Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

2

Die hellhörige, dem Leben vielfältiger aufgeschlossene Frau Jochen Maechlers, Christine, war von dem Umschwung in der öffentlichen Meinung Wilkaus über den alten Maechler und das Gerberhaus auf der Feldgasse viel früher und im Verlauf tiefer berührt als ihr Mann, der nichts von dem Licht wahrnahm oder wahrnehmen wollte, das neuerdings um sein Dach und das Leben seines hingegangenen Vaters spielte. Aber ganz genau wußte das auch die liebe Christine nicht, denn Jochen Maechler war ein Mann, der sozusagen nur eine kleine Lebensoberfläche und fast allein Untergründe hatte. Sie sah ihn in jenen Herbsttagen öfter hart am Rande der neugebauten Ufermauern in dem kleinen Ziergärtlein über der Feldgasse am Heidewasser stehen und so tief versunken auf das besonnte Vorüberspielen des Wassers schauen, als habe er es sich vorgenommen, die Wellen zu zählen. Und als sie ihm einmal spöttisch über die Gasse hinüber zurief, sich nicht zu versehen, wandte er sich wie erschreckt herum, hatte große, verlorene Augen, nickte mit einem gemächlichen Lächeln ihr zu und kam zögernd herüber, als trenne er sich gezwungen von einem kostbaren Gedankengespinst. Christine bemerkte auch, wie er beim Heraustreten aus dem Ziergärtlein den Zweig der jungen Fichte neben der Pforte liebkosend durch die Hand gleiten ließ. Dann überschritt er gemächlich die Feldgasse und traf zu ihr unter das Fenster, aus dem sie ihm zugerufen hatte. Eigentlich wollte ihn Christine weiter frozzeln wegen seiner kurzen Beine, die in Ausgleichung des mächtigen Oberkörpers in so komischer Würde langauszuschreiten pflegten; aber da er ihr sein tiefbewegtes ernstes Gesicht fragend zukehrte, brachte sie es nur zu dem neckischen Ausruf: »Ja, ja, mein lieber Riese!« Und weil er nur schwieg und sie aus einem fremden Grübeln forschend anschaute, überkam sie wieder einmal Betretenheit vor der heimlichen Unerforschbarkeit ihres Mannes und sie redete aufs Geratewohl und kunterbunt über die Schönheit dieses langen Herbstes, über das mohnblaue Gebirge, die Silbertalerwölkchen im Blauen, das Wanderkonzert der Vögel in den bunten Gesträuchen und wollte doch eigentlich mit dieser lustigen Wortfuhre mitten in das gnädige Wetter hineinsteuern, das durch den tapferen Neefe über ihrem Dach heraufgezogen war. Allein sie kam nicht so weit. Jochen lächelte gütig und sagte: »Jawohl, Christel, alles gut und schön, aber nun komm heraus. Ich will dir was sagen und zeigen.« Und als die Frau aus der Tür trat, sah sie Jochen schon vorsichtig an dem schmalen Blumenbeetchen hin auf die großen Lohtonnen zu gehen, neben denen das Bänkchen stand, darauf der alte Nathanael in vielen Sinnstunden mit den Jahren seiner bunten Vergangenheit Zwiesprache gehalten hatte. Da blieb der Meister stehen, doch so, daß er dem Bänkchen den Rücken kehrte und ließ Christine zu sich herkommen. »Sieh, liebe Christel«, sagte er feierlich, als sein Weib vor ihm stand, »da, genau da, wo wir beide stehen, ist unsichtbar mein Wegzeiger eingerammt, nach dem sich mein Leben bisher gerichtet hat und dem ich folge, solange meine Füße noch warm sind. Hörst du, Christel, und nichts und niemand auf der Welt bringt mich von diesem Wege herunter.« Dann ließ er eine Pause eintreten, während der er sein Weib groß ansah, daß sie die Empfindung hatte, diese Worte ihres Mannes seien irgendwie die Antwort auf ihre Absicht, ihn in das gute Lebenswetter zu führen, das durch Neefe über ihr Haus gekommen war. Weil sie aber doch nicht sicher war, gab sie Jochen den forschenden Blick ebenso dringend zurück, wie er ihn auf sie gerichtet hatte, und sagte ein wenig unsicher: »So so, aber ich weiß nicht, was du da meinst.«

»Damals, damals, liebe Christel, ja, ja, ich glaub schon, daß du's nicht weißt. Ich hab auch noch nie darüber gesprochen«, sagte er, und seine Stimme war weich und bebte. Er sah zu Boden und kämpfte offenbar, ob er darüber weiter sprechen solle, wozu es ihn drängte. Aber er überwand sich. »Weißt du, Christel, da, wo du stehst, hat sie damals gestanden, meine Mutter nämlich. Ja und sie war noch jung, nicht mehr so jung wie du, nein, aber schön, ja schön war sie, Christel, schön, und alle Büsche blühten um sie und Sonne, ja und ernst war sie, weißt du, wie ein Brunnen. Verzeihe Christel, ich kann nicht erzählen.«

Jochen Maechlers Gesicht war strahlend und zugleich wie verstört und an seiner großen knolligen Nase zuckten die Falten, als kämpfe er gegen die Tränen.

»Nun, Jochen, sag's nur.« Christine kam ihm zu Hilfe und ergriff liebreich seine Hand. »Nein, nein, es ist ganz gut. Wie war's da weiter?«

»Eben, eben, weißt du«, sprach er, sich erraffend, weiter, »ich war damals aus der Schule gekommen und mußte doch in die Lehre. Meine Mutter sagte ›ins Leben‹ doch ich verstand nicht, was sie meinte mit dem ›ins Leben‹ Da strich sie mir zärtlich über die Haare und sagte: ›Heute ist Frühling und schöne Sonne.‹ Jawohl, genau das sagte sie. Dann nahm sie mich an der Hand und führte mich hierher zu den Tonnen. Da mußte ich ihr feierlich in die Hand versprechen, nie anders als auf einer solchen Tonne durchs Leben zu kutschieren. Dabei wurde sie rot wie ein junges Mädchen und hatte ganz helle Lichter in den großen Augen. Hörst du, Christel, ich hab's meiner Mutter in die Hand versprochen. Ich will nicht mehr. Ich reit auf meiner Gerbertonne. Dabei bleibt's. Und du, Christel, laß die Leute reden.«

Jochen Maechler war blaß geworden, machte kehrt und ging unaufhaltsam mit den kurzbeinigen Schritten seiner komischen Würde aus dem Vorgärtchen, nickte Christine am Gartenpförtchen noch einmal freundlich zu und achtete dann auf nichts, was sie hinter ihm drein redete. Als sie ihm nachsah, bog er gerade von der Feldgasse in die Rehberger Straße ein, nicht nach der Sandbrücke, sondern auf den Schloßplatz zu. Christine war in der Haustracht, deswegen ließ sie nur einige überstürzte Schritte auf der Gasse zu, ihm nachzueilen, und zu sehen, wohin es ihren Jochen führe, der eben in einer Weise vor ihr aufgebrochen war, wie sie es nur wenige Male während ihrer Ehe erlebt hatte. Gott, und wie lächerlich war seine Geheimnistuerei. Heute nach siebenjähriger Ehe erst erfuhr sie von seinem Jungenerlebnis mit seiner Mutter an den Lohtonnen.

Warum hatte er ihr das bisher verheimlicht? – Vielleicht wie Jungen ihre schönsten Murmeln vor den andern im Hosensack verbergen. Vielleicht auch … Christine hatte sich auf das Bänkchen unter den Vorbau gesetzt und strich sinnend ihre blaue Hausschürze zurecht … vielleicht auch … ach der liebe Mann! was für ein Kind war das doch! Erzählt mir mit verschluckter Stimme die schöne Geschichte mit seiner Mutter und will mir vielleicht nur sagen, daß er mit dem Grubeninspektor Neefe nichts zu tun haben will. Vielleicht …«, genau wußte sie es natürlich auch nicht, vermochte aber ein behagliches Lächeln nicht aus ihrem Gesicht zu vertreiben, während sie dies Vermutungsspiel weiter durch sich kreiseln ließ.

Indessen war die Sonne weiter gerückt, und das Bänkchen unter dem Frontspieß lag im Schatten, deswegen ging Christine auf das Bänkchen an den Lohtonnen, wo sie so oft mit dem alten Nathanael über Gott und die Welt gesprochen hatte. Dort spielte das Licht noch um die letzten Astern, und das junge Weib kam noch tiefer in das heitere Verwundern über ihren Wochen, der alles, aber auch alles viel zu gewichtig nahm und über einen Stein einen Schritt machte wie über einen Haufen.

Während Christine so auf den beiden Bänklein schalkhaft-ernst diesen kleinen Lebensumgang machte, stand Jochen Maechler lange draußen im Berggarten und betrachtete sich das Riesengebirge, zu dessen Besteigung sein Vater nie zu bringen gewesen war. Es lag mohnblau im Sonnenstaub des nahenden Abends, entrückt und verklärt. Warum hatte sich sein Vater nicht auf den Kamm getraut, da er doch sein ganzes Leben an allerlei Fernspielen verloren hatte? Dieser Gedanke überfiel ihn wider Willen. Denn gerade in der gegenteiligen Absicht, dem Kreisen um seinen Vater zu entfliehen, das durch das Trompeten dieses Neefe ihm wieder aufgezwungen wurde, war er von Christine weg auf das Feld gelaufen. Er war genötigt, sein Leben anders aufzubauen, ganz anders als fein Vater. Mochten sie lästern, mochten sie ihn loben. Das durfte ihn nicht irremachen. Nein, er wollte ein anderes Ende haben, als auf einer einsamen Bank im Tode zusammenzurutschen.

Eigentlich war er ja auch mehr das Kind seiner Mutter als seines Vaters. Von jeher, solange er denken konnte, hatte ihn eine unerklärliche Scheu von ihm zurückgehalten, und manchmal war es ihm gewesen, als stamme der Schattenwisch, der ihm den größten Teil seiner Kindheit getrübt hatte, von dem Vater her. Freilich, durch nichts konnte er das Recht auf diese Vermutung beweisen. Es war ein Wahn. Sicher nur ein Wahn. Aber er, Jochen, hatte ihn doch ebensowenig geschaffen als das Schattengespenst, das in der Nacht ihn so oft gepeinigt hatte. Wie von einer geheimnisvollen Dunkelmühle wurde Jochen Maechlers Innere bewegt. Instinkte stritten wider Instinkte und dieses schattenhafte inbrünstige Wogen nannte er Denken. Versunken hatte er sich währenddessen durch den langgestreckten Berggarten bis an das untere Ende bewegt, das durch einen Zaun gegen das Feld abgeschlossen war, in dem die Grandorfer und Trensdorfer Teiche lagen. Und es verlangte den Gerber, an ihren abendgoldenen Spiegeln hinzugehen und in ihre regungslosen Wasser zu sehen. Da käme vielleicht die gesegnete Mutterstille wieder über ihn, die vorhin am Heidewasser im Ziergärtchen aus der Vergangenheit ihm geschenkt worden war. Er öffnete die Lattentürchen und warf vor dem Hinaustreten noch einen unwirschen Blick auf die Totenbank seines Vaters. Da war es ihm, als erhebe sich wer von dem Sitze, strecke sich in die Länge und komme mit langsamen lautlosen Wolkenschritten direkt auf ihn zu, daß er bestürzt am offenen Pförtchen zur Seite trat, um Platz zu machen. Aber das Etwas strich ohne auf ihn zu achten, ja in einer gewissen ablehnenden Gleichgültigkeit an Jochen Maechler vorüber und verschwand in der Richtung auf die Teiche.

Der Gerber wartete, bis sein beklommener Atem wieder in Ordnung gekommen war, schüttelte den Kopf und begab sich auf den Heimweg. Denn an die Teiche konnte er doch nun nicht mehr gehen. Es hatte heute wieder alles Fug an ihn und was war dann noch möglich, wenn er dem Unbegreiflichen am Wasser begegnete!

Als er, schon im tiefen Abend, heimkehrte und in die Nähe des Maechlerhauses auf der Feldgasse kam, schloß sich automatisch die Tür zu seiner weiträumigen Tiefenwelt, und er befand sich wieder in der engen drangvollen Welt seines wachen Bewußtseins, warf kaum einen Blick auf die Umgebung seines Hauses, als er das Vorgärtlein durchschritt, dachte nicht mit einem Gemütshauchen an seine Frau, sondern eilte in die Wohnstube an den Schreibschrank und machte sich über seinen Geldvorrat her, eifrig und so ängstlich verbissen, daß er vergaß, seine Mütze abzunehmen. Jeden Tag fast machte Jochen Maechler einen »Überschlag« seines Besitzes und geriet dann immer, das eine Mal mehr, das andere Mal weniger, in eine Art leidenschaftlicher Besessenheit, zählte seine Barschaft im ganzen durch, teilte die Summe nach einem schnell entworfenen Schema in verschiedene Posten, überdachte alles sorgenvoll, strich das Ganze wohl wieder zusammen, änderte das Schema der Verteilung und begann abermals die Scheidung der Summe nach verschiedenen Positionen. Das alles ging nicht so einfach und friedlich vonstatten, nein, bald lachte Jochen Maechler sich höhnisch aus, bald fluchte er unterdrückt, bald warf er das Silbergeld ärgerlich durcheinander, daß es schwirrte, rückte seine Mütze auf dem Kopfe hin und her und lehnte sich zuletzt, erschöpft und ratlos in dem Stuhle zurück, wie einer, dem sein Leben ganz durcheinandergeraten ist.

Heut war es besonders schlimm, da er darauf bestand, die Kosten für die Beerdigung seines Vaters einzukalkulieren, und nach seiner Schätzung fand, daß die voraussichtliche Forderung der Kirche wahrscheinlich alle geschäftlichen Überschüsse verschlingen würde.

»Jawohl, kahlgefressen«, brummte er immer wieder leise, während er behutsam und in achtungsvoller Umständlichkeit alles wieder in den Schreibschrank räumte, die Klappe verschloß und dann den Schlüssel lange mit einer so bohrenden Aufmerksamkeit betrachtete, als könne er dadurch einer Ordnung auf die Spur kommen, die seine geschäftlichen Überschüsse vor dem Zugriff der Kirche rettete. Aber er fand nichts als die vage, schon so oft zurückgewiesene Hoffnung, der alte Pfarrer Kelwel werde in Rücksicht auf die enge Freundschaft mit seinem Vater auf jede Forderung verzichten … »Nun ja«, sann Jochen Maechler, »warum könnte es nicht sein? Über ein halbes Jahr ist mein Vater begraben und noch immer hat mir das Pfarramt keine Rechnung geschickt.« Doch indem er diese Überlegung überdachte, stellte sich hinterrücks die andere Deutung ein, der Pfarrer säume so lange mit der Überreichung seiner Forderung aus purem Mitleid, weil die Beerdigungskosten wegen der ungewöhnlichen Feierlichkeit auch ungewöhnlich hoch seien.

Am liebsten hätte der Meister jetzt den Schlüssel in eine Ecke gefeuert. Aber er bezwang sich, steckte ihn seufzend in die innere Westentasche, löschte das Licht aus und griff sich im Finstern in die Schlafstube, während er dumpf fatalistisch immer vor sich hinbrummte: »Ja, ja, kahlgefressen.«

Christine, die das vielfältige Geldrumoren ihres Mannes vom Bett aus mitangehört hatte, stellte sich beim Eintritt Jochens schlafend und wartete, bis er unters Deckbett gekrochen, mit einem langen Atemstoß sich auf seinem Lager ausstreckte, daß die Bettstatt krachte und noch einmal in die Nacht über sich dumpf das Stoßgebet seines Ärgers gemurmelt hatte:

»Na ja, kahlgefressen … abgeschabt …«

Da stieß Christine, wie von seinem Reden aus tiefem Schlaf erweckt, ein gut gemachtes Gähnen aus und fragte mit traumschwerer Zunge: »Was hat's denn, Jochen?«

»Nichts wird's haben.«

»Wie denn?«

»Wenn alles bezahlt sein wird.«

»Aber, Jochen, schlaf! Wir haben doch keine Schulden.«

Der Gerber gab drauf erst keine Antwort, sondern lag stockstill und ließ am Ende des erzwungenen Schweigens den Atem wieder lang und beladen ausgehen. Dann aber reckte er unwirsch seinen Oberkörper halb auf und bohrte ärgerlich seinen Blick durch die finstere Stube nach der gegenüberliegenden Wand, wo das Bett seiner Frau stand.

»So, das sagst du so daher«, polterte er erregt, »Ist der Vater nicht wie ein Graf begraben worden? Siehst du! Und wie ein Graf werd ich bezahlen müssen. Wie ein Graf, bis ich keinen Pfennig, sondern nur noch Haut zwischen Daumen und Zeigefinger fühle. – Das kommt, ich fühl's, das kommt, jetzt eher wie früher, ja, wo es nun durch alle Gassen läuft, mein Vater sei so was wie ein König von Wilkau gewesen.«

Dann lachte er höhnisch heraus, denn er glaubte seine Frau damit niedergeschmettert zu haben. Die aber zog das Deckbett über den Mund, um die Fröhlichkeit zu unterdrücken, daß Jochen nun selber auf den Weg gestolpert war, auf den sie ihn haben wollte, und dann fragte sie naiv wie ein Kind: »Ach so, da meinst du, der Inspektor Neefe könnte dir schaden?«

Jochen erwiderte nichts darauf und gab so ihrer Vermutung durch sein Schweigen recht. Sie kannte diese Art ihres Mannes, in wortloser Heimlichkeit alles in sich zurecht zu legen, an einer anderen Stelle sich seiner Spannung zu entledigen und war er dann ertappt, abermals in Schweigen zu verfallen. Sonst hatte sich Christine mit diesem heimlichen Zugeständnis ihres Mannes zufrieden gegeben und die beiden waren dann einträglich wieder durch die Tage gegangen. Heute aber wurde die entschiedene Frau von der Überzeugung gepackt, diese vielschielende Dunkelheit müsse zum Besten ihres Mannes aus der Welt geschafft werden. Deswegen wartete sie wohl noch ein Weilchen auf die Entgegnung Jochens. Als sie aber ausblieb, schlug Christine mit dem Ausruf »Nein Jochen, so geht das nicht!« resolut das Deckbett zurück, ging entschlossen zu ihrem Mann hinüber, schlüpfte zu ihm auf sein Lager und begann nun dem heillos Verstockten klarzumachen, daß er mit dieser rätselhaften, für sie vollkommen unverständlichen Abneigung gegen den Inspektor Neefe sich, seinem Geschäft und Ruf den größten Schaden zufüge, stillschweigend den Ehrabschneidern am Ruf seiner Familie recht gebe, ja vielleicht den tapferen Inspektor so verbittere, daß er sich ganz von ihm abwende und den guten Maechlernamen in der Giftmühle dieser Hundezungen bis zum letzten Brösel zerreiben lasse. Dann könne er alle Lohtonnen ausschütten und mit den zweigriffigen Messern Luft schaben. Dem Meister blieb gar keine Gelegenheit, in den leidenschaftlichen Redestrom seines Weibes einzugreifen. Er konnte nur da und dort ein widersprechendes Knurren anbringen. Aber je mehr sie sich erregte, je näher sie an ihn heranrückte, je eindringender und zärtlich beschwörender ihre Worte wurden, desto mehr schwand jeder heimliche Widerspruch des Mannes, und als am Ende gar in ihrer Stimme das Zittern unterdrückter Tränen zu spüren war, schloß der nachgemachte Riese sein »liebes, gutes, kluges Christel« in die Arme und sagte zu allem Ja und Amen.

Dann sanken die beiden in den Liebesspiegel, der glückhaft und heiß wie je durch sie hinzog, und keinem kam der Gedanke, daß aus dieser seligen Verschmelzung die lautlosen Hämmer der Notwendigkeit ein neues Glied der Schicksalskette zu schmieden begannen, an der das Geschlecht der Maechler über die Erde geführt wurde.


 << zurück weiter >>