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Von dem Tage der Verkündigung an bis zu dem der Hochzeit war ein groß Gerede, wie sie sich nun überheben werde, wie sie hochmüthig fahren, und wie sie übermüthig thun werde. Anna aber war nicht so: sie konnte vor Scham kein Auge aufschlagen. Die ganze Gasse der grünen Fichtau stand gedrängt voll Menschen, da die Stunde gekommen, wo er sie zum Wagen führte, um in die Kirche zu fahren. Ihre Wangen, da sie an den Leuten vorbeiging, waren so purpurroth, daß man meinte, sie müßten sie brennen; die Augenlieder schatteten darüber, und sie getraute sich keines zu rühren, weil sonst Thränen fielen. Alle ihre Mitschwestern aus der ganzen Fichtau waren gekommen, um zu sehen, wie sie gekleidet, und geschmückt sei. Aber nur ein einfach weißes Seidenkleid floß um ihre Gestalt, und in den Haaren war ein sehr kleines grünes Kränzlein, und eine weiße Rose aus ihrem Garten. Sie hatte die Steine doch wieder in der Kammer gelassen, weil es ihr als Sünde vorkam, sie an dem heutigen Tage zu tragen. So ging sie vorüber, und als er mit ihr bis zu dem Wagen gekommen war, sah man, daß von der Hand, bei der er sie führte, kaum zwei Finger die seine berührten, und daß diese Finger zitterten. Auch der Schleier, der zunächst ihrer linken Wange und dem Nacken hinabging, bebte an ihren schlagenden Pulsen, und man sah es, da sie vor dem Wagen ein wenig anhielt, um hineinzusteigen.
»Das ist eine demüthige Braut,« sagte ein Weib aus dem Volke.
»Das ist die schönste, demüthigste Braut, die ich je gesehen,« sagte eine andere.
Und aus dem Flüstern und aus dem Gemurmel der Zuschauer gingen die deutlichsten Zeichen des Beifalles hervor. Anna wurde dadurch nur noch verwirrter, wie er sie einhob, und sie sich zurechtsetzte. Er stieg nun auch in denselben Wagen, in dem bereits eine schöne alte Frau saß, die niemand kannte. Es war Heinrichs Mutter. Dann besetzten sich auch die andern Wagen mit Erasmus, dem Schmiede, mehreren Fichtauern und Fremden. Anna's Mutter mußte eingehoben werden, weil sie mit ihrem Fuße vor Verwirrung den Wagentritt nicht finden konnte.
Endlich fuhr die ganze Wagenreihe gegen Priglitz ab, wobei sich viele mit ihren Gebirgswägelchen anschlossen. Erst, da Alle der Steinwand des Julius entlang flogen, löste sich die Volks- und Gebirgslust, die vorher gefesselt war, los, und manche Rufe, und das klingendste Jauchzen des Gebirges flogen ihnen nach – es flog doppelt freudig, weil einer ihrer Herren eine aus ihrer Mitte gewählet. Auch aus mancher Waldhöhe längs dem Wege krachte ein Pöller empor, der aus einem Holzstocke gebohrt war, oder es löste sich das Scheibengewehr, oder die Jagdbüchse manches lustigen Fichtauers.
Auch Anna schien von Ehrfurcht überkommen zu sein; denn dieselben Augen, die ihn sonst, wie er noch mit Pflanzen und Steinen nach Hause gekommen, so freundlich angeblickt hatten, schlugen sich auch während des Fahrens nicht ein einziges Mal zu ihm auf – sondern sie weinten nun fast unablässig fort.
Er redete ihr nicht zu, sondern er dachte an Chelion, wie sie kaum so rein, so schön, so schuldlos gewesen sei, als wie die an seiner Seite, und er bezähmte sein Herz, daß es nur nicht breche vor Freude und vor Glück.
Als die Trauung vorüber war und die Wagen wieder zurückkehrten, zeigte sich ein Bild, das fast rührend erschien. Auf der Gasse der grünen Fichtau, wo hundert Wagen Platz gehabt hätten, standen nun hundert Tische. Der neue Graf hatte keine große Familie, und keine hohen Verbindungen. Seine Gäste waren daher alle Fichtauer. Sie waren seine Unterthanen, also seine Verwandten. Dieselben Holzschläger, mit denen er sich sonst an Samstags-Abenden unterredet hatte, dieselben Jäger, die gerne eingesprochen, und alle Andern saßen herum und tranken heute den besten Wein aus Erasmus Keller, und den noch bessern aus den Fässern des uralten Ruprecht. Daneben saß der verständige heitere Schlag der Gebirgsbauern, und Heinrich mit Anna mitten unter ihnen. Den Ehrenplatz nahm Erasmus ein, und neben ihm Anna's und Heinrichs Mutter; man sah seinen Stuhl aber häufig leer; denn nach alter Gewohnheit ging er unter den Gästen herum, als müßte er sie auch heute bedienen, und fragte und redete, und ordnete an. Sein großer Hund folgte ihm hiebei, und manchmal legte er sein Haupt vertraulich auf Heinrichs Knie, und schaute mit dummen Augen zu seiner Herrin, Anna, hinauf. Neben den Brautleuten saßen Robert und Thrine und Heinrichs Schwester. Der Boten-Simon konnte nicht da sein, weil es sein Amt nicht zuließ, aber geladen war er, und er erhielt als Entschädigung einen Zinsnachlaß seines Grundstückes im Asang. Aber der Hirt Gregor war da, und sein Sohn und sein Hund durften heute die Heerde noch lange vor Sonnenuntergang nach Hause geleiten, damit sie den Abend mit genießen könnten. Alle Nachbarsleute des Erasmus saßen zunächst an ihm, und jeder Wanderer, der des Weges kam, war freundlich geladen. An den Gränzen der Gesellschaft, und hie und da selbst zwischen den Tischen balgte sich die Knabenschaft der Fichtau, und hinter dem Garten gegen den Grahns zu krachten schon die Vorübungsschüsse zu dem großen Scheibenschießen, das auf morgen und die folgenden Tage angeordnet war. – Und so entstand vor der grünen Fichtau ein Gebirgsfest, dessen man denken wird, so lange ein Berg steht.
Heinrich redete mit so Vielen, als er nur konnte; er ließ sich von den Holzknechten noch einmal von ihren Arbeiten und Abenteuern erzählen. Er hörte den kühnen Fahrten der Jäger zu, und fragte manchen Bauer um die Lage seines Gutes, dessen Bewirthschaftung und Erträgniß. Und ehe noch von den Bergen das kleinste Stückchen Schatten auf die Gesellschaft hereinfiel, hatte er schon alle Gemüther gewonnen, und Jeder, etwa die ganz Rohen und Mißgünstigen ausgenommen, gönnte Anna von Herzen ihr Glück.
Ein Abend, wie wir ihn am Eingange dieser Geschichte erzählt haben, kam auch heute prachtvoll und herrlich: »die Sonne war über die Waldwand hinunter, und warf kühle Schatten auf die Pernitz – im Rücken der Häuser glühten die Felsen, und wie flüssiges Gold schwamm die Luft über all den grünen Waldhäuptern weg.
Und immer feierlicher floß die Abenddämmerung, immer abendlicher rauschten die Wasser der Pernitz, und immer reizender klangen die Zittern.«
Nur daß heute auch noch die Bursche mit den kühnen Gebirgsaugen die sanftblickenden, aber gleichwohl feueraugigen Mädchen an manchen Stellen zu den Zittern im Tanze herumdrehten, und daß der Mond schon viel länger, als damals, auf die Häuser hereinschien, ehe es auf der Gasse der grünen Fichtau verstummte.
Da aber endlich fast gegen Morgen die letzte Gruppe Abschied genommen hatte, und es stille war, folgte keine Scene im Garten, wie damals, sondern Heinrich schlief schon lange auf seiner einstigen Stube neben Robert, seinem Gaste, und Anna war mit Thrinen in ihrem einstigen Stübchen; aber sie schliefen nicht, sondern konnten sich nicht sättigen von Plaudern und Erzählen.