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(Großer gewölbter Gefängnißsaal ohne Fenster; in der Mitte hängt eine Lampe, die einen schwachen dämmernden Schein verbreitet. Im Hintergrunde sieht man eine Art von Verschlägen mit Ruhebetten für die Gefangenen. An den Seiten steinerne Bänke.)
Alla-Moddin. Amelni. Lini.
Amelni liegt, mit dem Kopf auf eine steinerne Bank gelehnt, und schläft, Alla-Moddin steht im Vorgrunde und blickt seufzend nach dem matten Schein der Lampe; Lini beschäftigt sich mit einem kleinen Vogel, der in einem Käfig an einer Mauer des Gefängnisses hängt.
Lini. Nun Du kleiner gefiederter Freund, wie geht es Dir? – Du hast mir heute noch kein Lied gesungen. – Möchtest wohl gern weiche Safranblättter essen; aber was hilft's, wenn ich es auch dem rauhen unfreundlichen Mann sage, er bringt Dir doch keine! – oder grämst Du Dich, weil Du gern frei sein möchtest? – Bin ich doch auch hier eingesperrt. – Es ist so dunkel, ich kann nicht einmal sehn, ob Du traurig bist; unser kleiner Mond scheint heut so finster.
Alla-Moddin in Gedanken verloren für sich seufzend. Ach! Amelni!
Lini. Sie schläft dort auf dem steinernen Bette. – Soll ich sie wecken?
Alla-Moddin. Sie schläft? – O laß sie schlafen!
Lini. Vater – –
Alla-Moddin. Was willst Du, mein Sohn?
Lini. Mein Vogel will heut durchaus nicht singen, kannst Du mir nicht die Zeit vertreiben? Ich weiß nicht, seit wir hier sind, komm' ich mir schon so alt vor. – Die Tage der Europäer sind weit länger als die auf dem sonnigen Suhlu. – Was soll ich thun?
Alla-Moddin. Schlaf! Wohl dem, den der weiche Schlaf mit seinen zarten Armen umfängt, bei seiner Ankunft treten die grauen Sorgen zurück, dann läuft die Woge der Zeit schneller vorüber. – Schlaf!
Lini. Das ist es eben, ich kann nicht schlafen, und doch wünsch' ich zu schlafen, wenn ich wache. Wenn ich mich auf mein Bett hinlege und nach der dämmernden Lampe hinblicke, dann ist mir oft, als müßt' ich durchaus irgend etwas thun, ein heller Schein geht durch meine Seele, – ich springe auf, – ach! und dann steht die kalte, kalte Mauer vor mir.
Alla-Moddin für sich, ihn traurig anblickend. Des Knaben Geist erwacht, – und ich!
Lini. So wie ich nur die Augen zumache und einschlummre, lachen mir sogleich die grünen Fluren Suhlu's entgegen. Ich hüpfe umher und pflücke mir purpurrothe Blümchen, fahre auf meinem kleinen Kahn über den hellen See und tauche mit dem bunten Ruder lachend die schwimmenden Lotosblätter unter, ich sehe alle meine kleinen Freunde wieder, alle freuen sich, wir springen umher, – und dann wach' ich auf. Ach! dann möchte mir hier im finstern Hause die Wehmuth das Herz zerreißen. Dann ist mir, als hätt' ich mich in einen schwarzen Wald verirrt und könnte mich nicht wieder nach Hause finden, und darum mag ich gar nicht gern schlafen.
Alla-Moddin. Armer Lini!
Lini. Manchmal bin ich wieder, ohne selbst zu wissen warum, auf ein paar kleine Augenblicke so froh – so froh – Du kannst gar nicht glauben, wie sehr. Meine Brust wird so leicht, und ein schöner Sonnenschein glänzt freundlich neben mir. Und, nicht wahr, Vater, die grausamen Spanier können uns auch nicht immer hier eingesperrt halten? Ich werde Suhlu einmal wieder sehn, ich werde meinen kleinen Garten wieder sehn. O wie will ich dann voll Freude jeden alten bekannten Baum umschlingen, bei jeder Blume will ich mich hinlegen und sie küssen. Ich denke immer, lieber Vater, ich sehe doch noch einmal meinen lieben kleinen Palmbaum wieder, der grade so alt ist als ich.
Alla-Moddin trocknet sich die Augen. Ich hoffe es.
Lini. Ach nein, Du hoffst es nicht, dann würdest Du fröhlicher sein, ich verstehe Dich recht gut. Was kümmert es den Alonzo, ob der kleine Lini gern einmal wieder in seinem Garten spazieren ginge, was kümmert es ihn, ob der Vater weint und die liebe Mutter da auf dem harten Stein schläft.
Alla-Moddin. Ach Amelni! er geht zu seiner schlafenden Gattin. Wie lieblich schmiegst du dich ruhend an den drückenden Stein! – Schön, wie eine silberne Blüthe, die der Wind auf einen Fels hintrug. – Du, sonst so glücklich, ruhst hier auf diesem Stein? – Doch, auch itzt bist du glücklich, denn du schläfst! Auf goldenen Wolken schweben die Seligkeiten des Himmels um dich her, denn Du lächelst so süß, und dein Lächeln erhellt diesen Kerker wie die Frühlingssonne den unbelaubten Wald. – O holder Schlaf! Warum fliehst du von meinen bethränten Augen? Laß mich wenigstens von Freiheit träumen! So sanft schläfst du hier auf diesem harten Stein? hart und unfreundlich wie Alonzo! – Ob ich dich wecke? – Nein, so holde Träume würden dich nicht wieder anlächeln. Ist es nicht genug, daß der Gram mein Herz zerreißt, soll auch das deinige bluten? – er setzt sich in eine Ecke des Gefängnisses. Ach Valmont! – gedenkst du noch deines Versprechens? – Omal! – Alle meine Freunde haben mich verlassen, zurückgelassen eine Beute dem Kummer. – Er lehnt den Kopf an die Mauer und sitzt in Gedanken verloren.
Lini, der indeß zu seinem Vogel zurückgekehrt ist. Sieh, hier schenke ich dir mein letztes Stückchen Zucker. – Mein letztes, hörst du wohl? – Dafür mußt du mir aber auch ein Liedchen singen! – Nun? der Vogel fängt an leise zu singen. Schön! Schön! er nimmt eine kleine Laute und begleitet damit den Gesang des Vogels. Wie der kleine Stolze mit den Tönen der Laute wetteifert!
Alla-Moddin. Itzt hat er vergessen, daß er unglücklich ist, – o ihr seligen Kinderjahre!
Lini. Ich danke dir für dein Lied. – Dafür will ich dir auch eins von meinen Liedern singen. – spielt und singt leise, nach und nach wird sein Gesang lauter und munterer.
Der Frühling kömmt!
Die Wolken fliehn,
der Himmel glänzt!
Der Frühling kömmt!
und Regenbogen
sind seines Wagens
gleitende Räder.
Blumengekränzt,
in Sonnenstrahlen
schwebt unter säuselnden Winden
nieder der Gott.
Tausend Blumen bekränzen sein Haupt,
tausend Blumen umflechten
sein blaues Gewand.
Er lächelt –
aus goldenen Locken,
vom blauen Gewande,
fließen zur Erde die Blumen hinab.
Es blüht die Flur,
es grünt der Hain,
und jeder Zweig
tönt süßen Genuß
dem Frühlingsgotte. –
Wonnegesang!
Wonnegesang!
Rauscht durch den Palmenhain!
Durch die blühenden Bäume
säuselt der West,
mit den Blüthen scherzend.
Viele der Blüthen,
viele der Blumen
sinken zur Erde. –
Wenn Mondschein sie küßt,
wenn Thau sie tränkt,
Mondschein des Frühlings,
Frühlingsthau, –
entschweben ihnen
mit leisem Fluge
schöne blaue Schmetterlinge.
In den Blüthen der rauschenden Bäume,
unter Blumen der duftenden Wiese,
flattern und schwärmen sie
hier und dort.
Sie suchen die Schwestern,
sie suchen die Brüder,
in Blüthen und Blumen,
und küssen sie alle.
Haben sie die Zwillingskinder aufgefunden,
nisten sie sich in dem väterlichen Baum ein,
bergen sich in Blüthen oder Blumen,
an der süßen Wiederkennung sterbend. –
Amelni, erwachend. Wo bin ich? – Ach Alla-Moddin! – Ein schöner Traum täuschte mich, – ich strecke meine Arme nach dem Glück' aus, und der schwarze Jammer tritt meiner Umarmung entgegen.
Alla-Moddin. Du träumtest schön, denn Du lächeltest so süß im Schlafe. Mein ganzes voriges Glück stand bei Deinem Lächeln in seinem hellsten Glanze wieder vor mir.
Amelni. Ach! ich träumte von unsrer Freiheit. – Wir saßen beide im Vollgenuß des neuen Freiheitgefühls an jenem silbernen Bach in Suhlu, wo ich Dich zuerst sahe. Bienen summten freudig um uns her im warmen Sonnenstrahl, die Palmen rauschten uns ihren frohen Willkommen entgegen; wir saßen stumm da, Hand in Hand, und betrachteten mit Entzücken die rothen Blümchen, die sich über den Bach bogen und in seinem Spiegel betrachteten. Aus der Ferne tönten durch den Duft der blühenden Bäume die Chöre der Jünglinge und Mädchen, die das Frühlingsfest sangen; Vögel jauchzten aus neigenden Wipfeln in den Chorgesang, wir schwiegen – und weinten! – Ach, es war ein schöner Tag, an dem wir einst wonneberauscht neben jenem Bach saßen, – gedenkst Du noch dieses Tages?
Alla-Moddin. Ob ich seiner gedenke? – Es war der erste, an welchem ich Dich meine Gattin nannte. – Jene goldnen Tage liegen weit hinter uns, tief unten in einem blumenvollen Thale; wir aber wandeln verirrt über nackte Felsen, und werden dies Thal nie wieder sehn. – Ewig sei der Tag verwünscht, an dem ich Manilla zuerst erblickte!
Amelni. Drücke Dein Haupt nicht so schwermüthig gegen die Mauern, laß der Hoffnung Raum. Kein Mensch kann vor seinem Tode sagen: ich war zum Unglück verdammt. Wir fahren im Boot des Lebens bald blühenden Wiesen, bald kahlen Felsenwänden vorüber.
Alla-Moddin. Die Krone ist von meinem Haupte in den Staub gefallen. Hier steht der König, und zählt die Steine der Mauer! – O! –
Amelni. Ich erschrecke vor Dir! – Du wirst immer düsterer. Sonst gingst Du umher, sprachest mit mir, erinnertest Dich der frohen Vergangenheit und sahst getröstet in den Spiegel der Hoffnung – Du spieltest auf der Laute und sangest Lieder vom schönen Suhlu: aber itzt! – Du seufzest den Tag hinweg, und wenn die Nacht kömmt, wünschest Du den Tag. Immer sitzest Du dort an die Wand gelehnt, Dein Auge starrt auf einen Punkt, und Dein Geist schwebt in Suhlu umher. – O theurer Gatte! Wenn Du hier im fremden Lande zum ewigen Schlaf hinsänkest, fern von Deinen Freunden und Verwandten, hier, wo über Deinem Grabe Jünglinge und Mädchen keinen Grabgesang sängen – auch mich würde der Gram tödten. –
Alla-Moddin. Ich ruhe an dieser Stelle, um die freie Luft des Himmels einzuathmen. Sieh, die Zeit und der Sturmwind oder ein Erdbeben haben hier eine Kluft in die Mauer gerissen. – Ich höre aus der Ferne das dumpfe Rauschen der See, und denke an Valmont und Omal. Hier stehe ich, und blicke mit starrem Auge über das sonnenbeglänzte Meer hin, meine kranke Einbildung schafft aus Schiffern am Ufer meinen Omal; wenn ein Schiff vorbeisegelt, so glaub' ich, es eile zu meiner Rettung herbei, ach! und schon hundertmal färbte der blasse Schein des Abends jene Wogen, und eben so oft ward mein banges Erwarten, meine Sehnsucht getäuscht. Sieh, dort hinter jenen grauen Wogen muß Suhlu liegen, ach säh' ich doch sein fernes Ufer dämmern!
Lini. Wo? – O laß mich sehen, Vater! – Ach, endlich seh' ich doch einmal wieder Sonnenschein! – Sieh, welchen glänzenden Mantel die Sonne auf das Meer deckt, tausend leuchtende kleine Sonnen tauchen sich aus den nassen Wogen empor. – O wie wohl ist mir wieder! Ach, mir ist, als könnt' ich das ferne Ufer sehn, als trüge der Wind, der mich mit sanftem Fittig schlägt, den Duft meines Gartens, als könnte ich den Schaum entdecken, den die Wogen mühsam an das Ufer zusammentragen. –
Amelni. O sieh! – Wie dort der blaue Himmel sich aus den schwarzen Wolken hervorgießt! – o ja, wir werden wieder glücklich! gewiß! die Götter Suhlu's leben noch, sie umspannen den Himmel und halten Suhlu in ihrer Hand, sie werden Deiner gedenken. Sieh, ein Regenbogen fließt durch das Gewölk, das schönste Bild der Hoffnung!
Alla-Moddin. Der Hoffende greift nach einem Schatten, der ihn hiehin und dorthin leitet. –
Amelni. Deine Amelni lebt ja noch.
Alla-Moddin. Ja sie lebt, – hier im Grabe. – O wär' ich allein hier, unbemerkt sollte mein Schmerz mich hier zerstören, aber Du, – so oft ich Dich ansehe, heben schwere Seufzer meine Brust, jede Deiner Thränen, jeder Deiner Seufzer fällt schwer auf meine Seele. –
Amelni. Was ist Dir, Geliebter?
Alla-Moddin. Daß er uns verließ, daß er uns Freiheit versprach! schon seit einem Jahre harren wir mit Sehnsucht seiner Rückkehr, harren seiner mit eben der ängstigenden Ungeduld, mit der ein dem Schiffbruch Entronnener jeden Morgen weinend in das Meer hinaussieht, ob nicht endlich ein Schiff erschienen, ihn in sein geliebtes Vaterland zu führen.
Amelni. Er versprach uns so gewisse Hülfe.
Alla-Moddin. Er war so gerührt, und doch hat er seines Versprechens vergessen.
Lini. der sich indeß zu ihnen gesetzt, und aufmerksam zugehört hat. Meinst Du, Vater, daß er uns wirklich vergessen hätte?
Alla-Moddin. Gewiß.
Lini. Das kann ich Dir doch nicht glauben.
Alla-Moddin. Warum nicht?
Lini. Weißt Du nicht mehr, wie er abreiste? – Er hob mich vom Boden auf, nahm mich in seine Arme und küßte mich so herzlich, daß ich dem Manne gleich so gut ward, daß ich weinen mußte. Er küßte mich, und sagte: Nun, Lini, bald wirst Du wieder auf Suhlu sein! – In eben dem Augenblick ging die Thür des Hauses auf, und ich sahe ganz tief, ganz tief in der Ferne zum erstenmal wieder einen grünen Baum. Das macht, daß ich das alles nicht wieder vergessen habe. Warum hätt' er mich wohl geküßt, wenn er nicht wirklich mein Freund wäre und sein Versprechen halten wollte.
Alla-Moddin. Ach, armer Knabe, Du weißt nicht, daß diese heilige Sitte in Europa nicht so geehrt wird, als bei uns. – Der Europäer küßt seinen Freund auch, und stößt ihm in der Umarmung den Dolch in den Rücken. –
Lini. Nein Vater! dann ist Valmont gewiß kein Europäer. – Er liebt mich wirklich.
Alla-Moddin. Woher weißt Du es so zuverlässig.
Lini. Hat er mir denn nicht den schönen Vogel da geschenkt?– Warum hätte er das gethan? Ich konnte ihm ja dafür nichts wieder schenken. – Und so oft nun mein Vogel singt, so oft denk' ich an Valmont und Suhlu, und wie er mich küßte und sagte: Nun, Lini, bald wirst Du auf Suhlu sein. – Auch Omal, so oft ich ihn fragte: Kommen wir nicht bald nach Suhlu? sagte jedesmal: Bald wird der Fremde Dich dahin abholen.
Alla-Moddin. Und doch hat er selbst seine Ankunft nicht erwartet, – ach Omal! – ich nannte Dich meinen edlen Freund, und doch – er versinkt in ein tiefes Nachdenken.
Lini. Ja Vater, auf Omal bin ich auch recht böse, von ihm will ich mich gewiß nicht wieder auf den Strom fahren lassen, er soll mir keinen einzigen Kranz wieder flechten.
Amelni. Warum denn?
Lini. Sieh nur, liebe Mutter, hätte er uns alle nicht mitnehmen können, als er fortging? Oder wenn das nicht möglich war, so hätte er auch hier bleiben müssen, er hätte mir noch manchmal die Zeit vertrieben, er spielte gern mit mir. – Und dann hat er auch gelogen.
Amelni. Wann?
Lini. Du weißt ja, er riß eine Menge Steine aus der Mauer und sprang hinab. – Einmal konnt' ich in der Nacht gar nicht einschlafen, da hör' ich ein Poltern und finde Omal, der die Steine aushebt; ich mußte ihm versprechen, dem lieben Vater nichts davon zu sagen, weil er es ihm selbst sagen wollte; ich schwieg auch, denn ich hatt' es ihm versprochen. Bei Tage war er immer bei uns, und das Fenster, das er sich gemacht hatte, war nicht da, des Nachts machte er es immer größer und nach ein paar Tagen war er fort.
Alla-Moddin. Was hülf' es mir, wenn auch er den stummen Wänden klagte? Er hätte zuviel gewagt, uns alle zu retten. – Aber ich wäre nicht ohne Dich entflohen, Omal.
Amelni. Die Schlösser rauschen, es kömmt jemand zu uns!
Alla-Moddin. Ich wünsche, wir blieben ewig hier ungestört. Widrig sind mir die Blicke neugieriger Fremden, und jene Pfaffen hasse ich, die täglich meinen Geist bestürmen.
Vorige. Ein Fremder.
Fremder, der in einem Mantel und in spanischer Tracht hereintritt. Er verbeugt sich anständig gegen Alla-Moddin, sieht ihn scharf an und unterdrückt einen Seufzer, er grüßt Amelni und Lini, geht dann auf Alla-Moddin zu und reicht ihm freundschaftlich die Hand. Mit niedergesenktem Blick erwiedert Alla-Moddin die Begrüßung kalt und fremd. Du bist Alla-Moddin?
Alla-Moddin, der bei dem Ton der Stimme aufmerksam wird. Der unglückliche Alla-Moddin, der sich jedem Blicke neugieriger Fremden bloßstellen muß. – Nein, sieh mich nicht so mitleidig an; dann fühl' ich mein Elend am stärksten, wenn ein durchreisender Fremder, der aus Neugier auch den gefangenen König sehen will, mich mit seinem Mitleid quält. – Setz Dich nieder!
Amelni setzt sich im Hintergrunde auf ein Ruhebett, Lini auf eine steinerne Bank auf der andern Seite und klimpert auf seiner Laute.
Fremder. Wie menschenfeindlich hat Dich Dein Unglück gemacht! – Glaube mir, nicht Neugier, wahre Theilnahme führte mich in diesen Kerker.
Alla-Moddin. Theilnahme?
Fremder. Du mußt es mir glauben, daß Theilnahme eines Freundes mich zu Dir brachte, daß ich über Dein Schicksal Thränen vergoß.
Alla-Moddin. Nun wohl, ich will Dir glauben, um den Ton Deiner Stimme willen; ach, sie erinnert mich an so manche selige verfloßne Stunde, sie erinnert mich an meine Freunde, die mich verlassen haben; denn, indem ich Dich sprechen höre, ist es, als stände mein Freund Valmont vor mir, hell dämmert jene Stunde in meiner Seele auf, als wir durch eine Umarmung das heilige Band der Freundschaft knüpften, als er hier vor mir stand und seine Hand in die meinige legte und mir Befreiung verhieß. – Dein Gesicht, – Dein Auge – Du bist Valmont selbst! –
Fremder. Ich?
Alla-Moddin. Bist sein Bruder, – doch nein, wie kömmst Du zu dieser Tracht meiner Feinde, – er war kein Mitglied dieses Volks, das mich elend gemacht hat; – mein Freund glänzt hell in meiner Seele, – aber Du bist es nicht. –
Fremder. Und könnt' ich es nicht werden? –
Alla-Moddin. Durch Deine Gegenwart – kehrt Heiterkeit in meine Seele zurück, – nun wohl, wer meinem Valmont gleicht, bei dem ist nichts zu wagen. – Aber Du bist ein Spanier, wer wagt nicht bei der Freundschaft eines Spaniers? – Nein, nein, ich will betrogen sein, wenn Du betrügen kannst, – o wie will ich dann die Welt recht herzlich hassen, ein Schutzort wird mir dieser Kerker scheinen.
Fremder, gerührt. Vertraue mir.
Alla-Moddin. Ach! schon viele Europäer sahen mich hier im Elende, bedauerten mich, nannten sich meine Freunde, – und verließen und vergaßen mich. – Unter allen meinen Freunden fliegen nur zweien meine Seufzer nach.
Fremder. Wem?
Alla-Moddin. Valmont und Omal.
Fremder. Omal? War er nicht mit Dir im Kerker?
Alla-Moddin. Er war.
Fremder. Wo ist er jetzt?
Alla-Moddin. Vielleicht todt, vielleicht lebend, stets glücklicher als ich. Er stieß eine Oeffnung in die Mauer und entflohe.
Fremder. Und Valmont?
Alla-Moddin. Er war ein edler Mann, den ich wie meine Seele liebe, wenn gleich vom Schicksal unsre junge Freundschaft nach wenigen Tagen wieder zerrissen ward. – Auf einer Reise aus Frankreich, seinem Vaterlande, kam er zu mir auf Suhlu, ich kannte ihn nur kurze Zeit, als ich ihn liebgewann, – wir fuhren einst auf einem kleinen Nachen beim Schein des Abends auf dem See, das Boot schlug um, er sank, – daß ich ihn rettete, verband unsre Seelen noch inniger. – Je länger ich in Dein offnes Auge sehe, je mehr wächst mein Zutrauen zu Dir, und darum erzähl' ich Dir meine Geschichte, wie ich noch nie that. – Bald darauf rief die Pflicht Valmont von Suhlu aus meinen Armen – und ich unternahm, wie ich schon oft gethan hatte, eine Reise zu den Besitzungen der Europäer, meine Gattin, mein Sohn, und Omal, mein Freund, begleiteten mich. – Ach! zur unglücklichen Stunde setzt' ich den Fuß in das Schiff, denn es trug mich in den Kerker. – Ich reiste hieher, nach Manilla, um manche Künste und Erfindungen von den klügern Europäern nach Suhlu hinüberzubringen, um dadurch das Glück und die Sicherheit meines Volks zu vermehren.
Fremder. Und?
Alla-Moddin. Der Statthalter schien mein Freund, er und eine Menge Jesuiten umlagerten mich täglich, und schienen um meine Freundschaft zu wetteifern, – o warum traut' ich aber diesen Schlangen? – Kannt' ich nicht die Bosheit der Europäer? – Man wollte mich bereden Christ zu werden, ich weigerte mich: man suchte mich dahin zu bringen, den Jesuiten den Eintritt in Suhlu zu erlauben; auch dieses versagt' ich. – Nun fiel plötzlich wie ein Morgennebel die erheuchelte Freundschaft; in ihrer wahren Gestalt standen die Spanier vor mir. – Ein Kerker verschloß mich, und das, was mir auf dieser Welt am liebsten ist.
Fremder. Schändlich!
Alla-Moddin. Um einen Vorwand, diese That zu rechtfertigen, war man nicht lange verlegen, so widersinnig er auch sein mochte. Man behauptete, ich sei hiehergekommen, die Lage des Landes und der Vestung auszukundschaften, dann mit meinen schwachen, wehrlosen Indianern zu landen, – und Manilla zu erobern! – Dieser Anklage wegen seufz' ich nun schon zwei Jahr in diesem Kerker, mein Volk ist ohne König, Suhlu steht verlassen, offen der Verrätherei jedes Boshaften. – Nach einem Jahre erschien Valmont in meinem Kerker, er hatte von meinem Unglück gehört, es rührte ihn bis zu Thränen, mit Freundeshandschlag versprach er mir Rettung, Freiheit, und schon dreihundert Tage flossen indessen in das graue Meer der Zeit hinab, – und er kehrt nicht wieder.
Fremder. Aber er wird wiederkehren, vertraue ihm. Kannst Du wissen was ihn zurück hält? – Er kömmt gewiß, denn Valmont hält, was er versprach.
Lini, der indeß herbeigekommen ist, und den Fremden aufmerksam betrachtet hat. Nicht wahr, lieber fremder Mann, Valmont kömmt gewiß wieder?
Fremder. Gewiß. Liebst Du ihn?
Lini. Ja, und er liebt mich auch. Sieh, den kleinen niedlichen Vogel dort, hat er mir geschenkt. –
Fremder. Willst Du nicht auch mein Freund werden?
Lini. Ach, ich wollte wohl, wenn ich nur könnte. Du bist aber ein Spanier, und ein Spanier kann unmöglich mein Freund sein.
Fremder. Wenn ich Dir nun sage, daß Valmont auch mein Freund ist?
Lini. Dann will ich mir wenigstens Mühe geben.
Alla-Moddin. Wie sagtest Du? Valmont sei Dein Freund? –
Fremder. Mein vertrautester. Ich lernte ihn vor einigen Jahren in Frankreich kennen, und als ich eben itzt von Spanien abreisen wollte, sah' ich ihn dort.
Alla-Moddin. Komm' oft zu mir in meine düstere Wohnung. Deine Freundschaft wird mich wieder etwas mit dem Schicksal versöhnen; Du sollst mir jene verhaßten Stunden ersetzen, die Sebastiano mir raubt.
Fremder. Sebastiano?
Alla-Moddin. Er ist ein Jesuit, den der Statthalter täglich abschickt, mich zum Uebertritt zum Christenthum zu überreden, und den Jesuiten zu erlauben, auch in Suhlu ihre Lehre auszubreiten. – So ist meine Zeit zwischen trauriger Einsamkeit und verhaßten Gesprächen getheilt, von diesem Boshaften bestürmt. Die Götter meines Landes zürnen auf mich, daß sie mich ein Spiel sein lassen der Schändlichen, daß sie es dulden, daß ich hier im Jammer verschmachte. –
Fremder. Fasse Muth, Valmont lebt und gedenkt Deiner, er ist unermüdet in seinen Bemühungen für Dich, er wird bald –
Alla-Moddin. Und woher diese Zuverlässigkeit? Du sahst ihn schon seit einem Jahr nicht mehr.
Fremder. Nein – aber ich kenne sein Herz. Er liebt Dich, durch Deine Freiheit wird er Dir den Dank für sein Leben bezahlen.
Alla-Moddin. Ich mag nicht mehr hoffen. Viel langsamer schleicht der Tag, wenn man die Stunden zählt, auf ein glänzendes Ziel die Augen geheftet, das nimmer näher rückt. Ich überlasse mich der Zeit mit eben der Gleichmuth, mit dem ein Berg sich von Schnee und mit Blumen bekleiden läßt. Das Unglück mag mich bestürmen, ich will nicht murren, ich will das Glück wieder in meine Arme nehmen, ohne mit ungeduldigem Auge ihm entgegenzusehn. – So will ich dulden wie es einem Manne ziemt.
Lini. Ach, da hör' ich den schleichenden Mann kommen, der immer so die Augen verdreht.
Amelni. Sebastiano kömmt, ich verlasse Dich.
Lini. Ich gehe mit Dir Mutter, denn ich fürchte mich, wenn ich die glühenden Augen des hagern Mannes ansehe.
Amelni und Lini gehn in eine andre Abtheilung des Saals, die Thür geht auf, und Sebastiano tritt herein.
Alla-Moddin. Der Fremde. Sebastiano.
Sebastiano. Der Himmel segne die Bemühungen des heutigen Tages! – er heftet einen festen Blick auf den Fremden. Alla-Moddin, hast Du meinen gestrigen Worten nachgedacht?
Alla-Moddin. Ich habe.
Sebastiano. Und Dein Entschluß?
Alla-Moddin. Wie immer.
Sebastiano. Noch immer Trotz?
Alla-Moddin. Entschlossenheit.
Sebastiano. Welche Worte soll ich brauchen, um Dein Herz der erhabenen Lehre zu öffnen?
Alla-Moddin. Keine, wenn Du mich liebst.
Sebastiano. Halsstarriger! Es wird Dich einst gereuen, die Seligkeiten des Himmels so muthwillig zurückgewiesen zu haben.
Alla-Moddin. Nie.
Sebastiano. An jenem großen Tage wirst Du es bereuen, wenn Gott Dich als seinen Feind wieder zurückweisen wird. Der nimmer endenden quaalenreichen Ewigkeit wirst Du Deine Reue entgegenheulen, wenn Du aus tiefer Ferne durch die brüllenden Orkane die Harfentöne der seligen Chöre vernimmst.
Alla-Moddin. Mich täuschest Du nicht durch diese Gemälde des Schreckens. – Und selbst wenn Dein Gott der Gott der Götter ist, wenn ich auch zu falschen Göttern bete, so nennst Du ihn doch selbst den Allgütigen; wie könnte dieser mich also zu ewigen Quaalen verdammen?
Sebastiano. Wenn man seiner Langmuth spottet, ist er ein Gott des Zorns.
Alla-Moddin. Kann der Gott der Christen zürnen? – Der Gott, der, wie Du mir oft sagtest, die Erde in seiner Linken und in seiner Rechten die leuchtende Sonne hält? – Er sollte zürnen über mich? – Kannst Du über einen Sonnenstaub zürnen? –
Sebastiano. Er selbst droht seinen Zorn denen, die ihn verachten, aber seinen Verehrern hat er seine Gnade in den Gesetzen verheißen, die er mit eignen Händen schrieb..
Alla-Moddin. Stolzer Mensch! Du wagst zu behaupten, daß das Auge, das die Welten überschaut, freudig auf Dein Lob herunterblicke? Deinem Allweisen leihst Du Deinen Priesterstolz? – Gott ist meiner Liebe zu groß und meiner Verehrung zu klein. – Erzwungnes und erheucheltes Lob kann ihn nicht freuen, denn wenn ich nun auch, um meine Freiheit zu erkaufen, den Göttern Suhlu's untreu würde, so würd' ich doch nachher Eure Religion wieder von mir werfen, wie ein unbequemes Gewand. Der Mensch muß frei denken, frei und ohne Zwang muß sich seine Ueberzeugung in ihm selbst erschaffen, keine Gewalt muß hinzutreten, und dem Strome der Vernunft seine Ufer setzen wollen, – und diese freiwillige Ueberzeugung kömmt bei mir noch nicht.
Sebastiano. Nun wohl. Aber wenn Du verloren gehst, so laß Deine Unterthanen wenigstens der Seligkeiten genießen, die Du zurückstößest. Welcher sterbliche Verstand kann mit Zuversicht zu mir sagen: Du lügst! – Der kühnste Zweifel ist noch lange nicht Gewißheit, und solltest Du so grausam sein, dem Glücke Deiner Unterthanen in den Weg zu treten? – Nicht eines Glücks von wenigen Jahren, von nimmer untergehenden Ewigkeiten. – Wenn die Erfüllung meiner Worte nur noch möglich ist, so darfst Du nicht unsern Eintritt in Suhlu verhindern. – Der Verstand muß frei sein, wie Du selber sagtest, versage diese Freiheit also auch nicht Deinen Unterthanen, laß jeden sich selbst überzeugen; wer nicht überzeugt wird, – der mag dann verloren gehen!
Alla-Moddin. Deine verführerischen Worte sollen mich nicht täuschen. – Traust Du mir den Aberwitz zu, bittres Meerwasser in meine süßen Quellen zu tragen? – Tugend muß stets glücklich machen, und meine Suhluaner sind tugendhaft. Aber sieh umher, betrachte die sonst so blühenden Länder, die Christen haben sie vergiftet; betrachte die sonst so redlich gesinnten Insulaner, Eure Lehre hat sie vergiftet! Was hilft die Lehre, die ihre Bekenner nicht besser macht? – Meine lieben Unterthanen auf Suhlu sind besser als Du, und doch kennen sie Deinen Gott nicht! drum geh', ich will Dich nicht länger hören, Du selber spottest Deines Gottes!
Sebastiano. Frevler, ich?
Alla-Moddin. Gebietet Euer Gott nicht Tugend?
Sebastiano. Allerdings.
Alla-Moddin. Und doch verstopft Ihr Eure Ohren seinen Gesetzen? – Ihr verletzt das erste göttliche Gesetz; die Gastfreundschaft ist jedem Suhluaner heilig, Ihr aber werft den Fremdling in den Kerker, und laßt ihn im Elende schmachten.
Sebastiano. Du wagst es, so zu sprechen?
Alla-Moddin. Warum heucheltet Ihr mir Freundschaft, als mein Schiff an Manilla's Küste landete? Ihr wart meine Feinde, Eure Bosheit aber verbarg sich hinter verrätherischen Umarmungen, hinter falschen freundschaftlichen Blicken; bald aber zeigtet ihr Eure Tücke, da ich keinen Eurer Vorschläge annahm. – Und glaubt ihr, mein Auge sei geblendet? O ich durchschaue den Schleier Eurer Heuchelei. – An der Ausbreitung Eurer Religion liegt Euch nichts! die Absicht, meine Unterthanen durch Eure Lehre von der ewigen Verdammniß zu retten und sie glücklich zu machen, ist erlogen!
Sebastiano. Erlogen?
Alla-Moddin. Was kümmert Euch das Glück meiner Unterthanen? Ich soll Euch Suhlu eröffnen, damit die Spanier dort mit eisernem Scepter herrschen; meine Unterthanen würdet ihr bald zur Sclaverei gewöhnen, denn manchen guten biedern Suhluaner würde Deine glatte Zunge bethören. Man würde Euch als meine Freunde ansehen, und um so mehr hättet ihr Gelegenheit, Aufruhr und Zwietracht, diesen verderblichen Saamen in die Herzen meiner Unterthanen auszustreuen, Empörung und innrer Zwist würden bald die Kräfte Suhlu's zerstören, ein Spanier würde auf meinem Thron sitzen, die Unterthanen Eure Sklaven sein, und das schöne Suhlu von Europäern bevölkert werden. So habt ihr es mit allen friedlichen Völkern dieser Gegend gemacht. Wo sind jene grünen Sprößlinge, die den schönsten Wald versprachen? Ihr habt sie ausgerottet, und Nesseln und Dornen an ihre Stelle gepflanzt.
Sebastiano. Thörichter! Verblendeter! – Wäre dies unsre Absicht; was hinderte uns daran, Suhlu mit gewaffneter Hand zu erobern, Dich hier im Kerker verschmachten zu lassen, und Alonzo auf Deinen Thron zu setzen?
Alla-Moddin. Was Euch hindert? – Feigheit und Eigennutz.
Sebastiano. Ich verstehe Dich nicht.
Alla-Moddin. Ihr wißt, daß jeder meiner Unterthanen lieber bis auf den Tod fechten, als Euch gehorchen würde. Alle würden fallen, ihr würdet gerne Suhlu besitzen, allein, ihr müßtet Euch doch dann Sklaven kaufen.
Sebastiano. Du wagst es –
Alla-Moddin. Wahrheit zu sprechen. – Ihr müßt erst meine Unterthanen gleich dem jungen Stier gewöhnen, das Joch zu tragen; dies ist Eure Absicht. – Aber mögen hier funfzig Jahr über mein Haupt dahinfließen, mag mich nur mein Tod aus diesem Kerker befreien, – ich gebe nicht nach.
Sebastiano. Ich gehe, denn es ist Verbrechen Dich anzuhören.
Fremder. Sie gehn, weil Sie sich getroffen fühlen.
Sebastiano betrachtet ihn zweifelhaft und durchbohrt ihn mit einem grimmigen Blicke. Sie sind – ein Spanier. – Gut. – Du hast bis jetzt die Milde Alonzo's verachtet, Du machst Dich seiner Güte unwerth, und wirst von nun an mit mehrerer Härte behandelt werden.
Alla-Moddin. Seiner Güte? – Mit mehrerer Härte? – Wie ist das möglich? – Die Sonne ist für mich auf ewig untergegangen, Mond und Sterne in Finsterniß erloschen, was könnt Ihr noch mehr thun? –
Sebastiano mit bedeutenden Blicken. Dafür sorgen, daß keine verdächtige Fremde zu Dir gelassen werden.
Alla-Moddin traurig. Ach ja, ich muß es zugeben, – ich muß Euren Scharfsinn verehren, ihr seid gütig gegen mich gewesen, – ihr könnt noch grausamer sein!
Sebastiano. Bald wirst Du Deinen Trotz bereuen, wenn Du einsam, von Gattin, Sohn und Freunden getrennt, den feuchten Wänden einer engen unterirdischen Grube Deine Verzweiflung entgegen heulst, im Gerassel Deiner Ketten brüllst – –
Alla-Moddin in höchster Wuth. Meiner Ketten? – Verworfner – er eilt auf ihn zu.
Fremder hält ihn zurück. Laß ihn –
Sebastiano. Wüthe nur!
Alla-Moddin. Ich, in Ketten? Wer wagt das? – Die Verzweiflung giebt dem Kinde Riesenkräfte; – ich spotte Deiner Drohung, ich lache Deiner Ketten! – O Omal! – Komm, denn Valmont hat mich verlassen!
Fremder. Er hat Dich nicht verlassen!
Alla-Moddin. O komm, und zertrümmre die Mauern dieses Kerkers! – Komm und führe mich über die Leichen dieser Unmenschen in mein Vaterland zurück!
Sebastiano. Blinde Wuth spricht aus Deinem Munde, sie hat Deinen lang versteckten Plan entdeckt. – Du bist ein Verräther! itzt dürfen wir nicht länger zweifeln.
Alla-Moddin wüthend. Fort, Elender! es zuckt meine Faust! – O hätt' ich ein Schwert! –
Sebastiano. Ich verlasse Dich, aber bald wirst Du die Folgen dieses Augenblicks empfinden! – Er geht ab, kehrt in der Thür wieder um, und wirft einen forschenden Blick auf den Fremden. Die Thür wird mit großer Gewalt zugeschlagen.
Alla-Moddin. Der Fremde.
Alla-Moddin. Er geht, und seine Augen funkelten Wuth. die Bestätigung seiner schrecklichen Drohung.
Fremder. Die er wahrlich nicht erfüllen soll.
Alla-Moddin. O wie reut es mich itzt, daß ich über ihn zürnte, er verdient nur meine Verachtung; denn, sahst Du, wie er zitternd da stand, als ich auf ihn zueilte? Ich beklage die Christen, daß dieser einer ihrer Priester ist. Er predigt Sanftmuth und Menschenliebe, und seiner Seele sind diese Kinder des Himmels Fremdlinge, er hat nie das göttliche Gefühl der Freundschaft gekannt, denn sahst Du, welche glühende Blicke er zwischen uns warf, und uns Trennung drohte?
Fremder. Er ist zu schwach, seine Drohung zu erfüllen. – Itzt verlasse ich Dich, ehe die Sonne untergeht, bin ich wieder hier.
Alla-Moddin. Komm bald wieder.
Fremder. Mit Trost und Hülfe hoff' ich zurückzukehren. – Lebe wohl.
Alla-Moddin. Hier im Kerker?
Der Fremde reicht ihm die Hand, und geht schnell ab.
Alla-Moddin. Von Amelni, von Lini getrennt? – O bald werd' ich jammernd meinen jetzigen Zustand glücklich preisen. – O ich Thor! daß ich meinen Quälern selbst die Kluft entdeckte, durch die sich Omal rettete! des unnützen falschen Edelmuths! – Die Flucht wäre nicht schändlich gewesen, da man mich wie einen Verbrecher behandelt, mein Volk und meine Gattin hätten sie fordern können, – doch, es geschahe nicht, und wozu dieser nichtigen Reue? – Wer mag dieser biedre Fremdling sein, der mich mit neuer Hoffnung nährt? – nachdenkend. Wenn auch er ein Abgesandter Alonzo's wäre, – wenn auch er mich ausforschen sollte, um mich dann noch elender zu machen? –
Alla-Moddin. Amelni. Lini.
Amelni, die mit Lini zurück kömmt. Der Fremde hat Dich schon verlassen?
Alla-Moddin. So eben, mit den schönsten Versprechungen, die die Götter erfüllen mögen. – Ha! dort segelt wieder ein Schiff vorüber! Wie majestätisch es sich auf dem glänzenden Rücken des Meeres wiegt! Wie die Flaggen im Winde wallen! – O käme dies Schiff zu meiner Befriedigung! – man hört aus der Ferne dumpf drei Kanonenschüsse. Es landet! – Was nützt es mir? – Schon hundert Schiffe landeten, und hundertmal hofft' ich vergebens. – Er stützt traurig das Haupt auf seinen Arm und lehnt sich gegen die Mauer.
Amelni. Verscheuche diese finstern Blicke! – Der Frühling vertreibt den Winter, die Donner rollen über's Meer hinweg, und der Sonnenschein kehrt wieder. So lange Du nur lebst, so lange hoff' ich auch. Sie nimmt die Laute, setzt sich neben Alla-Moddin und spielt, Lini sitzt vor ihr auf der Erde.
Hoffnung! Hoffnung! holde Göttin,
einen Tropfen Linderung
gieß aus deiner goldnen Schaale
in das Herz des Leidenden!
Hinter fernen Bergen
sinkt die Nacht hinab,
und mit goldenem Gefieder
steigt ein schönes Morgenroth
aus der dunkeln Finsterniß,
Hoffnung! Hoffnung! holde Göttin,
einen Tropfen Linderung
gieß aus deiner goldnen Schaale
in das Herz des Leidenden!
Sie sieht ihn an, er umarmt und küßt sie, Lini legt seinen Kopf in den Schooß seiner Mutter, und blickt freundlich lächelnd zu seinen Eltern auf.
Alla-Moddin. Ja, es muß besser werden!
(Der Vorhang fällt.)