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1. Titus, der den Beinamen (Vespasianus) nach seinem Vater führte Während sein Bruder und Nachfolger Domitian diesen Beinamen von seiner Mutter, der Flavia Domitilla, führte., war die Liebe und Freude des menschlichen Geschlechts: – so überreich ausgestattet war er, sei es durch Natur oder durch Kunst oder an Glück, zur Gewinnung der allgemeinen Zuneigung, und zwar, was das schwierigste ist, auf dem Throne, während er als Privatmann, und selbst noch als sein Vater bereits Kaiser war, nicht nur dem öffentlichen Tadel unterlag, sondern sogar förmlich gehaßt wurde. Er wurde geboren am 30. Dezember des Jahres, in welchem Gajus ermordet ward, nahe bei dem Septizonium Diese Stelle dient zum Beweise dafür, daß es schon vor dem gleichnamigen Bauwerke des Kaisers Septimius Severus ein Gebäude dieses Namens zu Rom gegeben hat, das denselben von den sieben Säulenstockwerken führte, die sich übereinander in Abständen erhoben. Vgl. Beschreibung Roms von Platner und Urlichs S. 29. in einem ärmlichen Hause und obenein in einem überaus kleinen und finsteren Zimmer; dasselbe ist nämlich noch heute in seinem alten Zustande vorhanden und wird gezeigt.
2. Erzogen wurde er am Hofe in Gesellschaft des Britannicus, mit dem er gleichen Unterricht bei denselben Lehrmeistern genoß. Damals, sagt man, soll ein Physiognom Im Texte steht: »ein Metoposkopus«, d. h. wörtlich: »ein Stirnbeschauer«. Die Kunst, Schicksal und Charakter aus den Gesichtszügen und anderen körperlichen Eigentümlichkeiten zu bestimmen, wurde bei den Griechen und Römern geübt, zu denen sie, wie so vieles andere, aus dem Orient gekommen war. Ein interessantes Beispiel solcher von dem Physiognomen Zopyrus an Sokrates vorgenommenen Untersuchung erzählt uns Cicero in der Schrift Vom Fatum, Kap. 5 und Tusculanen IV, 37., welchen Narcissus, der Freigelassene des Claudius, einführte, um den Britannicus zu beschauen, die zuversichtlichste Erklärung abgegeben haben: » der letztere werde niemals, Titus aber«, der bei dieser Untersuchung zugegen war, » werde jedenfalls einmal Kaiser werden«. Sie waren aber so vertraut miteinander, daß von dem Gifttranke, an dessen Genusse Britannicus starb, auch der neben ihm bei Tafel liegende Titus gekostet und lange davon schwer gekrankt haben soll. Im Gedenken an alles dieses setzte er ihm später eine vergoldete Statue im Palatium und weihte ihm eine zweite von Elfenbein, eine Reiterstatue, die auch heute noch bei dem feierlichen Circusaufzuge mit voraufgeführt wird und die er bei ihrer ersten Aufführung persönlich begleitete.
3. Schon an dem Knaben traten die glänzenden Körper- und Geistesgaben hervor, die sich dann im Verlaufe der Zeit mit den fortschreitenden Altersstufen immer mehr und mehr entwickelten: seine überaus schöne äußere Erscheinung, in welcher sich Würde mit Anmut harmonisch verbunden zeigten; ein ausgezeichnet kräftiger Körper, obschon sein Wuchs nicht hoch und sein Unterleib etwas stark war; ein wunderbares Gedächtnis, Geschick zu fast allen Künsten des Krieges wie des Friedens. In Führung der Waffen und des Rosses übertraf ihn keiner. Sowohl in der lateinischen wie in der griechischen Sprache war er ein fertiger Redner und Dichter, mit einer Leichtigkeit, die sogar bis zum Improvisieren ging. Ja, selbst in der Ausübung der Musik war er kein Fremdling, wie er denn anmutig und geschickt sang und die Zither schlug. Viele Personen haben mir erzählt, daß er sich auch geübt hatte, auf das geschwindeste in Zeichenschrift nachzuschreiben, wobei er sich oft mit seinen Schreibern zum Scherz in einen Wettstreit einließ, sowie er auch alle Handschriften nachzumachen verstand, die er irgend einmal gesehen hatte, weshalb er denn auch oft versichert habe: » er hätte der größte Fälscher sein können!«
4. Als Kriegstribun diente er sowohl in Germanien, als in Britannien, und erwarb sich überall den Ruf eines ebenso tätigen, als uneigennützigen Mannes, wie dies aus der Menge der ihm in beiden Provinzen gesetzten Statuen, Bildnisse und Inschriften sich herausstellt. Ich glaube nicht, daß es eine Stelle gibt, welche so entscheidend ist für die weite Verbreitung der hier angeführten Sitte der Monumentalporträts und Ehrenbildnisse, selbst in so entlegenen Teilen des Römischen Reichs, wie Germanien und Gallien. Titus war, als er seine ersten Kriegsdienste in jenen Provinzen tat, ein junger Mensch von etwa zwanzig Jahren, war bloßer Kriegstribun, und doch kann Sueton von einer » Menge« von Ehrenstandbildern, Bildnissen und Inschriften reden, die man ihm in beiden Provinzen setzte! Aus dem Felde heimgekehrt, versuchte er sich als Sachwalter auf dem Forum, und zwar mehr in Sachen, wo Ehre zu gewinnen war, als daß er eine fortwährende Übung seiner Tätigkeit gesucht hätte. In dieselbe Zeit fällt auch seine Verheiratung mit der Aricidia Tertulla, deren Vater zwar nur römischer Ritter, aber früher Präfekt der kaiserlichen Leibwache gewesen war. Als sie starb, heiratete er die Marcia Furnilla aus glänzender Familie, von der er sich aber, nachdem sie ihm eine Tochter geboren, wieder trennte. Nachdem er hierauf die Quästur bekleidet hatte, erhielt er das Kommando einer Legion, in welcher Stellung er Tarichäa und Gamala, zwei wohlbefestigte Städte Judäas, unterwarf. In einem der hierbei vorfallenden Treffen ward ihm sein Pferd unter dem Leibe getötet, worauf er sich auf ein anderes schwang, dessen Reiter er im Kampfe niedergestreckt hatte. Ich übersetze nach der Lesart contra se statt circa se, weil es mir bezeichnender scheint für das Lob der Tapferkeit, das hier Sueton dem Titus spenden will, daß derselbe sich das Pferd erst selbst erkämpft, während die Tatsache, daß er sich, nachdem ihm sein Streitroß erschossen, auf ein anderes setzte, gar keine Bedeutung hat.
5. Als er bei der Thronbesteigung Galbas abgesendet wurde, um denselben zu beglückwünschen, glaubte man überall, wo er unterwegs durchkam, daß Galba ihn, um ihn zu adoptieren, nach Rom kommen lasse. Ebenso Tacitus, Historien II, 1. Auf die Nachricht aber, daß in Rom neue Unruhen ausgebrochen seien, kehrte er unterwegs Er war in Korinth angekommen. Tacitus. wieder um, und als er das Orakel der Paphischen Venus Ausführlicher Tacitus, Historien II, 4. Die Stadt Paphos auf der Insel Cypern war Hauptort des Kultus der Aphrodite, die dort einen glänzenden Tempel hatte und die bekanntlich auch unter dem Beinamen Euploia, d. h. »die glückliche Fahrt gebende«, verehrt ward. Siehe Torso I, S. 342. über seine Seefahrt befragte, bestärkte dasselbe zugleich seine Hoffnung auf den Thron. Bald sah er diese Hoffnung zur Gewißheit erhoben Durch die Erhebung seines Vaters auf den Thron.; sein Vater ließ ihn in Judäa zurück, um dessen Unterwerfung zu vollenden, wo er zuletzt bei der Belagerung von Jerusalem zwölf Feinde mit ebensoviel Pfeilschüssen erlegte. Er eroberte die Stadt am Geburtstage seiner Tochter, und der Jubel und die Begeisterung seiner Soldaten für ihn war so groß, daß sie ihn bei der Beglückwünschung als » Imperator« begrüßten und ihm, als er sich bald darauf anschickte, die Provinz zu verlassen, zurückzuhalten versuchten, indem sie ihn flehentlich, ja selbst mit Drohungen beschworen: » entweder bei ihnen zu bleiben oder sie alle insgesamt mit sich zu nehmen«. Daher entstand der Verdacht, als habe er von seinem Vater abfallen und sich zum Könige des Orients machen wollen. Diesem Verdachte gab der Umstand neue Nahrung, daß er auf seinem Zuge nach Alexandria, als er bei Memphis der Konsekration des Ochsen Apis beiwohnte, ein Diadem trug, was zwar ganz der Sitte und dem Ritus jener alten religiösen Feier gemäß war, aber doch von geschäftigen Zwischenträgern anders ausgelegt wurde. Deshalb beeilte er sich, nach Italien zu kommen, fuhr auf einem bloßen Transportschiffe nach Rhegium und von dort nach Puteoli und reiste von da sofort in höchster Schnelligkeit nach Rom, wo er den überraschten Vater, gleichsam um den Ungrund der gegen ihn ausgesprengten Gerüchte zu beweisen, mit den Worten begrüßte: » Da bin ich, Vater, da bin ich!«
6. Seitdem war und blieb er der Teilnehmer, ja die Stütze der Regierung seines Vaters. Er triumphierte mit demselben und bekleidete die Censur mit ihm zugleich, sowie er auch der Kollege desselben in der tribunizischen Gewalt und in sieben Konsulaten war. Er übernahm fast alle Regierungsgeschäfte, diktierte sogar Briefe in seines Vaters Namen, verfaßte die Edikte, verlas statt des Quästors die kaiserlichen Ansprachen im Senate und übernahm endlich auch das Oberkommando über die Garden Die Präfectura Prätorii., das bis dahin immer nur ein römischer Ritter innegehabt hatte, verfuhr aber in dieser Stellung sehr tyrannisch und gewalttätig. So ließ er z. B., so oft er gegen irgendjemand starken Verdacht hatte Daß derselbe etwas gegen die neue Dynastie im Schilde führe., denselben sofort auf die Manier ums Leben bringen, daß er Leute anstiftete, die in den Theatern und in den Lagern gleichsam im Namen aller die Bestrafung desselben laut fordern mußten. Einen solchen Verdächtigen, den Aulus Cäcina, einen Mann konsularischen Ranges, lud er zur Tafel und ließ ihn in demselben Augenblicke, wo er den Speisesaal verließ, niederstoßen. Freilich war hier Gefahr im Verzuge, da ihm sogar der eigenhändig geschriebene Entwurf einer Rede, welche der Mann an die Soldaten zu halten gedachte, zu Händen gekommen war. Allerdings sorgte er durch solche Handlungsweise gehörig für seine künftige Sicherheit; allein für den Augenblick machte er sich dadurch überaus verhaßt, so daß man wohl sagen mag, daß nicht leicht ein Fürst mit so üblem Rufe und mit solcher allgemeinen Ungunst den Thron bestiegen hat.
7. Außer seiner Grausamkeit hatte man ihn auch im Verdachte der Schwelgerei, weil er die Trinkgelage mit seinen liederlichen Genossen bis tief in die Nacht ausdehnte, und ebenso im Verdachte der Wollust, wegen des Schwarms von Lüstlingen und Verschnittenen um ihn her und wegen der heftigen Liebesleidenschaft für die Königin Berenice, der er, wie man allgemein sagte, sogar die Ehe versprochen hatte. Über diese höchst interessante Verbindung des Titus mit der schönen jüdischen Fürstin handelt vortrefflich Salvador in seinem Werke: Judäa unter der Römerherrschaft«, T. II, S. 119-140 der deutschen Übersetzung. Sie war, ehe sie Titus kennen lernte, zweimal vermählt, zuletzt mit Herodes, ihrem Onkel, der das kleine Königreich Chalcis besaß. Obschon dreizehn Jahre älter als Titus, war sie doch in ihrem 39. Jahre, als dieser sie kennen lernte, noch von höchster Jugendschönheit. Es ist keinem Zweifel unterworfen, daß Titus in heimlicher Ehe mit ihr vermählt war, als er sich, durch den Unwillen der Römer bewogen, nach zwölfjähriger Verbindung aus Staatsrücksichten von ihr trennte. Ihr weiteres Schicksal ist unbekannt. Auch im Verdachte der Habsucht hatte man ihn, weil es bekannt war, daß er mit den richterlichen Entscheidungen seines Vaters einen Handel trieb und Bestechungen annahm. Mit einem Worte, man hielt ihn und nannte ihn offen einen zweiten Nero. Ihm aber kam dieser Ruf zustatten und verwandelte sich in die größte Bewunderung, da man an ihm (als Kaiser) nicht nur keines dieser Laster, sondern im Gegenteil die herrlichsten Eigenschaften erfand. Die Gastgebote, die er hielt, waren mehr anmutig heiter, als verschwenderisch. Die Freunde, die er sich erlas, waren Männer, welche auch die nach ihm regierenden Kaiser als notwendig für ihr eigenes wie für des Staates Wohl beibehalten und vorzugsweise in ihrem Dienste verwendet haben. Die Berenice sandte er unmittelbar nach seiner Thronbesteigung aus Rom fort, so schmerzlich es ihn und sie auch ankam. Einigen seiner liebsten Favoriten, obschon dieselben so treffliche Tänzer waren, daß sie später selbst auf der Bühne alles überflügelten, entzog er nicht nur seine bisherige übermäßige Gunst, sondern vermied es sogar, auch nur ihre Leistungen überhaupt öffentlich zu sehen. Keinem Bürger entzog er das geringste; fremdes Eigentum hielt er heilig, wie kaum sonst jemand; ja, selbst die erlaubten und gewöhnlichen Geschenke Siehe Caligula, Kap. 42. nahm er nicht an. Und dennoch stand er keinem seiner Vorgänger an Freigebigkeit nach. Als er das Amphitheater S. Vespasian, Kap. 9. eingeweiht und neben demselben in großer Schnelligkeit Bäder erbaut hatte, gab er ein prachtvolles und mit allem reichlich ausgestattetes Festspiel. Er gab auch ein Seegefecht in der alten Naumachie S. Augustus, Kap. 43; Nero, Kap. 27., ebendaselbst Das Wasser wurde dazu durch Röhren abgeleitet und so das Bassin trockengelegt. auch ein Gladiatorenkampfspiel, und an einem einzigen Tage eine Tierhetze von fünftausend der verschiedensten wilden Tiere.
8. Von Natur überaus wohlwollend, war er der erste Kaiser, der die vor ihm erteilten Gnaden samt und sonders durch ein einziges Edikt bestätigte, ohne sich darum ansuchen zu lassen, während nach einem von Tiberius eingeführten Regierungsgrundsatze alle auf ihn folgenden Kaiser die von ihren Vorgängern erteilten Gnaden nur dann für gültig erklärten, wenn sie selbst dieselben den betreffenden Personen auf deren erneutes Ansuchen gewährt hatten. Bei allen an ihn gerichteten Bittgesuchen der Menschen hielt er aufs strengste an dem Grundsätze: niemand ohne Hoffnung zu entlassen. Und wenn ihm seine Vertrauten bemerklich machten: » er verspreche mehr, als er leisten könne«, gab er zur Antwort: » es dürfe keiner, der mit dem Kaiser gesprochen, traurig hinweggehen«. Ja, als ihm einmal bei Tafel einfiel, daß er an dem ganzen Tage niemand etwas geleistet habe, tat er jenen denkwürdigen und mit Recht gepriesenen Ausruf: » Freunde, ich habe einen Tag verloren!« Vornehmlich das Volk in seiner Gesamtheit behandelte er bei allen Gelegenheiten mit solcher Leutseligkeit, daß er einmal bei Gelegenheit der Ankündigung eines Gladiatorenkampfspiels öffentlich erklärte: er werde sich dabei nach dem Geschmack des Volkes und nicht nach dem seinen richten. Und völlig so tat er: er gewährte ihm nämlich alles, um was es bat, und forderte es ausdrücklich auf, alle seine Wünsche auszusprechen. Ja, da er für seine Person seine Vorliebe für die Fechter in thrakischer Waffenrüstung offen zur Schau trug, neckte er sich wiederholt mit dem Volke in Reden und Gebärden in Bezug auf diese Vorliebe Er neckte das Volk, das andere Parteien der Fechter begünstigte, wenn diese gegen die von ihm begünstigten Thraker unterlagen., doch ohne daß seine kaiserliche Würde oder die Billigkeit darunter litten. In seinem Streben, sich populär zu machen, ging er so weit, daß er zum öftern, wenn er in den von ihm erbauten Thermen Vgl. Ein Jahr in Italien, T. II, S. 280 und 351 ff. badete, dem geringen Volke freien Zutritt gewährte.
Mehrere große Unglücksfälle ereigneten sich unter seiner Regierung; so der Ausbruch des Vesuvberges in Kampanien Der die Städte Pompeji, Herculanum und Stabiä begrub, im Jahre 79 nach Chr. – Die Pest brach das Jahr darauf aus., ein Brand zu Rom, der drei Tage und drei Nächte anhielt, desgleichen eine Pest von solcher Furchtbarkeit, wie sie vielleicht sonst nie vorgekommen war. Bei diesen vielen großen Unglücksfällen bewies er nicht nur die Sorgsamkeit des Fürsten, sondern auch die in ihrer Art einzige Liebe eines Vaters. Hier sprach er durch Edikte Trost zu, dort brachte er, soweit seine Kräfte reichten, Hilfe. Er setzte eine aus den gewesenen Konsuln durchs Los erwählte Kommission nieder, die sich mit der Wiederherstellung des in Kampanien angerichteten Schadens beschäftigen mußte. Das Vermögen der beim Ausbruche des Vesuvs Umgekommenen, von denen keine Erben vorhanden waren, wies er an zur Wiederherstellung der von jenem Unglück heimgesuchten Städte. Nach dem Brande in Rom erklärte er: daß der Schaden, welcher der Staat an öffentlichen Gebäuden erlitten, ihm allein zur Last falle, und verordnete, allen Schmuck der kaiserlichen Lustschlösser für die Wiederherstellung der öffentlichen Monumente und Tempel zu verwenden, und setzte zur Beschleunigung der hierauf bezüglichen Arbeiten eine Aufsichtskommission aus römischen Rittern ein. Um den Gesundheitszustand zu verbessern und die Kraft der Krankheiten zu brechen, ließ er kein Mittel der Religion und Arzneiwissenschaft unversucht, indem er alle Arten von Sühnopfern und Heilmitteln anwandte. Zu den Übeln der Zeitläufte gehörten auch die Angeber und deren Anstifter, die seit lange ihr Wesen frech getrieben hatten. Diese ließ er regelmäßig auf dem Forum mit Peitschenhieben und Stockschlägen züchtigen, dann durch die Arena des Amphitheaters zur Schau führen und zuletzt teils als Sklaven verkaufen, teils auf die ungesundesten Inseln deportieren. Und um Leuten ihres Gelichters auch für die Zukunft ein für allemal das Handwerk zu legen, verordnete er unter anderem: daß eine und dieselbe Klagesache nur einmal, mit Berufung auf ein einziges Gesetz, anhängig gemacht und daß über den Stand eines Verstorbenen nur binnen einer bestimmten Frist eine Untersuchung angestellt werden dürfe. Durch die erstere dieser Bestimmungen verhinderte er die Schikanen, daß eine und dieselbe Anklage, wenn der Ankläger damit durchgefallen war, weil das Gesetz, auf das er sich berief, nicht paßte, unzählig oft unter Berufung auf ein anderes Gesetz erneuert werden konnte. Die zweite Verordnung machte den Schikanen ein Ende, zufolge deren noch viele Jahre nach dem Tode eines Erblassers seine Testamentsverfügungen dadurch angegriffen werden konnten, daß man z. B. aus Untersuchung darüber antrug, ob er wirklich ein römischer Bürger oder nur ein Freigelassener u. s. w. gewesen sei.
9. Das Oberpontifikat nahm er seiner ausdrücklichen Erklärung zufolge nur darum an: » um seine Hände rein (von Blut) erhalten zu können« »Weil ein Priester nicht einmal einen Leichnam betrachten, geschweige denn selbst Blut vergießen durfte.« Bremi.; und er hielt Wort. Denn von der Zeit an wurde niemand auf seinen Befehl oder auch nur mit seiner Einwilligung getötet. Und obschon ihm mehrmals die Ursache zu solcher Strafe nicht fehlte, so versicherte er doch jedesmal hoch und teuer: » er wolle lieber sterben, als (andere) verderben«. Sterben, – verderben ist im Original ein Wortspiel von ähnlichem Gleichklange: periturum – perditurum. Zwei Männer von patrizischer Familie waren überwiesen worden, nach dem Throne gestrebt zu haben. Titus begnügte sich damit, sie zu ermahnen, von ihrem Vorhaben abzustehen, weil, wie er sagte, » der Thron vom Schicksal verliehen werde«; wünschten sie sonst etwas, so werde er es ihnen bewilligen. Und so schickte er denn auch auf der Stelle an die Mutter des einen, welche sich von Rom weit entfernt befand, seine Kuriere ab, um der bekümmerten Frau zu melden, daß ihr Sohn nichts zu fürchten habe. Ja, er zog beide nicht nur zu seiner eigenen Tafel, sondern ließ ihnen auch am folgenden Tage bei dem Gladiatorenspiele ihre Plätze mit Fleiß in seiner nächsten Umgebung anweisen und bot ihnen die ihm überreichten Eisenwaffen der Kämpfer gleichfalls zur Besichtigung dar. Auch erzählt man, daß, als er sich das Horoskop beider hatte mitteilen lassen, er prophezeit habe: » es drohe ihnen beiden Gefahr, aber erst in Zukunft und von einem anderen«, wie es denn auch eintraf. Seinen Bruder, der ihm unaufhörlich Schlingen legte, ja fast offenbar die Heere zur Empörung aufforderte und endlich Fluchtversuche machte, konnte er sich nicht entschließen zu töten oder zu verbannen, ja nicht einmal ihn mit minderer Auszeichnung zu behandeln. Vielmehr fuhr er fort, ihn, wie vom ersten Tage seiner Regierung an, als Mitregenten und Nachfolger öffentlich zu behandeln, und nur zuweilen beschwor er ihn unter vier Augen mit Tränen: » doch endlich einmal seine brüderliche Liebe zu ihm durch Gegenliebe zu erwidern«.
10. Mitten in einer so trefflichen Regierung raffte ein vorzeitiger Tod ihn dahin, mehr zum Unglück der Menschen, als zu seinem. Nachdem die öffentlichen Schauspiele vorüber waren, an deren Ende er angesichts des Volkes bitterlich geweint hatte, begab er sich in die Sabinerlandschaft, noch mehr niedergeschlagen durch den Umstand, daß ihm beim Opfern das Opfertier entsprungen und bei heiterem Himmel ein Donnerschlag gehört worden war. Gleich beim ersten Nachtquartier bekam er das Fieber, ließ sich aber in einer Sänfte weiter tragen, wobei er, wie man erzählt, häufig die Vorhänge zurückschlug, zum Himmel aufblickte und wiederholt und lebhaft klagte: » er habe nicht verdient, daß man ihm das Leben nehme, denn es gebe keine Tat, die er zu bereuen habe, eine einzige ausgenommen«. Welche er damit gemeint, darüber erklärte er selbst sich damals nicht deutlicher, und für andere möchte es nicht leicht sein, es zu erraten. Einige meinen: er habe an den ehebrecherischen Umgang gedacht, den er mit seines Bruders Frau gehabt. Aber Domitia pflegte mit den heiligsten Schwüren zu versichern, daß ein solcher Umgang gar nicht stattgefunden hätte, und sie war eine Frau, die, wenn es der Fall gewesen wäre, es keineswegs geleugnet, ja vielmehr sich dessen sogar gerühmt haben würde, womit sie für alle ihre Ausschweifungen ganz ohne weiteres bei der Hand war.
11. Er schied vom Leben in demselben Landhause, wo sein Vater gestorben war, am dreizehnten September, zwei Jahre, zwei Monate und zwanzig Tage, nachdem er seinem Vater in der Negierung gefolgt war, im einundvierzigsten Lebensjahre. Als die Kunde sich verbreitete, war es nicht anders, als ob die öffentliche Trauer aller einem Privattrauerfall jedes einzelnen gelte. Der Senat stürzte, noch ehe eine öffentliche Bekanntmachung ihn berief, zur Kurie, deren Türen noch verschlossen waren und erst geöffnet werden mußten, und spendete dem Toten eine solche Fülle von Ausdrücken der Dankbarkeit und der Bewunderung, wie sie selbst der Lebende und Anwesende niemals vernommen hatte.