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(Felsengegend am Meer, Nacht, sehr schwaches Mondlicht.)
Omal, er klettert hinter den Felsen herauf, und stellt sich oben auf die Spitze einer Klippe. Wie die Wellen gegen die Felsen schlagen! – Große Wogen klettern aus der Tiefe herauf, und zerschmettern sich mit Brausen gegen die weißen Klippen. Wie der Wind durch die Felsenritzen pfeift, und das Moos am Abhang flüstert! Alles so ruhig, die ganze Gegend in feierlicher Stille. – Auf dieser Felsenbank sollen sie sich versammeln. – Ein verirrter Mondstrahl wandelt durch die schwarzhangenden Wolken, meine Freunde werden mich hier finden. – er bläßt auf einem kleinen Horn. Wie der Ton über die Felsen hinfliegt! – Sie kommen! Ihre leisen Tritte dröhnen durch die gewundenen Klippengänge.
Omal. Schaddin. Runwal. Mehrere Indianer.
Omal. Setzt Euch, Freunde. – Sie setzen sich auf den Steinsitzen umher. Oedes, nächtliches Schweigen liegt um uns her, eine heilige Einsamkeit begeistert die Seele zu erhabenen Gedanken, dies ist die Zeit der Rathschläge. – Diese Klippen tragen uns hoch in die Lüfte hinauf, hier sind wir den unsterblichen Göttern näher: verhüllt Eure Häupter und betet in schweigender Andacht, daß ihre Weisheit auf uns herniederfließe. Alle verhüllen ihr Haupt, und beten schweigend. Eine Pause. Seht dorthin! dort, wo die Wolken so kraus und wild durch einander fluthen, dort liegt Manilla, – dort entsprang ich, und floh in Eure Arme, – dort seufzt Alla-Moddin. – Itzt sprecht, – sprich Du zuerst, Schaddin, Greis mit den silbernen Locken, Deine Weisheit lenkte schon oft unsre kriegerischen Schaaren. –
Schaddin. Ihr vertraut meinem Alter und meiner Erfahrung, Ihr wißt, daß mich Alla-Moddin liebte, und meinen Rath gern hörte. Dreimal war ich Heerführer, zweimal schlug ich an Alla-Moddins Seite die wilden Feinde aus unsrer glücklichen Insel, – darum verachtet auch itzt meine Worte nicht. Steckt Eure Schwerter in die Scheide und kämpft mit Güte und Sanftmuth, der Sturmwind jagt die empörten Wogen noch höher, beim Wehen des lauesten Westes ebnet sich die Fluth.
Omal. Schaddin, Sanftmuth den Quälern Alla-Moddins? Güte diesen christlichen Barbaren? – Nein, schreckliche Wiedervergeltung, Quaal um Quaal, Unversöhnlichkeit gegen Unversöhnlichkeit!
Schaddin. Spottet der Fels nicht aller der tausend Wogen, die gegen ihn hinankämpfen? Gebrochen rollen sie wehklagend ins Meer zurück. Was willst Du mit Deiner Ohnmacht gegen die spanischen unbezwinglichen Mauren? – Was mit Deinem schwachen Bogen gegen ihre krachenden Donnerschlünde? – – Ha! mit scharfsinniger Tücke haben diese Meuter die strafenden Donner der Götter erschlichen, hinter Unüberwindlichkeiten verschanzt, werden sie unsrer und unsres Muthes spotten. Ihre furchtbare Kunst hat alle Tapferkeit des Mannes unnütz gemacht. Sie schicken uns den Tod aus der Ferne, wir fallen, ohne selbst die Wollust der Rache zu schmecken, und sie werfen uns lachend in unsre Gräber. – Ha! brauchte es nichts als Muth, wer würde fragen und zweifeln? Wären Insulaner unsre Feinde, so sollte ein Schlachtgesang meinen Rath beginnen, – aber Eure Feinde sind Wesen, mit übermenschlichen Kräften im Bunde: darum laßt uns mit der Morgenröthe vor Manillas Thoren erscheinen, und von ihnen mit lauter Stimme unsern König fordern, vielleicht daß der Schrecken – der unerwartete Anblick des Heers, oder unsre Rede – –
Omal. O schweig, Schaddin; die Alla-Moddins Seufzer nicht rührte, die willst Du durch Beredsamkeit bewegen? – Haben wir darum endlich nach langem Kriege jene Insulaner besiegt, um nun mit sanften Reden vor den Mauern unsrer Feinde zu erscheinen? Schaddin, Deinen Muth hat das Alter gelähmt, Dein Arm ist im Kriege schwach geworden, darum ist Deine Sprache so friedlich. Jener Krieg auf Suhlu hat uns schon über sechs Monden von Alla-Moddins Befreiung zurückgehalten, er ist glücklich geendigt, und unser guter König sollte noch immer in seinem Kerker schmachten?
Schaddin. Geben ihn die Spanier nicht frei, nun so mag denn Gewalt, – aber unser nacktes Heer gegen jene unüberwindlichen Bollwerke, ihre donnernden Feuerschlünde, – wir sind wehrlos, was haben wir auf unsrer Seite?
Omal. Das Recht, Schaddin. – Dies große Gefühl legt Götterkraft in unsern Busen, die Gewalt des Blitzes in unsre Schwerter, Gefahr und Tod treten vor diesem blendenden Schilde scheu zurück, Mauern stürzen nieder, und Donner spielen furchtsam um diesen Glanz. Nichts vermag den Kämpfer für das Recht zu besiegen, er kennt keine Unüberwindlichkeit, die Götter gehn neben ihm, alles stürzt erbebend auf die Kniee und bekennt sich zitternd überwunden. Ha! wäre nicht diese große Gerechtigkeit des Schicksals, wer wagte es dann, den Bösewicht zu bestrafen? – Frevler würden mit ehernem Stabe die Tugend beherrschen, – – nein, die Götter, Schaddin, die Götter stehn auf unsrer Seite; von ihrem hohen Richterstuhl ausgesandt, sind wir hiehergekommen, die Schändlichen zu strafen, die Götter werden ihre Diener nicht verlassen.
Schaddin. Wenn sie uns senden, warum stemmte sich dann ein Sturmwind gegen unsre Schiffe, sie von diesen feindseligen Ufern zurückzuhalten? – O Freunde, hörtet ihr die Wirbelwinde nicht, die in schrecklichen Flüchen zu uns sprachen? – Mir war, als säh' ich zwischen den zerrissenen Wolken eine dunkle Hand, die uns mit ernster Bedeutung zuwinkte, – laßt uns ihr folgen. – Winde und Wogen werfen sich uns ungestüm entgegen, laßt uns den Wink der Götter verstehen. –
Omal. Laßt ihn uns verstehen, sie schelten unser Zögern, unsern Kleinmuth, – dies ist mein Glaube. –
Schaddin. Sprich Du itzt, Runwal; Du bist nach mir im Rath der nächste. –
Runwal. Dort seufzt Alla-Moddin! und dies ist die Loosung unser Schwert zu schwingen, und wie entfesselte Sturmwinde mit unsern Lanzen gegen Manilla's Mauern zu wüthen. Meine Zunge ist nicht geschickt zum Reden, meine Worte sind rauh, – aber laut pocht mein Herz in meinem Busen, und seine Schläge zucken gewaltig bis in meinen Arm. – Auf! unser König seufzt dort! – hört ihr's? – O ich bedarf keiner Ueberredung, in dem Namen Alla-Moddin liegt alles, was ich sagen könnte. Laßt Eure Speere und Schwerter im frühsten Strahl des Morgens glänzen, Alla-Moddin sei frei, und Manilla stürze nieder! dies ist mein Rath: wer anders denkt, der spreche! alle schweigen.
Omal. Kein Ton? – Runwal, Du hast die Worte meiner Seele gelesen, auch ich bin der Meinung. In diesem Schwert, in diesem Köcher liegt meine Beredsamkeit. Welcher Mann wird für seinen guten König nur sprechen, wenn er für ihn handeln kann? Kein Wort von Zögerung. Mit der Sonne stehn wir vor Manilla's Thoren, das Schwert der Rache in der Hand, – mag Schaddin doch zurückbleiben.
Schaddin. Er wird nicht zurückbleiben. Mein Rath war friedlich, weil er mir der beste schien, aber auch mein Muth erhebt sich höher in Gefahren. – – Ihr habt beschlossen: Nun auf zum Kriege! Auf zum Kampfe! Blast einen Kriegsgesang! Singt Schlachtlieder! Meine Hand bebt, es zuckt mein Schwert in der Scheide, die Pfeile klappern streitlustig in meinem Köcher. – Omal, Du hast mich schwer gekränkt.
Omal. Hier hast Du meine Hand, Du bist mein wackrer Bruder.
Runwal. Ich wünsche, die Sonne wäre schon aufgegangen. Wenn Pfeile um mich zischen, Schwerter über meinem Haupte schwirren, und Schild gegen Schild sich drängt, – o dann hebt sich meine Seele höher, und mein Auge glänzt vor Freude. –
Omal. Und die Wirbelwinde sollen das schöne Suhlu verheeren, wenn ich dies Schwert eher niederlege, bis Alla-Moddin frei ist! – Schaddin, und Ihr, meine übrigen Freunde, geht jetzt wieder zurück, und rüstet Euch und Eure Schaaren zum kommenden Morgen. Schaddin und die übrigen Suhlunaner steigen wieder hinter den Felsen zurück. Du, Runwal, bleibe hier, wir wollen auf diesem Felsensitze den grauen Morgen erwarten.
Omal. Runwal.
Omal reicht Runwal die Hand. Runwal! Du bist mein Freund! – Gieb mir Deine Hand! Du fichtst morgen zu meiner Seite: fall' ich, so kümmre Dich nicht darum, laß meinen Leichnam immerhin zertreten werden, und denke nur an Alla-Moddin. – Eben das thu' ich, solltest Du zu Boden stürzen.
Runwal. O wie wird mein Herz emporschwellen, wenn ich über die Steinhaufen Manillas hinschreite, und den Kerker Alla-Moddins sprenge.
Omal. Wie lange zögert heut die Sonne!
Runwal. Sieh, wie sich schon alle Finsterniß nach Westen hinzieht, wie der schläfrige Tag sich langsam hinter jenem Berge aufhebt, und mit den lichtscheuen Augen blinzelt.
Omal springt auf. Es wird heller in Osten!
Runwal. Dort schon der lächelnde Bruder des Tags, der ewig junge Morgenstern, der seine goldnen Locken aus den kalten Wogen hebt.
Omal. Das Morgenroth zieht sich flammend in Osten herauf, und reicht uns sein feuriges Schwert, die Feinde zu strafen.
Runwal. Sieh, wie die Gegend aus der Finsterniß hervorsteigt, wie die Erinnerung vergangener Zeiten.
Omal. Steh auf! – Sieh, dorthin, wo der Fels sich öffnet, wo jene schwarze Wolke so eben vorbeischwebt, dort in jene Bucht hinein liegt Manilla! – Ha! dort seh ich seine Thürme, dort seufzt Alla-Moddin, und klagt über unser Zögern. – Itzt komm! – Wir wollen unsre Freunde versammeln. Er bläst auf seinem Horn, eine ähnliche Antwort von unten; sie steigen hinab.
Runwal im Hinabsteigen. Wie furchtbar diese Klippen durch einander geworfen sind!
Omal. Wie ein Meer, das sich im Sturm versteinerte.
Manilla, im Hintergrunde die Festungswerke und die Stadt, vor dieser ein großer Wall, unter Bäumen auf einer Ebne.
Lini, oben auf dem Wall; er kömmt fröhlich mit seiner Laute. Noch Sterne am Himmel? – Willkommen, was habt ihr indeß gemacht? – Es sind aber nur so wenig goldene Punkte dort, es muß wohl bald Tag sein. – Ach ja, denn noch keine Nacht ist mir so lang geworden, als diese. Lustige Wasser rauschten um mich her, blühende Bäume wehten über meinem Haupte, Suhluaner tanzten nach fröhlichen Flöten, – noch nie war ich so angenehm traurig und fröhlich zugleich, ich sah schon alles im halben Traum, was ich zu sehen wünschte, und weinte dann, daß es noch nicht wirklich da war, daß es immer noch Nacht blieb, so oft ich auch die Augen aufschlug, und von neuem wieder einschlief: – aber jetzt ist es da. – Wie die Winde durch die Bäume rauschen, wie der Himmel im goldenen Scheine glüht! – Ha! dort fährt in purpurnen Fluthen die Sonne mit ihren flammenden Segeln empor!– Wie sich alles freut! die Vögel jauchzen, die Bäume sind fröhlich, die grünen Thale lachen, – alles, Lini, weil du nicht mehr trauerst. – O mir ist, als sollt' ich vor Freude von diesem grünen Berg herunterspringen, daß ich fröhlich im grünenden Haine irrte, den Winden nachjagte, die durch Blumen wehen, daß ich mit den Lerchen zu den rothen Wolken emporflöge! Alles zwitschert, alles singt; singe du auch, Lini! Er spielt und singt.
Bezwungen flieht die Nacht
zu ihrer schauervollen Höle:
im goldenen Triumph
gekrönt mit tausend Strahlen
steigt jugendlich die Sonne auf,
sie schwingt, ein Zeichen ihres Siegs,
des Morgenrothes flammende Standarte.
So flieht der Kummer,
vor der Freude Glanz,
und stürzt erschrocken
auf ewig in das Meer.
Lini. Alla-Moddin. Amelni.
Alla-Moddin kommt mit Amelni Arm in Arm. Wir sind mit der Natur erwacht, – freust Du Dich nun, Du kleiner muntrer Sänger?
Lini. O ja, Vater, – aber ich muß mich so allein freuen, nun möcht' ich auch wohl den kleinen Runi und meine andern Gespielen wieder sehen, dann würd' ich noch weit fröhlicher sein.
Alla-Moddin. Auch dieser Wunsch wird erfüllt werden, denn wir werden nun bald über die grauen Wogen nach Suhlu fahren.
Lini. O ja, bald, lieber Vater! es ist hier schön, aber dort ist es noch weit schöner. Mein Garten, meine Palmbäume, meine Rosenstöcke,.– was die machen? Ob mich mein Baum wohl wieder kennen wird? – Was werden wohl meine kleinen Freunde sagen?
Amelni. Ach, es wird sich so manches verändert haben. – O wie schön, wie erfrischend weht uns die Luft der Freiheit entgegen, wie lieblich spielen die Lüfte durch die grünen Bäume, goldgesäumte Wolken schweben durch die düstern Wälder. – Wie ein goldner Glanz auf den rieselnden Wellen zittert! – wie der Himmel im purpurrothen Scheine flammt, wie die Vögel jauchzen und die Wiesen duften! – sie sinkt im höchsten Gefühl des Glücks an die Brust Alla-Moddins. Ach Alla-Moddin! – kannst Du denn noch traurig sein?
Alla-Moddin. Nein, Amelni, das wäre Undankbarkeit gegen die gütigen Götter; ich fühle mein Glück, ich darf ungefesselt meine Arme wieder ausstrecken, ich sehe in aller ihrer Majestät die Königin des Himmels wieder, ich athme wieder Freiheitslust, der düstre Kerker ist hinter uns verschlossen; – ach, liebe Amelni, sieh dorthin! Sieht dieser Baum da nicht dem ähnlich, der in Suhlu vor unserm Hause grünt.
Amelni. Ja, Alla-Moddin, er steht eben so wie dieser auf einem kleinen Hügel, und seine Zweige rauschen auf unserm Dache, rechts fließt, wie hier, ein kleiner Strom vorüber, und schlüpft geschlängelt zwischen blumigen Ufern, – der Baum trägt eben solche weiße Blüthen; – sieh, wie die Morgenwinde in dem Wipfel wühlen, und einen Blüthenregen im Glanz der Morgensonne über den Bach hinstreuen, – ach, gerade so wie an dem Tage, da wir von Suhlu abreis'ten und von unserm Gärtchen Abschied nahmen, – alle jene schönen Bilder kehren in meinen Busen zurück, alles so neu und frisch, ach, unser Leben beginnt heut von neuem, wir wollen von nun an jeden Tag, jede Stunde anhalten, keine soll, ohne Freude zu geben, vorüberfahren.
Lini hat sich niedergesetzt, und sieht mit Entzücken in die schöne Gegend.
Alla-Moddin. Aber Amelni, bleibt Deine Seele ganz heiter und ungetrübt, wenn Du an Suhlu denkst? – Drängt sich keine ängstliche Empfindung zu deinem Herzen?
Amelni. Nur die Freude kann jetzt den Zugang zu meiner Seele finden.
Alla-Moddin. Du sagtest vorher: »Ach, es wird sich so manches verändert haben.« – Mancher Baum ist größer geworden, unsre kleinen Palmen an dem See sind emporgeschossen, Lini's Baum ist gewachsen, unsre Rosenstöcke sind uns unkenntlich geworden. – Ach, Amelni, wenn uns ganz Suhlu unkenntlich wäre!
Amelni. Woher diese Besorgniß?
Alla-Moddin. Mein Volk hat meiner vielleicht vergessen, es vergaß meiner in dieser langen Zeit, fremde Völker haben vielleicht Suhlu verheert, – ach, vielleicht wachsen Dornen da zwischen Steinhaufen, wo sonst unsre Wohnung stand, Disteln überziehn wohl unsern Garten, vielleicht –
Lini springt auf. Sieh, Vater, dort hinter jener Mauer saßen wir sonst und weinten, – man kann von hier die kleine Oeffnung sehn, durch die ich meinen Vogel habe fliegen lassen, – wo mag er jetzt wohl sein?
Alla-Moddin. Wenn ich meine Freunde wiederfinde, mein Volk noch so, wie ich es verlassen habe, wenn Omal noch derselbe ist, – welch Glück ist dann dem meinen gleich?
Lini. O komm Vater, dorthin glänzt der Thau der Wiese so schön, komm nun auch auf jene Seite!
Alla-Moddin. Nun wohl, Du Ungeduldiger! Sie gehn ab.
Gusmann. Valmont von der andern Seite.
Valmont. Der edelmüthige Spanier ist noch immer mißtrauisch? –
Gusmann. Kein Mißtrauen, nur Vorsicht, wenn Gonsalvo's Aussage anders Wahrheit ist.
Valmont. Ha! dort schleicht Alonzo traurig her, – er dauert mich.
Vorige. Alonzo.
Alonzo für sich. Konnt' es denn nicht anders sein? – Ach Sebastiano! – Ist es so weit gekommen, daß ich den Anblick der Menschen scheuen, und wie ein Verbrecher herumschleichen muß? – Wodurch verdiente ich dies Schicksal?
Valmont geht auf ihn zu, und faßt freundschaftlich seine Hand. Alonzo!
Alonzo. O – lassen Sie mich – ich – Warum folgte ich nicht Ihrem Rathe? – Warum hörte ich nur die Worte Sebastiano's und war taub für die Stimme der Wahrheit? –
Valmont. Dies, Alonzo, war die Absicht meines gestrigen Besuchs; es that mir wehe, Sie zu kränken, da ich Sie kannte; ich wünschte, daß eine That Ihr Amt beschlösse, die Ihnen die Liebe Alla-Moddin's und der Welt verschaffte, doch Sebastiano – –
Gusmann. Bleiben Sie bei uns auf Manilla, wenn Sie von keinem wichtigen Geschäfte nach Europa zurückgerufen werden, Sie sollen von meiner Freundschaft überzeugt werden. Kein Betrüger wird nun mehr Ihre Güte mißbrauchen, denn Sebastiano verläßt mit allen Jesuiten diese Gegend.
Alla-Moddin kömmt ihnen mit Amelni entgegen.
Gusmann. Valmont. Alonzo. Alla-Moddin. Amelni.
Alonzo nähert sich Alla-Moddin. O verzeihe mir, edler Mann, – o daß Du mir nicht danken kannst, daß Du auf mich zürnen mußt, schmerzt mich jetzt tief im Innersten meines Herzens.
Alla-Moddin. Ich zürne nicht auf Dich, ich weiß, Du warst nicht die Ursach meiner Leiden; ich bin frei, ich bin glücklich, alles übrige ist nur ein Traum gewesen, ich bin erwacht; itzt laß uns nicht weiter von der Nacht sprechen, sieh, der Morgen lächelt uns entgegen.
Vorige. Lini, der sehr schnell herbeiläuft.
Alla-Moddin. Was ist Dir, lieber Sohn? Du siehst bleich aus, – Du bist außer Athem, – rede!
Lini. Ach, Vater, als ich dort voller Freude herumhüpfte, sah ich Sebastiano plötzlich mit glühenden Augen auf mich zukommen, – darum eilt' ich so.
Vorige. Sebastiano.
Sebastiano eilt schnell herbei. Wo ist Alonzo?– Wo der Gouverneur?
Gusmann. Was verlangen Sie?
Sebastiano. O Gusmann, – Alonzo, – – ich irrte doch nicht, es hat sich entschieden.
Alonzo. Was?
Sebastiano. Verrätherei! – Ja, Alla-Moddin, noch einmal nenn' ich Dich einen Verräther, – Deine Freunde sind gelandet, und nahen in großen Schaaren der Vestung.
Gusmann. So wäre es dennoch wahr gewesen, Valmont?
Valmont. Unmöglich, ich verbürge mein Leben für ihn!
Alla-Moddin. Ein Verräther? – Sebastiano, ich fasse Deine Worte nicht.
Sebastiano. Ich sahe ihre feindliche Anzahl von einem Felsen herab, – sie nahen mit einem wilden Getümmel, mit einem fürchterlichen Schlachtgesang. – Alonzo, wir hatten uns nicht geirrt, nun ist die Schändlichkeit des Elenden und unsre Unschuld offenbar.
Alla-Moddin. Ich bin wie ein Träumender, der aus einem tiefen Schlaf erwacht, und den nicht versteht, der zu ihm spricht. Deine Worte klingen mir wie Räthsel, – und doch ahnde ich –
Sebastiano. Hört! hört wie wild ihr Kriegsgeschrei aus der Ferne daherbraußt! – Es ist Dir kein Räthsel, Alla-Moddin, Deine schändlichen Freunde führen endlich Deine Anschläge aus, sie kommen endlich, diese Mauern zu stürmen, uns von unsern Zweifeln zu befreien, und Dir das Brandmahl der Verrätherei aufzudrücken.
Alla-Moddin. Im Angesicht des Himmels und der aufgegangenen Sonne, im Angesicht der Götter widersprech' ich Dir laut, mag kommen was da will, ich bin ohne Schuld.
Vorige. Die Indianer.
Man hört einen wilden Schlachtgesang, von vielen Instrumenten begleitet, der nach und nach immer näher kömmt, bis die Indianer endlich unten auf der Ebne erscheinen. Alla-Moddin steht indeß nachdenkend; Gusmann zweifelhaft in der Ferne; Sebastiano versucht es mehrmals mit Alonzo zu sprechen, der ihm aber immer ausweicht.
Brause daher im wilden Getön,
wie Meeressturm gegen Klippenmauern,
wie des furchtbaren Donners Gang
durch des Himmels unendlichen Raum,
Schlachtgesang! –
Im Blutgewande,
mit der Vernichtung lodernden Fackel
naht die Rache. –
Schwert an Schwert,
Brust gegen Brust,
schwimmen wir kühn den Strom hindurch,
der uns mit tausend Strudeln entgegen kämpft!
Todesgeröchel,
Wuthgebrüll,
sind des schwarzen Krieges
furchtbare Wagenlenker. –
Zur Rache! zum Siege!
Laßt den Blitz um unsre Locken flattern,
den Donner wild um unsre Häupter schelten,
wir brechen kühnes Muths durch Tod und Gefahr!
Wie Wogen spalten sich die Schrecken
vor des Tapfern Brust,
wie Sturmwind fliegen sie mit scharfen Klauen
nach dem Nacken des feigen Frevlers.
Zur Rache! zur Rache! wie schließende Flammen
stürzt den Schändlichen
vertilgend entgegen!
Fahrt triumphirend
auf ihres Blutes purpurrothen Wogen
nach Suhlu zurück. –
Gusmann. Sebastiano, gehn Sie zu den Frevlern hinab, und fragen Sie sie in meinem Namen, was sie verlangen?
Sebastiano geht ab, der Gesang fährt fort.
Ha! schon fliegt mit fürchterlichem Klang
Vernichtung durch die Luft daher!
An ihren Schwingen hängen Todesseuchen,
von jeder Feder tropft vergiftet Blut. ^
Die Götter sitzen im furchtbaren Rath,
und werfen stumm die schwarzen Würfel,
sie winken den bleichen Dienern,
der Verzweiflung mit dem knirschenden Zahn,
der Todesangst mit den starren Augen,
sie kommen mit wilden Geberden, –
wen werden sie als ihre Beute greifen?
Sebastiano ist zu ihnen heruntergekommen, Omal geht ihm entgegen. Wer seid Ihr, die Ihr mit diesem drohenden Gesang die Luft erschüttert? Was ist Euer Verlangen? – Der Befehlshaber dieser Vestung sendet mich zu Euch. –
Omal. Ha! das ist der schändliche Priester, der täglich unsern edlen König marterte.
Runwal stürzt wild hervor, und sticht mit seiner Lanze Sebastiano nieder. Dieser? – so nimm den Lohn dafür. –
Omal. Runwal! schäme Dich, grauer Krieger, er war ja wehrlos. –
Runwal steht einen Augenblick nachdenkend, dann wirft er unwillig seine Lanze hin. O, – ich habe wie ein Knabe gehandelt, ich darf diese entehrte Lanze in keiner Schlacht mehr führen. –
Alla-Moddin ist indeß mehr hervorgetreten, er ruft laut und mit ernster Stimme. Omal!
Omal blickt empor, im wildesten Ausbruch der Freude. Ha! Suhluaner! Suhluaner! da steht er! – Alla-Moddin!
Alle werfen sich nieder; ein ungestümes Freudengeschrei verwirrt durch einander.
Alla-Moddin. Suhluaner, soll ich mich freuen, oder trauern, daß ich Euch wiedersehe? – Wie oft hab' ich im Kerker nach dem Anblick eines biedern Landsmannes geschmachtet, Ihr streckt mir jauchzend Eure Hände entgegen, aber sie sind mit Blut befleckt, ich kann mich nicht freuen.
Omal. O Alla-Moddin, – wir kommen mit der Rache, mit der Freiheit, Du sollst wieder der unsrige werden.
Alla-Moddin. Ihr irrt meine Freunde, meine Unschuld ist erkannt, so eben bin ich frei gesprochen, und Ihr werft von neuem einen schweren und gerechten Verdacht auf mich. – O führe Deine Schaaren zurück, Omal, ich folge euch sogleich, Ihr seht, ich bin frei, mein Kerker steht verschlossen, was verlangt Ihr mehr?
Omal. Nein, Alla-Moddin, Deine Großmuth will unsre Rache täuschen, mit großem Mitleid willst Du Deine Feinde schonen, Du bist nicht frei; sie fürchten unsern Muth, und Du hast es ihnen versprochen, so zu uns zu reden, – nein, wir sind nicht vergebens hiehergekommen, die Götter haben endlich unser Flehn erhört, und die Feinde Suhlu's durch unser Schwert besiegt; auf, meine wackren Landsleute! nun sind noch diese Feinde übrig, zwar grausamer und unmenschlicher als jene, aber auch sie sind nur Sterbliche! Wir weichen nicht, Alla-Moddin, wir haben's beschworen.
Alla-Moddin. Omal, Du warst von jeher mein treuer Unterthan, aber itzt sprichst Du wie ein Aufrührer, – sieh, ich, Dein König, der wissentlich noch keine Unwahrheit sprach, versichert Dich, daß er frei ist, daß er glücklich ist, wenn Du seinen Worten glaubst: darum stecke Dein Schwert ein, das hier so unnütz funkelt. – Geh, und führe Deine Schaaren in ihre Heimath zurück, in Suhlu will ich Dich umarmen, Omal; vergiß nicht, daß Dein König zu Dir spricht, dessen Befehlen Du sonst gern gehorchtest.
Omal. Ich darf nicht zurückgehn, wir haben geschworen, die Thür Deines Kerkers zu sprengen – ein Suhluaner darf seinen Eid nicht brechen. Deine edle Seele will uns täuschen, Du bist nicht frei. – Suhluaner, wollt Ihr mit ungerötheten Lanzen wieder nach Suhlu zurückschiffen?
Alle. Nein, wir kehren nicht zurück, wir haben geschworen.
Alla-Moddin. Geschworen? – Omal, und Ihr alle meine getreuen Unterthanen! – So hört denn die Bitten des ehemals geliebten Alla-Moddin, da Ihr seinen Befehlen nicht gehorchen wollt. – O seht, wie alle meine Freunde von mir, wie von einem Verpesteten zurückweichen, selbst mein zärtlicher Valmont senkt den Blick, und scheint nachzudenken; – mich freut die Liebe, mit der Ihr zu mir kommt, – aber Eure Hartnäckigkeit macht mich traurig. Soll das erste Geschenk, das mir meine Suhluaner bringen, Wehmuth sein? Seht, Sebastiano liegt ermordet, alle Augen wurzeln auf mir, als dem Urheber dieser That, – Eure Liebe, Suhluaner, ist Grausamkeit; nein, Ihr liebt mich nicht, wenn Ihr nicht friedfertig zu Euren Schiffen zurückkehrt, Ihr seid meine Feinde, wenn Ihr nicht sogleich Eure drohenden Lanzen beschämt in die Erde verbergt. – O Amelni, Lini, Valmont, helft mir die Grausamen erweichen. – O Ihr Hartherzigen, seht, ich kann meine Thränen nicht zurückhalten, das Zutrauen meiner Freunde wendet sich schüchtern von mir ab, Ihr bleibt bei meinen Bitten ungerührt, Ihr glaubt nicht meinen Betheuerungen; Eure erlogene Liebe ist Blutdurst, Ihr lechzt nach Mord, mit Tigersinn schwingt Ihr Euer Schwert, wie ein Räuber forderst Du Deine Freunde, Omal, zum Kampf, – o ich muß mich schämen, daß meine unmännlichen Augen weinen, statt mit zornigen und gebieterischen Blicken auf Euch herabzusehn; Ihr trotzt meiner nachgebenden Schwäche, Ihr verachtet meine Stimme, der Ihr sonst gern als Kinder gehorchtet, Ihr kränkt mich schwer.
Omal. Wir haben geschworen! –
Alla-Moddin. Du Stolzer! – Geschworen? – er wendet sich um. Ha, meine Freunde, warum seid Ihr so stumm? – Warum schlagt Ihr vor meinen Blicken die Augen nieder? – Und auch Du, mein Valmont? Er geht auf Valmont zu. Valmont, erwache aus Deinen Träumen! – Du zweifelst?
Valmont. Nein, Alla-Moddin.
Alla-Moddin. Deine Freundschaft bleibt mir noch übrig. – Er umarmt ihn, und reißt in eben dem Augenblick Valmont's Schwert aus der Scheide, dann stürzt er zurück und spricht zu den Indianern. Nun, Ihr Hartnäckigen, nun hab' ich auch ein Schwert in meiner Gewalt, nun darf ich Euch wieder trotzen. – Er setzt den Griff gegen die Erde, und die Spitze gegen seine Brust, Amelni fährt zusammen.
Die Indianer erschreckend. Alla-Moddin! – um aller Götter willen!
Alla-Moddin. Nun stürmt an gegen diese Mauern, nun laßt Eure Waffen leuchten: aber, hier schwör' ich es feierlich bei den Göttern, dem ersten unter Euch, der diese Wälle betritt, springt mein Blut entgegen. – Nun rufe doch Deine Freunde zur Schlacht, blutdurstiger Omal, brüllt doch Euren frechen Schlachtgesang, Ihr lechzt nach Blut, und Eures Königs Blut soll Euch zuerst entgegen strömen. Omal, meinen Befehl hast Du nicht geehrt, meine Bitten hast Du verachtet, was liegt Dir an Alla-Moddins Leben? Renne mit Deiner Standarte herauf, und pflanze sie hieher, und Du kannst die Wonne genießen, sie in Deines Königs Blut zu tauchen. – Warum zögert Ihr? – Warum bist Du so stumm, Omal? – Itzt habt Ihr zu wählen, springt auf meinem Leichnam auf die Mauern, – oder kehrt nach Suhlu zurück. – Nun Omal? –
Omal. Ach, Alla-Moddin, Du hast den grauen Krieger unbarmherzig entwaffnet, – ich kann nicht sprechen, – denn brennende Thränen, – schwere Seufzer, – komm Runwal, führe sie zu den Schiffen zurück, – führe sie zurück.
Runwal. Willst Du nicht mit uns gehn?
Omal. Nein. –
Runwal. Warum willst Du zurückbleiben? –
Omal. O frag' mich nicht. –
Runwal. Alla-Moddin, – wir kehren zu unsrer Heimath zurück, – aber sehn wir Dich in Suhlu, guter König? –
Alla-Moddin. Noch ehe die Sonne sinkt, folg' ich Euch über die Wogen, – dann sind wir auf einheimischem Boden, und grüßen uns ohne Pfeil und Köcher, ohne Schwert. –
Er läßt das Schwert fallen, und wirft sich in die Arme Valmont's und Amelni's, die Indianer blasen einen traurigen Marsch, und ziehen von der Bühne, Omal bleibt, und wirft sich unten stumm an den Wall nieder, sein Schwert schleudert er weit von sich weg.
Die Vorigen, ohne die Indianer.
Gusmann geht schweigend auf Alla-Moddin zu, und küßt ihn feurig. Verzeih', edler Freund, ich dachte klein von Dir.
Lini. Vater, wir wollen nach Suhlu fahren, alle meine Landsleute sind schon wieder fort, nur Omal ist noch da, frag' ihn doch, warum er so traurig ist, und nicht zu uns kömmt.
Alla-Moddin. Omal, warum bist Du allein zurückgeblieben?
Omal. Ich habe es geschworen, und ich kehre nicht ohne Dich nach Suhlu, – schicke doch einen Mörder zu Deinem getreuen Omal herab, – o, seit Alla-Moddin mich so tief gekränkt hat, will Omal gerne sterben. – Sieh, mein Schwert liegt dort, ich werde mich nicht widersetzen. – Einen solchen Augenblick hatt' ich noch nicht erlebt, – den Freund, der aus zu großer Liebe fehlte, behandelst Du wie einen Meuter, – o, weiter, laß mich erwürgen, und sei durch meinen Tod versöhnt.
Alla-Moddin. Omal, Du kennst Deinen König nicht mehr, Dein Trotz kränkte mich, aber itzt sind wir wieder Freunde, komm herauf!
Omal. Du bist wieder mein Freund?
Alla-Moddin. Komm, meine Arme sind Dir geöffnet.
Omal rennt den Wall schnell hinauf, und stürzt zu den Füßen Alla-Moddin's, dieser umarmt ihn. O vergieb, vergieb mir!
Alla-Moddin. Sieh, ich bin frei, und kehre mit Dir nach Suhlu zurück.
Omal O ich bin glücklich! Er kniet zu Amelni's Füßen, dann nimmt er Lini in seine Arme und küßt ihn heftig.
Lini. Omal, warum bist Du von uns gegangen?
Omal. Um Dich wieder frei zu machen, doch meine Mühe war unnütz, und dafür dank' ich den Göttern.
Valmont. O Alla-Moddin, Freund, itzt laß mich sprechen, und gewähre mir eine Bitte.
Alla-Moddin. Was kann Valmont bitten, und was kann ihm Alla-Moddin gewähren?
Valmont. Ich habe itzt Europa verlassen, und zwar auf ewig. – Eine grausame Tyrannei hält mein Vaterland in ehernen, vielleicht unzerbrechlichen Fesseln, ich kann nicht unter Menschen leben, die sich schämen Menschen zu sein; diese Herrscher und Knechte sind mir ein empörender Anblick, ich will unter freien Menschen gern ein Mensch sein, – in Europa darf ich es nicht, ich werde unterjocht, und soll andre unterjochen, ich mag kein Tyrann, aber auch kein Sklave sein, – wird es einst besser, dann kehre ich wieder zurück, bis dahin vergönne mir, dir nach Suhlu zu folgen. –
Alla-Moddin. O Freund, wie unaussprechlich glücklich machst Du mich! – Was meine kühnste Hoffnung nicht zu träumen wagte –
Valmont. Dort will ich an dem Busen der gütigen Natur leben, und wieder zum Kinde werden, ich will mit Euch pflanzen und säen, und an der Seite meiner neuen Brüder das Schwert gegen Suhlus Feinde führen, Dein Freund und Unterthan.
Alla-Moddin. Mein Freund, Amelni's und Lini's Freund – und wenn ich einst sterbe, ihr Vater.
Sie umarmen sich.