerechtigkeit vorhanden war, konnten die zur Strafe hingeschickten Sklaven noch etwas unter Controle gehalten werden, obwol Gessi Pascha schon im Jahre 1879 zahlreiche Beschwerden Emin's an Gordon befördert hat, allein als sich die Nachricht, daß Chartum gefallen und der Generalgouverneur erschlagen sei, in der Provinz verbreitete und jegliche Spur der ägyptischen Regierung verschwand, machte die den Aegyptern angeborene Unbotmäßigkeit und die thierische Halsstarrigkeit der Sudanesen sich Luft und zeigte sich in der vollständigen Nichtachtung der Ordnung und in boshaften Vergehen. Emin war jetzt nur noch dem Namen und Titel nach Pascha; die Regierung war versteinert, die Ordnung todt. Mancher würde vielleicht an Emin's Stelle sich angeekelt gefühlt, die Beispiele der offenen Verachtung der Befehle als Entschuldigung für seinen Rückzug benutzt, etliche Getreue gesammelt, sich nach einem kleinen Posten, wie die Station Mswa im äußersten Süden, begeben, freimüthig über das Geschehene berichtet und um Hülfe und Instructionen nachgesucht haben. Andere würden auch den Dienst und die Disciplin ohne Rücksicht auf die Folgen bis zum äußersten Ende durchgeführt haben; wieder andere wären mit denen, welche die Arena der beständigen Zwietracht zu verlassen geneigt waren, weitergezogen und hätten ein Reich oder ein Königthum gebildet und sich dann an die civilisirte Welt um Hülfe gewendet, die ihnen auch sicher zutheil geworden wäre. Noch andere endlich hätten, wie Emin, die Zeit abgewartet und gehofft. Die Menschen ernten jedoch nur, was sie gesäet haben; wie die Saat, so die Ernte.

Aber während wir uns über den muthmaßlichen Entschluß des Paschas unterhielten und auf die Ankunft der Colonne des Lieutenants Stairs warteten, traten uns unbekannte Ereignisse ein, welche die Sache sowol für uns wie für Emin entschieden.

Die in Wadelai versammelten Rebellenoffiziere hatten, während Jephson sich auf dem Wege zu uns von Tunguru nach Süden befand, von unserer Ankunft am See gehört und das Gerücht hatte unsere Macht vergrößert. Wir hatten mehrere hundert Sansibariten und Verbündete und waren mit Schnellfeuergeschützen und Magazingewehren bewaffnet. Die ägyptische Regierung in Chartum war todt und an ihrer Stelle ein Khalif mit unwiderstehlichen Armeen fest eingesetzt. Unter den Offizieren befanden sich Agenten der Mahdisten und Verräther und die übrigen waren gleichgültig; Emin war abgesetzt und Gefangener. Wer hat, dem wird gegeben. Wie ein rollender Schneeball zieht die Macht, wenn sie erst einmal feststeht, an und wächst, eine vereinzelte Schneeflocke schmilzt. Emin war die Schneeflocke, der Khalif von Chartum der rollende Schneeball.

Es ist daher leicht, die Motive der Offiziere, welche erklärte Rebellen sind und Verräther und Mahdisten unter sich haben, die ihre Berathungen beeinflussen, zu verstehen und die natürlichen Folgen vorherzusagen. Sie werden um die Gunst des Khalifen buhlen, indem sie ihre vorgeblichen Befreier, ihren frühern Pascha und seine weißen Gefährten verrathen und in seine Hände bringen, um dafür Ehre und Ruhm zu erringen. Für die Schnellfeuergeschütze, die Magazin- und Remingtongewehre und einen Trupp weißer Gefangener würde der Khalif sie hübsch belohnen, diejenigen, welche an der Gefangennahme derselben hauptsächlich betheiligt waren, zu Ehre und Geld bringenden Stellungen befördern und sie mit Staatskleidern ausstatten. Leider aber ist eine Schwierigkeit vorhanden. Wie wollen sie Zutritt zum Lager ihrer Befreier erlangen, wenn diese hören, daß der Pascha gefangen genommen und ihr Freund Jephson so grausam behandelt worden ist? »Nichts leichter als das«, sagt einer; »laßt uns eine Deputation an den Pascha senden, ihn demüthig um Verzeihung anflehen und versprechen, daß wir ihn wieder in seine Macht einsetzen wollen; Emin ist so gutmüthig, daß er unsere Vergehen bereitwillig verzeihen und sich erbieten wird, uns bei seinen Freunden als Reumüthige einzuführen, die, der Schwierigkeiten müde, nur noch ihrer großen Regierung ihren Gehorsam und ihre Loyalität zu beweisen streben. Einmal im Lager der Fremden, können wir selbst sehen, was weiter geschehen muß, und wenn wir uns dann entschließen, den Trupp Weiße und ihre Begleiter gefangen zu nehmen, wird nichts leichter als das sein, da alle weißen Männer weichherzige Schwachköpfe sind. Jedenfalls ist es klug, zwei Wege zu haben, unter denen man wählen kann. Ist der Khalif unbarmherzig und verfolgen die Danagla uns mit der ihnen eigenthümlichen Wuth, sodaß das Thor seiner Gnade uns verschlossen ist, so können wir unsere Zuflucht noch zum Lager der weißen Männer nehmen, durch scheinbaren Gehorsam jeden Argwohn entwaffnen und sie benutzen, um für uns ein Land des Ueberflusses zu finden, wo wir uns plötzlich in den Besitz ihrer Waffen setzen und sie entweder als Bettler davonjagen oder die Weißen erschlagen und ihre Begleiter zu Sklaven machen.«

Man kann sich den donnernden Applaus vorstellen, mit welchem dieser ägyptische Sohn des Beelzebub begrüßt worden ist, als er seine Rede beendet hatte. Mag eine solche Rede aber gehalten sein oder nicht, jedenfalls schickten die Offiziere eine aus 14 der Ihrigen bestehende Deputation an den Pascha. Die Abgesandten küßten Emin die Hand, gestanden, demüthig um Verzeihung bittend, ihre Schandthaten ein, erboten sich, ihn in seine Stellung als Gouverneur wiedereinzusetzen und flehten ihn an, sie nach dem Lager Stanley's bei Kavalli zu begleiten und für sie zu sprechen, und der Pascha erfüllte ihre Bitte mit Freuden. Er schiffte sich auf dem Dampfer »Khedive« ein, die Flüchtlinge drängten sich mit ihren Besitzthümern und Gepäckstücken auf das Schiff, Kapitän Casati war mit seinen Begleitern auch gekommen, der »Nyanza« wurde in derselben Weise befrachtet und mit allen Ehrenbezeigungen wurde der Pascha nach Mswa gebracht. Auf dieser Station begegnete er den Boten mit meinem letzten Schreiben, worauf er, nachdem er dasselbe gelesen hatte, die Fahrt nach unserm Lager am See fortsetzte.

Während Jephson und ich uns am Abend des 13. Februar bei unserer Mahlzeit befanden, kamen Boten und überbrachten uns ein Schreiben von Emin Pascha.

 

Lager, 13. Februar 1889.

Herrn Henry M. Stanley, Befehlshaber der Entsatz-Expedition.

Geehrter Herr!

In Erwiderung Ihres Schreibens vom 7. d. M., für welches ich Ihnen meinen besten Dank auszusprechen mir erlaube, habe ich die Ehre, Ihnen mitzutheilen, daß ich gestern Nachmittag 3 Uhr hier eingetroffen bin mit meinen zwei Dampfern, welche die erste Abtheilung der Leute beförderten, die dieses Land unter Ihrer Escorte zu verlassen wünschen. Sobald ich Vorkehrungen für das Obdach meiner Leute getroffen habe, werden die Dampfer nach der Station Mswa zurückkehren, um eine weitere Schar von auf Beförderung wartenden Leuten zu holen.

Bei mir befinden sich etwa 12 Offiziere, welche den dringenden Wunsch hegen. Sie zu sehen, und nur 40 Soldaten. Sie sind unter meinem Befehl gekommen, um Sie zu bitten, ihnen etwas Zeit zu lassen, damit sie ihre Brüder, wenigstens diejenigen, welche das Land zu verlassen bereit sind, aus Wadelai mitzubringen im Stande sind, und ich habe ihnen versprochen mein Möglichstes zu thun, um ihnen zu helfen. Nachdem die Lage der Dinge sich einigermaßen geändert hat, werden Sie im Stande sein, ihnen alle Bedingungen aufzuerlegen, welche Sie für geeignet halten. Zur Besprechung derselben werde ich mit den Offizieren, sobald ich für das Lager gesorgt habe, von hier nach Ihrem Lager aufbrechen, und wenn Sie Träger senden, so könnte ich einige derselben gebrauchen.

Ich hoffe von ganzem Herzen, daß die großen Schwierigkeiten, welche Sie zu bestehen gehabt haben, und die großen Opfer, welche Ihre Expedition gebracht hat, um uns zu helfen, durch einen vollen Erfolg in der Befreiung meiner Leute belohnt werden mögen. Die Woge des Wahnsinns, welche das Land überflutet hat, ist verschwunden, und der Leute, welche jetzt mit mir kommen, dürfen wir sicher sein.

Signor Casati bittet mich, Ihnen für das ihm bewahrte freundliche Andenken bestens zu danken.

Gestatten Sie mir nochmals meinen herzlichsten Dank auszusprechen für das, was Sie bis jetzt für uns gethan haben, und betrachten Sie mich als

Ihren ganz ergebenen
Dr.  Emin.

 

Der Pascha glaubt offenbar, daß seine Leute ihm noch treu sind. Er sagt: »Sie werden im Stande sein, ihnen alle Bedingungen aufzuerlegen, welche Sie für geeignet halten« … »Der Leute, welche jetzt mit mir kommen, dürfen Sie sicher sein.«

Das hoffe ich, allein wenn die Hälfte von dem wahr ist, was Jephson sagt, dann muß der Pascha größeres Vertrauen zu ihnen haben, als ich über solches verfüge. Indeß, wenn »die Woge des Wahnsinns verschwunden« ist, um so viel besser. Ende gut, alles gut. Jephson wird morgen mit 50 Bewaffneten nach dem See hinabgehen, um den Pascha und seine Offiziere nach dem Plateau heraufzubegleiten; auch werde ich Boten an Stairs bei Masamboni schicken, damit er seine Colonne rasch herbeibringt und wir alle zur Hand sind, um unsern Rebellenfreunden zu imponiren durch die Art und Weise, wie unsere wilden phantastischen Krieger-Träger auf Commando sich aufstellen.

16. Februar. Erhielt ein Schreiben von Stairs, der mir seine Ankunft bei Masamboni mittheilt und sagt, er könne am 17. oder 18. d. M. eintreffen. Er schreibt: »Wir freuten uns sämmtlich im Lager am Ituri über die Ankunft Ihrer Boten mit dem Führer Raschid, der uns die Nachricht brachte, daß Jephson bei Ihnen sei. Dagegen schienen die Mittheilungen über Emin Pascha sehr düster zu sein. Ihr Brief von heute Morgen beseitigt jedoch jede böse Vorahnung, und wir hoffen jetzt alle, sehr bald im Stande zu sein, mit Ihnen nach Sansibar zu eilen.«

Meine Güte, wie ungeduldig die jungen Leute sind! Ich bin neugierig, ob wir in drei Monaten fortkommen werden!

Ein weiterer Bote von Jephson traf mit einem seiner charakteristischen Schreiben ein.

 

Lager bei Were, Albert-Njansa, 15. Februar 1889.

Geehrter Herr!

Ich erreichte gestern dieses Lager, doch trafen wir erst gegen Morgen ein, da die Eingeborenen uns auf einen sehr langen Weg geführt hatten.

Wir fanden den Pascha, Casati, Marco, den Apotheker Vita und mehrere Offiziere und Beamte, die an einer sehr netten Stelle ungefähr 3 km nördlich von unserm alten Lagerplatze, wo wir dem Pascha zuerst begegneten, ihr Lager aufgeschlagen haben.

Nach meiner Ankunft fragte ich, nachdem ich Ihren Brief abgegeben und Neuigkeiten erzählt und mir hatte erzählen lassen, den Pascha, wann er zu marschiren beabsichtigte. Er erwiderte, er müsse erst mit seinen Offizieren sprechen. Heute Morgen wurde eine Versammlung berufen, in welcher beschlossen wurde, daß wir morgen nach Kavalli aufbrechen und zwei Tage unterwegs zubringen wollten.

Der Pascha will Ihnen einen Besuch abstatten, vielleicht etliche Tage bei Ihnen im Lager bleiben und dann zurückkehren, um seine Tochter und den Rest seiner Lasten zu holen, die etwa 200 zählen und aus Hirse, Salz, Sesam etc. bestehen. Die Offiziere werden nur 20 Lasten mitbringen, weil sie einzig wegen der Herbringung ihrer Truppen und Besitzthümer mit Ihnen reden wollen. Die Beamten bringen alle ihre Lasten mit und bleiben hier.

Beide Dampfer kehren am 18. Februar nach Mswa zurück, um den Rest der Leute und Waaren dieser Station zu holen, und Getreidevorräthe für das Lager am See mitzubringen.

Bei der Ankunft der Dampfer in Mswa werden die Irregulären, etwa 50 Mann, mit den Frauen, welche tüchtig laufen können, über Land nach Kavalli marschiren; die Dampfer werden nach ihrer Rückkehr hierher sofort die Offiziere bis nach Wadelai hinabbringen.

Der Pascha hat 60 Elefantenzähne mitgebracht; dieser Ueberschuß wird ohne Zweifel von Nutzen sein. Obwol wir einen Tag Aufenthalt haben, bedauere ich dies doch nicht, da sowol die Sansibariten als auch ich gestern bei der Ankunft nahezu vollständig erschöpft waren, und ich fürchte, daß wenn wir heute aufgebrochen wären, viele schlimme Füße bekommen haben würden. Trotz unserer Ermattung stürzten aber die Sansibariten mit dämonischem Geheul wild ins Lager. Sie machten die gewöhnlichen tollen Uebungen gegen imaginäre Feinde und stellten sich dann in gerader Linie vor dem Pascha auf. Auch die Soldaten marschirten in correcter Form auf und salutirten ihn. Er war sehr erfreut und bat mich, ihnen einige Dankesworte für alle die Mühen zu sagen, deren sie sich unterzogen hätten, um ihn zu retten, was ich auch, so gut ich es vermochte, in meinem gebrochenen Kisuaheli that. Der Pascha ließ durch sämmtliche Frauen Korn mahlen, und ich theilte ihnen allen, Sudanesen, Manjema und Eingeborenen, je zwei Tassen voll aus. Heute haben der Jäger Saat Tato und ein anderer zwei Kudu-Antilopen und einen Springbock mitgebracht, sodaß wir reichlich zu essen haben. Es amusirte mich sehr, zu sehen, wie die faulen, häßlichen Sudanesen die Sansibariten bei ihren tollen Sprüngen anstarrten, mit einem Ausdruck, als wollten sie ungefähr sagen: Was mögen diese lärmenden, unbotmäßigen Sansibariten für eine Sorte Menschen sein?

Ich finde Casati unmöglicher als je. Als ich ihn fragte, ob er morgen mit uns gehen würde, erwiderte er, er wolle lieber noch warten. Dann erkundigte ich mich: »Wie viele Lasten haben Sie?« »O«, antwortete er, »Sie wissen, ich habe nur sehr wenig. Mir wurde alles von Kabba-Rega genommen. Ich brauche vielleicht 80 Träger.«

Der Apotheker Vita braucht 40, der griechische Kaufmann Marco 60, sodaß in dieser Weise unsere Sansibariten zwischen hier und Kavalli umgebracht werden. Der Pascha machte Casati Vorstellungen, daß derselbe alle seine Mahlsteine, irdenen Töpfe, Bettstellen für seine Diener und Weiber u. s. w. mitnähme, worauf derselbe sagte:

»Herr Stanley hat sich erboten, alle unsere Lasten zu befördern.«

Diese Leute haben kein Gewissen und würden unsere so lange schon leidenden Leute lieber unter den Bürden zusammenbrechen sehen, als eine einzige Last Kehricht, die sie zurückzulassen gezwungen sind, fortzuwerfen.

Wie der Pascha mir sagt, war Casati gegen die Abreise von Tunguru, trotz meines dringenden Schreibens und obgleich Schukri Aga Träger angeboten hatte, und that sein Möglichstes, um sein Hierherkommen zu hintertreiben, weil er es als »unpolitisch« betrachtete. Man kocht innerlich über die Selbstsucht dieser Leute und über ihre Unfähigkeit oder Abneigung, die Dinge so anzusehen, wie sie wirklich sind.

Das Gerücht von der Expedition des »weißen Mannes« nach Fallibek hat sich als Täuschung erwiesen, man hat nichts mehr davon gehört.

Casati weigert sich zu gehen, ehe er nicht genügend Träger hat, damit er und seine Waaren zusammen marschiren können. Der Pascha ist sehr ärgerlich darüber.

Das Boot, der »Advance«, ist mit Bolzen ganz wie unsere eigenen sehr gut wieder ausgeflickt worden. Ich gehe heute Abend an Bord des Dampfers, um etliche Schraubenschlüssel und wenn möglich einige Reservebolzen zu erlangen. Der Pascha hat die leichten Ruder, die zu Gordon's Kautschukboot gehört haben, mitgebracht, sodaß die Ruder jetzt wieder vollzählig sind.

Der Pascha, Casati und die Offiziere bitten mich, Ihnen ihre Grüße zu senden.

Ich bin u. s. w.
A. J. Mounteney Jephson.

 

Der Pascha 200 Lasten! Casati, der alles verloren hat, 80 Lasten! Der Apotheker Vita 40 Lasten! Der Grieche Marco 60 Lasten! Zusammen 380 Lasten für vier Personen! Allerdings habe ich versprochen, alles nach dem Lager auf dem Plateau hinaufzuschaffen, aber Mahlsteine! Nun, wenn ich ein solches Versprechen gegeben habe, muß ich es wol auch halten. Indessen schadet es nichts, wenn Herr Jephson etwas kocht.

Vom Pascha erhielt ich folgendes Schreiben:

 

Geehrter Herr!

Nachdem Herr Jephson gestern mit Ihren Leuten eingetroffen ist, beabsichtigen wir morgen früh aufzubrechen; ich werde also übermorgen das Vergnügen haben, Sie zu sehen. Meine Leute wünschen dringend aus Ihrem eigenen Munde zu hören, daß ihr früheres thörichtes Benehmen Sie nicht hindern wird, sie zu führen.

Ich bin Ihnen für Ihren freundlichen Brief Dieser freundliche Brief war in dem Chesterfield'schen Stile geschrieben, welchen mir Herr Jephson so sehr empfohlen, da sein scharfer Verstand die außerordentlich zarte Empfindlichkeit des Paschas entdeckt hatte., den Herr Jephson mir übergeben hat, sehr verpflichtet und hoffe, daß der Umstand, daß ich in meinen Gemüthsstimmungen etwas afrikanisch bin, unsere freundschaftlichen Beziehungen nicht stören wird.

Nochmals, geehrter Herr, meine besten Wünsche und betrachten Sie mich als

Ihren ganz ergebenen
Dr.  Emin.

 

17. Februar. Die Karavane Emin Pascha's, bestehend aus etwa 65 Personen, traf gegen Mittag im Lager ein. Die Offiziere, welche die Deputation der meuterischen Truppen in Wadelai bilden, werden von Selim Bey geführt, der vom Pascha zum Bey befördert worden ist. Er ist 1,8 m groß, von großem Umfange, etwa 50 Jahre alt und so schwarz wie Steinkohle; ich bin fast geneigt, ihn gern zu haben, denn der böswillige, auf Tod sinnende Verschwörer ist stets mager. Ich lese aus den Zügen dieses Mannes Indolenz und die Neigung, seine thierische Natur zu hätscheln. Er ist ein Mann, der sich leiten läßt, aber kein Verschwörer. Füttere Selim Bey mit guten Speisen und gib ihm reichlich zu trinken, dann wird er treu sein. Siehe, das schläfrige Auge eines Mannes mit vollem Magen! Er ist ein Mann, der ißt, trinkt und schnarcht, den Träumer im Bett spielt, mit niedergetretenen Schuhen im Schlafzimmer tändelt, funfzigmal täglich nach Kaffee und massenweise nach einheimischem Bier ruft, trinkt, lächelt, wieder schläft, und in derselben Weise weiter bis zum Grabe. Die übrigen sind mager, von der Figur eines Cassius. Drei von ihnen waren Aegypter und hatten etwas von den Gesichtsformen Arabi's an sich, die andern sind schwarze Sudanesen.

Wir hielten außerhalb des Lagers große Parade ab, die Banner wehten, die Sansibar-Veteranen standen auf beiden Seiten des Pfades wie eine eiserne Mauer, die Manjema-Hülfstruppen sahen gleichsam wie die Irregulären aus, während die Eingeborenen von Kavalli und aus der Nachbarschaft sich zu Hunderten hinter den Linien aufgestellt hatten.

siehe Bildunterschrift

Ansprache an die Rebellenoffiziere in Kavalli.

Der Pascha, eine kleine, sehnige Gestalt und trotz seines Fes und der weißen Kleidung wie ein Professor der Jurisprudenz aussehend, wurde durch diese beiden Linien nach dem großen freien Platz des Lagers und direct nach der Barsah geführt.

Die Offiziere erregten in ihren nagelneuen, selten an die Luft gekommenen Uniformen große Sensation. Die Eingeborenen blickten sie verlangend an und schauten ihnen mit offenem Munde und weitgeöffneten Augen nach.

Vor dem Barsah-Hause stellte ich den Pascha den Offizieren in förmlicher Weise vor. Wir grüßten uns, erkundigten uns gegenseitig ängstlich nach dem Befinden und sprachen unsere Befriedigung darüber aus, daß wir keine Besorgniß vor Schwindsucht, Harnruhr oder Dysenterie zu haben brauchten und ohne Furcht vor diesen Krankheiten morgen bei einem großen Diwan uns wiedersehen könnten, wo jeder die Güte haben würde, die geheimsten Wünsche seines Herzens auszusprechen.

18. Februar. Heute wurde großer Diwan abgehalten. Jeder Anwesende war in seine beste Uniform gekleidet. Nach dem Austausch zierlicher Complimente und nachdem Kaffee gereicht war, bat ich den Pascha, er möge die Güte haben und die Deputation fragen, ob sie ihre Botschaft gefälligst mittheilen wolle, oder ob sie vorzöge, daß ich zuerst auseinandersetzte, welchen Zweck diese Versammlung von Angehörigen von zwanzig Ländern an den Küsten ihres Sees habe.

Sie sagten durch den Pascha, der ein vorzüglicher Dolmetscher ist und die Kunst versteht, alle strengen Worte, die ein einfacher Angelsachse vielleicht gebraucht, zu mildern, sie würden mit großem Vergnügen mich zuerst hören.

»Nun«, sagte ich, »dann öffnen Sie Ihre Ohren, damit die Worte der Wahrheit eindringen können. Die Leute in England haben, als sie von Ihrem frühern Gast Dr. Junker hörten, daß Sie sich in schwerer Noth befänden und großen Mangel an Munition litten, um sich gegen die Ungläubigen und Anhänger des falschen Propheten zu vertheidigen, Geld gesammelt und dasselbe mir anvertraut, um Munition zu kaufen und sie zu Ihnen zu bringen, damit Ihrem Mangel abgeholfen werde. Aber als ich durch Aegypten kam, bat der Khedive mich, Ihnen zu sagen, Sie sollten das Land verlassen, wenn Sie dies wünschten; wenn sie aber vorzögen, hier zu bleiben, so stände es Ihnen frei, zu handeln, wie Sie es für am besten hielten. Wenn Sie das letztere wählten, so verzichte er auf jede Absicht, Sie in irgendeiner Weise zu zwingen. Sie werden daher gefälligst nur Ihre eigenen Wünsche zu Rathe ziehen und sagen, was in Ihrem Herzen verborgen liegt.«

Nachdem der Pascha ihnen alles übersetzt hatte, entstand ein allgemeines Gemurmel von »Chweis« (Gut).

Dann sagte Selim Bey, der höchste Offizier:

»Der Khedive ist sehr gnädig und freundlich. Wir sind die ergebensten und treuesten Unterthanen Sr. Hoheit. Wir können nicht den Wunsch haben, hier zu bleiben. Wir sind in Kairo zu Hause und wünschen nichts sehnlicher, als das Land unserer Geburt wiederzusehen. Fern sei es von uns, hier bleiben zu wollen. Welchen Gewinn können wir hier haben? Wir sind Offiziere und Soldaten Sr. Hoheit. Er hat nur zu befehlen und wir gehorchen. Diejenigen, welche unter den Heiden hier leben wollen, mögen es thun; wenn sie zurückgelassen werden, ist es ihre eigene Schuld. Wir sind von unsern Brüdern und Freunden abgesandt worden, um Sie zu bitten, daß Sie uns nur Zeit lassen möchten, unsere Familien zu sammeln, sodaß wir uns in Ihrem Lager sammeln und heimwärts aufbrechen können.«

Dann zogen sie ein Schriftstück hervor, welches in der Uebersetzung lautet:

 

An Se. Excellenz den Gesandten unserer Großen Regierung Herrn Stanley.

Als Selim Bey Mator, der Befehlshaber der Truppen dieser Provinz, hierher kam und uns den Brief zeigte, welchen Sie seinen Händen übergeben hatten, haben wir mit großer Freude Ihre glückliche Ankunft in dieser Provinz erfahren, und unser Wunsch, wieder zu unserer Regierung zu kommen, hat sich sehr vergrößert, und wir hoffen daher, daß wir mit Gottes Hülfe bald bei Ihnen sein werden, und haben, um Ihnen dies mitzutheilen, diesen Brief geschrieben.

Wadelai.

tabelle

 

Ich sagte darauf: »Ich habe aufmerksam zugehört, was Sie gesprochen haben. Ich werde Ihnen ein schriftliches Versprechen geben, dahin gehend, daß ich Ihnen genügende Zeit lassen werde, damit Sie nach Wadelai gehen, Ihre Truppen sammeln und sie mit Ihren Familien auf den Dampfern einschiffen können. Der Dampfer braucht fünf Tage, um nach Wadelai zu fahren, und ebenso viel zur Rückreise. Ich werde Ihnen zu dieser Arbeit genügend Zeit lassen, und wenn ich sehe, daß Sie wirklich ernstliche Absichten hegen, bin ich auch gern bereit, die Zeit noch auszudehnen, damit wir bequem heimwärts marschiren können.«

Selim Bey und seine Offiziere antworteten gleichzeitig: »Wir haben ernstliche Absichten und es ist keine Gelegenheit zur Verzögerung«, womit ich in völliger Ueberzeugung mit ihnen übereinstimmte. Damit schloß die Versammlung. Ich schenkte ihnen und ihren Begleitern einen Ochsen zu Fleischrationen und 80 Liter Bier, und sandte ganze Lasten von süßen Kartoffeln und Bananen zu ihrem Unterhalt nach ihren Quartieren.

Gegen Mittag traf Stairs im Lager ein mit gewaltigen Reichthümern aller Art, fertiger Remington-, Maxim- und Winchestermunition, Schießpulver, Zündhütchen, Ballen von Taschentüchern, weißen baumwollenen und blauen Leinwandstoffen, gestreiften prächtigen Kleidern, Perlen aller Arten, Rollen von blitzendem Draht u. s. w. Es waren Sansibariten, Madi, Leute aus Ladó, Sudanesen, Manjema, Balegga, Bandussuma, Zwerge und Riesen, insgesammt 312 Träger.

Der Aufenthalt am Ituri hatte den Leuten sehr gut gethan. Als Dr. Parke ankam, segnete ich ihn im stillen, da er durch seine Aufopferung zu dieser stattlichen Zahl von Wiederhergestellten einen großen Theil beigetragen hatte.

Das Lager zählt jetzt über 500 Köpfe, und die Hütten dehnen sich an der einen Seite eines großen offenen Rechtecks von 180 m Länge und 55 m Breite aus. Da ein Feuer große Verheerungen anrichten würde, ist zwischen den einzelnen Hütten ein ziemlich großer freier Raum.

19. Februar. Ich habe Herrn William Bonny mit 30 Gewehrträgern und 64 Bavira nach dem Njansa geschickt, um das Gepäck Signor Casati's, des Griechen Marco und des Dr. Vita Hassan zu holen. Ich beabsichtige in Zwischenräumen eine Compagnie Leute von unserm Lager, das oben auf dem Plateau, 1465 m über dem Spiegel des Meeres liegt, nach dem Seeufer hinabzusenden, das sich etwa 730 m über dem Meere befindet. Es ist ein langer, ermüdender Tagemarsch, doch wird die Reise hin und her in drei Tagen gemacht. Der Abhang des Plateaus ist sehr steil und steinig. Ich habe geschworen, zu nichtigen Zwecken nicht wieder hinabzusteigen, ich bin jetzt viermal hinab- und hinaufgeklettert, und würde ebenso gern Exercirübungen machen oder in der Tretmühle gehen, als den Weg nochmals unternehmen. Bonny wird natürlich neugierig sein, den See zu sehen, da er zum ersten mal hier ist.

Berief Selim Bey und seine Offiziere nach dem Barsah-Hause und übergab ihm meine Botschaft an die meuterischen Offiziere in Wadelai:

 

Salaams!

Da die Offiziere, Selim Bey und andere, Herrn Stanley gebeten haben, die Ankunft ihrer Freunde von Wadelai abzuwarten, läßt er, um Misverständnisse zu vermeiden, seine Antwort niederschreiben.

Herr Stanley und seine Offiziere können, da sie von dem Khedive ausdrücklich als Führer gesandt worden sind, um den Leuten, welche die Aequatorialprovinz zu verlassen wünschen, den Weg nach Kairo zu zeigen, nicht anders, als ihnen bereitwillig die Zeit zu lassen, die vernünftigerweise erforderlich ist, um alle zur Abreise mit ihm geneigten Leute zu versammeln.

Es muß jedoch unbedingt vorausgesetzt werden, daß alle Männer, welche mit Herrn Stanley zu gehen beabsichtigen, die Transportmittel für sich, ihre Familie und ihr Gepäck selbst zu besorgen haben. Hiervon kann keine Ausnahme gemacht werden, ausgenommen bei dem Pascha, Kapitän Casati und dem griechischen Kaufmann Namens Marco, bei den beiden letztern, weil sie Fremde sind und nicht in ägyptischen Diensten stehen.

Alle Offiziere und Mannschaften, welche dieses Land mit Herrn Stanley zu verlassen beabsichtigen, haben sich daher mit so viel Thieren und Trägern zu versehen, als sie für den Transport ihrer Kinder und Besitzthümer nöthig haben.

Sie werden ferner darauf achten, daß sie sich nicht mit überflüssigen Gegenständen belasten; Waffen, Kleidungsstücke, Munition, Kochtöpfe und Lebensmittel find die einzigen Gegenstände, welche nothwendig sind.

Die Reservemunition, welche zum Gebrauch für den Pascha und seine Leute von Aegypten hierher gebracht worden ist, steht gemäß den Befehlen Sr. Hoheit des Khedive selbstverständlich nur dem Pascha zur Verfügung.

Herr Stanley wünscht es klar verstanden zu wissen, daß nur er für die Auffindung des richtigen Weges und die Verproviantirung aller Leute je nach der Natur des Landes verantwortlich ist.

Herr Stanley hält sich jedoch für moralisch verpflichtet, alles was in seiner Macht steht für die Behaglichkeit, Sicherheit und Wohlfahrt Emin Pascha's und seiner Leute zu thun und seine Freunde in allen Dingen nach seinen besten Kräften zu unterstützen.

Nach Ankunft dieser Antwort bei den Offizieren in Wadelai werden die für die Führung der Bevölkerung verantwortlichen Offiziere gut daran thun, eine allgemeine Berathung abzuhalten und diese Antwort in Erwägung zu ziehen, ehe sie sich auf den Weg machen. Diejenigen Leute, welche im Herzen der Ueberzeugung sind, daß sie den Muth und die Mittel haben, um die Aequatorialprovinz zu verlassen, werden sich bereit machen, um nach diesem Lager zu kommen wie der Pascha sie angewiesen hat. Diejenigen, welche bezüglich ihrer Kraft und Fähigkeit zum Marschiren Zweifel hegen, werden thun, was die Vorgesetzten beschließen.

Herr Stanley wird inzwischen im voraus ein Lager herstellen und dasselbe zum Empfange der Leute vorbereiten, welche fortgehen wollen.

Kavalli, 19. Februar 1889.

Henry M. Stanley,
Befehlshaber der Entsatz-Expedition.

 

20. Februar. Der am Ufer des Sees wohnende Häuptling Katonsa hat Boten nach dem Lager am Seeufer gesandt, um Kapitän Casati mitzutheilen, daß Kabba-Rega, der König von Unjoro, am 19. d. M. sein Vieh fortgenommen habe und sein nächstes Ziel das Lager Casati's sei.

Was daraus folgte, ersieht man aus nachstehendem Schreiben, welches ich soeben von Herrn W. Bonny empfing:

 

Auf den Wunsch von Signor Casati sende ich Ihnen dieses Schreiben. Er theilt seine eigenen Ansichten dem Pascha schriftlich mit. Er behauptet, Kabba-Rega's General habe irgendwo in der Nähe eine große Truppenmacht, und wünscht, daß ich noch einen Tag bleiben möchte, damit Sie mich verstärken könnten. Ich habe mich einverstanden erklärt, Ihnen einen Boten zu senden, aber abgelehnt, zu bleiben. Ich habe ihn darauf aufmerksam gemacht, daß wenn Gefahr vorhanden sei, ich meine Mannschaften nicht unnöthig riskiren könnte. Meine Leute werden heute Morgen mit den Lasten abmarschiren. Ich habe mich bemüht, Casati zu überreden, daß wenn er der Gefahr aus dem Wege zu gehen wünsche, er unter unserer Escorte nach dem Plateau marschiren könnte. Wenn Kabba-Rega's Leute mir unterwegs begegnen, hoffe ich ihnen begreiflich zu machen, daß sie mit einigen von Stanley's Leuten zusammengetroffen sind.

Der Ihrige u. s. w.
W. Bonny.

 

Der eingeborene Bote traf um 2 Uhr nachmittags mit dieser Meldung ein und sofort brachen der Pascha und seine Offiziere mit 60 Gewehrträgern und 60 Eingeborenen vom Plateau nach dem Lager am Seeufer auf. Ich glaube nicht, daß die Wanjoro einen Einbruch in von uns beschütztes Gebiet gemacht haben, doch ist es immer besser, sicher zu gehen.

22. Februar. Der griechische Kaufmann Signor Marco, ein hübscher, männlich aussehender und von der tropischen Hitze stark gebräunter Herr, traf heute in Begleitung des Herrn Bonny ein. Marco findet, wie ich sehe, Geschmack an Behaglichkeit. In seinem Gefolge befinden sich Diener, welche Papagaien, Tauben, Bettstellen für sich und seinen Harem, schwere persische Teppiche, Matten aus Ochsenhaut, ungeheuere Körbe tragen und, o Schrecken! er hat thatsächlich über 300 Pfund Steine mitgebracht, die zum Zerreiben des Mais zu Mehl dienen sollen, als ob die Eingeborenen uns hier nicht jede beliebige Zahl von solchen Steinen leihen könnten. Außerdem hat er große 80 Liter fassende Töpfe zur Bereitung von Bier und zum Gebrauch als Wassergefäße mitgebracht. Wenn alle Flüchtlinge in ähnlicher Weise belastet sind, dann fürchte ich, werden wir Monate lang hier zu thun haben. Es war ein übereiltes Versprechen von mir, ihr gesammtes Eigenthum zu befördern. Ich werde noch eine Weile warten, um zu sehen, ob alle Offiziere, Beamte und Soldaten glauben, daß ich Steine als Gepäck betrachte.

23. Februar. Einer unserer Sansibariten, Mrima, der über den langsamen Fortschritt der Heilung eines großen, mächtigen Geschwüres ungeduldig wurde, hat sich heute mit einem Remingtongewehr erschossen. Der arme Teufel! Ich erinnere mich noch, was für ein fröhlicher, williger und behender Bursche er war.

Der Pascha schreibt mir, daß im Lager am See alles wohl ist.

24. Februar. Sandte 25 Gewehrträger unter der Führung des Anführers Wadi Chamis ab, um 50 Träger, Unterthanen von Mpinga, zu escortiren.

Ich habe allen Häuptlingen der verschiedenen Stämme auf dem Plateau mitgetheilt, daß sie uns, je nach ihrer Macht, 50-100 Träger zu liefern haben, um mir beim Transport des Gepäcks unserer Gäste zu helfen. Elf haben sich bereit erklärt, der Reihe nach mit an den See zu gehen, vorausgesetzt, daß ich ihre Leute vor der Brutalität der Fremden schütze, die, wie sie behaupten, die Leute in der grausamsten Weise geschlagen haben und auch »Steine« haben tragen lassen, welche zu schwer für einen Mann sind. Das ist das erste mal, daß ich davon höre; ich werde sofort Nachforschungen anstellen.

25. Februar. Kapitän Nelson, der neulich den Pascha nach dem See hinab begleitete, brachte 60 Lasten Gepäck mit, die meist dem Pascha gehören. Ich bemerke eine ungeheuere Zahl von Gegenständen, die nothwendigerweise fortgeworfen werden müssen. Da ist ein alter mächtiger Reisekoffer, der von zwei Mann geschleppt wurde; ich versuchte das eine Ende desselben zu heben und würde nach dem Gewicht sagen, daß er Steine oder einen Schatz enthalten muß. Was der Koffer wol erzählen könnte von der Zeit, seitdem er Kairo verließ? Wie viele arme Eingeborene hat er getödtet? Wie viel Pein hat er verursacht? Die Sansibariten lächeln grimmig über die enorme Größe der Kisten, die sie zu schleppen haben. Sie behaupten, es seien noch Tausende von solchen beschwerlichen Gegenständen da, sie würden hier zehn Jahre ausgehalten werden. Der freie Platz ist mit Schiffskisten und plumpen, sargartigen Koffern besäet, die mächtig großen Töpfe nehmen an Zahl zu und die Körbe sehen größer und abscheulich schwer aus.

Ein Aegypter Namens Achmet Effendi, welcher heraufkam, ist, obwol erst 45 Jahre alt, gekrümmt, abgemagert, schwach und krank; er vermag nicht ohne Hülfe auf einem Esel zu reiten.

Wenn nur kranke und schwache Männer und Frauen den 2250 km weiten Marsch nach der Küste anzutreten beabsichtigen, sehe ich eine fürchterliche Sterblichkeit voraus. Bereits ist eine große Zahl von Kindern im Alter von 1-8 Jahren angekommen; dieselben müssen getragen werden, aber von wem?

Eine Sudanesenfrau gebar unterwegs ein Kind; ein anderes Kind ist so krank, daß es nicht lange mehr leben kann.

Ich sandte Lieutenant Stairs mit dem Häuptling Mwite aus, um dessen widerspenstige Leute etwas anzutreiben, da dieselben uns während der letzten vier Tage keine Lebensmittel gesandt haben.

Wir haben auf dem Plateau ein Bündniß geschlossen, welches die ganze Region vom Ituri bis zum Njansa umfaßt. Für den Schutz gegen die marodirenden Balegga von den Bergen und die Warasura Kabba-Rega's haben die Häuptlinge sich bereit erklärt, uns regelmäßige Contributionen an Getreide und Vieh zu liefern, die Regierung des Landes mir zu überlassen, Krieger aufzubieten, wenn sie Befehl dazu erhalten, und mich bei meinem Zuge nach Unjoro zu unterstützen, falls die Wiedervergeltung wegen eines Einfalls in unser Gebiet ihn nothwendig machen sollte.

26. Februar. Heute Morgen griffen wir einen Bundesgenossen von Kabba-Rega an, wobei wir 125 Stück Vieh eroberten. Dieser Mann hat schon viel Unheil angerichtet und bereits das Gebiet zwischen hier und der Provinz des Paschas besetzt; Kabba-Rega wartet auf seinen Beistand, wenn der große Kampf zwischen ihm und dem Pascha beginnen soll. Die Verbindung wird mit Kanoes über den See unterhalten und Kabba-Rega ist sehr gut von unsern Bewegungen unterrichtet. Wenn wir von hier fortgehen, werden wir mit Kabba-Rega zu rechnen haben. Er besitzt 1500 Gewehre, meist gezogene Büchsen und doppelläufige Vogelflinten, ferner Gewehre von Jocelyn u. Starr, Sharp, Henry-Martini und Snider, und Karabiner. Nachdem ich die beschwerliche Aufgabe, diesen Hunderten von Flüchtlingen Schutz bis ans Meer zu gewähren, unternommen habe, werde ich die Sache mit reinem Gewissen durchführen. Wir werden keinen Kampf suchen; wir sind den gegnerischen Truppen nicht gewachsen, aber es gibt nur einen Weg, und dieser führt durch einen Theil von Unjoro.

27. Februar. Heute Morgen trieben wir unser Vieh auf die Weide, doch war mit den Kälbern schlecht fertig zu werden; sie machten uns viel Spaß, aber auch nicht wenig Mühe. Wir haben jetzt Milch und Fleisch für die Kranken.

Wie ich höre, sind Selim Bey und die ägyptischen Offiziere am 26. Februar mit den Dampfern »Khedive« und »Nyanza« abgefahren, welche eine große Ladung Gepäck und mehrere Dutzend weiterer Flüchtlinge von Mswa nach dem Lager am See gebracht haben.

Heute morgen traf Emin Pascha vom See im Lager ein. Er war von seiner Tochter Ferida begleitet, einem kleinen Mädchen von sechs Jahren. Sie ist die Tochter einer abessinischen Frau, sehr hübsch und hat große, wundervoll schwarze Augen.

104 Träger beförderten das Gepäck des Paschas, sowie Vorräthe an Mehl, Hirse, Sesam, Honig und Salz.

Der Anführer Wadi Chamis, der die Karavane begleitet hatte, meldet, daß einer von den Offizieren Selim Bey's ein Remingtongewehr gestohlen und mitgenommen hat. Das ist seltsam. Wenn diese Leute hierher zurückzukehren beabsichtigen, sollten sie doch wissen, daß Diebstahl von Waffen streng bestraft wird.

Der Pascha theilt mir mit, er habe am 25. eine weitere Post aus Wadelai erhalten. Die Rebellenoffiziere unter Führung von Fadl el Mulla hätten Selim Bey ein officielles Schreiben überreicht und ihm angekündigt, daß er von seinem Posten als Oberbefehlshaber der Truppen abgesetzt worden sei; er, der Pascha, und Casati seien vom Kriegsgericht zum Tode verurtheilt. Kapitän Fadl el Mulla hat sich bei Uebernahme des Commandos selbst zum Range eines Bey oder Obersten befördert. Wir müssen ihn jetzt Fadl el Mulla Bey nennen.

28. Februar. Sandte 50 Gewehrträger und 72 Eingeborene von den Stämmen der Babiassi und den Wahuma Rugudji's unter Lieutenant Stairs nach dem Lager am See hinab, um ein weiteres Contingent Flüchtlinge nach dem Plateau zu geleiten und Gepäck herauf zu befördern.

1. März. Der Pascha ist mit seiner Einwilligung und thatsächlich auf seinen eigenen Vorschlag von mir zum Naturforscher und Meteorologen der Expedition ernannt worden. Er hat infolge dessen ein Aneroidbarometer, ein Maximum- und Minimumthermometer, ein Psychrometer, ein Normalthermometer und zwei Siedethermometer erhalten, welche im Verein mit seinen eigenen Instrumenten ihn vollständig ausrüsten. Keine Expedition könnte so gut bedient werden wie die unserige es sein wird. Er ist der fleißigste und genaueste Beobachter, den ich kenne. Der Pascha hat sich jedoch der Mittheilung seiner Beobachtungen aufs strengste enthalten.

Der Pascha befindet sich als Naturforscher und Meteorologe in seinem eigensten Element. Er gehört der Schule Schweinfurth's und Holub's an; seine Liebe zur Wissenschaft grenzt an Fanatismus. Während unserer täglichen Plaudereien habe ich auszufinden versucht, ob er Christ, Moslem, Jude oder Heide ist, und ich muthmaße fast, daß er nichts weiter ist als Materialist. Wer kann sagen, weshalb Jünger der Wissenschaft, obwol außerordentlich liebenswürdig im geselligen Verkehr, doch so eckig an Charakter sind? Nach meiner Analyse ihrer Natur muß ich beim Vergleich mit dem Charakter von Leuten, die mehr Christen als Gelehrte sind, mit jener eine gewisse Härte oder eigentlich Mangel an Zartgefühl in Verbindung bringen. Ihre Natur scheint mir etwas unsympathisch, nur kühler Freundschaft fähig und gegen wärmere menschliche Gefühle erkältend gleichgültig zu sein. Am besten kann ich ausdrücken, wie ich es meine, wenn ich sage, daß sie meiner Ansicht nach mehr Liebe zu dem gebleichten Schädel oder dem häßlichen Knochengerippe eines Menschen hegen, als zu dem, was göttlich im menschlichen Wesen ist. Wenn jemand von der manchem als allein beachtenswerth geltenden innern Schönheit spricht, sind sie geneigt, zu gähnen und mit einem entschuldigenden, mitleidigen Lächeln zu antworten. Sie scheinen einem andeuten zu wollen, daß sie den ganzen Körper durch und durch studirt haben und es nur Zeitverschwendung wäre, über etwas zu discutiren, das nur in der Einbildung besteht.

Sandte 72 Eingeborene vom Stamme Mpigua's in Begleitung von 12 Sansibariten nach dem Lager am See, um Gepäck zu holen. Bis heute sind 514 Lasten Gepäck vom Ufer des Sees nach unserm Lager auf dem Plateau geschafft worden.

2. März. Dr. Vita Hassan, aus Tunis, traf unter der Escorte von Lieutenant Stairs mit 122 Trägern ein.

3. März. Herr Bonny stieg heute mit 52 Sansibariten und 40 Eingeborenen von den Stämmen der Malai und Mabise nach dem Njansa hinab.

Ich unternahm heute eine Inspection des Lagers vor und finde, daß wir Vertreter haben aus Deutschland, Griechenland, Tunis, England, Irland, Italien, Amerika, Aegypten, Nubien, dem Madiland, Monbuttu, Langgo, Bari, Schuli, Sansibar, Usagara, Useguhha, Udoë, Unjamwesi, Uganda, Unjoro, Bavira, Wahuma, Marungu, Manjema, Basoko, Usongora, dem Kongogebiete, Arabien, den Comoren (Johanna, Comoro), Madagaskar, der Somaliküste, Circassien, der Türkei!! und außerdem Zwerge aus dem Großen Walde und Riesen vom Blauen Nil.

Das Lager breitet sich rasch zu einer Stadt aus. Die Ordnung läßt sich ohne Mühe aufrecht erhalten. Täglich werden über 300 Liter Milch an die Kranken ausgetheilt; außerdem erhält jeder 6 Pfund Fleisch wöchentlich, sowie ein reiches Maß an Mehl, süßen Kartoffeln, Erbsen, Bohnen und Bananen.

Es muß ein ungeheurer Verbrauch von Lebensmitteln im Lager der Sudanesen stattfinden, wenn man nach den Quantitäten Mehl urtheilen kann, das dort gemahlen wird. Man hört das Geräusch der Mahlsteine und die zarten Stimmen der Mahlenden vom frühen Morgen bis spät am Nachmittage.

Mpigua's Stamm traf mit 70 Lasten vom Ufer des Sees ein; mit ihnen kam Kapitän Casati, dem dieselben gehören.

5. März. Heute Morgen erschien Herr Bonny mit 94 Lasten Gepäck, begleitet von dem Major des 2. Bataillon, Auasch Effendi. Wie ich erfahre, gehört der ganze ungeheuere Haufen ihm allein. 94 Lasten repräsentiren ein Gewicht von 2? Tonnen.

Herr Mounteney Jephson ist heute morgen mit 42 Sansibariten und Manjema nach dem Njansa aufgebrochen.

Während der sechs Wochen, die wir jetzt hier waren, sind drei Mann und ein Säugling gestorben.

Diese Expedition besitzt den seltsamsten Doctor der Welt; kein europäisches Land kann meiner Ansicht nach seinesgleichen hervorbringen. Es mag vielleicht gelehrtere, geschicktere, ältere und jüngere Aerzte geben, je nachdem, aber die besten von ihnen haben von unserm Doctor noch etwas zu lernen. Er ist die Vereinigung von Milde und Einfachheit, so anspruchslos und wahrhaft bescheiden; wir alle sind durch die Bande der Liebe mit ihm verknüpft. Wir haben ihn aus reiner Liebe für seine »Fälle« so viel thun sehen, daß die menschliche Natur durch dieses Juwel veredelt wird. Er ist die Zartheit selbst; durch seine opferungsvolle Pflege hat er viele Menschenleben gerettet. Wir sehen ihn jeden Tag um 8 Uhr vormittags und 5 Uhr nachmittags mit einem Kreise seiner auserwähltesten »Kranken« um sich. Wer einen zarten Magen hat, darf demselben nicht nahe kommen. Er sitzt in der Mitte, als ob er von einem seltenen Duft umgeben sei. Die eiternden Geschwüre sind den Blicken ausgesetzt; einige sind fürchterlich anzuschauen, und bieten ein schreckliches Bild. Der Doctor lächelt sanft und athmet die verpestete Luft ein, behandelt die geschwollenen Gliedmaßen, entfernt die Unreinigkeiten, streicht die lindernde Arzneilösung auf, tröstet die Leidenden, verbindet die schmerzhaften Wunden und schickt die Patienten dann hoffnungsvoll und dankbar fort. Mögen die freundlichen Engel diese Hochherzigkeit aufzeichnen und alles andere auslöschen. Ich ehre aufs höchste, was vollkommen im Menschen ist. Diese Gabe der Sanftmuth und des außerordentlichen Zartgefühls spricht selbst zu dem Unempfindlichsten. Bei Abu-Klea war unser Arzt groß; die Verwundeten hatten Ursache, ihn zu segnen; aber unser Arzt, der auf dem grünen Rasen von Kavalli die leidenden Schwarzen behandelte, ohne zu wissen und sich darum zu bekümmern, ob jemand auf ihn achtete, war noch größer.

6. März. Wir haben in einem Haine, der ein tiefes Thal in den Balegga-Bergen füllt, mehrere Schimpansen entdeckt. Der Doctor hat mir den sorgfältig präparirten Schädel eines dieser Thiere gezeigt, welchen er in Mswa erhielt. Derselbe sieht genau demjenigen ähnlich, welchen ich in Addiguhha, einem Dorfe zwischen den beiden Armen des Ihuru, fand. Der Schimpanse ist der »Soko« Livingstone's, doch wächst er im Kongowalde zu einer ungewöhnlichen Größe heran.

Während der wenigen Tage, die wir jetzt hier zusammen sind, war der Pascha unermüdlich in der Vermehrung seiner Sammlungen von Vögeln, Lerchen, Drosseln, Finken, Bienenfressern, Bananenfressern, Sonnenvögeln u. s. w.

Die Beschäftigung des »Sammelns« scheint ihn außerordentlich glücklich zu machen. Ich habe den Sansibariten deshalb befohlen, jedes seltsame Insekt, jeden Vogel und jedes Reptil ihm zu bringen. Wir erhalten unsern Lohn dadurch, daß wir ihn glücklich sehen.

Jeden Morgen streift sein Schreiber Radjab umher, um jedes geflügelte Geschöpf der Luft zu erlegen; er bringt seine Opfer seinem Herrn, der das todte Object liebkosend streichelt und dann kaltblütig den Befehl gibt, es abzuhäuten. Abends sehen wir es mit Baumwolle ausgestopft hängen, und nach einem oder zwei Tagen wird es als Schatz für das Britische Museum eingepackt!

Es kommt mir so vor, als ob diese »Sammler« eine seltene Rasse seien. Schweinfurth kochte einmal in Monbuttu die Köpfe der Erschlagenen, um die Schädel für das Berliner Museum zu präpariren; Emin Pascha beabsichtigt dasselbe zu thun, falls wir Kampf mit den Wanjoro bekommen sollten. Ich bemerkte ihm, die Idee sei schauderhaft, möglicherweise würden die Sansibariten sich dem widersetzen, worauf er lächelnd sagte: »Alles der Wissenschaft wegen.«

Dieser Zug in wissenschaftlich gebildeten Leuten wirft einiges Licht auf ein Geheimniß. Ich habe die Gründe zu entdecken versucht, weshalb wir beide, er und ich, in der Beurtheilung seiner Leute so sehr voneinander abweichen. Wir haben einige Zwerge im Lager; der Pascha wollte ihre Schädel messen, ich widmete meine Beobachtungen ihrer innern Natur. Er machte sich dann daran, mit einer Schnur den Brustumfang zu messen, ich wollte die Gesichtszüge studiren. Er wunderte sich über das Anfühlen des Körpers, ich mich über das rasche Spiel der Gefühle, die sich in den blitzartigen Bewegungen der Gesichtsmuskeln enthüllten; der Pascha war über die Breite des Stirnbeins Körpermessungen an zur Expedition gehörenden Wambutti. erstaunt, ich studirte den Tonfall der Stimme und beobachtete, wie schön ein leichtes Aufblitzen des Auges mit der geringsten Bewegung der Lippen zusammenfiel. Der Pascha wollte gern das Gewicht des Zwerges bis aufs Gramm genau wissen, und mir genügte es, wenn ich die innern Fähigkeiten desselben kannte.

tabelle

siehe Bildunterschrift

Die Zwerge im Vergleich zu Casati's Diener Okili.
Nach einer Photographie am Albert-Njansa aufgenommen.

Und das ist der Grund, weshalb der Pascha und ich über den Charakter seiner Leute verschiedener Ansicht sind. Er kennt ihre Namen, Familien, Stämme und Gewohnheiten, während ich, obwol ich erst sehr wenig mit ihnen zusammen gewesen bin, ihre Naturen zu kennen glaube. Der Pascha sagt, sie sind treu, und ich behaupte, sie sind falsch; er meint, daß sie ihm bis zum letzten Mann folgen werden, wenn er Kavalli verläßt, und ich bin der Ansicht, daß er traurig getäuscht werden wird. Er sagt, er habe sie seit 13 Jahren gekannt und müsse das daher besser wissen als ich, der ich sie noch nicht so viel Wochen kenne. Gut, das mag sein, die Zeit wird es entscheiden. Nichtsdestoweniger lassen diese Erörterungen uns die Tage in Kavalli rasch verstreichen, da der Pascha eine vorzügliche Unterhaltungsgabe besitzt.

7. März. Heute traf Herr Mounteney Jephson mit Mohammed Emin und Familie, der Witwe eines Aegypters und vier verwaisten Kindern vom Seeufer im Lager ein.

Dr. Parke erhielt heute einen freien Tag, um 52 Sansibariten, 30 Eingeborene und 19 Manjema, welche Gepäck heraufschaffen sollten, nach dem Njansa zu führen.

8. März. Uledi, der Held früherer Zeiten, wurde mit 21 Trägern nach dem See geschickt, um Lasten nach dem Lager zu tragen.

9. März. Dr. Parke ist mit seiner Karavane zurückgekehrt. »Nun, Doctor«, fragte ich ihn, »wie hat Ihnen Ihr Feiertag gefallen?« Er lächelte und sagte: »Es mag als Abwechselung ganz angenehm sein, im übrigen ist es aber eine fürchterliche Arbeit. Ich sehe, daß selbst die besten Leute durch das lange Klettern an dem steilen Abhange des Plateaus hinauf niedergeworfen werden, und höre viel Brummen.«

»Ich weiß, daß das geschieht«, erwiderte ich, »aber was sollen wir machen? Die Leute sind unsere Gäste und wir sind verpflichtet, ihnen soviel wie möglich zu helfen. Ich wünsche aber, daß sie diese Steine zurücklassen sollen, da selbst die Träger über die Idee lachen, 80 Pfund schwere Felsstücke eine solch fürchterliche Höhe hinaufzuschleppen. Indeß die Sansibariten werden es schon auf irgendeine Weise zeigen, wenn sie dessen müde sind. Inzwischen wollen wir einmal sehen, wie weit sie unsere Geduld treiben werden.«

10. März. Als die Sansibariten heute Morgen zur Musterung antraten, um für die übliche Karavane nach dem Njansa ausgewählt zu werden, verlangten sie mit mir zu reden. Dem Sprecher wurde von den Compagnien, die unter ihren verschiedenen Offizieren in der Nähe aufgestellt waren, alle paar Minuten Beifall gezollt.

»Herr«, sagte er, »wir sind der Arbeit müde, Felsstücke, große doppellastige Kisten und hölzerne Bettstellen zu schleppen. Wenn wir das nicht für eine Vergeudung der Arbeitskräfte hielten, würden wir nicht sprechen. Wohin können sie den Plunder bringen, den wir hier herauftragen mußten? Wird irgendjemand es unternehmen, einen dieser ungeheuern Särge nur einen Tagemarsch durch den Busch zu tragen? Der stärkste Mann der Welt würde darunter getödtet werden. Für wen thun wir es? Für eine Bande undankbarer, herzloser Menschen, die mit dem Munde an Gott glauben und doch nichts von ihm oder dem Propheten Mohammed – gesegnet sei sein Name! – wissen. Und außerdem, wofür halten sie uns? Sie nennen uns Abid – Sklaven. Sie glauben, daß jeder von ihnen zehn von uns durchprügeln kann, und sagen, sie würden eines Tages uns die Gewehre wegnehmen und uns zu ihren Sklaven machen. Wir verstehen genug arabisch, um zu wissen, was das bedeutet, so schlecht ihr arabischer Jargon auch ist. Wir sind jetzt gekommen, um Euch zu fragen, wie lange dies noch dauern soll. Wenn Ihr uns, die wir aus dem Walde gerettet worden sind, mit dieser undankbaren Arbeit zu tödten beabsichtigt, dann sagt es uns, bitte. Wir sind Euere Diener und müssen Euern Befehlen gehorchen.«

»Es ist gut«, antwortete ich. »Ich habe euere Rede gehört. Ich wußte, daß ihr deshalb zu mir kommen würdet, aber ihr müßt etwas Vertrauen zu mir haben. Bauet auf mich. Geht heute nach dem Njansa, und wenn ihr wiederkommt, werde ich weiter mit euch reden.«

Ich ernannte Kapitän Nelson zum Führer der Karavane, der dann mit 81 Sansibariten, Sudanesen und Manjema abmarschirte.

Wie ich bemerkte, hatten die Leute ihre Rationen für diesen Marsch zurückgewiesen; sie waren unverkennbar unzufrieden und in böser Stimmung, und da ich Unruhen befürchtete, schickte ich Kapitän Nelson Boten nach mit dem Befehl, mir die beiden Leute, welche die Rädelsführer zu sein schienen, unter Bedeckung nach dem Lager zurückzusenden. Beim Empfang dieser Ordre befahl der Kapitän, die Leute zu ergreifen, worauf die 50 Sansibariten ein lautes, trotziges Geheul erhoben und schrien: »Schießt sie alle nieder und laßt uns zu Masamboni gehen!«

Der Kapitän blieb jedoch fest und bestand darauf, die beiden zurückzuschicken, worauf die übrigen sagten, sie wollten ebenfalls nach dem Lager zurückkehren und ihre Freunde schützen.

Als ich die Karavane zurückkommen sah, ließ ich das Signal geben, mit Waffen zur Musterung anzutreten, und die Compagnie Aufstellung nehmen, um ein plötzliches Manöver zu verhindern.

Die Unzufriedenen mußten sich in der Mitte in einer Reihe aufstellen, und als ich sie ansah, bemerkte ich, daß es nur einer Kleinigkeit bedurfte, um einen Kampf herbeizuführen. Insgeheim sympathisirte ich mit ihnen, doch konnte ich einen solchen schweren Bruch der Disciplin nicht hingehen lassen.

»Nun Leute«, sagte ich, »gehorcht mir sofort und bis auf den Buchstaben. Wer zaudert, ist verloren. Oeffnet euere Ohren und macht schnell. Legt die Gewehre nieder!« – Es geschah sofort. »Vier Schritte zurück hinter die Linie!« Sie traten ruhig zurück. »Nun, Kapitän Stairs, marschiren Sie mit Ihrer Compagnie vor und nehmen Sie Besitz von den Gewehren.« Auch dies geschah.

Dann befahl ich Nelson, über den Grund der Rückkehr der Karavane Meldung zu machen. Er bezeichnte die an der Meuterei betheiligten Rädelsführer, sowie diejenigen, welche geschrien hatten: »Schießt sie alle nieder und laßt uns zu Masamboni gehen.« Die Leute wurden sofort ergriffen und bestraft, die Rädelsführer an den Flaggenmast gefesselt. Alsdann wurde die Karavane, diesmal aber ohne Waffen, wieder Kapitän Nelson übergeben, der mit derselben zum Dienst marschirte.

Gegen Sonnenuntergang wurde Hassan Bakari, der sich ohne Urlaub entfernt gehabt hatte, von dem Hauptmann seiner Compagnie leicht mit einem Stocke gezüchtigt. Nachdem er wieder freigelassen war, stürzte er in fürchterlicher Wuth in seine Hütte und schwor, er werde sich erschießen. Er wurde gerade dabei betroffen, als er sein Gewehr zu diesem Zwecke bereit machte, und es bedurfte der Hülfe von fünf Mann, um ihn zu bändigen. Als ich davon erfuhr, begab ich mich sofort zum Schauplatz des Lärms und fragte den Mann milde nach der Ursache seiner Wuth. Er beklagte sich bitter über den Schimpf, den man ihm angethan habe; er sei ein freier Mann von guter Familie und nicht gewohnt, wie ein Sklave gepeitscht zu werden. Ich richtete einige passende Worte an ihn, um sein verwundetes Gemüth zu besänftigen, worauf er mir dankbar antwortete; dann gab ich ihm lächelnd sein Gewehr zurück. Er hat es nicht gebraucht.

11. März. Heute stiegen 41 Eingeborene zum Njansa hinab, um mehr Gepäck zu holen. Insgesammt sind bisjetzt 928 Mann zu demselben Zwecke hinabgeschickt worden.

12. März. Der Jäger »Three O'clock« führte eine aus 34 Sansibariten und 25 Eingeborenen bestehende Karavane zum Njansa hinab.

13. März. 63 Sansibariten und Manjema marschirten unter Führung von Lieutenant Stairs zum See hinab.

Die am 11. März abgegangenen 41 Eingeborenen sind heute zurückgekehrt und haben nur vollständigen Plunder mitgebracht, hölzerne Bettstellen, kupferne Töpfe von 80 Liter Inhalt und einige weitere platte Felsstücke, welche die Sudanesen Mahlsteine nennen. Die Leute beklagten sich, sie würden grausam geschlagen, wenn sie sich weigerten, diese schweren nutzlosen Gegenstände zu schleppen.

Da ich dem Pascha schon mehrmals gesagt habe, ich könnte das Herauftragen solchen Plunders nicht gestatten, und der Pascha auch in diesem Sinne an Osman Latif Effendi, den Befehlshaber des Lagers am Seeufer, geschrieben hat, diese Befehle aber nicht befolgt werden, werde ich dieser grausamen Arbeit demnächst ein Ende machen.

14. März. 21 Balegga haben ihre Dienste angeboten und sind nach dem See hinabgeschickt worden, um Gepäck heraufzutragen. Gesammtzahl der Lasten bis heute 1037.

Ich betrachte diesen Trägerdienst, dem ich, meine Offiziere und Leute uns gewidmet haben, als einen wesentlichen Theil meiner Pflichten gegen unsere Gäste. Vielleicht verdienen sie dies von uns gebrachte Opfer nicht, doch macht das keinen Unterschied; ich bedauere nur, daß eine solch schwere Arbeit vollständig nutzlos ist. Wenn nur einer von ihnen sein Bedauern darüber aussprechen würde, daß wir so viel Mühe durch sie haben, würden die meisten von uns dies als eine gewisse Genugthuung betrachten; ich habe aber noch nichts gehört, was mich auf den Glauben bringen könnte, daß sie unsere Hülfe als etwas anderes betrachten, als was ihnen von Rechts wegen zukommt.

Ich sehe die ägyptischen Offiziere täglich in kleinern oder größern Gruppen beisammen, auf ihren Matten sitzend, Cigaretten rauchend und sich über unsere absolute Unterwürfigkeit unterhaltend. Sie sind der Meinung, daß jeder von ihnen besser ist, als zehn Sansibariten, obwol ich noch nicht zehn von ihnen bemerkt habe, die in Afrika so nützlich sein würden, wie ein einziger Sansibarite.

15. März. Lieutenant Stairs ist mit seiner Karavane zurückgekehrt und meldet, daß noch 100 Personen im Njansa-Lager seien mit einem ungeheuern Haufen von Gepäck der gewöhnlichen nutzlosen Art, das soeben von der Station Mswa angekommen ist.

Aufstieg an den Abhängen des Plateaus.

Auch Schukri Aga, der Befehlshaber von Mswa, ist eingetroffen. Bei einer in Gegenwart des Paschas stattfindenden Unterredung theilte ich ihm in klaren Worten mit, daß wenn er nach der Küste zurückzukehren beabsichtige, er sich sofort ans Werk machen müsse. Ich sei über viele Dinge, die seit meiner dritten Ankunft am See passirt seien, erstaunt, das Wunderbarste von allem sei aber die von jedermann gezeigte vollständige Nichtachtung aller unserer Instructionen und Befehle. Im vorigen Mai, vor zehn Monaten, sei ihnen allen die Ursache unsers Kommens mitgetheilt worden, sie hätten versprochen, bereit zu sein, und jetzt komme er, Schukri Aga, um uns um Instructionen zu bitten, gerade als ob er noch nie von der ganzen Sache etwas gehört habe. Wenn er als Stationschef und Befehlshaber von Truppen so schwer zu begreifen scheine, wie sollte es dann überhaupt möglich sein, die Sache dem Verstande der sudanesischen Soldaten zugänglich zu machen. Alles was ich jetzt noch zu bemerken habe, sei, daß wenn er, Schukri Aga, das nicht beachte was ich sage, er zurückgelassen werden würde und die Folgen tragen müsse.

Schukri Aga, Commandant der Station Mswa.

»Ach«, entgegnete Schukri, »ich werde nach Mswa zurückkehren und schon am nächsten Tage die Frauen und Kinder auf den Dampfern einschiffen; alsdann werde ich mit unsern Rindern über Land durch Melindua marschiren, sodaß wir in sieben Tagen alle hier sein werden.«

»Ich erwarte Sie am zehnten Tage von heute ab mit Ihren Familien, Soldaten und Rindern.«

Abends sagte der Pascha zu mir: »Schukri Aga hat mir feierlich versprochen, daß er dem Befehl, sofort von Mswa aufzubrechen, gehorchen werde.«

»Haben Sie ihnen in bestimmter Weise geschrieben, Pascha, derart, daß kein Zweifel möglich ist?«

»Gewiß, das that ich.«

»Glauben Sie denn, daß er gehorchen wird?«

»Ganz gewiß. Was, Schukri Aga! Er wird ganz bestimmt in zehn Tagen hier sein, und seine Soldaten mit ihm.«

16. März. Schukri Aga hat sich heute nach dem Njansa hinabbegeben, ebenso 108 eingeborene Träger, um Gepäck zu holen.

17. März. Ich sandte 29 Eingeborene vom Stamm der Malai und 16 aus Bugombi nach dem Njansa-Lager hinab. Gesammtzahl der Träger bis heute 1190.

Der Pascha hat sich heute Morgen zu einem Picknick und um seine ornithologischen und entomologischen Sammlungen zu vermehren, nach den Balegga-Bergen begeben. Zum Frühstück soll eine mitgenommene Ziege geschlachtet werden. Lieutenant Stairs, Jephson, Kapitän Nelson, Dr. Parke und Herr Bonny sind mit einem größern Gefolge mitgegangen, um ihn zu ermuthigen, sein Bestes zu thun, und ihm Gesellschaft zu leisten.

Gestern haben Jephson und ich die Gipfel der Berge untersucht und in einem der Thäler Baumfarrn von 2½ m Höhe mit Stämmen von 20 cm Durchmesser entdeckt. Auch brachten wir dem Pascha etliche blühende Heliotropen, Aloe und Steinfarrne mit. Alles das hat den Wunsch in ihm angeregt, die Flora selbst zu untersuchen.

Diese Berge haben eine Höhe von 1650-1710 m über dem Meere. Die Vertiefungen und Thäler zwischen den Anhöhen sehen hier und dort ganz malerisch aus, obwol sie wegen des jüngst erfolgten Grasbrandes sich augenblicklich nicht in ihrem besten Kleide zeigen. Jede Gebirgsfalte hat ihren eigenen klaren Wasserlauf, an dessen Ufern Baumfarrn, kleine Palmen und theilweise jetzt blühendes Gebüsch stehen. Nach dem lebhaften Vogelgesang, den ich gestern hörte, hielt ich es für wahrscheinlich, daß unser unersättlicher Sammler seinen Vorrath von Riesenlerchen, Drosseln, Bienenfressern, Sonnenvögeln, großen Tauben u. s. w. noch vermehren würde, doch erlangte der Pascha nur vier Exemplare, weshalb er nicht sehr glücklich ist.

In einem kesselförmigen, ringsherum von zerklüfteten nackten Felsen umgebenen Becken sah ich eine ebene Terrasse von 2½ km Länge und 1½ km Breite, so grün wie ein Rasenspielplatz. Um den Fuß derselben lief ein klarer Bach durch einen dichten Waldgürtel, dessen Baumwipfel gerade bis zur Oberfläche der Terrasse reichten. Es ist der hübscheste Platz für eine Missionsstation oder Gemeinde von Weißen, den ich seit langer Zeit gesehen habe. Die Höhe betrug 1675 m über dem Meeresspiegel. Von dem Scheitel der umliegenden Felsenhügel hat man einen Blick auf fast 8000 qkm eines der herrlichsten und schönsten Länder der Welt. In der Richtung des Waldes beherrscht der etwa 95 km nach Westen gelegene Berg Pisgah alle Spitzen und Ketten, im Süden begrenzt der 130 km entfernte und 5500-5800 in hohe Ruwenzori mit seinem ewigen Schnee den Blick, im Osten schaut das Auge weit über das Land Unjoro hinweg und im Nordosten dehnt sich der Albert-Njansa in seiner ganzen Länge aus. Auf dieser Terrasse wurde das Picknick abgehalten.

18. März. Endlich hat sich auch der gefürchtete Rudimi, Häuptling von Usiri, unserm Bunde angeschlossen. Er brachte mir außer 7 Stück Rindvieh, 7 Ziegen und einem großen Vorrath von Hirsemehl und süßen Kartoffeln 31 Träger mit, die sofort nach dem Lager am See hinabgesandt wurden.

Wir können jetzt den Eingeborenen jedes Eigenthum anvertrauen, ohne sie zu bewachen. Insgesammt haben sich 15 Häuptlinge unserer Bestimmung, die Kämpfe untereinander aufzugeben, alle Beschwerden uns vorzulegen und sich mit unsern Entscheidungen einverstanden zu erklären, unterworfen. Die Folge davon ist, daß die Bavira jetzt den Wasiri, Balegga und Wahuma die Hand reichen. Oft sind die Streitfälle von nur geringer Bedeutung, doch haben unsere Entscheidungen bisjetzt befriedigt.

Das Lager besteht nunmehr aus 339 Hütten und 5 Zelten, außer dem Dorfe Kavalli's, an dessen Südseite unsere Stadt sich ausgebreitet hat. Manchmal haben wir bis zu 2000 Leute hier.

21. März. Da die Eingeborenen von Melindua einen Angriff gegen Rugudji, einen unserer Wahuma-Bundesgenossen, unternommen und 40 Stück Rindvieh erobert hatten, sandte ich Lieutenant Stairs und Herrn Jephson mit der 1. und 2. Compagnie aus, die mit 310 Rindern zurückkehrten. Rugudji erkannte sein Vieh wieder und erhielt dasselbe zurück. Die Wahuma sind sämmtlich Hirten und Schäfer, die Bavira widmen sich dem Ackerbau.

22. März. Heute statteten der Pascha und Herr Marco dem Häuptling von Njamsassi, Mpigua, einen Besuch ab, wurden gut aufgenommen und kehrten mit großen Geschenken an Lebensmitteln zurück.

23. März. Von vielen Häuptlingen sind heute Contributionen an Lebensmitteln eingetroffen als Ausdruck ihrer Dankbarkeit für den zur Wiedervergeltung unternommenen Beutezug gegen Melindua.

26. März. Gestern Nachmittag traf der Dampfer »Nyanza« mit den Posten von Wadelai ein, die heute Morgen von den hier angekommenen Trägern mitgebracht wurden.

Selim Bey schreibt dem Pascha aus Wadelai, er sei überzeugt, daß alle Rebellen ihm folgen würden und in unserm Lager zu erwarten seien. Infolge dessen kam der Pascha, strahlend vor Freude zu mir, um mir die Nachricht mitzutheilen, und sagte: »Was habe ich gesagt? Sehen Sie jetzt, daß ich recht hatte? Ich wußte es bestimmt, daß sie sämmtlich kommen würden.«

Sehen wir einmal, was diese guten Nachrichten bedeuten.

Selim Bey hat am 26. Februar unser Lager verlassen mit meinem Versprechen, daß ich eine »vernünftigerweise genügende Zeit« warten wolle; obwol die Entfernung nur fünf Tagereisen beträgt, wollen wir ihm doch acht Tage geben. Am 4. März trifft er in Wadelai ein. Er hat feierlich versprochen, die Leute so rasch wie möglich einzuschiffen. Wir wollen ihm hierzu fünf Tage lassen mit Rücksicht darauf, daß solche Leute keinen Begriff von der Zeit haben, und acht Tage für die Fahrt von Wadelai nach unserm Lager am See. Dann hätte er am 17. März hier eintreffen müssen. Er ist jedoch noch nicht gekommen und schreibt in seinem Briefe an den Pascha nur, daß er dieselbe Absicht habe, die er schon am 26. Februar gehabt hat, nämlich aufzubrechen.

Am 14. März war Schukri Aga, der Commandant von Mswa, angekommen, um sich Instructionen vom Pascha zu holen, und am 17. war er wieder auf der genannten Station eingetroffen mit dem Befehle, dieselbe zu räumen und am 27. hier zu sein. Jetzt erfahren wir, daß Schukri Aga noch in Mswa, Selim Bey noch in Wadelai ist, alle vom Pascha erlassenen Befehle unbeachtet bleiben und jedes Versprechen gebrochen wird.

Ich erwiderte dem Pascha, ich sähe nun, daß wir eine Thorheit begangen hätten, indem wir uns auf irgendein von solchen Leuten gegebenes Versprechen verlassen hätten; weder Selim Bey noch wahrscheinlich auch Schukri Aga hätten die Absicht, uns irgendwohin zu begleiten. Aus Tagen seien Wochen und aus Wochen Monate geworden und es würden ohne Zweifel noch Jahre vergehen, ehe wir aus Afrika fortkommen würden.

»Ich muß mir erlauben Sie darauf aufmerksam zu machen, Pascha, daß ich außer meiner Pflicht gegen Sie und Ihre Leute eure solche auch dem Entsatz-Comité gegenüber zu erfüllen habe. Jeder Monat, den ich in Afrika bleibe, kostet uns 400 Pfd. St. Ich habe ferner eine Pflicht gegen meine Offiziere, die an ihre Carrière in der Armee zu denken haben und deren Urlaub längst abgelaufen ist. Alsdann müssen wir auch der Sansibariten gedenken. Sie wollen in ihre Heimat zurückkehren und werden bereits ungeduldig. Wenn wir nur irgendwelchen Beweis dafür hätten, daß Selim Bey und seine Leute wirklich die Absicht haben, Afrika zu verlassen, wenn sie diesen Beweis dadurch liefern würden, daß sie ein paar Compagnien Soldaten schicken, und ich sehen könnte, daß die Soldaten in voller Disciplin zu halten sind, dann würde es keine Schwierigkeit machen, noch einige Monate länger zu bleiben. Wenn Sie aber bedenken, daß vom 1. Mai 1888 bis Ende März 1889 elf Monate sind, wir nur etwa 40 Offiziere und Beamte mit ihren Familien haben hierherbekommen können und das Gepäck derselben alle unsere Träger während eines Monats in Anspruch nahm, um es zwei Tagemärsche weit hier auf das Plateau herauf zu tragen, dann werden Sie einsehen, daß ich keine Ursache habe, an Ihrer Freude theilzunehmen.

»Ich bitte Sie ferner nicht zu vergessen, daß ich mir große Mühe gegeben habe, um genau festzustellen, in welchem Geisteszustande diese Offiziere in Wadelai sich befinden. Ich habe ganz seltsame Dinge erfahren. Major Auasch Effendi, vom 2. Bataillon, Osman Latif Effendi und der Maschinist Mohammed haben mir insgeheim erzählt, daß weder Selim Bey noch Fadl el Mulla Bey nach Aegypten gehen wollen. Ersterer wird vielleicht bis hierher kommen und sich in diesem District niederlassen. Aber was die Offiziere in Wadelai auch sagen mögen, was sie zu thun beabsichtigen, jedenfalls bin ich gewarnt worden, sodaß ich auf meiner Hut sein muß. Niemand hegt Vertrauen zu ihnen, nur Sie selbst. Wenn ich auch glaube, daß Sie trotz allem vielleicht doch recht haben können, müssen Sie zugeben, daß ich die besten Gründe habe, ihre guten Absichten zu bezweifeln. Sie haben dreimal gegen Sie revoltirt, haben Herrn Jephson gefangen genommen und dadurch, daß sie ihn mit ihren Gewehren bedrohten, auch insultirt. Sie haben es weit genug verbreitet, daß sie mich bei meiner Rückkehr nach hier gefangen zu nehmen beabsichtigten. Aber, Pascha, lassen Sie mich Ihnen das sagen: es steht nicht in der Macht sämmtlicher Truppen der Provinz, mich gefangen zu nehmen, denn ehe sie sich diesem Lager bis auf Büchsenschußweite nähern, wird jeder Offizier in meiner Gewalt sein.«

»Aber was soll ich ihnen denn antworten?« fragte der Pascha.

»Sie thun am besten, das von meinen Offizieren selbst zu hören. Kommen Sie; ohne daß ich vorher mit ihnen spreche, werde ich sie hierher berufen und in Ihrer Gegenwart befragen, da sie an dieser Frage ebenso stark betheiligt sind wie ich.«

»Sehr gut«, erwiderte er.

Ich sandte nunmehr einen Boten an die Offiziere Stairs, Nelson, Jephson und Parke und ließ sie zu mir kommen; als sie Platz genommen hatten, redete ich sie folgendermaßen an:

 

Meine Herren! Bevor Sie mir in diesem wichtigen Augenblicke Ihren Rath gütigst ertheilen, lassen Sie mich einige Thatsachen zusammenfassen, wie dieselben sich ereignet haben.

Emin Pascha hat eine Botschaft aus Wadelai erhalten. Selim Bey, welcher am 26. Februar den unter uns liegenden Hafen verlassen hat unter dem Versprechen, mit den Leuten, welche nach Aegypten zu gehen wünschen, schleunigst zurückzukehren, schreibt aus Wadelai, daß die Dampfer mit dem Transport einiger Leute von Dufilé nach Wadelai eifrig beschäftigt sind und daß die Beförderung zwischen Wadelai und Tunguru wieder aufgenommen werden soll, sobald die erstere Aufgabe beendet ist. Als er von hier fortging, wurde uns gesagt, daß er abgesetzt und Emin Pascha und er selbst von den Rebellenoffizieren zum Tode verurtheilt worden seien. Jetzt erfahren wir, daß die Rebellenoffiziere, 10 an der Zahl, mit ihrem ganzen Anhange nach Aegypten zu gehen wünschen. Wir dürfen deshalb annehmen, daß die Partei Selim Bey's wieder die Oberhand hat.

Um Mitte März stattete uns Schukri Aga, der Chef der uns zunächst gelegenen Station Mswa, einen Besuch ab, und bei seiner Abreise am 16. März wurde ihm gesagt, daß wir bestimmt am 10. April den Abmarsch nach Sansibar antreten würden. Er nahm dringende Briefe an Selim Bey mit, welche diese Thatsache in den unzweifelhaftesten Worten erklärten.

Acht Tage später hören wir, daß Schukri Aga sich noch in Mswa befindet und nur einige Frauen und Kinder nach dem Lager am Njansa geschickt hat, obwol er und seine Leute jetzt hätten hier sein können, wenn sie beabsichtigen, uns zu begleiten.

Vor dreißig Tagen hat Selim Bey uns verlassen mit dem Versprechen, innerhalb einer vernünftigerweise genügenden Zeit zurückzukehren. Der Pascha glaubte damals, daß 20 Tage eine genügende Zeit sein würden, wir haben dieselbe jedoch bis auf 44 Tage ausgedehnt. Nach der Länge der Zeit zu urtheilen, welche Selim Bey bereits gebraucht hat, um mit 1/16 der erwarteten Truppe Tunguru zu erreichen, bin ich persönlich bereit, dem Pascha meinen Entschluß mitzutheilen, denn Sie müssen wissen, meine Herren, daß der Pascha von Selim Bey »höchst ermuthigende Nachrichten« erhalten hat und nur meinen Entschluß kennen zu lernen wünscht. Ich habe jedoch vorgezogen, Sie zu berufen, damit Sie an meiner Stelle die Antwort ertheilen.

Sie wissen, daß unsere Instructionen dahin lauteten, Emin Pascha Entsatz zu bringen und diejenigen, welche uns nach Aegypten begleiten wollen, zu escortiren. Wir sind gegen Ende April 1888, gerade vor zwölf Monaten, am Njansa angelangt und haben Emin Pascha getroffen, haben ihm die Briefe vom Khedive und von seiner Regierung sowie die ersten Vorräthe ausgehändigt und ihn gefragt, ob wir das Vergnügen seiner Gesellschaft bis nach Sansibar haben könnten. Er erwiderte, sein Entschluß hänge von demjenigen seiner Leute ab.

Das war die erste ungünstige Nachricht, welche wir erhielten. Anstatt eine Schar von Leuten zu treffen, welche dringend wünschten, Afrika zu verlassen, war es fraglich, ob solche, mit Ausnahme einiger ägyptischer Beamter, überhaupt vorhanden waren. Da Major Barttelot sich so weit entfernt hinter uns befand, durften wir am Njansa nicht auf die Entscheidung warten, weil dieselbe möglicherweise monatelang ausbleiben konnte; viel mehr Nutzen bringend war es daher, die Nachhut aufzusuchen und zu unterstützen, denn um die Zeit, in der wir hier wieder eingetroffen sein würden, warteten diejenigen, welche nach Aegypten zu gehen wünschten, vermuthlich ungeduldig auf den Abmarsch. Wir ließen deshalb Herrn Jephson zurück, um den Truppen des Paschas unsere Botschaft zu überbringen, kehrten durch die Waldregion zu der Nachhut zurück und waren nach neun Monaten wiederum am Njansa. Anstatt aber ein Lager mit Leuten anzutreffen, welche dringend wünschen, Afrika zu verlassen, und marschbereit sind, finden wir überhaupt kein Lager, sondern hören, daß sowol der Pascha wie Herr Jephson Gefangene sind, daß der Pascha in dringendster Lebensgefahr bei den Rebellen und einmal sogar in Gefahr gewesen ist, an seine Bettstelle gefesselt und ins Innere des Makraka-Landes geschleppt zu werden. In der Provinz war das Gerücht verbreitet, wir seien nur eine Bande Verschwörer und Abenteurer, die Briefe des Khedive und Nubar Pascha's seien von den niederträchtigen Christen Stanley und Casati, mit Hülfe von Mohammed Emin Pascha angefertigte Fälschungen. So erfreut waren die Rebellen über ihren unblutigen Sieg über den Pascha und Herrn Jephson, daß sie sich voll Zuversicht ihres Plans gerühmt hatten, mich durch schmeichlerische Worte in eine Falle zu locken, die Expedition aller ihr zugehörigen Gegenstände zu berauben und uns dem Untergange entgegen in die Wildniß zu jagen. Wir brauchen uns bei der Undankbarkeit dieser Leute, ihrer außerordentlichen Unwissenheit und schlechten Natur nicht weiter aufzuhalten. Sie müssen diese Thatsachen aber berücksichtigen, wenn Sie zu einem klaren Entschlusse kommen wollen.

Als wir uns freiwillig zu diesem Werke bereit erklärten, glaubten wir, daß wir mit offenen Armen aufgenommen werden würden. Wir wurden aber mit Gleichgültigkeit empfangen, bis uns Zweifel kamen, ob überhaupt irgendjemand das Land zu verlassen wünschte. Mein Vertreter wurde zum Gefangenen gemacht, mit der Flinte bedroht, allerlei sonstige Drohungen ausgestoßen, der Pascha wurde abgesetzt und drei Monate in strenger Gefangenschaft gehalten. Wie ich höre, ist dies der dritte Aufstand in der Provinz.

Nun, angesichts aller dieser Thatsachen haben wir fast zwölf Monate gewartet, um die wenigen hundert unbewaffneten Männer, Frauen und Kinder hier im Lager aufzunehmen. Wie ich Selim Bey und seinen Offizieren versprochen habe, ihnen vernünftige Zeit zu lassen, so haben auch Selim Bey und seine Offiziere wiederholt versprochen, keine Verzögerung zu verursachen. Der Pascha hat den Zeitpunkt bereits auf den 10. April, wodurch die Frist bis auf 44 Tage ausgedehnt wurde, festgesetzt und als genügend für drei Rundreisen der drei Dampfer bezeichnet. Die heute eingetroffene Botschaft meldet nicht, daß Selim Bey sich in der Nähe befindet, sondern daß er noch gar nicht von Wadelai aufgebrochen ist.

Außer seinen eigenen Freunden, welche ihm loyal gesinnt und gehorsam sein sollen, bringt er die 10 Rebellenoffiziere und etwa 600 bis 700 Soldaten seiner Partei mit.

In Anbetracht der drei Meutereien, welche diese selben Offiziere angezettelt haben, ihrer offenkundigen Absichten gegen diese Expedition, ihrer Complote und Gegencomplote, des Lebens voll Verschwörung und heimtückischen Verraths, welches sie geführt haben, können wir wol einen Augenblick einhalten, um zu erwägen, welche Absicht in diesem Augenblick ihre Haupttriebfeder ist, wenn sie aus zügellosen Rebellen gegen jede constitutionelle Autorität plötzlich gehorsame und loyale Soldaten des Khedive und seiner »Großen Regierung« geworden sind. Sie müssen wissen, daß außer den 31 Kisten Munition, welche wir dem Pascha im Mai 1888 überliefert haben, die Rebellen so viel Munition der Provinzialregierung besitzen, als in 20 von unsern Kisten enthalten ist. Wir müssen ihnen aber so viel Verstand zutrauen, daß sie begreifen, daß ein so kleiner Vorrath von Munition mit so vielen Gewehren in einem einstündigen Kampfe verschossen sein und daß nur scheinbare Unterwerfung und Loyalität weitere Vorräthe von uns herauslocken würde. Obwol die Hoffnungen des Paschas jedesmal, wenn er einen plausibel klingenden Brief von diesen Leuten erhält, sich erneuern, so kann man es Fremdlingen, wie uns, wol verzeihen, wenn wir ihnen, die so viel Grund zum Mistrauen gegeben haben, nicht so bereitwillig Glauben schenken. Könnte man uns irgendwelche Garantie für ihre Vertrauenswürdigkeit geben, so würde nichts gegen die Aushändigung aller Gegenstände, deren sie bedürfen, einzuwenden sein, d. h. mit Genehmigung des Paschas. Können wir aber sicher sein, daß wenn wir sie als gute Freunde und loyale ägyptische Soldaten in unser Lager hineinlassen, sie sich nicht in irgendeiner Nacht erheben, sich in den Besitz aller Munition setzen und uns auf diese Weise der Gelegenheit berauben, nach Sansibar zurückzukehren? Es würde für sie ein Leichtes sein dies zu thun, wenn sie erst Kenntniß von den Lagervorschriften erlangt haben. Durchdrungen von dem Gedanken an die außerordentlichen Enthüllungen, welche Herr Jephson uns über das gemacht hat, was seit der Schließung der Nilroute in der Provinz passirt ist mit dem hier anwesenden Pascha, von dem man noch vor kurzem glaubte, daß er mehrere tausend Leute unter sich hätte, der aber jetzt nur ein unbedeutendes Gefolge besitzt, und in Berücksichtigung der Schmeicheleien und Listen, mit denen wir in die Falle gelockt werden sollten, frage ich Sie: Würde es klug von uns sein, die Zeit unsers Aufenthalts noch über den bestimmten Tag, d. h. den 10. April, auszudehnen?

Alle Offiziere antworteten einer nach dem andern verneinend.

»Nun, Pascha«, sagte ich, »da haben Sie Ihre Antwort. Wir marschiren am 10. April.«

Der Pascha fragte dann, ob wir ihn »vor unserm Gewissen von dem Vorwurfe freisprächen, seine Leute verlassen zu haben«, falls dieselben bis zum 10. April noch nicht eingetroffen sein sollten, worauf wir erwiderten: »Ganz gewiß.«

27. März. Die Boten sind heute abgegangen, um sich nach Wadelai einzuschiffen.

Sie nahmen folgende Schreiben mit:

Mittheilung an Selim Bey und die Rebellenoffiziere.

 

Lager bei Kavalli, 26. März 1889.

Salaams! Da der Befehlshaber der Entsatz-Expedition versprochen hat, denjenigen Leuten, welche das Land zu verlassen wünschen, eine vernünftigerweise genügende Zeit zur Erreichung dieses Lagers zu lassen, theilt er Selim Bey und seinen Kameraden unter den Offizieren mit, daß heute der 30. Tag ist, seitdem sie vom Lager am Njansa nach Wadelai abgereist sind, um ihre Leute zu sammeln.

Die ihnen versprochene genügende Zeit ist mit dem heutigen Tage abgelaufen.

Da der Pascha jedoch um eine Verlängerung der Zeit gebeten hat, wird allen Betreffenden hierdurch mitgetheilt, daß die Expedition noch einen weitern Halt von 14 Tagen, von heute ab gerechnet, machen, oder mit andern Worten, daß die Expedition bestimmt am Morgen des nächsten zehnten April den Marsch nach Sansibar antreten wird. Alle diejenigen, welche bis zu dem genannten Tage nicht eintreffen, müssen die Folgen ihrer Abwesenheit am Tage unsers Abmarsches selbst tragen.

Henry M. Stanley.

 

Mittheilung an Schukri Aga, Befehlshaber von Mswa.

Der Befehlshaber der Entsatz-Expedition kündigt dem guten und getreuen Offizier Schukri Aga hiermit an, daß die Expedition, um ihm genügend Zeit zu lassen, das Lager zu erreichen, noch einen weitern Halt von 14 Tagen, von heute ab gerechnet, in diesem Lager machen, daß aber am Morgen des nächsten zehnten April bestimmt kein weiterer Aufschub gewährt werden wird, einerlei wer am genannten Tage marschbereit ist oder nicht.

Der Befehlshaber der Expedition bittet Schukri Aga aus aufrichtiger Zuneigung zu ihm, daß er diese seine letzte Mittheilung in ernstliche Erwägung ziehen und demgemäß handeln möge.

Henry M. Stanley.



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